Wir leben unter einem Unrechtsstaat

„...in gezielte Tötungen verstrickt“

Von Karl Weiss

In Afghanistan ist Krieg. Deutschland (vertreten durch seine Regierung und abgesegnet durch das Parlament ) ist Kriegspartei. Es gelten also alle Regeln der UNO für Kriege, darunter jene, dass Töten auch im Krieg niemals individuell erlaubt ist, sondern nur im Rahmen von Kriegshandlungen. Das wird erwiesenermaßen von der Bundeswehr verletzt. Wir leben unter einem Unrechtstaat.

Afghanistankrieg

Die ‚Süddeutsche‘ titelte: „Bundeswehr in gezielte Tötung verstrickt“ und untertrieb dabei noch. Es hätte der Plural „gezielte Tötungen“ verwendet werden müssen. Aber seien wir nicht kleinlich. Es ist immerhin etwas, wenn eine „angesehene“ Zeitung die Bundeswehr klar und deutlich als Unrechts-Armee kennzeichnet. Das es sich nur um einen Fall gehandelt hat, glaubt nicht einmal meine verstorbene Großmutter und dass diese Praktiken weitergeführt werden, ist so klar wie dicke Kloßbrühe.

Da man die Taliban nicht als Kriegsgegner besiegen kann, versucht man es, indem man die bekannten Anführer gezielt umbringt. Das wird nicht einmal großmächtig geheimgehalten. Wenn es sich um einen einmaligen Fall gehandelt hätte, wenn es von der mittleren Ebene ausgegangen wäre ohne Kenntnisse der Kommandeure und des Verteidigungsministers, wenn die Schuldigen entsprechend bestraft worden wären, so hätte das natürlich nicht bedeutet, dass die Bundeswehr eine Unrechts-Armee ist. Das ist aber nicht der Fall.

Es ist offizielle Taktik der Nato in Afghanistan, einzelne und bestimmte Taliban-Führer gezielt umzubringen. Das geht eindeutig aus den US-Dokumenten hervor, die vergangene Woche von Wikileaks veröffentlicht wurden. Die mit diesen Tötungen beauftragte Militärgruppe nennt sich Task Force 373 und ist in Masir-i-Scharif stationiert, das ist unter deutscher Oberaufsicht.

Laut Angaben des ‚Spiegels‘ hat Deutschland 13 Taliban-Führer auf eine Liste gesetzt, davon seien im Moment noch 7 übrig. Angeblich sei die Liste für Gefangennahmen vorgesehen, aber das ist Bullshit. Im Krieg sind alle Mitglieder der gegnerischen Truppen zur Gefangennahme vorgesehen. Wenn eine Liste erstellt wird, geht es um Morde.

Was sagt das weltweit geltende Kriegsrecht dazu? Individuelle Tötungen außerhalb von Kampfhandlungen sind genauso illegal wie Tötungen im Zivilleben. Tötet man jemanden im Krieg außerhalb einer Kampfhandlung, weil er diese oder jene Person ist, ist das Mord. Alle typischen Mord-Kennzeichen sind gegeben:

1. Er wird als Individuum getötet, nicht als Bestandteil der gegnerischen Truppe. Das ist geplant und nicht aus der Situation entstanden.

2. Es wird ihm keine Chance auf Verteidigung gelassen. Typischerweise werden die Auftragsmorde durch die Nato-Truppen in Afghanistan durch Mord-Drohnen ausgeführt, die gezielt an jenem Ort einschlagen oder Bomben abwerfen, wo man den Kommandanten vermutet – in der Regel Kilometer und Kilometer von aktuellen Kämpfen entfernt.

3. Er wird aus niedrigen Beweggründen ermordet. Könnte es einen niedrigeren Beweggrund geben als jener, der Kommandant sei so gut, dass man ihn „eliminieren“ müsse.

Kurios: Diese Morde werden von US-Kommandeuren in Auftrag gegeben und befehligt. In den meisten Staaten der USA steht auf Mord Todesstrafe. Keine Angst, keiner dieser Kommandeure wird dort angeklagt werden. Die USA haben bereits vor Jahren alle Regeln zivilisierter Länder außer Kraft gesetzt.

In diesem Zusammenhang steht eine Diskussion, welcher der Bürger-Journalist in seiner Zeit als Bundeswehr-Offiziers-Schüler beiwohnte: Ein anderer Schüler sagte im Unterricht „Staatsbürger in Uniform“ (den gab es damals noch), nach seiner Kenntnis habe Hitler bestimmte Sowjetgeneräle umbringen lassen im Krieg.

Der Offizier-Lehrer verteidigte die Ehre der Wehrmacht. Er sagt, nein, Hitler habe von Kriegsbeginn an gefordert, alle höheren Offiziere der Roten Armee, die gefangen genommen werden, sollen exekutiert werden, aber die Wehrmachtsführung habe sich geweigert, das sei „ehrenrührig“. In Wirklichkeit war man aber besorgt, diese Praxis könnte vom Feind übernommen werden. Als offizieller Grund für die Weigerung wurde aber angegeben, man müsse diese Offiziere verhören und brauche sie daher noch.

Allerdings, so gestand der Offizier damals zu, sei dies am Ende des Krieges nicht mehr so gehandhabt worden. Die Sowjets hätte standrechtliche Gerichtsverfahren gegen gefangene deutsche Offiziere durchgeführt, die als Kriegsverbrecher angeklagt wurden und die deutschen Truppen hätten als Rache dafür Sowjet-Offiziere in Gefangenschaft ermordet.

Die Nato-Truppen in Afghanistan einschließlich der Deutschen sind also bereits weiter als die berüchtigte Hitler-Wehrmacht, wenn diese Informationen stimmen. Man stelle sich vor, auf welches Niveau unsere heißgeliebten Politiker uns bereits abgesenkt haben.


Veröffentlicht am 5. August 2010 in der Berliner Umschau


Zusatz zum Artikel (vom 6.8.2010)

Inzwischen hat unser Lieblingspolitiker Aussenminister Westerwelle bereits auf die diversen Veröffentlichungen zu diesem Thema reagiert.

Er wird mit folgender Stellungnahme zitiert:

„Wir müssen wissen, dass gegnerische Kämpfer im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt im Rahmen des Völkerrechts gezielt bekämpft werden können und dürfen.“

Selten einen so blühenden Blödsinn gehört. Der Afghanistan-Krieg ist in Bezug auf die Bundeswehr kein "nichtinternationaler Konflikt". Das wäre nur eine Guerillaorganisation in der Bundesrepublik, die gegen die Staatsmacht kämpft und von der Bundeswehr bekämpft würde.

Bundeswehr in Afghanistan ist selbstverständlich ein internationaler Konflikt - oder ist Afghanistan seit neuestem Teil der Bundesrepublik?

Aber auch in einem nichtinternationalen Konflikt ist selbstverständlich die Ermordung bestimmter, namentlich benannter gegnerischer Kämpfer ausserhalb von Kampfhandlungen verboten.

Dass gegnerische Kämpfer bekämpft werden dürfen, ist eine Binsenweisheit. Wenn er aber mit "gezielt" meint, ausserhalb von Kampfhandlungen und namentlich benannte Einzelpersonen, dann verbietet dies das Völkerrecht eindeutig, sowohl in internationalen Konflikten als auch im Falle nichtinternationaler Konflikte (was hier nicht der Fall ist).

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