Sonntag, 6. Mai 2007

Der Skandal der sachsen-anhältischen Koalition ist weiterhin aktuell

Der Verkauf des Rundfunkgeländes an der Nalepastrasse

Keine Korruption! Nein, wirklich nicht!


Von Karl Weiss


Der Skandal des Verkaufs des Geländes des früheren DDR-Rundfunks an der Nalepastrasse in Berlin ist weiterhin aktuell. Bis heute ist nichts aufgeklärt. Inzwischen hat sich dieser Skandal auch zum Beispiel dafür entwickelt, wie die Massenmedien zu Komplizen der Politikerkaste werden. Niemand besteht auf Aufklärung, z.T. wurde sogar schon die Berichterstattung eingestellt, so als ob schon irgendetwas geklärt wäre.

Ein hübsches Beispiel, wie Kapitalismus funktioniert, nebenbei auch, was hinter Privatisierungen steckt, und außerdem, wie die Linkspartei auf politische Skandale reagiert, zeigt der Verkauf und Weiterverkauf des Geländes und der Immobilie des ehemaligen DDR-Rundfunks an der Berliner Nalepastraße, eine Adresse in bester Lage an der Spree.

Wie schon gemeldet wurde, hat eine staatliche Stelle die Großimmobilie mit einem geschätzten Wert von 30 Millionen Euro für einen Appel und ein Ei an einen Privatunternehmer verkauft, der das Gelände nun aufgeteilt hat und es Stück für Stück weiterverkaufen will. Für das erste Stück hat er schon 3,9 Millionen Euro erzielt, mehr als das Zehnfache der etwa 350 000 Euro, für die ihm das Ganze übergeben worden war. Wahrscheinlich wird er durch die Aufteilung am Ende sogar mehr als die 30 Millionen gemacht haben.

Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Korruption? Nein, nie!

Das Ganze wird noch haarsträubender, wenn man sich die Details ansieht. Verantwortlich für die „Abwicklung“ im Auftrag aller neuer Länder war die „Liegenschafts- und Immobilienmanagement Sachsen-Anhalt“ (Limsa), die also der Landesregierung Sachsen-Anhalt untersteht.

Ein gewisser Dietrich Fischer war 1995 im Rahmen der Abwicklungsgesellschaft NLG damit beauftragt worden, das Gelände und die noch bestehenden Gebäude in Geld umzusetzen. Zehn Jahre später hatte Fischer mit einer Gruppe von Mitarbeiter dies immer noch nicht fertiggebracht. Niemand überwachte anscheinend, was da geschah, nichts wurde publik. Es ist natürlich auch immer etwas zweifelhaft, wenn man jemand zum Selbstabwickeln einsetzt, eine Gruppe von Leuten, die danach arbeitslos wären. Warum sollten die sich beeilen?

Erst Anfang 2005 trat die Abwicklung wieder ins Bewußtsein, als wegen einer Steuernachzahlung die Abwicklungsgesellschaft Konkurs anmeldete. Es sollten € 39 Millionen Steuern gezahlt werden, aber das Gelände war wohl nur etwa 30 Millionen wert. Erst jetzt, als die monatlichen Kosten des abzuwickelnden Geländes von den neuen Bundesländern zu tragen waren, drängten sie auf den Verkauf. Da trat nun die Limsa in Erscheinung, die damit beauftragt wurde.

Zu diesem Zeitpunkt war da der Chef Hans-Ernst Gerst. Ohne darüber mit den Verantwortlichen im Magdeburger Ministerium oder Parlament gesprochen zu haben (oder leugnen die nun einfach, daß sie einbezogen waren?), verkaufte er 2006 das ganze Gelände, dessen Wert von etwa 30 Millionen Euro ihm natürlich wie allen anderen bekannt war, für 350 000 Euro an eine kleine Firma, Bau + Praktik GmbH, die Baumaschinen verleiht und im sachsen-anhältischen Städtchen Jessen sitzt.

Wie fast immer bei Privatisierungen, gab es keine Ausschreibung, bei der an den Meistbietenden verkauft wird, sondern Gemauschel und Kungeleien. Wie fast immer bei Privatisierungen, enthält der Vertrag natürlich keine Spekulationsklausel, die übermäßige Gewinne abschöpfen würde, ebensowenig ein Verbot der Aufteilung des Geländes, eine Nutzungsbindung oder eine Mitsprache der Altbesitzer bezüglich Weiterverkauf.

Dieser phantastische Deal wurde unter Einbeziehung einer weiteren Firma durchgezogen, der Media City Adlershof GmbH, bei der jener oben erwähnte Herr Fischer nun plötzlich als Handlungsbevollmächtigter auftaucht.

Wenn bestimmte Leute „Anteile“ am Geschäft haben sollen, dann bezieht man einfach jene Firmen ein, bei denen die gerade arbeiten, nicht? Auf diese Art und Weise kann man 2, 3, 4 oder 843 Firmen einbeziehen, die natürlich alle „Anteile“ bekommen müssen.

Kungeleien? Vetternwirtschaft? Korruption? Staatsanwaltliche Ermittlungen? Polizei-Razzien bei allen Beteiligten? Nein! Nichts dergleichen! Alles völlig in Ordnung!

Die in Sachsen-Anhalt regierende große Koalition scheint keinen Handlungsbedarf zu sehen. Fragt sich natürlich sofort, ob dort ebenfalls jemand reich geworden ist an diesem Geschäft.

Die „Bau + Praktik“ wird inzwischen vom Sohn des Geschäftsführers verwaltet, der das sagenhafte Geschäft abschloß. Der Vater ist keine Gesellschafter mehr und hat mit der Sache nichts mehr zu tun. Für das Weiterveräußern des Rundfunkgeländes und der Bauten darauf hat der Sohn schon vor einiger Zeit zwei neue Firmen gegründet, die Spree Development und die Nalepa Projekt.

Diese Art von Machenschaften mit ständig wechselnden Firmen und Akteuren kennt man aus allen anderen schweren Korruptions- und Privatisierungs-Fällen. Als Besitzer der „Bau + Praktik“ taucht nun plötzlich der Berliner Großgastronom Felix Kuschner auf. Was der wohl mit dem Verleih von Baumaschinen im Sinn hat?

Schiebereien? Korruption? Schein-Firmen? I wo! Alles bestens!

Nun gibt es natürlich für all dies einen verantwortlichen Minister, das ist Jens Bullerjahn (SPD), Finanzminister der großen Koalition in Magdeburg. Der hat inzwischen den Herrn Gerst, der nach dem Verkauf ja nichts mehr zu tun hatte (außer Geld zählen), in sein Ministerium zurückgeholt. Dort wurde er Referatsleiter für Beamtenrecht. Ein zweifellos wohlverdienter Drückerposten. Beamte sind ja grundsätzlich nicht verantwortlich für das, was sie verbrechen, nicht? Und seine Verdienste beim Verkauf des Rundfunkgeländes in Oberschöneweide empfehlen ihn natürlich für einen gut bezahlten Posten.

Was einem aber wirklich die Zehennägel im Stehen aufrollt, ist, was die Vorsitzende des Finanzausschusses im Magdeburger Landtag, Angelika Klein (Linkspartei) dazu zu sagen hatte - immerhin sollte das Parlament ja bei Millionen-Transfers (oder umso mehr, wenn gar keine Millionen erzielt werden)von Staatseigentum einbezogen werden, oder nicht?

Raten Sie einmal, was sie gesagt hat! Untersuchungsausschuß? Staatsanwalt einschalten? Große Anfrage an die Landesregierung? Fragestunde im Landtag? Demonstrationen auf der Straße gegen schwarz-rosa Korruption?

Sie ahnen es schon. Nichts dergleichen.

Sie sagte laut der „Welt“: „Der Schaden ist nicht wiedergutzumachen(...) .... wir alle [haben] nicht durchgeblickt ..., was hier geschah".

Wohlgemerkt: „Wir alle“. Wir Mitglieder des inneren Kreises. Wir im Politiker-Clan. Wir, die es geschafft haben. Wir, die das nächste Mal vielleicht auch was vom Segen abbekommen.

Wir, die den Menschen weismachen, wir würden für sie Politik machen. Und manche glauben das auch noch!


Der Artikel erschien am 1. September 2006 in der "Berliner Umschau", hier aktualisiert.

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