Dienstag, 5. Mai 2009

Deutschland und High-Tech passen nicht zusammen!?

'Shareholder-Value' führt zum Desaster

Von Karl Weiss

Es war schon vor dem Ausbruch der multiplen Krise ein Schwachpunkt, aber nun hat sich der deutsche Anteil an den High-Tech-Exporten auf der Welt noch weiter verringert. Während China die USA (16,3%) als Welt-Leader überholt hat und nun für 19,1% der Welt-High-Tech-Exporte verantwortlich zeichnet, fiel Deutschland auf lediglich 1,1% zurück. Von den Europäischen High-Tech-Exporten, die sowieso nur 14,6% des Weltmarktes ausmachen, fallen auf Deutschland gerade mal 7,7%!

Scheinbar hat Deutschland sich entschieden, auf dem High-Tech-Sektor (Elektronik, Informatik, Datenverarbeitung usw.) nicht präsent zu sein. Hat Deutschland das wirklich entschieden? Vor welchen Wahlen haben welche Parteien dies auf ihr Banner gehoben und wurden gewählt? Nun, das geschah nie. Diese Entscheidungen wurden vielmehr von Konzernlenkern getroffen, die statt Deutschland entscheiden. Das nennt man Diktatur.

Anteile an Weltextport von Hightech

Die Märkte, so wurde uns von unseren schlauen Politikern immer wieder ins Ohr geblasen, lösen alle Probleme, man muss sie nur frei wirken lassen und sich jedes Eingriffs enthalten. Nun, die Märkte haben Deutschland abgehängt. Warum? Sind deutsche Köpfe weniger einfallsreich als chinesische? Natürlich nicht!

Was also hat den deutschen Ausstieg aus der High-Tech-Welt verursacht? Die Märkte! Die Märkte in Form von Entscheidungen grosser Unternehmen, die desaströs waren. Theoretisch müssten sich nach der Theorie der Apologeten des Kapitalismus alle Marktteilnehmer extrem vernünftig verhalten und alle Aspekte einer Entscheidung erwägen, bevor entschieden wird. In Wirklichkeit sind es mehr oder weniger schlaue Konzern-Lenker, die solche Entscheidungen treffen.

Deutschland war eigentlich gar nicht so schlecht aufgestellt für den Kampf um die Weltmärkte in der High-Tech-Welt. Jeder, der in den Siebziger Jahren z.B. ein wenig Köpfchen hatte, konnte vorhersehen, dies würde ein neues Riesengeschäft werden.

In der Unterhaltungselektronik z.B. war Deutschland eine Weltmacht. Da gab es Grundig, gab AEG und Telefunken, die dann zusammen gingen und gab noch eine Anzahl anderer wie Loewe etc. Doch all das wurde verspielt. Der Herr Grundig z.B. war einer jener typischen deutschen Konzernlenker, wie sie auch in anderen Branchen üblich sind: Überheblich mit Anflügen von Grössenwahn, verträgt keine Kritik, Selbstkritik existiert nicht, umgibt sich mit Speichelleckern, mobbt oder entlässt jeden selbständig Denkenden und steht schliesslich vor dem Scheiterhaufen seines Unvermögens: Die Firma geht den Bach hinunter und er sucht immer noch bei anderen die Schuld.

Diese Beschreibung, die sich auf Herrn Grundig bezog, kann man fotokopieren und auf andere bekannte Konzernlenker in Deutschland anwenden und muss kein Wort ändern: Da gab es einmal einen Herrn Borgward, der eine ganz Autofabrik gegen die Wand fuhr, dann einen Herrn Schlieker, bei dem es eine Werft war. Doch auch in letzter Zeit haben wir Beispiele. Der Herr Merkle z.B., der die ‚ratiopharm’ zu einem Konzern machte und dann eigenhändig in den Abgrund steuerte. Er brachte es sogar fertig, sich anschliessend vor einen Zug zu werfen – das war erst vor einer Anzahl von Wochen.

Das beste Beispiel aus anderen Industriezweigen, das wir im Moment bewundern können: Frau Schaeffler, die Witwe eines Konzernlenkers und Besitzerin einer grossen deutschen Industrie-Gruppe für Kugellager und Autoteile.

Sie hat alle Rekorde an Ignoranz gebrochen und tut es weiterhin: Zuerst glaubte sie, ohne Schwierigkeiten die weit grössere Continental-Gruppe schlucken zu können, den letzten verbliebenen wesentlichen deutschen Reifenhersteller, der sich inzwischen auch schon mit anderen Auto-Teilen diversifiziert hatte. Jeder vernünftige Ratgeber hätte sie dringend davor gewarnt, denn dies war nur mit unsinnig riskanten Bankkrediten möglich, welche die Banken zwar gaben (um 25% Gewinn über Kapital zu erreichen), aber zugleich als „Junk“, also als Abfall angesehen werden mussten.

Aber da waren natürlich keine vernünftigen Ratgeber, nur Ja-Sager, die sie in ihrer Umgebung duldete. Stattdessen hielt sie sich Politiker der „christlichen“ Parteien als Schosshündchen. Als die Finanzkrise begann, die Wirtschaftskrise abrupt zu beschleunigen, waren die Schäffler-Gruppe (und auch Continental) unter den ersten und am heftigsten Leidtragenden. Umsatzeinbrüche führten zu Verlusten und die benötigten Bankkredite waren zu normalen Bedingungen nicht mehr zu erhalten.

Doch nun entblödete sie sich nicht, Staatshilfe für ihre angeschlagene Doppel-Gruppe zu fordern und einen der ihr „nahestehenden“ Politiker dafür einzusetzen. Der damalige Wirtschaftsminister Glos von der CSU erklärte bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, man müsse der Schaeffler-Gruppe mit Steuergelder-Milliarden helfen, „weil da so viele Arbeitsplätze auf dem Spiel stünden“, ohne zunächst das Ausschöpfen ihres auf viele Milliarden geschätzten Vermögens zu fordern. Glos bestand so intensiv darauf, dass man ihm den Rücktritt nahelegen musste – den er dann schliesslich auch bekanntgab.

Währenddessen trat Frau Schaeffler in Davos in einem Hundertausend-Euro-Pelz auf, was ganz zweifelsfrei ihre genaue Kenntnis von Angemessenheit belegt. Sie wiederholte damit allerdings nur die Attitude der Detroiter Autokonzernlenker, die zum ersten Hearing über ihre Bitten nach Steuerzahlermilliarden in Washington mit dem Privatjet anreisten.

Inzwischen hat sich die Situation bei Schaeffler/Continental so zugespitzt, dass Frau Schäffler sich auf einer Aktionärsversammlung, dem einzigen Ort, an dem deutsche Konzernlenker noch mit (Teilen) der Wahrheit konfrontiert werden, von einem Fachmann hören musste, wahrscheinlich seinen schon beide Gruppen nicht mehr zu retten und sie sei nur Chefin von Nichts.

Doch - wie wir unten noch sehen werden - die oben Herrn Grundig zugeschriebenen Eigenschaften sind nicht nur unter Familien-Firmen-Chefs verbreitet, sondern genauso unter Chefs von Aktiengesellschaften, denn dorthin kommt man im wesentlichen, weil man besser intrigieren und antichambrieren kann als andere.

Nun aber zurück zum High-Tech-Sektor: Auch auf dem Gebiet von Computern, Computerteilen, Gadgets, Datenverarbeitung im allgemeinen und Software war Deutschland damals keineswegs schlecht gestellt. Speziell einer der grössten deutschen Konzerne, Siemens, schien prädestiniert dafür, ein grosser Spieler auf diesem Feld zu werden. Man hatte Chip-Herstellung, Herstellung anderer Computercomponenten, man kaufte den Paderborner Computer- und Software-Spezialisten Nixdorf, man hatte eine eigene Handy-Firma, die unter den weltweit Führenden war und vor allem, man hatte an einer Reihe von Standorten in Deutschland und ausserhalb Teams von hochspezialisierten Fachleuten auf diesem Gebiet.

Doch die jeweiligen Chefs von Siemens hatten, wie fast alle anderen Konzernchefs, die 3-Monate-Krankheit: Das einzige, was interessiert, ist der Profit der nächsten drei Monate und damit die Vorausschau auf die Dividende und damit die Attraktivität der Aktie. Diese Irrsinnspolitik (selbst einer ihrer heftigster Verfechter in der Vergangenheit, der CEO der General Electric in den USA, musste nun zugeben, es war eine schädliche, unsinnige Politik) lief unter dem Namen „Shareholder-Value“. Sie war einer der wesentlichsten Komponenten dessen, was weltweit einen verschärften Konkurrenzkampf um die Märkte hervorgerufen hatte und was „Globalisierung“ genannt wurde und was die Hauptursache der sich gegenwärtig verbreitenden Krise war.

Sie beinhaltete für alle grossen Konzerne, sich auf die profitabelsten ihrer Arbeitsgebiete zu konzentrieren und alle anderen zu verkaufen oder auszulagern. So haben zum Beispiel die meisten Chemie-Konzerne, soweit sie ausreichend grosse Pharma- und/oder Biotechnik-Sparten und/oder Agro-Business-Sparten hatten, sich auf diese konzentriert und sonstige Geschäfte, vor allem die eigentliche Chemie, verkauft oder ausgelagert. Das trifft zum Beispiel auf Bayer zu, auf die Hoechst (die inzwischen schon vom französischen Rivalen geschluckt wurde und völlig vom Markt verschwand), auf die damalige Ciba-Geigy und auf Hoffmann-LaRoche.

Und so handelte Siemens unter Löscher, Vorgänger Kleinfeld oder Vorgänger von Pierer etc. etc.: Die traditionellen Arbeitsgebiete von Siemens wie Industrietechnik, Militärtechnik, Kraftwerkstechnik und Medizintechnik wurden als die profitabelsten zum „Kerngeschäft“, während High-Tech, das immer noch einen sehr kompetitiven Markt hat und daher keine höchsten Erträge hervorbingt, zum Aussterben verurteilt wurde: Man lagerte aus, wie Infineon und als Sekundär-Auslagerung Quimonda, die vor einem Monat pleite ging, man brachte in Joint-Ventures ein, was am Ende immer auf den Verkauf oder sogar die völlige Schliessen hinauslief wie bei den Siemens-Handys, die zu Ben-Q wurden und dann ganz schlossen, wie Fujitsu-Siemens-Computer, in das man zuerst die Computersparte zu einem Joint-Venture mit der japanischen Fujitsu-Gruppe einbrachte und jetzt – Meldung vom 3.5.09 - für einen Pappenstiel ganz den Japaner in den Rachen warf, oder man schloss gleich selbst.

So blieb nur ein erwähnenswerter Spieler auf dem High-Tech-Feld in Deutschland: SAP, das Firmensoftware anbietet.

Bemerkenswert: Die Quimonda hatte kurz bevor sie pleite ging, einen zukunftsweisenden Chip entwickelt, der weit weniger Energie benötigt als konventionelle, aber so oder so ging die Firma pleite – egal ob sie über dringend von der Menscheit benötigte Technik verfügt oder nicht.

Zur Meldung der Übergabe der letzten erwähnenswerten Computer-Produktion in Deutschland an die Japaner von Fujitsu schreibt ein Leser in FAZ.net am 3.5.09 folgendes:

„So verabschiedet sich Deutschland auf seinem steten Weg zum Entwicklungsland Schritt um Schritt von seiner Position als Hightech-Nation. Der Computer wurde hierzulande erfunden, künftig müssen wir alle importieren. Das erste Fernsehprogramm der Welt lief in Deutschland. Können Deutsche heute überhaupt noch einen Flachbildschirm bauen? Hier flogen auch die ersten Düsenjets, und die amerikanischen Weltraumraketen sind Abkömmlinge der V2 (ja, es ist tatsächlich so). Beim Bau des Airbus' liegt der Hightech-Bereich bei den Engländern und Franzosen, offensichtlich völlig zu Recht. Die legendäre Fototechnik, der Wankelmotor und ... und... und. Alles das machen jetzt Japaner, Koreaner, Chinesen und natürlich die Amerikaner, die nicht daran denken, sich aufzugeben. Dass wir unter den Industrienationen im Bereich der Schulausbildung und der Kinderarmut beschämende Plätze einnehmen und die Unis nicht mehr Weltspitze sind, ist bekannt. Aber, alles nicht so wichtig. Was wirklich interessiert, sind die Polit-Provinzpossen in Hessen, Bayern und Berlin.“

Dabei ist es dann besonders interessant, dass die Produkte der Kerngeschäfte von Siemens fast vollständig an öffentliche Kunden, also Staaten oder Länder oder andere öffentliche Verwaltungen gehen, was zum bekannten Siemens-Skandal geführt hatte: In zig Ländern auf der Welt hat Siemens offenbar mit Bestechung die Aufträge eingesackt und dabei auch reihenweise Gesetze gebrochen. Wenn nun klar ist, dass diese Kerngeschäfts-Bereiche nicht mehr so gut laufen werden, weil man nun nicht mehr ganz zu unverfroren mit Korruption weitermachen kann, so wäre ein Umdenken eigentlich angebracht. Aber erst im März hat man sich vom verbliebenen Anteil an Infineon getrennt und, wie gesagt, die Bekanntgabe der Siemens-Entscheidung, sich endgültig vom Computergeschäft zu trennen, ist vom 3.5.09. Man ist also weiterhin auf dem Shareholder-Value-Trip, man lernt einfach nicht dazu.

So wird denn mit diesen Siemens-Vorstandsvorsitzenden in langer Reihe deutlich: das Problem liegt nicht darin, dass bei Familienunternehmen jemand zum neuen Chef wird, der sich ausschliesslich dadurch auszeichnet, jemandes Sohn oder Tochter zu sein, oder jemand Richtigen geheiratet zu haben, das Problem liegt im System: Eine dem Zwang zu kurzfristigem Profit unterworfene kapitalistische Firma kann nicht im Interesse der Bevölkerung handeln, selbst wenn die Person an der Spitze es wollte.

Das kapitalistische System muss weg! Erst wenn wir, das Volk selbst, die wesentlichen Entscheidungen der Fabriken fällen, kann im Sinne der Bevölkerung produziert und gewirtschaftet werden.


Veröffentlicht am 5. Mai 2009 in der Berliner Umschau

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