Einwanderungsüberschuss in Venezuela

„In der Mischung steckt Geld“

Von Karl Weiss

Während die internationalen, von der „westlichen Welt“ kontrollierten Medien (allen voran natürlich die „New York Times“ (NYT) andauernd von Wirtschaftskrise in Venezuela sprechen und Enteignungen anprangern, rollt ein Strom von Immigranten in das Land. Es gibt auch solche, die das Land verlassen, aber um die ist es offensichtlich nicht schade, denn es sind im wesentlichen Unternehmer, Banker und ähnliche Gestalten, deren Ideologie die aktuelle weltweite Krise verschuldet hat.

Venezuela

Tatsache ist, Venezuela hat sich bereits vollständig von den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise erholt, etwas, was man z.B. von den Vereinigten Staaten nicht sagen kann.

Als der Ölpreis im September/Oktober 2008 von annähernd 200 Dollar pro Barrel auf 60 Dollar pro Barrel fiel, war das ein harter Schlag für ein Land, das zum großen Teil von den Öl-Einnahmen abhängig ist, während dies eigentlich ein positiver Faktor für die Vereinigten Staaten hätte sein müssen, die ja vom Import riesiger Ölmengen abhängen. Tatsache ist, die USA konnten diesen Vorteil nicht nutzen oder er ging einfach in den gewaltigen anderen Problemen unter, während Venezuela diesen schweren Schlag zwar gespürt, aber dann weggesteckt hat.

Der daraus resultierende wirtschaftliche Rückschlag wurde hämisch von den „internationalen“ Medien auf die „sozialistische“ Politik von Präsident Chávez zurückgeführt, nur: Es ging zum Beispiel Quatar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten nicht einen Deut besser – und dort ist der Kapitalismus eher noch kapitalistischer als anderswo.

Welt-Ölreserven

Venezuela ist weiterhin geprägt von den typischen Leiden eines Entwicklungslandes, die sind: 1. Abhängigkeit von Rohstoff-Ausfuhren, 2. Mangelnde inländische Nahrungsmittelproduktion für den heimischen Markt und 3. Unter-Industrialisierung mit dem Ergebnis von hoher Arbeitslosigkeit und Abhängigkeit von Importen für fast alles.

Lediglich das vierte typische Kennzeichen von Entwicklungsländern hat man bis zu einem gewissen Grad abgeschüttelt: Die fast vollständige Unterordnung unter die heimische Oligarchie, eine Schicht von stinkreichen, dominierenden Familien, die alle wesentlichen Posten in Staat und Gesellschaft innehaben oder kontrollieren und die mit einem oder einer Gruppe von Imperialisten kuscheln.

Tatsächlich haben schon eine große Zahl dieser Familien Venezuela verlassen, nachdem der von ihnen gegen Chávez inszenierte Putsch im Jahre 2002 schief gegangen war.

Chávez und Lula

Ein Artikel in der NYT vom 7. 11. 2010 spricht sogar von Hunderttausenden von Auswanderern aus Venezuela, kann dies aber mit nichts Belastbaren belegen.

Andererseits wird zugegeben, dass „Hunderttausende“ in den letzten Jahren nach Venezuela eingewandert sind. Weiter unten im gleichen Artikel werden aber Zahlen von Millionen von Einwanderern genannt, so dass diese Aussage als Teil der „Redaktion“ durch übergeordnete Redakteure in der NYT angesehen werden kann (typisch: man hat in der Eile vergessen, die Millionen-Zahlen weiter unten im Artikel zu streichen).

Die Gründe für die Einwanderung haben nur selten und eher indirekt mit dem angeblichen Sozialismus Venezuelas zu tun, sie sind meist ganz handfester Art:

In vielen anderen Ländern bleibt den Armen nur die Wahl von Vegetieren auf niedrigster Stufe oder das Schicksal in die Hand nehmen und ein Land zu gehen, wo einem arbeitsamen Menschen eine Chance zum Überleben auf halbwegs erträglichem Niveau gegeben wird.

So ist es denn auch charakteristisch, wenn der Artikel von Immigranten aus dem Libanon, aus Haiti, aus Kolumbien, aus Indien, aus China, Syrien und Jordanien spricht.

Allein 4 Millionen Menschen kamen aus Kolumbien, was die NYT sehr verwundert, denn sie berichtet doch andauernd, wie schlecht es in Venezuela läuft, während Kolumbien, der wichtigste militärische Außenposten der USA in Südamerika, als demokratisches Land dargestellt wird, das bedeutende Fortschritte im Kampf gegen den Rauschgiftschmuggel gemacht habe.

Nun, die Abstimmung mit den Füssen spricht eine andere Sprache.

Chávez

Die zweitgrößte Gruppe von Immigranten sollen nach diesen Angaben etwa 50.000 Chinesen sein.

Wenn die NYT da von einem schrumpfenden Brutto-Inlands-Produkt (BIP) redet, so ist das auf die Verringerung von Finanz-Anlage-Werten zurückzuführen, die von den Berechnern des BIP wie ein wirklicher Wert eingerechnet werden – so weist die USA z.B. trotz ständig steigender Arbeitslosigkeit und stagnierendem Konsum ein steigendes BIP aus, weil neue Finanz-Werte geschaffen werden, die aber keinen Gegenpart in der wirklichen Ökonomie des Landes haben.

Da widerspricht sich der Artikel wiederum, wenn er einerseits eine schrumpfende Wirtschaft suggeriert und andererseits die Aussagen von Immigranten wiedergibt:

Ein Libanese: “Hier liegt das Geld auf der Straße, ob der Ölpreis nun 8 oder 80 Dollar beträgt.“

Ein anderer Libanese: „Ich hätte nach Europa, zum Beispiel nach Deutschland gehen können, aber hier konnte ich mein eigenes Geschäft aufmachen.“

Ein Haitianer: „Hier kann man mit ein bisschen Würde leben ...“

Ein Kolumbianer: „Es gibt Arbeit in Venezuela für jemanden, der arbeiten will (...) es ist nicht ideal hier, aber besser als das, was ich hinter mir gelassen habe.“

Ein Inder: „Es gibt hier jeden Tag sowohl Gefahren als auch Freude – und in dieser Mischung steckt Geld.“


Veröffentlicht am 10. November 2010 in der Berliner Umschau

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