AIDS, Malaria und Tuberkulose

Besiegbare Krankheiten weiten sich immer mehr aus

Von Elmar Getto

Ein weiteres Anzeichen, daß der Kapitalismus nun beginnt, in die kapitalistische Barbarei überzugehen, ist der massive Anstieg von schweren Infektionserkrankungen, das Wiedererscheinen von ganz oder fast ausgerotteten Krankheiten und der beginnende Rückbau der Gesundheitsversorgung in den entwickelten Ländern.

So war z.B. die Tuberkulose eine Krankheit, die in den entwickelten Ländern praktisch ausgerottet war und nur noch in einigen wenigen Entwicklungsländern eine Rolle spielte, was man mit wenig Aufwand in den Griff bekommen hätte - wenn man gewollt hätte.

Heute ist die Tuberkulose eine über große Teile der Entwicklungsländer bereits als Epidemie verbeitete Krankheit, die sich rasend schnell auch in die ärmeren Gebiete der entwickelten Länder vorfrißt.

Irgendeine Rückkehr zu den Methoden, mit denen es gelang, diese Krankheit fast auszurotten, ist nicht vorgesehen, wozu auch? Es sind ja fast nur die Armen, die betroffen sind! In Deutschland zum Beispiel waren wegen TB, wie man damals sagte, Anfang der sechziger Jahre noch routinemäßig Lungen-Röntgen-Aufnahmen für die ganze Bevölkerung vorgeschrieben.

Es wird nicht mehr lange dauern, bis sich wieder Krankheiten wie der Pest und der Lepra oder ähnliche Erkrankungen auszubreiten beginnen.

Das schreiendste Beispiel aber ist die Immunschwächekrankheit AIDS. Nachdem diese sich zunächst fast ungehemmt ausweitete, vor allem unterstützt durch die Legende, nur Gays und Drogensüchtige seinen betroffen, wurde sie - jedenfalls in vielen der entwickelten Länder -, hauptsächlich durch Aufklärung, zum langsameren Wachsen gebracht, in einige Ländern sogar zur Abnahme der jährlichen Neuerkrankungsfälle.

Dann wurden die antiretroviralen Medikamente entwickelt und es konnte die Zahl der weltweiten Todesfälle durch AIDS drastisch verringert werden. Es schien nur eine Frage der Zeit, bis AIDS besiegt wäre.

Doch diese Entwicklung ist inzwischen längst zum Stehen gekommen und hat sich in ihr Gegenteil verkehrt. Die Zahl der Neuerkrankungen an AIDS steigt wieder unaufhaltsam, die Zahl der AIDS-Toten geht wieder in die Höhe, in einigen Ländern im Süden Afrikas kann man inzwischen davon sprechen, daß bereits die ganze Bevölkerung bedroht ist.

AIDS hat sich zu einer weltweiten Epidemie entwickelt und weitet seine Einflußsphäre kontinuierlich aus. Auch in Deutschland und den USA, wo die Zahl der Neuerkrankungen (genau gesagt: neu positiv getesteten) über Jahre zurück gegangen war, ist die Krankheit wieder auf dem Vormarsch. In Südostasien, China und Osteuropa, wo sie erst mit Verspätung ankam, ist die Steigerungsrate immens. Allein in der Ukraine sind inzwischen bereits 250.000 Menschen bei einer Gesamtbevölkerung von 48 Millionen infiziert. In Deutschland sind es etwa 40.000 Personen im Moment.

Zu dieser Entwicklung hat mit die offizielle US-Politik beigetragen, der Kampf gegen AIDS dürfe ausschliesslich durch Aufrufe zur ehelichen Treue und zur Enthaltsamkeit geführt werden und auf keinen Fall durch Propagieren und Verteilen von Kondomen. Der Versuch, die Menschen dazu zu bringen, Sex nur noch innerhalb der Ehe zu machen, war immer schon verloren und wird auch jetzt nicht gewonnen werden können - abgesehen davon, dass damit religiöse Vorurteile den anderen Menschen übergestülpt werden sollen.

Man hat es inzwischen schriftlich, daß die Gesundheitsbehörden die Entwicklung dieser weltweiten Epidemie nicht mehr kontrollieren können. Die AIDS-Konferenz in Bangkok im vorletzten Jahr erklärte dies offiziell in ihrer Abschlußerklärung.

Im Moment sind weltweit 40,3 Millionen Menschen infiziert, das sind über doppelt so viele wie 1995, als es noch 19,9 Millionen waren. Davon sind 2,3 Millionen Kinder unter 15 Jahren. Auch dieser Anteil ist dramatisch gewachsen. Allein im vorletzten Jahr haben sich 4,9 Millionen Menschen neu infiziert. Gestorben sind vorletztes Jahr bereits 3,1 Millionen Menschen an AIDS. Im gesamten Zeitraum von 1981 bis 2005 sind 25 Millionen an AIDS verstorben.

Im Moment erhalten 90% der Infizierten nicht die antiretroviralen Medikamente, die ihr Leben verlängern könnten, weil die Pharmakonzerne darauf bestehen, hieraus Maximalprofite zu ziehen und diese Medikamente damit für die meisten unerschwinglich sind.

15 Millionen Kinder auf der Welt wachsen im Moment als AIDS-Waisen auf. Für Medikamente und Projekte gegen die wichtigsten Infektions-Erkrankungen in den Entwicklungsländern, AIDS, Malaria und Tuberkulose, wurden nach Angaben der WHO (Welt-Gesundheits-Organisation) für 2006 7,1 Milliarden Dollar benötigt. Die imperialistischen Länder haben aber nur 3,7 Milliarden zugesagt und nicht einmal das wurde ausgeschöpft, nicht ein Zehntel im ganzen Jahr dessen, was sie monatlich für Rüstung ausgeben.

Alarmierend ist aber auch das Vordringen bereits fast vergessener Krankheiten in den entwickelten Ländern.

In den USA ist die Situation besonders kritisch. Dort gibt es heute ganze Gebiete in bestimmten Bundeststaaten und ganze Stadtviertel in grossen Städten, wo fast niemand mehr irgendeine Art von Krankenversicherung hat. Da es sich um arme Bevölkerng handelt, haben sie damit keinerlei Zugang mehr zu Ärzten, Medikamenten, Erste-Hilfe-Stationen oder Krankenhäusern.

Die völlige Privatisierung des gesamten Gesundheitswesens, der Krankenkassen, Krankenhäuser und Krankenversicherungen, die auch in Deutschland bereits anvisiert ist, macht aus dem Gesundheitswesen eine Profitquelle für schnell wachsende Konzerne statt einer Dienstleistung für die Bevölkerung. Da bleiben die Armen natürlich auf der Strecke (und für die anderen steigen die Gesundheitskosten steil an). Je nach Quelle betrifft dies zwischen 10 und 20% der Bevölkerung im reichsten Land der Welt.

Obwohl die staatlichen Ausgaben für die Gesundheit pro Kopf der Bevölkerung höher sind als in den meisten anderen Ländern, kann das US-Gesundheitswesen als das ineffektivste aller grossen Länder angesehen werden. Gleichzeitig fallen die mit dem Gesundheitswesen befassten Konzerne wie Versicherungen, Pharma, Krankenhäuser und andere, von einem Freudentaumel in den nächsten aufgrund der steil ansteigenden Profite.

Auch in Deutschland gibt es bereits Zehntausende, die keine Krankenversicherung mehr haben, weil ihnen kein Hartz IV mehr zugestanden wird.

Das sind keine unerwünschten Nebenwirkungen des neoliberalen Ausverkaufs aller Werte, sondern dessen logische Konsequenz.

Ein anderes Beispiel ist die Malaria. Auch sie war durch eine Reihe von Maßnahmen bis etwa Ende der 80er-Jahre im wesentlichen bereits zurückgedrängt auf wenige „Hot Spots" in einigen Regenwaldgebieten ohne große Bevölkerung.

Heute gibt es bereits eine weltweite Malariaepidemie. Die Krankheit hat sich weit aus den tropischen Gebieten hinaus ausgeweitet, die jetzigen Erreger reagieren auf keines der klassischen alten Medikamente mehr und speziell unter den Ärmsten der Armen, die chronisch unterernährt sind, ist Malaria heute bereits die häufigste Todesursache, gerade auch unter Kindern.

Hätte auch nur einer der großen Pharmakonzerne auch nur einen Bruchteil dessen an Forschung und Entwicklung für neue Malaria-Medikamente oder eine Impfung ausgegeben wie man es für „Me too"-Arzneimittel tut, die längst auf dem Markt sind, aber eben vom Konkurrenten, dann hätte die Malaria schon ausgerottet werden können. Aber die betrifft ja fast nur Arme, also was kümmert es? Die Menschheit ist zu einem Mittel verkommen, die Profite der Großkonzerne zu sichern und zu erhöhen.

Auch im Fall AIDS wird gelegentlich ein neues antiretrovirales Medikament entwickelt, aber die eigentlich bei weitem nötigste Forschung und Entwicklung, die eines Impfstoffes, der die Krankheit ausrotten könnte, ist allerletzte Priorität der Pharmakonzerne. Auch von den jährlich 2 Milliarden Dollar für die öffentliche AIDS-Forschung gehen nur 650 Millionen in die Impfstoff-Forschung - und davon ist auch noch der weitaus größte Teil im Budget des „Walter Reed Army Institute" der US-Regierung, wo alles Mögliche geforscht wird für die militärische Anwendung solcher Retroviren, was als „Impfstoff-Forschung" getarnt ist.


Dieser Artikel erschien in seiner ursprünglichen Form am 2. Dezember 2004 in der Berliner Umschau. Hier eine vom Verfasser aktualisierte und erweiterte Version.

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