Sonntag, 6. Januar 2008

Halihalo, wir jagen – wir jagen sie um die Welt – wie es uns gefällt!

Der Wahlkampf ist eröffnet

Von Karl Weiss

Zwei Vorfälle von Auseinandersetzungen in München und Gelsenkirchen wurden in den letzten Tagen des Jahres von der Boulevardpresse und dann auch von der gesamten Massenmedien hochgejubelt, um darauf ein Süppchen von Volksverhetzung und Ausländerfeindlichkeit zu kochen. Speziell Politiker der CDU/CSU meldeten sich zu Wort und sparten nicht mit eindeutigen Worten. Die Reaktion der „Pawlowschen Hunde“ - automatisch und gewissermassen, ohne es zu wollen – funktioniert weiterhin: Die Umfrageergebnisse vor den Wahlen sind nicht gut, da lassen wir die Sau mit den Ausländern raus!

Die Tatsachen über die beiden Vorfälle sind dabei höchst zweideutig. Der Vorfall in einer Münchener U-Bahn-Station wurde von fast der ganzen Medien einhellig in etwa folgendermaßen dargstellt: Ein Münchner Rentner hätte zwei junge Leute in der U-Bahn in freundlichem Ton und ohne jede Aggressivität aufgefordert, das Rauchen einzustellen, da dies dort verboten ist. Als er ausstieg, seien die beiden, ein junger Grieche und ein junger Türke, ihm hinterhergelaufen und hätten ihn brutal zusammengeschlagen. Er habe „mehrere Schädelbrüche erlitten“. Nun, ein über 70-jähriger mit mehreren Schädelbrüchen, d.h. sie haben ihn totgeschlagen. Ein einfacher Schädelbruch ist in diesem Alter schon regelmässig das Todesurteil.

Tatsächlich sah dies nach einem schweren Verbrechen aus. Da machte es dann auch keinen Unterschied, als man einige Zeit später hörte, einige der Zeugen hätten von Schimpftiraden des Rentners mit ausländerfeindlichem Inhalt gegen die beiden Migrantenkinder berichtet und nicht von einer freundlichen Aufforderung, das Rauchen einzustellen.

Auf keinen Fall darf man aus solchen Gründen einen Rentner totschlagen!

Dann kam allerdings zwei Tage später die Nachricht, der Rentner sei aus dem Krankenhaus entlassen worden. Die gleichen bürgerlichen Massenmedien, die eben noch von mehreren Schädelbrüchen gesprochen hatten, berichteten nun plötzlich vom springlebendigen Rentner außerhalb des Krankenhauses ohne jegliche Dauerfolgen. Haben Sie von irgendwelchen Entschuldigungen dieser Medien bezüglich ihrer Falschmeldungen gehört?

Deutsche Massenmedien sind immer unfehlbar. Berichten sie einmal falsch, sind sie unschuldig daran – wie auch immer. Die Pflicht, selbst zu recherchieren und nicht nur die Aussagen wiederzugeben, ohne ausdrücklich zu erwähnen, dass diese Meldungen persönliche Angaben von Betroffenen und nicht bestätigt sind, all dies Handwerkszeug des verantwortungsbewußten Journalisten existiert nicht mehr, wenn es gilt, an die niedrigsten Instinkte im Menschen zu appellieren.

Die beiden Jugendlichen wurden ausfindig gemacht und sind bereits in Haft. Sie haben eine kriminelle Vorgeschichte, also auch nichts Ungewöhnliches. Jugendliche Delinquenten sind ja nun nicht gerade extrem selten in Deutschland. Nimmt man den Anteil von Ausländern unter den Jugendlichen ohne Ausbildung und mit abgebrochener Schulbildung, ist sie bei den Delinquenten proportional im Vergleich mit den Deutschen.

Ähnlich ist es mit dem zweiten Zwischenfall in Gelsenkirchen. Auch dort wird uns zuerst die Geschichte aufgetischt, junge Ausländer hätte einen älteren Deutschen mit Rufen „Scheiß-Deutscher“ zusammengeschlagen, ihn mit einen Messerstich verletzt und schließlich noch beraubt. Bereits nach kurzer Zeit stand allerdings fest: Es handelte sich um die Behauptungen des Betroffenen. In Wirklichkeit gab es eine handfeste Auseinandersetzung zwischen zwei Deutschen, von denen einer ausländische Vorfahren hatte. Zeugen haben nichts von „Scheiß-Deutscher“ gehört und den Raub nicht bestätigt. Wie der Betroffene zu einer Schnittverletzung kam, ist ungeklärt. Die beiden Versionen kam man hier vergleichen: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26961/1.html.

In Wirklichkeit also nichts weiter als alltägliche Streitereien, die zu handfesten Auseinandersetzungen ausarten. Die Frage von „Ausländern“ ist nicht oder bestenfalls im umgekehrten Sinne betroffen, wenn nämlich der Rentner einer jener Unbelehrbaren sein sollte.

In den darauffolgenden Tagen gab es erneut Auseinandersetzungen in der Münchner U-Bahn, die ebenfalls verletzte ältere Menschen in Auseinandersetzungen mit Jugendlichen beinhalteten, nur waren es keine ausländischen Jugendlichen! So wird klar, es gibt tatsächlich Probleme des Zusammenlebens mit Rücksichtnahme auf die anderen (kein Wunder, in einer Gesellschaft, die das rücksichtslose Bereichern als höchsten Wert hat), nur hat dies absolut nichts mit Ausländern zu tun!

Dies alles hätten sowohl Koch aus Hessen wie auch Beckstein aus Bayern, aber auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Kauder und der unvermeidliche Pofalla leicht in Erfahrung bringen können, wenn ihnen daran gelegen gewesen wäre.

Aber darum ging ja nicht. Es ging darum, die niedrigsten Instinkte so mancher Deutscher an die Oberfläche zu bringen und darauf Wahlkampf zu betreiben.

So reagierten sie auf die Gefahr, bei den Landtagswahlen zu verlieren, wie die Pawlowschen Hunde mit ausländerfeindlicher Hetze. Koch ging sogar so weit zu sagen, es gebe zu viele kriminelle ausländische Jugendliche in Deutschland. Womit er das belegen will, sagte er nicht, aber Politiker brauchen ja nie etwas zu belegen, nur Wahlen zu gewinnen.

Schließlich war Koch mit einer Kampagne für Unterschriften gegen den „Doppelpass“ Ministerpräsident in Hessen geworden. Damals hatten die rot-grüne Regierung eine Bestimmung einführen wollen, wie sie alle zivilisierten Länder der Welt haben, nämlich die Hinnahme von zwei Staatsbürgerschaften in bestimmten Fällen, wenn man dies auch offiziell nirgendwo speziell gut heißt.

Koch brauchte damals ein zündendes Wahlkampfthema und er fand es: An die niedrigen Instinkte bei manchen in Deutschland bezüglich Ausländern appellieren! Er begann eine Unterschriftensammlung gegen den „Doppelpass“ und gewann die Wahlen. Die Regierung gab klein bei und einigte sich auf einen international nie vorher gesehene Regelung, die es Ausländern nicht erlaubt, sich in Deutschland einzubürgern, auch wenn sie alle Voraussetzungen erfüllt haben, außer sie geben ihre frühere Staatsbürgerschaft auf.

Dies betraf vor allem die große Anzahl von in Deutschland geborenen Nachkommen von Türken, die nach internationalem Recht einen Anspruch auf Einbürgerung haben. Die Türkei hat nämlich aus Gründen des dortigen Nationalismus (auch dort das Appellieren an die niedrigsten Instinkte!) jedem, der seine türkische Staatsbürgerschaft aufgibt, den Verlust wichtiger Rechte auferlegt, zum Beispiel das Recht, von seinen türkischen Großeltern oder Eltern zu erben.

So sitzen die jungen Nachkommen von Türken in Deutschland in der Falle. In die Türkei können sie nicht – sie sprechen meistens nicht einmal akzentfrei türkisch, würden dort nur als Ausländer behandelt – so wie die Kurden zum Beispiel. In Deutschland werden sie aber auch nicht akzeptiert, sondern als Ausländer behandelt und von Leuten wie Koch mit dem „Kriminellen“-Stempel versehen. Selbst wenn sie nichts zu erben haben in der Türkei, werden sie sich drei Mal überlegen, ob sie die alleinige Staatsbürgerschaft eines Landes annehmen, in dem Leute wie Koch und Beckstein ungestraft hetzen dürfen. Diesen Jugendlichen ohne Ausweg dichtet Kauder dann noch ein „Hohngelächter“ an. Das kam doch wohl von seinen Parteifreunden und der Hohn war über die Wähler, die sich so leicht fangen ließen, oder?

Aber die türkisch-deutschen Jugendlichen sind den Kochs, Pofallas, Becksteins und Kauders natürlich auch völlig egal. Sie wollen die Wahlen gewinnen - und warum soll nicht erneut klappen, was schon einmal funktioniert hat. Dreckige braun-schwarze Süppchen, auf Höllenfeuer gekocht.

Besonders unglaublich wird das Ganze, wenn Koch dann noch die christlich-abendländische Kultur ins Spiel bringt, die in Deutschland zu befolgen sei. Dazu bemerkte Florian Rötzer in seinem Artikel in 'telepolis' (hier: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26961/1.html ) zu Recht, dass diese Kultur nach Koch wohl noch nicht die Werte der Aufklärung und des Humanismus erreicht hat.

Diese würden vielmehr eher einen wichtigen Politiker, der Ressentiments gegen Ausländer schürt, zum Insassen der „Erziehungs-Camps“ machen, die von der CDU/CSU bereits gefordert werden. Ob dann wohl „Arbeit macht frei“ über dem Tor zum Camp stehen wird?

Nein, die Entfernung zu Faschisten gibt es noch, aber sie ist gering. Schon hat die NPD in München zu einem ‚Marsch gegen Inländerfeindlichkeit’ aufgerufen, mit den gleichen Losungen wie Koch! Noch jemand, der sein braunes Süppchen kochen will.

Woher sollen eigentlich unsere jungen Leute ohne Ausbildungsplatz Respekt vor den Älteren lernen? Von den großen Vorbildern, den Super-Managern der Großkonzerne, die soeben die letzten paar über 50 aus ihren Konzernen hinausgesäubert haben, weil sie, wie Parteifreund Oettinger bemerkte, „Minderleister“ seien? Hunderttausende von Älteren an Hartz IV übergeben, in Armut, vielleicht Depression und Einsamkeit entlassen, und ihnen dann eventuell noch eingeredet, es seien die Ausländer gewesen, die ihnen den Arbeitsplatz weggenommen hätten.

Hat irgendjemand gehört, diese Konzernmanager, Freunde von Pofalla, Koch, Kauder und Beckstein – oder jedenfalls Freunde ihrer Politik -, seien in Untersuchungshaft für diese Taten, nur um ihren Konzernprofit noch ein wenig mehr zu erhöhen? Was wäre nach Ihrer Meinung, lieber Leser, verurteilenswerter, einen einzelnen Rentner krankenhausreif schlagen oder die hunderttausendfachen Taten der Konzernmanager?

Sie haben Recht, das darf man nicht gegeneinander ausspielen. Beides ist verabscheuenswert.

Welche Werte werden unseren jungen Leuten vermittelt, wenn ein Politiker in Frankreich erklärt, das „Gesindel“ in Pariser Vorstädten müsse mit dem Hochdruckreiniger hinweggereinigt werden und kurz danach zum Präsident gewählt wird, statt wegen Volksverhetzung in Haft zu sitzen? Was wird man denn mit dem „Gesindel“ machen, wenn man es es weggereinigt hat? Weit, weit nach Süden schwappen lassen und dann um die ganze Welt jagen?

„Halihalo, wir jagen, wir jagen sie um die Welt – wie es uns gefällt!“

Auch für Kauder, Beckstein, Pofalla oder Koch gibt es keine Gefängniszelle. Aber vielleicht wird ihre Rechnung diesmal nicht aufgehen, denn die Gesellschaft in Deutschland ist in einer deutlichen Bewegung nach links und die Zahl der Wähler, die mit diesen ach wie so christlichen Hetzereien der christlichen Politiker eingefangen werden können, wird immer kleiner.


Veröffentlicht am 5. Januar 2008 in "Nachrichten - heute"

Originalartikel


Reaktion auf diesen Artikel in einem vielgelesenen Blog

http://annewill.blog.ndr.de/2008/01/05/gibt-es-diese-woche-keinen-blog


"A. Clark
6. Januar 2008 22:48 Uhr

Salü liebe Redaktion und Forum!
Vorweg: Ich bin absolut gegen Gewalt!
Jedoch ist mir erneut aufgefallen, dass auch in diesem Fall nicht nur von versch. Parteien der Vorfall auf das Übelste als Wahlkampfthema genutzt wird, sondern auch von fast allen Medien eine einseitige Berichterstattung erfolgt ist. Man spricht und schreibt, der Mann in der Münchener U-Bahn wurde fast totgeschlagen. Er habe mehrere Schädelbrüche erlitten. Wenn dem so ist, ist das schrecklich, HORROR und einfach ohne Worte.
Meine eigenen Recherchen ergeben jedoch ein anderes Bild.
Nur ein Beispiel hier: http://karlweiss.twoday.net/stories/4587468/
Von dem wirklichen Ausmaß dieser Gewalttat mal abgesehen.
M.E. helfen keine Lager und auch keine verschärften Strafen. Dies hat auch der deutsche Richterbund in der vergangenen Woche mitgeteilt. Geltendes Recht muss konsequenter angewendet werden.


Antwort:

Karl Klasen
6. Januar 2008 23:12 Uhr

A. Clark
Sie zitieren hier einen Link zu einem üblen Blog, einem der zahlreichen, in denen die Verbrechen der Al Kaida den Amerikanern in die Schuhe geschoben werden soll. Wahrscheinlich wird dier Blog in deren Auftrag betrieben. Sie sollten nicht auf alles reinfallen, was sie in irgenwelchen Blogs lesen. Nicht erst seit heute wissen die Islamisten das Internet für ihre Zwecke, und Falschbehauptungen und Verschwörungstheorien gehört in großem Maße dazu, perfekt nutzen.

Auch er erhält eine Antwort:

A. Clark
6. Januar 2008 23:57 Uhr

@Karl Klasen
Vielen Dank für den Hinweis.
Ich habe das Blog heute erst entdeckt. Ich bin immer sehr kritisch, was Blogs aber auch die Berichterstattung der sogenannten Massenmedien betrifft. Die anderen Nachrichten in diesem besagten Blog haben jedoch nachweislich einen hohen Wahrheitsgehalt (z.B. Operation Ore). Ich werde mit Absicht keine weiteren Links aus diesem Blog hier posten, da ich diese Thematik erst weiter gegenrecherchieren möchte. "

Kommentar von Karl Weiss:

Nun lieber Leser, nun wissen Sie, Sie sind hier auf einem üblen Blog, der (wahrscheinlich) im Auftrag von Al Kaida betrieben wird. Aber wie sagt der Mann, der bei Anderen "Falschbehauptungen" sieht, so richtig: "Sie sollten nicht auf alles reinfallen...". Hätte der "Karl Klasen" einmal die Artikel über Al Quaida in diesem Blog gelesen, so wüsste er, wie negativ ich über diese Leute spreche, ich bringe sie sogar unmittelbar mit dem Massenmörder Bush in Zusammenhang, zum Beispiel hier: http://karlweiss.twoday.net/stories/4569737/ . Aber warum sollte man sich zuerst informieren und dann erst posten? Immer frech darauf los behauptet! So machen wir das Internet zu einem wahren Hort der Weisheit!

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