Samstag, 21. November 2009

Fast keine faschistischen Kriegsverbrecher verurteilt

Die andere Seite der Medaille

Von Karl Weiss

6. Artikel der Serie: Ältere Artikel im Blog, die weiterhin Bedeutung haben

Wir haben begonnen, hier im Blog 'Karl Weiss - Journalismus' Artikel aus früheren Jahren in unregelmässigen Abständen erneut einzustellen, wenn sie weiterhin von Bedeutung sind. Wir wollen uns als Bürgerjournalisten ja vom Medien-Mainstream unterscheiden, der eine Sau nach der anderen durchs Dorf jagt und dann nie wieder erwähnt. Heute wiederholen wir diesen Artikel vom 8. März 2006 (mit kleinen Verbesserungen), der aktuell wie nie ist, denn weiterhin ist das gesamte Rechtssystem der Bundesrepublik auf einer gigantischen Ungerechtigkeit basiert, auf der Nichtverfolgung der faschistischen Kriegsverbrecher. Dies macht den Staat Bundesrepublik schon allein deshalb zu einem Unrechtsstaat

Adenauer und Globke
Globke (rechts), hier mit Adenauer, war der wichtigste Interpret des Hitler-Regimes für die berüchigten Nürnberger Rassengesetze und damit der Haupt-Schreibtischverbrecher der Nazi-Zeit. Er wurde von Adenauer zum Staatssekretär gemacht und brachte sich nie für seine juristischen Untaten zu verantworten.

Am 4.3.06 meldete die Berliner Umschau, daß das Bundesverfassungsgericht endgültig die Ansprüche auf Entschädigungen von Überlebenden des Massakers von deutschen faschistischen Horden im griechischen Distomo während des 2. Weltkrieges abgelehnt hat. Allerdings wurde nur die eine Seite angesprochen, die formalrechtliche. Das BVG blieb innerhalb seiner bereits früher gezeigten Rechtsauffassung. Es soll aber auch noch die andere Seite gezeigt werden, die Fragwürdigkeit dieser Rechtssprechung.

Es war gleich nach der Gründung der Bundesrepublik, als alles darauf ausgerichtet war, daß dieser neue Staat die Speerspitze im antikommunistischen Kampf gegen die damals noch sozialistische Sowjetunion werden sollte. Was man nicht brauchen konnte, waren Blicke zurück auf die entsetzliche faschistische Herrschaft, Aufarbeitung von Verbrechen, Verurteilung deutscher Verbrecher. Es wurde, zusammen mit den Tätern, ein unausgesprochenes Bündnis der Mehrheit der neuen Bundesbürger mit ihrer Regierung getroffen, all dies nun ruhen zu lassen und nicht mehr dran zu rühren. Eine übergroße Mehrheit der deutschen Bevölkerung, zu Tode erschreckt durch die Thesen der Kollektivschuld, brauchte nicht erst überzeugt zu werden, damit einverstanden zu sein.

Da gab es nun nur ein kleines, winziges Problemchen. Man hatte im Bereich von 200.000 bis 300.000 deutsche Schwerverbrecher aus der faschistischen Zeit in der Bundesrepublik leben, die eigentlich abzuurteilen waren. Zwar hatten die US-Behörden bereits die Freundlichkeit besessen, die wichtigsten Verbrecher über Italien mit Schiffen nach Südamerika zu bringen, zwar hatten sie außerdem bereits im Nürnberger Tribunal wenige Tausend verurteilt und später fast alle begnadigt (soweit sie nicht hingerichtet worden waren), so daß man diese alle bereits nicht mehr als "Problem" hatte, aber die Zahl derer, die als Verbrecher bekannt waren und in der BRD lebten, war immer noch immens. Es handelte sich u.a. um fast die gesamte Gestapo, um große Teile der SS und schließlich auch um wesentliche Teile der Kriegstruppen des faschistischen Staates. Damals war zwar der wahre Umfang der Kriegsverbrechen der Wehrmacht noch nicht bekannt, aber es waren doch zumindest die großen Massaker bekannt, die durch Wehrmachstangehörige durchgeführt wurden.

In ganz Europa (wie auch in der damaligen DDR) wurden faschistische Verbrecher abgeurteilt, nur in der Bundesrepublik so gut wie nicht. Der sicherste Ort in ganz Europa für einen Schwerverbrecher aus der faschistischen Zwangsherrschaft war die Bundesrepublik Deutschland. Obwohl die bei weitem grösste Anzahl dieser Verbrecher hier lebten, wurden in den anderen Ländern Europas mehr Personen für faschistische Verbrechen verurteilt als im Westen Deutschlands.

Es wäre eine völlig unwillkommene Ablenkung von den antikommunistischen Tagesaufgaben gewesen, hätte man alle diese Prozesse durchgeführt. So war es notwendig, ein rechtliches Instrument zu schaffen, das dies erübrigte. Gesagt, getan. Das oberste deutsche Gericht erfand zu diesem Zweck eine rechtliche Konstruktion, die fast alle Kriegsverbrecher von Schuld freisprach. Sie lautete in etwa folgendermassen:

Zur Zeit des deutschen Faschismus habe es noch keine Deklaration der Menschenrechte und über Kriegsverbrechen der UNO gegeben. Die deutschen Gesetze zur Zeit des Faschismus hätten aber die verschiedenen Kriegsverbrechen gar nicht sanktioniert, so daß diese in einem gewissermaßen rechtsfreien Raum begangen wurden. Der Rechtsgrundsatz, daß man nur für etwas verurteilt werden kann, was zum Tatzeitpunkt am Tatort bekanntermaßen verboten war, sei absolut.

Auch dies reichte noch nicht aus, jegliche Anklagen fallenzulassen. Es gab ja den normalen Mordparagraphen, der in anderen Ländern in diesen Fällen herangezogen wurde. So mußte man zusätzlich noch eine extreme Auslegung des Befehlnotstandes gelten lassen, so daß alle, die nicht selbst zu den obersten Befehlshabern gehörten, sich schon damit allein automatisch von den Anklagen befreien konnten. Angeblich seien alle Untergebenen, die sich weigerten, an Erschiessungen und anderen Mordtaten gegen die Zivilbevölkerung oder KZ-Insassen teilzunehmen, immer sofort selbst erschossen worden. Später stellte ich aber heraus, dass dies nicht stimmte. So sehr das faschisische Hitler-Regime ein Mord-, Unrechts-, Willkür- und strafrechtlich pervertiertes System war; wer sich solchen Einsätzen verweigerte, hatte in der Regel nicht um Leib und Leben zu fürchten.

Innerhalb kurzer Zeit waren fast alle Verfahren eingestellt. Soweit es doch einmal zu welchen kam, gab es fast immer Freisprüche. Die obersten Befehlshaber waren fast alle nicht mehr faßbar, so daß man hier auch nicht aktiv zu werden brauchte.

Was die Richter betraf, so wurde ebenfalls das Prinzip angewandt, daß Terrorurteile nicht inkriminiert werden könnten, wenn die Richter nach damals geltenden Gesetzen gehandelt hätten, unabhängig davon, ob diese Gesetze menschenrechtswidrig waren wie z.B. die Nürnberger Rassengesetze. Auf dieser Grundlage bekamen praktisch alle faschistischen Terror-Richter den Persilschein.

Der Begriff Persilschein enstand daraus, daß in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg viele Hunderttausende von faschistischen deutschen Tätern, die zunächst interniert worden waren wegen ihrer Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, freigelassen wurden und dann bei ihren Familien mit ihren Habseligkeiten in einem Pappkarton ankamen, auf dem oft ‚Persil’ stand, mit einem Entlassungsschein, der sie von allen Anklagen befreite.

Filbinger und Kohl

Einer der Militär-Richter, der noch in den letzten Kriegstagen Soldaten hatte aufknüpfen lassen, die sich versteckt hatten, um die letzten Tage des Krieges zu überleben und gefaßt wurden, brachte es später bis zum Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, ein gewisser Filbinger, der vor kurzem noch einmal kurz ins Rampenlicht trat, als die CDU Baden-Württemberg ihn bewußt als Provokation als Alterspräsident in die Bundesversammmlung wählte, die dann den Bundespräsidenten Köhler bestimmte.

Eine Lehrstunde in Geschichte, dokumentierend, daß die Partei, die diese Bundesrepublik am intensivsten geprägt hat, die CDU/CSU, weiterhin treu zu den Kriegsverbrechern steht.

CDU-Fest fÜr Filbinger 90 Jahre

Es war auch kein Kunststück, daß das oberste deutsche Gericht damals solche Rechtskonstruktionen entwickelte, denn es selbst bestand fast ausschließlich aus „belasteten" Richtern.

Logischerweise wurde diese Konstruktion dann konsequent auch auf alle Fragen von Entschädigungen und Wiedergutmachungen angewandt, so wie den jetzigen Fall Distomo.

Zwar gab es zur Zeit des deutschen Faschismus schon die gültige Haager Landkriegsordnung, so etwas wie den Vorläufer der UNO-Erklärung über Kriegsverbrechen, aber dort waren einige Dinge nicht klar genug formuliert, so daß unsere famosen Richter mit einer speziellen Auslegung denn auch dieses Hindernis umschiffen konnten. Darauf bezieht sich die Aussage in unserem Artikel vom Samstag, daß „Geiselerschießungen nach Kampfaktionen mit Nichtkombattanten in einem gewissen Rahmen von den Haager Abkommen nicht ausdrücklich verboten waren".

Oettinger Rede für Filbinger

Später hat das oberste deutsche Gericht dann bis zu einem gewissen Grad jene Verbrechen von diesem Generalfreispruch ausgenommen, die aus der spezifisch „nationalsozialistischen" Ideologie entsprungen seien. Das lief darauf hinaus, daß nun doch Täter, soweit ihre Taten sich aus rassistischen Gründen gegen Juden richteten, zur Anklage kommen konnten. Der Zusammenhang der beiden Rechtsauffassungen läuft in der Praxis darauf hinaus, daß fast ausschließlich Taten gegen Juden anklagbar und wiedergutmachungsfähig sind, andere (bis auf wenige Ausnahmen) nicht. Bis zum heutigen Tag ist dies die antikommunistische Grundlage des - jetzt vereinigten - deutschen Staates, eine Rechtsauffassung, die außerhalb von Deutschland von praktisch niemanden geteilt wird.

In Zeiten, in denen Saddam Hussein der Taten gegen die Menschenrechte angeklagt ist, in denen das Verfahren gegen Milosevic läuft, in denen der chilenische Putschgeneral Pinochet sich Anklagen gegenüber sieht, kommt einem diese Rechtsauffassung - vorsichtig ausgedrückt - überholt vor.

Alle heutige Rechtssprechung ausserhalb der Bundesrepublik geht davon aus, daß es grundlegende Menschenrechte gibt, die - unabhängig von der Rechtslage in irgendeinem konkreten Staat - überall auf der Welt gelten. Wer gegen sie verstößt, ist auch dann schuldig, wenn sein konkretes Vorgehen an jenem Ort und zu jener Zeit, als er seine Verbrechen beging, nicht ausdrücklich verboten waren. Man geht davon aus, daß es ein allgemeines Verständnis aller Menschen über die grundlegendsten Rechte gibt, die über allen Gesetzen, Verfassungen und zeitgebundenen Rechtsnormen steht.

Filbinger - Schäuble

Man mag sich darüber streiten, auf welche Verbrechen dies nun genau zutrifft, aber alle sind sich darüber einig, daß dies sich vor allem auf Massaker an Zivilisten bezieht, sei es im Krieg oder außerhalb. Man ist heute der Auffassung, daß jeder verantwortliche Mensch weiß (und immer wußte), daß Massaker an Zivilisten (so wie in Distomo) Verbrechen sind und ihm daher kein Pardon gewährt werden kann, nur weil das zu jener Zeit in seinem Land nicht ausdrücklich unter Strafe stand. Das ganze Verfahren gegen Milosevic und auch das gegen Hussein beruht auf dieser Auffassung.

Das BVG hält nun dieser Auffasung entgegen, daß der Unterschied darin bestünde, daß es seit 1946 die UN-Erklärung der Menschenrechte und gegen Kriegsverbrechen gibt und daher seitdem dieses übergeordnete Recht gälte, aber zu Zeiten des Faschismus dies noch nicht der Fall gewesen sei.

Alle nicht-deutschen Völkerrechtler (bis auf wenige Ausnahmen) halten dies für an den Haaren herbeigezogen. Auch vor dieser UN-Erklärung wußte jeder verständige Mensch, daß Massaker an Zivilisten Verbrechen sind.

Wenn nun eine Anzahl von Politikern, darunter die im Artikel genannte Grünen-Politikerin, sich gegen dieses neue Urteil empören, wenn „Linkszeitung" und „Junge Welt" protestieren, so beweisen sie nur, wie wenig sie über die Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland wissen. Diese Republik ist aufgebaut auf der Nicht-Bestrafung der faschistischen Verbrecher. Sie war von Anfang an ein Unrechtsstaat. Dies ist ihre Erbsünde, einer ihrer Grundbausteine. Würde man dies wegziehen, bräche das ganze Gebäude zusammen.

Und genau dies ist es, was die Bundesrepublik braucht. Sie in ihren Grundfesten erschüttern, die immer menschenfeindlich und imperialismusfreundlich waren. Es ist nicht dieses Urteil, das empörend ist, sondern das ganze Rechtssystem, das die Filbingers nach oben spült.

Karl Weiss - Journalismus

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