Samstag, 27. Dezember 2008

Die Realität hinter dem Nebelschleier ...

...des „Rechtsstaates“: Der Fall Zumwinkel

Von Karl Weiss

Ab und zu lüftet sich der Nebelschleier, der über dem Rechtssystem im Kapitalismus wabert und „Rechtsstaat“ heißt. Zwar gibt es auch auch gerechte Verfahren, aber das war auch in der Sklavenhaltergesellschaft und im Feudalismus so. Interessant wird es immer, wenn einer der Herrschenden eine Straftat begangen hat und angeklagt wird (oder eben auch nicht). So wird der Fall Zumwinkel zum Menetekel an der Wand des angeblichen Rechtsstaates.

Zumwinkel, damals Chef der privatisierten ehemaligen Bundespost, wollte seine Millioneneinnahmen natürlich nicht voll versteuern – so wie alle Superreichen – und versteckte dementsprechend das Geld auf den bekannten Konten Liechtensteiner Banken, was für alle mit viel Geld Standard-Vorgehen ist. (Der Gerechtigkeit halber sei angemerkt, Liechtenstein ist keineswegs der einzige „sichere Hafen“ für Geld, das „der Aufmerksamkeit der Steuerbehörden entzogen“ wurde, da gibt es auch noch die Cayman-Inseln, die britischen Kanalinseln, die Bahamas und viele, viele andere Steuerparadiese.)

Diese Tatsache - die Superreichen entziehen fast all ihre Einnahmen dem Zugriff des Fiskus - ist Allgemeingut oder anders ausgedrückt: Jeder einigermaßen Informierte weiss das. Das trifft natürlich auch auf alle Staatsanwälte zu. Da Steuerhinterziehung – im Millionenbereich – eine mit Gefängnis bedrohte Straftat ist, hätten sie also aktiv werden müssen, um die Steuersünder – wie sie sich gerne verharmlosend bezeichnen lassen – zu fassen und die Lecks zu stopfen. Aber wie wir alle wissen, gab es praktisch nie Hinterziehungsverfahren gegen Mitglieder der herrschenden Klasse – lediglich Prominente , die nicht zu den Herrschenden gehören, wurden verfolgt, wie die Tennisspieler Steffi Graf und Boris Becker.

Kurz – im Kapitalismus herrschen die gleichen Regeln wie in den früheren Klassengesellschaften Sklavenhaltergesellschaft und Feudalismus: Die Herrschenden werden nicht der strafenden Hand des Gesetzes ausgesetzt. Das gilt für Steuerhinterziehung und auch für andere Straftaten, wie die Freisprüche oder faktischen Freisprüche für Graf Lambsdorff, Kohl, Esser, Ackermann, Strauss Junior und Hartz gezeigt haben.

Nun gibt es aber in Bochum eine leitende Staatsanwältin, Frau Lichtinghagen, die plötzlich einen Anfall von Rechtsempfinden bekam und hinter den Geldabflüssen in Steueroasen her ging. Interessant, dass es wiederum eine Frau ist, wenn Mut gefordert ist. Sie musste im Grunde wissen, sie würde dies bitter büßen müssen, denn all die Tausende von Staatsanwälten, die bewusst nicht tätig werden auf diesem Gebiet, wissen schließlich warum. Wie auch immer, Frau Lichtinghagen, die einzige mutige Person unter allen Staatsanwälten Deutschlands, ließ den Geldabflüssen auf jene Liechtensteiner Konten hinterher spüren, wurde fündig und klagte Zumwinkel und andere deutsche Superreiche an.

Eine Zeit lang schien dies auch gut zu gehen. Die Prozesse gegen eine gute Zahl von „hochherrschaftlichen“ Steuerhinterzieher fanden weithin Aufmerksamkeit. Doch jene Leute, die eben in Wirklichkeit herrschen, haben natürlich ihre Handlanger an den entsprechenden Schaltknöpfen, die ihnen solche „Lästigkeiten“ vom Halse halten.

Die erste entsprechende Information kam bereits vor drei Wochen, als bekannt wurde, ein Amtsrichter hatte „vergessen“, rechtzeitig Anklage zu erheben. Dadurch sei ein wesentlicher Teil des Zumwinkel-Hinterzugs verjährt und er könne nicht mehr zu Gefängnisstrafe verurteilt werden.

Dann kam die nächste Information: Frau Lichtinghagen sei angeklagt: Sie hätte bei der Auswahl von gemeinnützigen Organisationen „gemauschelt“, denen Geldstrafen zukommen gelassen wurden. Es blieb bei dieser allgemeinen Erwähnung, niemand konkretisierte, was man ihr eigentlich vorwarf und inzwischen ist klar, es gibt überhaupt keine Fehlverhalten von Frau Lichtinghagen. In Wirklichkeit hatten die Herrschenden ihr Verbindungen „spielen lassen“ und es begann ein Mobbing gegen Frau Lichtinghagen.

Es gibt überhaupt keine Regelungen für die Auswahl von gemeinnützigen Organisationen, denen Geldstrafen zukommen. Sie ist vollständig den Staatsanwälten und Richtern überlassen, die meistens dem Vorschlag der Staatsanwälte folgen. Dass irgendeine der Organisationen, die Frau Lichtinghagen vorschlug, etwa nicht gemeinnützig gewesen sei, hat nicht einmal jemand behauptet.

Es wurde gemobbt auf Teufel komm raus und ihre Vorgesetzten, ein Oberstaatsanwalt in Hamm und vor allem der nordrhein-westfälischen Justizminister, der in diesem Fall eine Ministerin ist mit dem Namen Müller-Piepenkötter, nahmen sie nicht nur nicht in Schutz, sondern schienen dahinter zu stecken. Nun ja, „christliche“ Regierung, was hatten Sie da erwartet?

Die „Financial Times Deutschland“ (FTD) drückt dies so aus:

„Steuerfahnder, mit denen Lichtinghagen eng zusammenarbeitet, und Mitarbeiter der Behörde sahen in der Schlammschlacht um die engagierte Staatsanwältin den Versuch, sie aus dem Amt zu drängen. Bereits zuvor hatte es geheißen, die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Bochum wolle die noch ausstehenden Ermittlungen abgeben. Mitarbeiter der Behörde hatten gegenüber der FTD von einer "Führung des Mobbings" bei der Behörde gesprochen. Kritische Mitarbeiter würden konsequent gemobbt, von "Leichen im Keller" war die Rede, von Kungeleien.“

Nun, man hat es geschafft: Frau Lichtinghagen ist enerviert und sagte, sie stimme jeglicher Lösung zu, wenn sie nicht wieder in jene Behörde müsse. Die Justizministerin verkündete nun, Frau Lichtinghagen wolle sich freiwillig versetzten lassen an ein kleines Amtsgericht.

Jeder kann sich ausmalen, wie die Prozesse gegen die Steuerhinterzieher nun weiter gehen. Wie üblich wird man die Verfahren gegen Geldstrafe einstellen oder nur Geldstrafen verteilen, die für die Betroffenen „peanuts“ sein werden. Den Film kennen wir, alle haben ihn schon gesehen.

Allerdings wird die deutsche Bevölkerung nun immer kritischer gegenüber diesen „Weisswaschungen“. Bei der Umfrage der FTD mit der Frage „Wie beurteilen Sie das Ausscheiden der leitenden Staatsanwältin in der Liechtensteiner Steueraffäre?“, antworteten 80% „empörend“. Die anderen Möglichkeiten waren „verständlich“ und „bedauerlich“.

Der Rettungs-Plan

Langsam aber sicher taucht die Wahrheit aus den Nebelschwaden des Poltiker-Gesabberes auf: Wir leben in keiner Demokratie, sondern in der Diktator des großen Kapitals in den Vorstandsetagen und Besitzervillen von Banken und Unternehmen. Sie ordnen an, wann der Steuerzahler ihnen 400 Milliarden Euro zur Rettung ihrer Banken zu übergeben hat und wann eine Staatsanwältin zu „entsorgen“ ist.


Veröffentlicht am 24. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

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