Freitag, 2. November 2007

Sex unter 18? 10 Jahre Gefängnis!

Die Absurditäten der christlichen Extremisten in den USA

Von Karl Weiss

Das Apellationsgericht von Atlanta hat nach vier Jahren die Strafe für Genarlow Wilson aufgehoben, der es gewagt hatte, bereits unter 18 Sex zu haben.

Hieronymus Bosch Der Garten der Lüste

Georgia, der US-Bundesstaat mit der Hauptstadt Atlanta, so etwas wie die Hauptstadt des Südens der USA, ist seit Jahren fest unter der Knute extremistischer republikanischer Christen, die, wie auch in anderen Bundestaaten, die Strafgesetzgebung nach und nach entsprechend ihren Moralvorstellungen umgestalten.

Absurd-hysterische Gesetze

Der junge Genarlow war dort vor vier Jahren zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er mit seiner zwei Jahre jüngeren Freundin Oralsex gemacht hatte. Diese Art absurd-hysterischer Gesetze wird über die EU jetzt auch versucht, Europa überzustülpen.

Genarlow hatte mit 17 Jahren eine Freundin, die 15 war. Beide hatten Oralsex und das war herausgekommen. Dies wurde laut einem damals neuen Gesetz als „Kindsmissbrauch“ geahndet, weil in vielen Staaten der USA – und nach einer Gesetzesvorlage der Bundesregierung bald auch in Deutschland – alle unter 18 als „Kinder“ definiert werden und damit der gesamte Bereich von Sex unter Gleichaltrigen, die unter 18 sind, unter „Kinderschändung“ fällt.

Hieronymus Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 17

Interessant die Frage, warum die junge Dame nicht auch wegen Kindsmissbrauch angeklagt wurde, da sie doch ebenfalls Oralsex mit einem 17-jährigen „Kind“ gemacht hatte.

Oralsex ist pervers

In Georgia, wie auch in anderen von den christlichen Extremisten gehaltenen US-Staaten (z.B. auch Michigan, also nicht nur Südstaaten; siehe den Fall in Michigan hier) kam noch die Besonderheit hinzu: Man hatte keine so schwere Bestrafung für „normalen“ Sex unter Minderjährigen vorgesehen, aber sehr wohl für angeblich perverse Abarten. Darunter fällt nach der Meinung christlich-extremistischer Spinner der Oralsex. Näheres hierzu in diesem Artikel.

Hätte Genarlow mit seiner Freundin nur Sex mit Penetration gemacht, wäre die Höchststrafe 12 Monate Gefängns gewesen. Auch bereits absurd, aber die christlichen Hysteriker sind erprobt darin, immer absurdere Strafbestände zu schaffen.

Keine vorzeitige Entlassung auf Bewährung

Nun hatte Genarlow in Erwartung von zwei Jahren abgebüsster Gefängnisstrafe zum ersten Mal die Möglichkeit, um eine vorzeitige Entlassung auf Bewährung zu bitten und tat dies. Doch der Staatsanwalt tat alles, um seine vorzeitige Entlassung zu verhindern. Auch er ist offensichtlich einer jener „wiedergetauften“ Christen vom Typ Bush, die sich als der wandelnde Wille Gottes auf Erden begreifen.

Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 18

Der junge Genarlow, verurteilt 2004, ist seit Dezember 2005 im Gefängnis. Sein Anwalt hat dann, da die vorzeitige Freilassung aussichtslos erschien, eine Revision des Verfahrens angestrengt.

Soeben ist die Entscheidung des Appelationsgerichtes mit 4 zu 3 Stimmen gefallen: Die Strafe für Genarlow wurde aufgehoben. Die Mehrheit argumentiert, die Tat von Genarlow sei zwar bestrafenswert gewesen, aber doch in der Schwere nicht mit dem Missbrauch eines Kindes durch einen Erwachsenen zu vergleichen. Die Minderheit dagegen bezog sich auf den zur Tatzeit geltenden Gesetzeswortlaut, der tatsächlich im Fall erschwerender Umstände eine Strafe von 10 Jahren vorsah. Als erschwerender Umstand wurde der Fakt des Oralsexes eingestuft.

Keine Freilassung

Wenn man meinte, Genarlow sei nun freigelassen worden, so irrte man. Im Fall von Aufhebung von Bestrafungen hat die Staatsanwaltschaft das Recht auf eine neue Verhandlung, wenn sie dies beantragt, was hier wohl erfolgen wird. Dann wird es von der Entscheidung eines weiteren Richters abhängen, ob Genarlow bis zu jenem Prozess in Freiheit kommt oder ihn im Gefängnis abwarten muss.

Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 2

Für Genarlow wird es einen riesigen Unterschied ausmachen, ob es bei der Aufhebung seiner Strafe bleibt oder ob er vorzeitig auf Bewährung entlassen wird, denn in den USA ist jeder rechtskräfteig wegen eines Sexualdeliktes Verurteilte sein Leben lang gebrandmarkt.

Lebenslängliche Brandmarkung

Er muss sich lebenslänglich mit seinem Aufenthaltsort melden und wird dann im Internet als „Sex Offender“ gebrandmarkt, mit Foto, Adresse und Benennung seiner Straftat (in diesem Fall „sexueller Angriff mit erschwerenden Umständen auf Minderjährige“).

Bosch, Garten der Lüste, Ausschnitt 7

Auch in Europa beginnen die Regierungen und speziell in Deutschland die christliche Union unter Frau Merkel bereits die ersten Gesetze dieser Art zu versuchen, heimlich, still und leise durch den Bundestag zu bringen. Die entsprechenden Artikel zu diesen Umtrieben sind die beiden Dossiers Verschärfung Sexualstrafrecht Teil 1 und Teil 2.

Zusatz zum Artikel (November 2008)

Mit Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 4. November 2008 ( hier: http://www.bgblportal.de/BGBL/bgbl1f/bgbl108s2149.pdf ) sind die wesentlichen Neuerungen dieses absurden Gesetzes nun Wirklichkeit in Deutschland geworden. Wie jeder weiss, hat keine Zeitung, kein Fernsehen, über die Verabschiedung berichtet. Man kann ohne Übertreibung sagen, es wurde heimlich durchgezogen. Dies vor allem, weil den einschlägigen Politikern natürlich klar war, was sie da beschlossen.

Das entscheidende ist, man hat nun Instrumente in der Hand, fast jeden beliebigen Menschen in Deutschland unter schwerste Anklagen zu stellen, die ihn der abscheulichsten Verbrechen anklagen, die man sich vorstellen kann („Kinderporno-Verbreitung“). Da die Regelung der „wirklichkeitsnahen Beschreibungen“, des neuen Kinderporno-Alters bis achtzehn und der Einbeziehung von Personen, die aussehen, als ob sie jünger wären, beschlossen wurden, ist nun fast jeder Porno auch gleich Kinderporno.

Man kann erwarten, dies wird keineswegs breit angewandt werden. Dazu haben die Staatsanwaltschaften auch keine Zeit noch Personal. Es geht darum, Material gegen Dissidenten zu haben. Kann man einen politischen Dissidenten mit einer Anklage wegen Kinderporno überziehen, ist er völlig unglaubwürdig geworden.



Veröffentlicht am 1. November 2007 in "Nachrichten - heute"

Originalartikel


Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zu hysterischen Kinderporno-Verfolgungen, christlich-extremistischen Absurditäten und Sexualstrafrechts-Verschärfungen:

- USA: Absurditäten des religiösen Extremismus

- Schnüffeln im Sexualleben der Bundesbürger

- ...promt ging die Sache in die Hose –Rasterfahndung hätte um ein Haar eine Firma gekostet

- Schon in den USA, bald auch bei uns – Gefängnis für Sex unter 18

- Die Zukunft der USA unter den extremistischen Christen

- Sex?? Gefängnis!!

- Operation Ore, Teil 1: Der grösste Polizei-, Justiz- und Medien-Skandal des neuen Jahrtausends

- Operation Ore, Teil 2: Die Berühmtheiten unter den Verdächtigten, die Rolle der Polizei

- Operation Ore, Teil 3: Die Rolle der Politik und der Medien

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 1

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 2

- Die Dossiers Verschärfung Sexualstrafrecht

- Schärferes Sexualstrafrecht soll Donnerstag durch den Bundestag

- Hurra! Sie haben es gestoppt

- Justiz im US-Bundesstaat New Jersey: Kein Internet für „Sex Offenders“


Zusatz zum Artikel (5.7.08)

Nur um einen ungefähren Eindruck zu geben, mit welcher Grössenordnung von Problem man in einem "normalen" Land zu rechnen hat, wenn Sex mit 15-jährigen Mädchen oder jüngeren auch dann als "Kinderschänden" bestraft wird, wenn es sich um einverständlichen Sex unter (fast ) Geichaltrigen handelt, hier eine aktuelle Zahl aus Brasilien:
Bei einer anonymen Umfrage mit repräsentativem Charakter wurden u.a. die Mädchen befragt, mit welchem Alter sie das erste mal Sex hatten (die Frage bezog sich dabei eindeutig auf "richtigen" Sex, also Penetration): Das Ergebnis: Schon mit 15 oder jünger hatten Sex 36% (in Worten: sechunddreissig) der Mädchen!

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