Zero point one tolerance

Giulianis Tochter wird nicht mit “Zero tolerance” bestraft

Von Karl Weiss

Der ehemalige New Yorker Bürgermeister Giuliani war für die Einführung der „Zero Tolerance Policy“ in der Metropole berühmt geworden. Heute ist das früher viel gelobte Rezept gegen die Kriminalität selbst im Urheberland bereits umstritten und weithin nicht mehr angewandt. New York selbst hat jene Regeln schon aufgehoben bzw. deutlich verändert („Zero point one tolerance“, ironisieren Kritiker).

Die Tochter Giulianis, die bei einem kleinen Ladendiebstahl erwischt wurde, bekam jetzt statt der von „Zero tolerance“ vorgeschriebenen Gefängnisstrafe einen Tag gemeinnützige Arbeit als Strafe, also genau jene Art von Strafen, die ihr Vater als „Förderung des Verbrechens“ verurteilt hatte.

1994 bis 2001 war Giuliani Bürgermeister von New York und wurde vor allem durch die Einführung der „Zero tolerance“-Regeln (Null Toleranz) bekannt.

Landauf, landab wurde sein Konzept als Strategie gegen die steigende Kriminalität gelobt. Für einige Jahre konnte die New Yorker Kriminalstatistik sogar eine leichte Abnahme verzeichnen, soweit man nicht die Schwere der Straftaten in Rechnung stellte.

Der damalige Hamburger Richter Schill, der durch absurd hohe Gefängnisstrafen für kleinere Vergehen aufgefallen war und es zu einer zeitweisen Berühmtheit gebracht hatte (so wie heute Sarrazin mit einer ähnlichen Attitüde), dann eine Partei gründete und bei den Hamburger Wahlen 18% der abgegebenen Stimmen (das waren fast 10 Prozent der Wahlberechtigten) erreicht hatte, versuchte auf der gleichen Schiene zu reiten, wurde aber vier Jahre später in seinem Exil in Brasilien dabei gefilmt, wie er mit Prostituierten Kokain schnupfte (was er selbst wahrscheinlich nicht mit unter 5 Jahren Gefängnis bestraft hätte).

Schill beim Koksen

So schnell vergeht der Ruhm der Welt (auch Sarrazin wird das bald sehen).

Auch Giuliani musste mit ansehen, wie bereits wenige Jahre nach der Einführung der „Null-Toleranz-Regeln“ so viele ungewollte Nebeneffekte entstanden waren, dass man sie fast überall in den Vereinigten Staaten aufheben oder abändern musste.

Ähnlich wie Schill, wurde er jetzt auch selbst betroffen. Seine Tochter wurde in New York bei einem kleinen Ladendiebstahl erwischt. Dass hätte nach der „Zero toleranz policy“ nicht unter einem Jahr Gefängnis bedeuten müssen, ohne Bewährung. Doch Caroline Giuliani bekam nur einen Tag gemeinnützige Arbeit aufgebrummt.

Genau diese Art von Bestrafung hatte Giuliani damals als „Förderung des Verbrechens“ angeprangert und seine eisenharte Linie verkündet:

Auch bei kleineren Vergehen und Ordnungswidrigkeiten ( Ladendiebstahl, öffentliches Urinieren, Missachten der Fussgängerampel, Schwarzfahren, Prostitution, Bei-sich-haben von verbotenen Drogen für den persönlichen Gebrauch, Anrempeln auf der Strasse, handgreifliche Auseinandersetzungen ohne Verletzungen mit bleibenden Folgen usw. usf.) bereits Gefängnisstrafen verhängen. Er meinte, die Karriere eines Verbrechers würde damit bereits zu Beginn mit der Gefängnis-Erfahrung gestoppt.

Die New Yorker fanden das zu grossen Teilen glaubwürdig. Er wurde gewählt und auch einmal wiedergewählt. Nur hätte nach seiner Theorie mit einigen Jahren Zeitverzug eine Verminderung der schweren Verbrechen (Mord, Totschlag, Raubmord, Banküberfall, Entführungen, Aggressionen mit bleibenden Folgen, Geiselnahmen, Freiheitsberaubung mit Folter, usw.) ergeben müssen, denn die Zahl der Verbrecher dafür hätte ja sinken müssen.

Tatsächlich sind die Zahlen dieser schweren Verbrechen in den USA (wie auch in New York selbst) steigend oder konstant auf hohem Niveau – und dies unabhängig davon, ob im jeweiligen Distrikt die „Zero tolerance policy“ angewandt worden war oder nicht.

Die einzigen wirklichen Effekte der „Zero toleranz policy“ war die völlige Überfüllung der Gefängniss und riesige Ausgaben für immer neue Gefängnisse (Heute geht die Zahl der Insassen in den USA in Richtung ein Prozent der Bevölkerung – in Bezug auf Schwarze ist diese Prozentzahl sogar weit höher). Das führte dann auch zu der Verschlimmerung der Zustände in den Gefängnissen.

So werden in den USA heute routinemässig Tausende von Gefangenen täglich in den Gefängnissen vergewaltigt, im Fall von Männern meist homosexuell und im Fall von Frauen „normal“. Die Vergewaltiger sind dabei in vielen Fällen Aufseher und Aufseherinnen der Gefängnisse, in anderen Fällen andere Gefangene, denen bewusst Gelegenheit gegeben wird, solche Vergewaltigungen durchzuführen.

Es mag zwar richtig sein, dass viele Verbrecher mit kleinen Übertretungen anfangen, aber das heisst eben nicht, dass kleine Übertretungen zwangsläufig später zu einer Verbrecherlaufbahn führen.

Ganz im Gegenteil: Die „Zero tolerance policy“ hatte sogar genau dies als Nebeneffekt: Durch die Gefängniserfahrung – gemischt mit Berufsverbrechern - kamen ganz normale Menschen überhaupt erst mit dem professionellen Verbrechen in Kontakt und schlugen dann eine solche Laufbahn ein.

Und so geht es immer wieder billigen Populisten, die an Vorurteile und Ängste der Menschen appelieren. Sie steigen kometenhaft auf, weil die Menschen verführbar sind. Aber danach, wenn sich die Realität einstellt und - natürlich - das scheinbar einleuchtende Rezept nicht funktioniert, verlöschen sie auch schnell wie Kometen.

Das war bei Hitler so, dessen „tausendjähriges Reich“ gerade einmal auf zwölf Jahre kam.

Das musste Roland Koch erleben, der glaubte, er hätte eine Karriere mit Kanzlerschaft und allem drum und dran mit dem Trick mit der Ablehnung des „Doppelpasses“ für Türken gestartet.

Roland Koch

Heute ist er nicht einmal mehr Ministerpräsident, aber der Schaden ist angerichtet. Die Verweigerung der doppelten Staatsangehörigkeit, die in Wirklichkeit weltweit geduldet ist, verhindert zum Teil eine schnelle Integration von Türken in Deutschland.

Das erlebte Schill, der sich schon als der grosse „Rächer der Enterbten“ in Deutschland sah, weil er irrationale Ängste im Hamburger Kleinbürgertum wecken konnte – und das in einem Land, das weltweit eine der niedrigsten Kriminalitätsraten von allen grossen Ländern hat (will sagen von allen Ländern mit mehr als 80 Millionen Einwohnern).

Das musste Jörg Haider erleben, dessen Partei es in Österreich sogar zu einer Regierungsbeteiligung gebracht hatte. Sein Ende war ebenso charakteristisch wie tragisch, als er zu später Stunde aus einem Homosexuellen-Lokal kam, wo er über den Durst getrunken hatte und seinen Super-Schlitten in einen tödlichen Unfall steuerte.

Haider (mitte) mit Petzner (rechts)

Das werden auch alle Politiker erleben, die jetzt eine kurze Zeit des „Ruhmes“ geniessen, weil sie ihr Süppchen auf den irrationalen Ängsten kochen, es würde angebliche eine islamische Unterwanderung drohen.

Sei das in der Schweiz, wo man ein Verbot des Baus von Moscheen durchsetzen will, sei das in Holland, wo der Populist Geert Wilders bemerkenswert viele Stimmen bei den Wahlen einheimste, sei das in Deutschland, wo Sarrazin für einige Wochen zum meist genannten Mann des Landes wurde,

Sarrazin

sei das in verschiedenen Ländern, wo man die Burka verbieten will oder sei das in Italien, wo Berlusconi sicherlich noch vor den Wahlen einen entsprechenden „Coup“ landen wird.

Bemerkenswert auch: Frau Merkel ist jetzt schon so verzweifelt, dass sie sich auch unter die Populisten einreiht und den dänischen Karikaturisten auszeichnet, der Mohammed als Terroristen zeichnete.

Auch wenn Sarkosy jetzt auf der Welle der Vorurteile gegen Zigeuner reitet, die Franzosen vergessen trotzdem nicht seine „Rentenreform“.

Nein, jegliche Politik, die auf dem Prinzip des Hasses und/oder der Angst beruht oder darauf, andere Völker oder Menschengruppen als minderwertig abzustempeln, wird immer über kurz oder lang scheitern und mit ihr die einschlägigen Politker.

Die Erklärung der Menschenrechte, die (u.a.) alle zu Gleichen erklärt, die jegliche Diskriminierung ablehnt und auch denen Rechte zugesteht, die Regeln übertreten haben, ist eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Errungenschaft der Menschheit und weist den Weg aus der der dumpfen, hasserfüllten und unterdrückerischen Welt des Mittelalters in eine bessere Zukunft.

Und siehe da, heute muss sich der „Ober-Sheriff“ Giuliani in New York freuen, dass seine Politik nicht weiter verfolgt wurde und seine Tochter mit einer deutlichen Verwarnung davonkommt.

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