Fussball

Mittwoch, 8. Juli 2009

Deutscher und Stürmer – das geht nicht?!

Sollen alle Spiele 0:0 ausgehen?

Fussball-Überlegungen von Karl Weiss

Es ist wie verhext – es gibt keine deutschen Stürmer im Fussball mehr. Alles Ausländer, auch wenn sie eingebürgert wurden. Letztes Beispiel: Cacau. Nicht dass irgendetwas schlecht daran wäre, wenn im Sturm der Nationalmannschaft eingebürgerte Ausländer spielen, aber es stellt sich doch die Frage: Sind deutsche Gene und „Stürmer-sein“ inkompativel?

Das letzte Mal, dass ein nicht eingebürgerter Deutscher im Sturm der Nationalmannschaft auflief, ist so lange her, dass dem Bürger-Journalisten niemand sagen konnte, wer das war. Einer meinte, das müsse Oliver Bierhoff gewesen sein. Na, was hat der denn gewonnen? Na gut, die EM 96 – aber das ist 13 Jahre her! Oder der andere Oliver, Neuville. Auch ausländischer Name. Hat aber immerhin einen Pfostenschuss im WM-Finale 2002 zu verzeichnen. Das gleiche Finale, in dem noch Asamoah eingewechselt wurde. Na, reden wir nicht von dessen Nationalität.

Seit langem haben wir uns an ein Sturm-Duo Podolski-Klose gewöhnt, also reinrassig polnisch. Podolski wagte es nicht einmal, ein Tor gegen Polen bei der EM zu feiern.

Von Zeit zu Zeit spielte dort Kuranhy, der wurde in Rio de Janeiro geboren. Dann zur Abwechslung Mario Gomez, spanischer Abstammung. Nun also Cacau, der fast sein ganzes Leben in Brasilien verbracht hat und nur den Vorteil hatte, zu keiner der brasilianischen Jugend-Auswahl-Mannschaften eingeladen worden zu sein und deshalb Fussball-Deutscher werden zu können.

Oder sehen wir uns die Torschützenliste der Bundesliga an: Erster ist Grafite, ein wirklicher Brasilianer, der nicht eingebürgert werden kann, zweiter Dzeko, der erst seit zwei Jahren in Deutschland ist (woher war der gleich noch mal?). Dritter ist der schon erwähnte Gomez und an vierter Stelle (vor Ibisevic) ein verdächtiger Name: Patrick Helmes. Nanu? Gibt es doch einen Deutschen, der wenigstens ab und zu trifft? Na, wir werden in seiner Ahnenreihe schon die Ausländer finden, die ihm Tor-Gene vermittelt haben. Für die Nationalmannschaft ist er aber nicht vorgesehen.

Auch wenn man die Aufstellungen der Bundesliga-Mannschaften durchgeht: Vorne gibt es meistens einen oder sogar zwei Ausländer bzw. eingebürgerte.

Aber – waren nicht deutsche Stürmer Legende? Wenn man mal von Brasilianern absieht, sind die besten Stürmer aller Zeiten Deutsche! Allen voran Gerd Müller, dessen Torrekord mit 14 in zwei Weltmeisterschaften bis heute nicht geknackt ist. Zwar wurde er in der Zahl von Toren in WMs von Ronaldo und Klose mit 15 überholt, aber die brauchten drei oder vier Weltmeisterschaften dafür. Und da gibt es auch noch Uwe Seeler – eine Legende. Oder denken Sie an Helmut Rahn, der zwei Tore im WM-Finale 1954 in Bern schoss oder „Emma“ (Emmerich) mit seiner „linken Klebe“, der im WM-Finale 1966 spielte. Aber man braucht gar nicht so weit in die Vergangenheit zurückgehen. Rudi Völler ist heute noch den Jungs ein Begriff, der im WM-Finale gegen Argentinien 1986 zwei Tore erzielte und wesentlich an der Weltmeisterschaft 1990 (bis dato Deutschlands letzte) beteiligt war. Und natürlich Klinsmann, der lange der Partner von Völler im Sturm war, aber heute Schlagzeilen als geschasster Trainer macht.

Doch dann? Was kam nach Klinsmann und Völler? Gingen die Stürmer-Gene im deutschen Erbgut verloren?

Nein, das ist natürlich Quatsch. Es gibt keine Stürmer-Gene. Natürlich braucht man die körperliche Veranlagung, um ein guter Fussballer werden zu können und man braucht auch die geistige, denn das ist harte Arbeit und nicht Jeder steht die Jahre durch, bis er am Ziel ankommt. Wer von den Talentierten Stürmer wird, entscheidet sich typischerweise nach der Schnelligkeit – Schnelligkeit im Antritt und im Kurzsprint, was einen guten Stürmer im Grunde auszeichnet.

Alles andere kann man lernen und kann antrainiert werden, wenn Talent vorhanden ist.

Und da sind wir auch schon bei der wahrscheinlichen Ursache der deutschen Stürmermisere. Das Antrainieren. Machen Sie sich einmal die Mühe und gehen zu einem Training bei der B-Jugend oder A-Jugend eines bekannten Vereins. Sie werden feststellen, kaum hat ein Stürmer den Ball und strebt in Richtung gegnerisches Tor, tönt die Stimme des Trainers über den Platz: „Abgeben!“.

Er meint damit, der Stürmer soll nicht versuchen, einen Gegenspieler zu umspielen und damit der gegnerische Abwehr die Überzahl nehmen, sondern den Ball einem Mitspieler zuspielen und der dann einem anderen usw. Die Idee dahinter ist, der Versuch zu dribbeln (oder einen Gegenspieler einfach mit einer Körpertäuschung ins Leere laufen zu lassen) trägt ständig die Gefahr des Ballverlustes in sich und ist daher zu vermeiden.

Mit anderen Worten: Dribbeln verboten! Abgeben! Spieler mit der Angewohnheit, den Ball zu führen und Gegenspieler auszuspielen zu versuchen, werden als „eigensinnig“ verschrien und auf die Bank gesetzt – oder wenn sie uneinsichtig sind, aus dem Team verbannt.

Der Bürgerjournalist kann da eine Geschichte erzählen von einem talentierten jungen Spieler. Zu jener Zeit – damals noch in Deutschland -, wurde jeden Samstag Fußball gespielt auf einem „Bolzplatz“ mit einer Gruppe von Freunden. Da erschien ein Junge und fragte, ob er mitspiele könne. Schnell stellte sich heraus: Der Junge war uns allen überlegen! Er spielte jeden von uns aus und erschien regelmässig allein vor dem Tor. Er konnte dribbeln und die Gegenspieler ins Leere laufen lassen, dass es eine Freude war.

Wir fragten ihn natürlich, ob er in einem Verein spielte, aber er sagte, man habe ihn dort hinausgeworfen, weil er „zu eigensinnig“ sei und die Anweisungen des Trainers nicht befolgte. Man weiss natürlich nicht, ob aus diesem Jungen einmal ein grosser Stürmer geworden wäre, aber die Tendenz ist sichtbar: Die Talentierten werden in ein Schema gepresst, das ihrer Kreativität entgegenläuft und so hat man schliesslich keine Stürmer mehr.

Wie verläuft heutzutage das Fussballspiel? Greift die gegnerische Mannschaft an, baut man einen dreifachen Ring der Abwehr (plus eventuell einem letzten freien Mann) auf und greift, möglichst mit zwei Spielern, den Ballführenden an. Mannschaften, die Spieler mit sehr viel Luft haben, verzichten sogar auf den freien Mann, solange der Gegner sich noch nicht sehr dem Tor angenähert hat und greift mit einem extremen „Pressing“ jeden an, der den Ball erhält – wenn möglich, noch bevor er den Ball unter Kontrolle hat. Die verteidigende Mannschaft ist immer mit einem oder zwei Spieler in der Überzahl, je nachdem, wieviele der Stürmer dazu verpflichtet sind, mit zurückzugehen. Das Gleiche macht im Prinzip die andere Mannschaft, wenn sie den Ball verliert und abwehren muss.

Wenn da alle Abwehrenden fehlerfrei spielen, kann hiernach nie ein Tor fallen. Alle Spiele gehen Null zu Null aus.

Was ist das Einzige, was aus dieser Situation retten kann – ausser den Fehlern, die natürlich doch immer wieder passieren? Die Intuition, die Kreativität einzelner Spieler. Einer, der kurz den Ball führt und dann einen Gegenspieler „aussteigen lässt“, bohrt ein Loch in dieses Schema. Denn nun ist die Abwehr nicht mehr in der Überzahl, sondern es stehen sich gleich viel gegenüber. Kann man einen schnellen Spielzug machen, ist plötzlich ein Stürmer vorne allein mit einem Abwehrspieler. Kann er sich den Ball so vorlegen, dass der (langsamere) Abwehrspieler nicht mehr drankommt, sondern zuerst er, hat er freien Schuss aufs Tor.

Etwas Ähnliches kann man mit langen Pässen erreichen, wie sie damals für Beckenbauer charakteristisch waren. Der Stürmer ist schneller als der Abwehrspieler und erreicht den Ball zuerst, wenn er mit Genauigkeit in den freien Raum gespielt wurde. Wiederum die Mann-gegen-Mann-Situation.Im Prinzip geht das auch mit schnellen Doppelpässen, wie sie damals Müller und Beckenbauer exerzierten, aber die sind extrem schwierig und die Gefahr, den Ball zu verlieren, ist ebenso hoch wie beim Dribbeln.

Sehen sie sich die Situation von Feldtoren an und Sie werden sehen, das eine oder andere dieser Schemata ist verantwortlich. Natürlich fallen heute nur noch wenig Feldtore. Die Überzahl kommt aus Ecken, von Freistössen und durch Kopfbälle nach Flanken. Wenn man sich aber wieder die Situationen ansieht, die zu den Ecken, Freistössen oder Flanken führten, kommt man wieder auf die obigen Schemata.

Treibt man also allen deutschen Spielern in den Vereinen die Kreativität, die Intuition für eine schnelle Ballführung aus, die einen oder mehrere Gegner ausspielt, so hat man keine Stürmer mehr und muss sie aus dem Ausland holen. Was die Nationalmannschaft angeht, kann man dann nur noch einbürgern.

Die klassische Szene hierfür ist jene, die zum Ausgleichstor von Rivaldo im Viertelfinalspiel Brasilien-England 2002 bei der Weltmeisterschaft in Japan führte - ein Viertelfinale, das praktisch das vorweggenommene Endspiel war. Sehen Sie sich die Szene einmal an, wenn sie die Gelegenheit haben. Ronaldinho Gaúcho erhält den Ball, aber alle brasilianischen Spieler sind gedeckt. Er könnte den Ball zurück zu den Verteidigern geben, aber man muss den Ausgleich erzielen. England führt! Also tritt Ronaldinho an, lässt mit einer schnellen Körperbewegung den angreifenden Gegenspieler aussteigen und stellt damit die Situation der Zahlengleichheit her. Der englische Spieler, der den Stürmer Rivaldo deckte, ist nun gezwungen, sich dort zu lösen und Ronaldinho anzugreifen, denn das Angreifen des Ballführenden hat immer Vorrang. Der letzte freie Mann der Engländer läuft nun in Richtung Rivaldo, um ihn zu decken. Doch zu spät. Ronaldinho hat bereits schnell und scharf zu Rivaldo gegeben, der einen Moment Zeit hat, sich den Ball zurechtzulegen und aufs Tor zu schiessen. Und Rivaldo hat einen der schärfsten Schüsse der Weltmeisterschaft: 1:1 ! Und das war die Grundlage des späteren Sieges mit einem Freistosstor von Ronaldinho.

Die Schärfe der Schüsse von Rivaldo hat später auch Torwart Kahn im Endspiel der gleichen Weltmeisterschaft kennengelernt, als ihm ein solcher Schuss wegsprang und Ronaldo zur Stelle war, um zu vollstrecken.


Veröffentlicht am 8. Juli 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 7. Juli 2009

Rare Duplizität der Ereignisse

Zwei gleiche Fussballspiele

Von Karl Weiss

Fußball schlägt manchmal unglaubliche Kapriolen. So geschehen in Brasilien am 1. und 2. Juli 2009: Kaum zu glauben, aber im Süden Brasiliens wiederholte sich an zwei aufeinanderfolgenden Tagen fast genau der gleiche Ablauf eines Fußballspieles in zwei Stadien in der gleichen Stadt, die nur etwa einen Kilometer voneinander entfernt sind.

Akteure: Vier der besten Fußball-Teams Brasiliens.

Ereignisse: Am 1. Juli das zweite Endspiel um den Pokal Brasiliens, das hier mit Hin- und Rückspiel ausgetragen wird. Am 2. Juli: Der Kampf im Halbfinale der Kontinent-Vereinsmeisterschaft Libertadores um den Einzug ins Finale.

Das Geschehen: In beiden Spielen war die Heimmannschaft eine aus Porto Alegre, der Hauptstadt des südlichsten Bundestaates Brasiliens und hatte als Gegner eine Mannschaft aus dem bevölkerungsreichen Südosten Brasiliens zu Gast. In beiden Spielen war die jeweilige Heimmannschaft im Hinspiel mit zwei Toren Unterschied unterlegen, so dass sie ein 3:0 gebraucht hätte, um das Ganze zu gewinnen - oder ein 2:0 (bzw. 3:1), um ins Elfmeterschießen zu kommen. In beiden Spielen legte aber (nach der Anfangsoffensive der Heimmannschaft) die jeweilige Auswärtsmannschaft innerhalb weniger Minuten in der Mitte der ersten Halbzeit zwei Tore vor, was die Aufgabe für die jeweilige Mannschaft aus dem Süden Brasiliens praktisch unmöglich machte. In beiden Spielen konnte die Heimmannschaft in der zweiten Halbzeit noch jeweils 2 Tore erzielen, so dass beide Spiele 2:2 ausgingen, was aber die beiden Mannschaften aus dem Südosten ans Ziel brachte.

Die Akteure (und der Ort des Geschehens): Im Spiel am 1. Juli, dem zweiten Endspiel der Pokalendspiele, standen sich im Stadion "Beira Rio" (Flussufer) aus dem Südosten Brasiliens Corinthians São Paulo und Internacional Porto Alegre gegenüber. Corinthians gewann den Pokal. Im zweiten Spiel wiederholten sich die Ereignisse am 2. Juli im Stadion "Olímpico" von Gremio Porto Alegre, das gegen Cruzeiro Belo Horizonte antrat, einer der beiden großen Vereine aus der Stadt, aus der hier geschrieben wird. Dabei ging es im Halbfinale der Libertadores um den Einzug ins Endspiel. Cruzeiro steht nun in den beiden Endspielen gegen Estudiantes De la Plata aus Argentinien.

Beide Spiele waren äußerst ereignis- und abwechslungsreich mit vielen Torszenen und unglaublichen Torwartleistungen und hätten mit noch weit mehr als je vier Toren ausgehen können. Das Niveau kann ohne Schwierigkeiten mit den Ligen in Italien und Spanien verglichen werden (vielleicht nicht unbedingt mit der englischen). Meistens nimmt man an, die brasilianischen Mannschaften könnten nicht überragend sein, weil ja die besten brasilianischen Spieler in Europa spielen, aber es bleiben noch genügend hochklassige Spieler in Brasilien übrig.

In beiden Spielen konnte man auch Spieler sehen, die am vergangenen Wochenende noch in Südafrika in der brasilianischen Nationalmannschaft spielten, die in einem ebenso mitreißenden Spiel im Endspiel gegen die Vereinigten Staaten gewann und den "Confederations-Cup" mit nach Südamerika nahm: Bei Corinthians war André Santos tätig, der sich als Stammspieler auf der linken Außenbahn empfohlen hat und bei Cruzeiro spielte Ramirez, der sich den Stammplatz des rechten offensiven Mittelfeldspielers in der "Seleção" gegen Elano bis auf weiteres gesichert hat.

Wenn Cruzeiro es schafft, das hohe Niveau des Spiels für die beiden Endspiele um die Libertadores zu konservieren, ist die Mannschaft Favorit für den höchsten südamerikanischen Vereinstitel. Die beiden Endspiele sind angesetzt für den 8.7. in Argentinien und für den 15.7. in Brasilien.


Veröffentlicht am 6. Juli 2009 in der Berliner Umschau

Dienstag, 23. Juni 2009

Südamerika - Fussball

Libertadores - Brasilianischer Cup – Internacional-Corinthians

Von Karl Weiss

Die Champions Leage hat schon ihren Champion, doch in Südamerika wird noch um die Kontinent-Meisterschaft Libertadores gekämpft. In den Halbfinals stehen ein Verein aus Argentinien, einer aus Uruguay und zwei aus Brasilien.


Die Fussball-Bilder in diesem Artikel sind vom Halbfinale im letzten Jahr, als Fluminense Rio de Janeiro Boca Juniors Buenos Aires aus dem Wettbewerb warf.

In der Libertadores gibt es nach den Gruppenspielen keine Auslosung mehr. Die Vereine setzen sich selbst, indem man den besten Gruppenersten gegen den schlechtesten Gruppenzweiten spielen lässt, den zweitbesten Ersten gegen den zweitschlechtesten Zweiten usw. Auch die folgenden Paarungen stehen bereits fest. So wird vermieden, wie in früheren Zeiten, dass man gezielt Vereine aus dem gleichen Land gegeneinander spielen ließ, um ein Finale unter zwei aus einem Land zu vermeiden.

So hatten sich für die 4 verbliebenen brasilianischen Vereine im Viertelfinale die Konstellation herausgebildet, dass nur Palmeiras São Paulo im linken Block war, während die drei anderen, São Paulo F.C. , Cruzeiro Belo Horizonte und Gremio Porto Alegre alle im gleichen rechten Block angesiedelt waren. Es hätte also nur ein rein brasilianisches Finale geben können, wenn Palmeiras das Endspiel erreicht hätte. Palmeiras konnte aber zu Hause gegen National Montevideo aus der Uruguayanischen Hauptstadt nur ein 1:1 Unentschieden erreichen und schied dann, wie zu erwarten, nach dem 0:0 im Rückspiel am Rio de la Plata aus.

Fluminense - Boca: Palácio und Palermo haben eine grosse Chance vergeben

Gremio im anderen Block konnte mit einem Auswärts-1:1 und einem Heim-0:0 die verbliebene Venezuelanische Mannschaft von Caracas aus dem Wettbewerb werfen und kommt nun gegen den Sieger aus São Paulo und Cruzeiro. Im Hinspiel konnte Cruzeiro gegen den Favoriten einen Heimsieg erzielen, aber nur mit einem Tor Unterschied. Wie der Zufall spielt, kamen die beiden Vereine zwischen den beiden Spielen in der nationalen Meisterschaft gegeneinander, und zwar in São Paulo. Dort gelang dem aktuell dreifachen Brasilianischen Meister ein 3:0-Heimsieg und so war São Paulo auch für das Rückspiel Favorit. Doch Cruzeiro hatte seine Lektion gelernt. Man konnte einen 2:0-Auswärtssieg „in der Höhle des Löwen“ erzielen und wird nun im rein brasilianischen Halbfinale auf Gremio treffen. Nach dieser Leistung ist Cruzeiro Favorit.

Im linken Block konnte sich neben National aus Uruguay Estudiantes aus der argentinischen Stadt La Plata gegen den anderen Vertreter Uruguays, Defensor, mit zwei 1:0-Siegen durchsetzen.



Es kommt also nun zu den beiden Halbfinalbegegnungen zwischen Gremio und Cruzeiro einerseits und zwischen National und Estudiantes andererseits. Die beiden Erstgenannten haben den Vorteil des Heimspiels im Rückspiel. Die Begegnungen sind für die Tage 24. und 25. Juni (Hinspiele) und 1. und 2. Juli (Rückspiele) angesetzt.

Der Sieger der Libertadores wird, wie üblich, im Dezember mit Barcelona als Sieger der Champions Leage sowie den anderen Kontinent-Vereinsmeistern um die Welt-Krone kämpfen.



In der vergangenen Woche fand auch das erste Brasilianische Pokal-Endspiel statt, das hier auch mit Hin- und Rückspiel ausgetragen wird. Gegner waren Corinthians São Paulo, gerade erst wieder aus der zweiten Liga aufgestiegen und bereits einer der Kandidaten auf die Brasilianische Meisterschaft (jetzt mit Ronaldo) und Internacional Porto Alegre, Tabellenführer (zu jenem Zeitpunkt) der noch jungen Meisterschaft.

Der Bürger-Journalist hatte die Gelegenheit, das Spiel am Fernsehen zu verfolgen (hier werden wichtige Spiele oft noch am offenen Fernsehen gezeigt) und es hat sich gelohnt. Eines der besten Fußballspiele, das man hier seit langem gesehen hat. Extrem schnelle Ballstafetten auf beiden Seiten, voller Einsatz, viele Torszenen auf beiden Seiten, hervorragende Torwart-Leistungen und zur Krönung ein Tor von Ronaldo wie in seinen besten Zeiten. Er erhielt im Strafraum den Ball, in halbrechter Position, stand mit dem Rücken zum Tor und hatte noch einen Verteidiger zwischen sich und dem Tor. Mit einer extrem schnellen Bewegung zur Seite konnte er den Verteidiger ausspielen und mit dem linken Fuß schießen. Der Schuss war so hart, dass der Torhüter keine Chance hatte – Tor. Das war bereits das 2:0 und so ging das Spiel auch aus.



Am 1. Juli ist Rückspiel in Porto Alegre im Süden Brasiliens. Während vorher Internacional Favorit war, ist nun eine Vorhersage kaum möglich. Zu Hause ist Internacional eine Macht, aber ein Zwei-Tore-Vorsprung will erst einmal aufgeholt sein. Auf jeden Fall wird es wieder eine heiße Begegnung werden.


Veröffentlicht am 23. Juni 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 18. Mai 2009

Libertadores 2009 – da waren es nur noch 8

4 x Brasilien, 2x Argentinien, 1x Uruguay, 1x Venezuela

Von Karl Weiss

Folgende Spiele werden im Viertelfinale der Libertadores, dem südamerikanischen Gegenstück der Champions Leage, jeweils mit Hin- und Rückspiel ausgetragen (der erstgenannte hat jeweils Heimrecht im Rückspiel):

- Gremio Porto Alegre (Brasilien) – Caracas (Venezuela) (27.5. und 17.6.)
- São Paulo F.C. (Brasilien) – Cruzeiro Belo Horizonte (Brasilien) (27.5. und 17.6.)
- Boca Juniors Buenos Aires (Argentinien) – Estudiantes de La Plata (Argentinien) (28.5. und 18.6.)
- Nacional Montevideo (Uruguay) – Palmeiras São Paulo (Brasilien) (28.5. und 17.6.)


Zwar steht ein Spiel noch aus, aber es wird wohl keine Änderung mehr geben. Die Sieger der beiden ersten Spiele werden eines der Halbfinale bestreiten, die der dritten und vierten das andere. Es könnte also passieren, das Boca Juniors und drei brasilianische Vereine im Halbfinale stehen.

Praktisch alle Ergebnisse waren den Erwartungen entsprechend oder jedenfalls keine Überraschungen.

Gremio Porto Alegre, der brasilianische Meisterschaftszweite und Beste der Gruppenphase, hatte keine Probleme mit San Martin aus Peru und gewann zweimal mit zwei Toren Unterschied.

Caracas aus Venezuela musste sich zwar bei Deportivo Cuenca in Equador mit 2:1 geschlagen geben, konnte aber in Venezuela einen Kantersieg mit 4:0 erringen.

São Paulo aus der grössten Metropole der Südhalbkugel profitierte ebenso wie Nacional Montevideo aus Uruguay von der Aufgabe der beiden verbliebenen mexikanischen Vereine, nachdem die südamerikanische Föderation die Spiele in Mexiko wegen der neuen Grippe verboten hatte.

Cruzeiro Belo Horizonte aus der Stadt, aus der der Bürger-Journalist schreibt, konnte zweimal Universidad Chile besiegen, wobei der Auswärtssieg in Santiago de Chile als hervorragende Leistung eineschätzt wurde.

Boca Juniors erreichte im Hinspiel ein Unentschieden bei Defensor aus Uruguay. Der wenig bekannten Mannschaft aus Montevideo dürfte schwerlich einen Sieg in Buenos Aires auf der anderen Seite des Rio de La Plata gelingen gegen den Favoriten der Libertadores, also gehen wir davon aus, dass Boca weiterkommt.

Libertad aus Asunção, Paraguay, musste im Hinspiel ein glattes 0:3 gegen Estudiantes aus Argentinien hinnehmen. Da wird das Rückspiel zum Freunschaftsspiel und blieb dann auch bei einem spärlichen 0:0.

Schliesslich musste noch eine brasilianische Mannschaft ausscheiden, denn im letzten Achtelfinale spielten Palmeiras São Paulo und Sport Recife gegeneinander, die bereits zweimal in der Gruppenphase gegeneinander antreten mussten. Während am Ende der Gruppenphase Sport die Nase vorn hatte und Gruppensieger wurde, hatte diesmal Palmeiras das bessere Ende für sich. Nachdem beide zu Hause 1:0 gewinnen konnten, musste es in die Verlängerung gehen und dann ins Elfmeterschiessen, in dem der Palmeiras-Torhüter Marcos drei Elfmeter abwehrte und das ganze zu Gunsten von Palmeiras drehte. Das ist übrigens der gleiche Marcos, der schon die deutschen Stürmer im Weltmeisterschaftsfinale 2002 zur Verzweiflung brachte.


Veröffentlicht am 18. Mai 2009 in der Berliner Rundschau



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Montag, 4. Mai 2009

Libertadores am Ende der Gruppenphase

Boca Juniors Buenos Aires erneut Favorit

Von Karl Weiss

Während das Vorbild, die Champions-Leage, bereits in die Zielgerade einbiegt, ist das südamerikanische Gegenstück, die „Copa Libertadores“, das ja erst Anfang des Jahres anfing, jetzt mit den Spielen am 30. 4. 2009 erst zum Ende der Gruppenphase gekommen. Es hat einige handfeste Überraschungen gegeben, aber auch Favoriten, die sich durchgesetzt haben.



Der wichtigste Favorit ist, wie schon die ganzen letzten Jahre, Boca Juniors Buenos Aires aus Argentinien, das erwartungsgemäss Gruppensieger wurde und als zweitbester aller Gruppensieger verbucht ist. Man wird mit Defensor Sporting aus Uruguay, dem zweitschlechtesten Gruppen-Zweiten, ein weitgehend unbekanntes Team zum Gegner im Achtelfinale haben.

Die Achtelfinale nach der Gruppenphase werden nicht ausgelost wie in Europa, sondern es spielt der beste Gruppenerste gegen den schlechtesten Gruppenzweiten usw.

Fluminense - Boca: Palácio und Palermo haben eine grosse Chance vergeben

Allerdings hat diese Regelung bereits im letzten Jahr und nun erneut zu dem Ergebnis geführt, dass zwei Vereine sich in den zwei Achtelfinalbegegnungen gegenüberstehen, die bereits in der Gruppenphase zweimal gegeneinander gespielt haben. Diesmal hat es Palmeiras São Paulo und Sport Recife erwischt, beide aus Brasilien.

Die beiden hatten zusammen mit Colo Colo aus Chile und dem Vorjahres-Champion LDU aus Equador die als schwerste geltende Gruppe 1 gebildet. Überraschenderweise hatte weder die chilenische Spitzenmannschaft, die immer für hervorragende Libertadores-Ergebnisse gut ist, noch der Vorjahressieger die Gruppe gewinnen können, sondern der Aussenseiter, der brasilianische Pokalsieger Sport Recife (zur Libertadores werden, im Gegensatz zur Champions Leage, auch die Pokalsieger der Mitgliedsländer eingeladen), der in den ganzen letzten Jahren nie auf den vorderen Plätzen der brasilianischen Meisterschaft zu finden war. Palmeiras São Paulo, eines der besten brasilianischen Teams, war schon abgeschlagen und musste sich am letzten Spieltag nach einem Auswärtsieg mit 1: 0 bei Colo Colo mit dem zweiten Gruppenplatz zufriedengeben und war damit noch gut bedient.



Ausser Colo Colo und LDU sind auch drei argentinische Mannschaften ausgeschieden, was extrem selten ist in dieser frühen Phase, darunter einer der Mitfavoriten, River Plate Buenos Aires. Argentinien und Brasilien haben Anrecht auf jeweils fünf Plätze in der Libertadores, wozu eventuell noch der Vorjahressieger kommt, der aber diesmal die Phalanx aus Equador auf drei Mannschaften aufstockte. Von diesen kam aber nur eine durch und das war nicht der Vorjahressieger LDU, sondern Deportivo Quenca, das es diesmal zum besten Gruppenzweiten gebracht hat. Als solcher hat man es mit dem schlechtesten Gruppenersten zu tun im Achtelfinale, das ist Caracas aus Venezuela, eine weitere Überraschung und seit Urzeiten die erste venezuelanische Mannschaft, die Gruppenerster wird.

Die beiden anderen ausgeschiedenen argentinischen Mannschaften neben River Plate sind Lanús und San Lorenzo. Damit ist Argentinien neben dem Favoriten Boca Juniors nur noch mit Estudiantes vertreten. Dagegen haben sich alle fünf brasilianischen Vertreter qualifizieren können, davon vier als Gruppenerste. Der beste Gruppenerste überhaupt war Gremio Porto Alegre, der brasilianische Vize-Meister, der es im Achtelfinale mit dem schlechtesten Gruppenzweiten zu tun bekommt, San Martin aus Peru, die einzige der beiden peruanischen Mannschaften, die überlebt hat.



Die beiden anderen brasilianischen Mannschaften im Achtelfinale sind der Meister São Paulo F. C. und Cruzeiro Belo Horizonte aus der Stadt, aus der der Bürger-Journalist schreibt. Sie haben schwere Gegner erwischt. São Paulo muss gegen Chivas Guadalajara antreten, die beste noch vertretene mexikanische Mannschaft und Cruzeiro gegen Universidad Chile, den letzten verbliebenen chilenischen Verein.

Traditionell werden zur Libertadores die besten mexikanischen Mannschaften eingeladen, was aus der südamerikanischen Mannschaftsmeisterschaft eine inoffizielle amerikanische Meisterschaft macht. Dieses Jahr aber gibt es da das Problem der Neuen Grippe. Nachdem der südamerikanische Verband die Austragung des Spiels in Mexiko verboten hat, muss São Paulo darauf warten, für welchen Spielort das Auswärtsspiel angesetzt wird.



Die Hinspiele der Achtelfinale, jeweils mit dem Gruppenzweiten als Heimmannschaft, sind für den 5., 6. oder 7. Mai angesetzt, die Rückspiele im Stadion der Gruppenersten für den 12., 13. oder 14. Mai.

Der einzige verbliebene der drei paraguayanischen Mannschaften, Libertad Assunção, muss gegen Estudiantes Rio de La Plata antreten, was zwei spannende Partien verspricht.



Aus Urugay sind noch beide Mannschaften im Wettbewerb, neben Defensor Sporting, das kaum eine Chance gegen Boca Juniors haben dürfte, der Gruppenerste der Gruppe 3 und auch drittbester Gruppenerster, die Traditionsmannschaft von Nacional Montevideo, die es mit dem zweiten, wenig bekannten mexikanischen Vertreter San Luis zu tun bekommt.

Lediglich die drei Verteter aus Kolumbien und die aus zwei Bolivien sind nicht mehr im Wettbewerb vertreten, was in Bezug auf Kolumbien eine der anderen Überraschungen darstellt, denn die besten kolumbianischen Mannschaften haben oft gute Rollen in der Libertadores gespielt.



Die Voraussicht (die sich üblicherweise als falsch erweist): Ein Endspiel auf der einen Seite mit Boca Juniors ist denkbar, wobei als mögliche Gegner hauptsächlich São Paulo, Gremio oder Chivas in Frage kommen. Andererseits wäre auch die Konstellation auf der einen Seite mit Palmeiras möglich, mit den gleichen Gegnern wie oben bei Boca.

Alle anderen Paarungen wären Überraschngen, aber wann gibt es im Fussball schon etwas anderes als Überraschungen?

Statistik:

(P =Punkte, SG= Tordifferenz, G=erzielte Treffer)

1. dos Grupos
A. Primeiro: Gremio Porto Alegre B 16 P, SG 10
B. Segundo: Boca Juniors ARG 15 P, SG 8
C. Terceiro: Nacional URU 14 P, SG 9
D. Quarto: São Paulo, SP, 13 P, SG 4, 10 G
E. Quinto: Cruzeiro B. Horizonte B 13 P, SG 4, 9 G
F. Sexto: Sport Recife B 13 P, SG 3
G. Sétimo: Libertad PARA 12 P, SG 2
H. Oitavo: Caracas VEN 10 P, SG 3

2. dos Grupos
A. Oitavo: San Martin PERU 8P, SG -2
B. Sétimo: Defensor Sporting URU 8 P, SG 0, 6 G
C. Sexto: San Luis MEX 8 P, SG 0, 7G
D. Quinto: Chivas Guadalajara MEX 9 P,
E. Quarto: Universidad Chile 10 P, SG 2, 8G
F. Terceiro: Palmeiras B 10 P, SG 2, 9 G
G. Segundo: Estudiantes ARG 10 P, SG 5
H. Primeiro: Dep. Quenca EQU, 10 P, SG 6


Veröffentlicht am 4. Mai 2009 in der Berliner Umschau

Die Fotos in diesem Artikel sind aus dem letztjährigen Halbfinal-Hinspiel der Libertadores zwischen Fluminense Rio de Janeiro und Boca Juniors Buenos Aires.

Donnerstag, 5. März 2009

Ronaldo versucht Comeback bei Corinthians São Paulo

WM-Rekordtorschütze zurück in Brasilien

Von Karl Weiss

Ronaldo – ja, DER Ronaldo, nicht Ronaldinho, nicht Cristiano Ronaldo – ist seit einem Jahr verletzt und musste Operationen über sich ergehen lassen. Der AC Mailand hat ihm keine Vertragsverlängerung angeboten. Mit seinen 32 Jahren ist seine internationale Karriere beendet. Aber für Brasilien reicht es noch, dachte sich da jemand.


Ronaldo im Trikot von Corinthians

Zuerst versuchte er beim Club seines Herzens unterzukommen, Flamengo Rio de Janeiro – Ronaldo ist aus Rio – aber da war das Interesse wohl nicht gross genug.

Dann wurde er mit Corinthians São Paulo in Verbindung gebracht, dem Verein mit den zweitmeisten Anhängern in Brasilien – nach Flamengo - und glatten 70 % der Fussballfans in der 20-Millionenstadt São Paulo. Tatsächlich unterschrieb er im Dezember einen 1-Jahresvertrag bei Corinthians.

Corinthians brauchte dringend eine Identifikationsfigur, denn man war vor zwei Jahren in die zweite Liga abgestiegen und schaffte letztes Jahr den unmittelbaren Wiederaufstieg als Meister der zweiten Liga. Niemand kann vorhersehen, wo Corinthians in dieser Meisterschaftsrunde stehen wird.

Das Verhältnis der brasilianischen Fussball-Anhänger zu Ronaldo ist durchweg gemischt. Einerseits erkennt man seine Leistungen an. Immerhin war er es, der die zwei Tore in Japan im WM-Endspiel 2002 gegen Deutschland schoss, an was sich deutsche Fussball-Fans meist noch erinnern und speziell Torhüter Kahn, dem beim ersten Tor nach einem Gewaltschuss von Rivaldo der Ball aus den Händen sprang.

Ebenso ist zu erwähnen, dass Ronaldo mit 15 Toren die Torschützenliste in Weltmeisterschaften anführt. Allerdings hat Ronaldo dazu 4 WMs (1994, 1998, 2002 und 2006) gebraucht, während der wirkliche Rekord der von Gerd Müller ist, der in lediglich zwei Weltmeisterschaften 14 Tore schoss (1970, 1974).

Andererseits ist aber Ronaldo in Brasilien auch der als Hauptverantwortlich geltende für die beiden Niederlagen gegen Frankreich im Endspiel 1998 und bei der WM in Deutschland 2006. In Frankreich hatte er einen nervösen Krampfanfall vor dem Endspiel, wurde aber trotzdem aufgestellt und brachte auf dem Feld nichts zustande. In Deutschland waren er und Roberto Carlos die Symbolfiguren für ein schwaches Auftreten der ganzen Elf, die der Niederlage gegen Frankreich keinen ernsthaften Widerstand entgegenzusetzen schien.

Ronaldo war immerhin drei Mal zum Fussballer des Jahres gewählt worden und stellte für Jahre eine der Symbolfiguren Brasiliens dar. So nahmen und nehmen ihm viele Brasilianer seine Affären übel, die ihn zwar nicht als Fussballer, aber als Menschen disqualifizieren.

Zum einen ist Ronaldo einer der notorischsten Weiberhelden unter allen Prominenten. Als er sich nach mehreren Affären mit bekannten Frauen mit allem Pomp mit dem brasilianischen Topmodell Cicarelli verheiratet hatte, ging die Ehe innerhalb von 14 Tagen auseinander, weil sie ihn in einem anderen Bett erwischt hatte.

Der Begriff Weiberheld ist auch nicht ganz korrekt, denn da war auch ein Travesti unter den „Weibern“. Ende letzten Jahres , als er sich in Rio von der letzten Operation erholte, wurde er polizeinotorisch mit einem Travesti, der reklamierte, Ronaldo habe ihm nicht den vereinbarten „Liebeslohn“ bezahlt.

Das war besonders peinlich, denn zur gleichen Zeit war er mit Maria Antony liiert, die eine gemeinsame Tochter erwartete, welche am 24. Dezember geboren wurde. Kurze Zeit danach trennte sich das Paar. Danach wurde Ronaldo wiederholt mit verschiedenen unbekannten Frauen in diversen Diskotheken und Clubs fotografiert.

Aber auch die mangelnde Disziplin Ronaldos ist weithin bekannt. Als er in Deutschland 2006 vor der Weltmeisterschaft zum Team Brasiliens stiess, hatte er um die zehn Kilo Übergewicht. Er hatte sich nicht an die Trainingseinheiten gehalten, die er in den Wochen vorher hätte absolvieren müssen. Jeder andere wäre postwendend nach Hause geschickt worden, aber er war eben Ronaldo, das Phänomen, wie man ihn in Brasilien zur Unterscheidung von Ronaldinho nennt, der hier meist mit dem Zusatz „Gaúcho“ versehen wird, weil er aus dem südlichsten brasilianischen Bundesland Rio Grande do Sul stammt. Ein weiterer Grund, warum die Brasilianer Ronaldo als einen der Hauptverantwortlichen für das schwache Abschneiden in Deutschland ansehen.

Jetzt, im Hotel, in dem sich Corinthians auf die kommende Saison vorbereitet, verschwand er vergangene Freitag Nacht und wurde in einen Nachtlokal zusammen mit dem früheren brasilianischen Nationalspieler Antonio Carlos gesehen, der bei Corinthians Fussball-Direktor war. Erst im Morgengrauen kam er zurück und wurde mit den üblichen Geldstrafen versehen. Antonio Carlos musste von seinem Posten zurücktreten.

Wie man bei einem Probetraining am Wochenende sehen konnte, ist Ronaldo weiterhin übergewichtig. Nach Angaben seines Trainers steht er nicht mehr als eine Halbzeit durch. Nun soll er am Wochenende bei einen Pokalspiel gegen die unterklassige Mannschaft von Itumbiara auf die Bank gesetzt werden und darf wohl in der zweiten Halbzeit spielen. Das wäre sein erster Einsatz seit fast einem Jahr.


Veröffentlicht am 5. März 2009 in der Berliner Umschau

Montag, 8. Dezember 2008

São Paulo erneut brasilianischer Fussballmeister

Internacional gewann Südamerika-Cup

Von Karl Weiss, Belo Horizonte

Der São Paulo F.C. ist zum dritten Mal hintereinander brasilianischer Meister geworden und damit auch Rekordmeister mit insgesamt 6 Titeln (eine nationale Meisterschaft wird in Brasilien erst seit 1971 ausgetragen). Es reichte dem Verein ein 1:0 bei Goiás Goiánia, um das Ergebnis des Rivalen Gremio Porto Alegre bedeutungslos zu machen.

Schon am letzten Mittwoch hatte die brasilianische Mannschaft Internacional Porto Alegre mit einem 1 : 1 in der Verlängerung die Copa Sulamericana gewonnen, das südamerikanische Gegenstück zum UEFA-Pokal. In einem spektakulären Spiel im Stadion „Beira Rio“ (Flussufer) in Porto Alegre gelang es der argentinischen Mannschaft von Estudiantes La Plata, das 0:1 aus dem Hinspiel auszugleichen und bis zum Ende der normalen Spielzeit ebenso ein 0:1 auswärts zu erreichen, was zur Verlängerung führte. Aus einem Tumult vor dem Tor von Estudiantes, bei dem der Ball zweimal abgewehrt wurde, aber dann beim dritten Mal doch ins Tor ging, entstand der Ausgleich von Internacional in der zweiten Hälfte der Verlängerung.

Die letzten Spielminuten wurden zu einem Spektakel. Estudiantes warf alles nach vorne, der Torwart spielte 30 Meter vor seinem Tor letzter Mann und man drängte auf die erneute Führung. Internacional war so erschöpft von der Aufholjagd, dass man nicht in der Lage war, den Ball in den eigenen Reihen zu halten oder das leere Tor anzuvisieren. Minutenlange unübersichtliche Szenen mit fast allen Spielern unmittelbar vor den Inter-Tor waren das Ergebnis. Aber auf dieser Seite ging der Ball nicht hinein, was das Elfmeterschiessen bedeutet hätte. Brasilianische Mannschaften haben eine lange Geschichte von verlorenen Elfmeterschiessen gegen argentinische in südamerikanischen Ausscheidungen. Schließlich erlöste der Schlusspfiff Internacional und die Feiern begannen.

Internacional nennt sich nun den einzigen Meister, der alles gewonnen hat. Gemeint ist damit die Libertadores, die man 2006 gewann, ebenso wie den Titel des Vereinsweltmeisters in Japan, die Titel brasilianischer Meister, Meister von Rio Grande do Sul und des brasilianischen Pokals natürlich sowieso und nun eben auch noch den Südamerika-Cup, den noch kein anderer brasilianischer Verein gewonnen hat – den es allerdings auch erst seit fünf Jahren gibt.

Als um 17 Uhr Ortszeit am Sonntag alle zehn Spiele des letzten Spieltags angepfiffen wurde, begannen die spannendsten 90 Minuten in der brasilianischen A-Serie seit langem. 8 der 10 Spiele waren noch bedeutend für eine der Entscheidungen: Meister, Plätze in der Libertadores und Abstieg. Lediglich die beiden Begegnungen zwischen Sport Recife und Coritiba und zwischen Fluminense Rio de Janeiro und Ipatinga hatten keine Bedeutung mehr. Wären alle Spiele 0 : 0 unentschieden ausgegangen, hätte sich folgendes Bild ergeben: São Paulo wäre Meister, Gremio, Palmeiras São Paulo, und Cruzeiro Belo Horizonte hätten die anderen Plätze für die „Libertadores“(Gegenstück zur Champions Leage) ergattert, während nach Ipatinga und Portuguesa São Paulo, die bereits feststanden, auch Vasco da Gama Rio de Janeiro und Figuerense Florianopolis zum Abstieg verurteilt gewesen wären. So ging es am Ende auch aus.

Aber natürlich blieben nicht alle Spiele beim 0:0. Die ersten Tore fiel in Recife, wo es um nichts mehr ging. Aber dann begannen schon Tore zu fallen, die etwas hätten ändern können. Zuerst erzielte in Curitiba Atlético Paranaense das 1:0 gegen Flamengo Rio de Janeiro, was Atlético sicher vom Abstieg retten würde und Flamengo von der Libertadores fernhalten. Dann ein Tor von höchster Bedeutung in der 23. Minute in Brasilia, wohin Goiás das Entscheidungsspiel verlegt hatte: 1:0 für São Paulo gegen Goiás. Der zweifache Meister steht damit unmittelbar vor dem dritten Titel hintereinander. Dann erneut zwei entscheidende Tore in der 25. Minute: 1:0 für Vitória bei Vasco und fast gleichzeitig das 1:0 von Internacional gegen Figuerense Florianópolis. Beide unterlegenen Vereine wären damit abgestiegen.

Kurz danach das 2:0 für Atlético Paranaense, nun schon fast sicher vor dem Abstieg gesichert und Flamengo noch entfernter dem Platz in der Libertadores.

Dann eine große Überraschung: Die bereits abgestiegene Portuguesa erzielt das 1: 0 bei Cruzeiro, das aber immer noch in der Libertadores wäre, weil Flamengo ebenfalls zurückliegt. Doch dann, 33. Minute: Flamengo gelingt das 1:2 gegen Atlético Paranaense und darf wieder Hoffnung schöpfen. Dann erneut die kalte Dusche: 38. Minute: 3:1 für Atlético Paranaense. Zwei Minuten später aber erneut das Anschlusstor für Flamengo. Fünf Tore in der ersten Halbzeit in Curitiba!

Zur Halbzeit seht es so: São Paulo ist Meister, Palmeiras und Cruzeiro wären zusammen mit Gremio in der Libertadores, Vasco und Figuerense abgestiegen.

Die zweite Halbzeit beginnt mit einem Paukenschlag: Botafogo erzielt das 1:0 gegen Palmeiras, das aber trotzdem in den Libertadores-Plätzen bleibt, weil die beiden Rivalen auch zurück liegen – allerdings muss der vierte der brasilianischen Meisterschaft in Qualifikationsspiele, um endgültig in der Libertadores zu landen.

Dann ein Tor für Figuerense zum 1:1-Ausgleich, was immer noch den Abstieg bedeutet, aber Hoffnung. Ein Sieg und man wäre draußen aus der Abstiegszone – wenn Nautico nur gegen Santos verlieren würde.

Dann kurz nacheinander zwei Tore in Belo Horizonte fúr Cruzeiro: 2: 1. Das wäre der dritte Platz für Cruzeiro.

Noch eine halbe Stunde zu spielen und die Entscheidungen bleiben die gleichen wie zur Halbzeit.

18.30 Uhr: 15 Minuten zu spielen: Elfmeter für Gremio gegen Atlético Mineiro im heimischen Stadion. Sicher verwandelt durch Tcheco. 1: 0 für Gremio. Aber São Paulo führt weiterhin und bleibt auf Meisterkurs.

Dann das Führungstor für Figuerense: 2:1 gegen Internacional, damit wäre Figuerense immer noch nicht gerettet, weil Náutico zwar gleich viel Siege hat, aber eine weit bessere Tordifferenz. Dann sogar des dritte Tor für Figuerense, aber es reicht immer noch nicht.

Atlético Paranaense erzielt dann noch das 4:2, was aber nichts mehr ändert. Dann die Verdammnis für Vasco im eigenen Stadion: 2: 0 für Sport, die letzten Hoffnungen auf den Klassenerhalt schwinden.

Währenddessen baut Cruzeiro seinen Sieg gegen die schon abgestiegene Portuguesa aus bis zum 4:1, was ebenfalls nichts mehr ändert. Atlético Paranaense kommt sogar zum 5:2 gegen Flamengo, auch nicht mehr von Bedeutung

Noch fünf Minuten. Es scheint alles bei dem zu bleiben, was schon in der Halbzeit feststand. Dann gelingt Gremio noch das 2:0 gegen Atlético Mineiro, aber es reicht nicht zum Titel.

Schlusspfiffe in zehn Stadien: Keine Veränderung mehr.


Veröffentlicht am 8. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Mittwoch, 3. Dezember 2008

Vor dem letzten Spieltag in der brasilianischen Fussball-A-Serie

Fast alles noch offen

Von Karl Weiss

Zu einem ausgewachsenen Krimi hat sich der letzte Spieltag am kommenden Sonntag in der brasilianischen ersten Fußball-Liga gemausert. Fast alle Entscheidungen, darunter die Meisterschaft, zwei der vier Qualifizierten für die „Libertadores“ (Gegenstück zur Champions Leage) und zwei der vier Absteiger sind noch offen. Am Mittwoch findet auch das Rückspiel im Finale der ‚Copa Sulamericana’ (Gegenstück zur UEFA-Cup) zwischen Internacional Porto Alegre (Brasilien) und Estudiantes La Plata (Argentinien) statt.


Alle Bilder in diesem Artikel sind von der "Libertadores"-Begegnung zwischen Fluminense und São Paulo in der ersten Jahreshälfte im voll besetzten Maracanã-Stadion in Rio. Damals spielte Adriano noch bei São Paulo, der heute wieder für Inter Mailand stürmt.

Obwohl die meisten dem Meister der letzten beiden Jahre, São Paulo F.C., bereits an diesem Sonntag einen Sieg im heimischen Stadion gegen den bis dahin noch abstiegsgefährdeten Verein Fluminense Rio de Janeiro zugetraut hatten, reichte es nur zu einem Unentschieden. Damit hat Gremio Porto Alegre am kommenden Sonntag noch einmal eine Chance, nachdem ihm an diesem Sonntag ein glattes 4:1 beim bereits abgestiegenen Ipatinga gelang. Fluminense entwickelt sich zu so etwas wie einem Angstgegner von São Paulo, denn man war schon in der diesjährigen „Libertadores“ im Viertelfinale gegen diesen Gegner ausgeschieden.

São Paulo muss bei Goiás Goiânia antreten, das zu Hause eine Bank ist und wird es sehr schwer haben, ein Unentschieden zu erreichen, was ihm für den Meistertitel reicht. Gremio empfängt dagegen zu Hause die Mannschaft von Atlético Mineiro aus Belo Horizonte, für die es um nichts mehr geht – es ist also alles offen. Verliert São Paulo und gewinnt Gremio, ist Gremio Meister, denn dann hat man gleiche Punktzahl, aber einen Sieg mehr.



Ähnlich eng geht es bei den beiden noch offenen Abstiegsplätzen zu, nachdem Ipatinga bereits seit letzter Woche abgestiegen war und Portuguesa São Paulo nach einem Heim-Unentschieden gegen Sport Recife endgültig in den sauren Apfel beißen muss. Gerettet vor dem Abstieg haben sich an diesem Sonntag Fluminense Rio de Janeiro mit dem Unentschieden gegen São Paulo und der F.C. Santos, der nach mehreren Niederlagen noch in Gefahr geraten war und sich nun mit einem Auswärts-Unentschieden bei Atlético in Belo Horizonte den notwendigen rettenden Punkt holte.

In Abstiegsgefahr schweben noch der drittletzte, Vasco da Gama Rio de Janeiro mit 40 Punkten, der viertletzte, Figuerense Florianopolis mit 41 Punkten und davor auf den Nichtabstiegsplätzen Atletico Paranaense mit 42 und Náutico mit 43 Punkten. Das theoretisch leichteste Spiel hat Figuerense unter diesen vier Kandidaten, das zu Hause gegen Internacional Porto Alegre antritt. Dieser Gegner hat vier Tage vorher das zweite Endspiel des Südamerika-Cups und wird entweder noch erschöpft von den Siegesfeiern oder am Boden zerschmettert von der Niederlage sein. Wenn Figuerense also gewinnt, braucht man nur noch ein Unentschieden oder eine Niederlage von Alético Paranaense, das zu Hause gegen Flamengo Rio de Janeiro antritt oder eine Niederlage von Náutico, das bei Santos zu Gast ist, und wäre gerettet. Andererseits reicht Náutico ein Unentschieden, um sich in Sicherheit zu bringen.



Vasco spielt zu Hause gegen Vitória Salvador, ein Sieg wäre kein unmögliches Ergebnis. Aber selbst dann muss Figuerense nicht den erwarteten Sieg gegen Internacional schaffen und zusätzlich noch Atlético Paraná oder Nautico verlieren, damit es für Vasco reicht. Eine andere Kombination von Ergebnissen wäre eine Niederlage sowohl von Atlético als auch von Náutico. Das könnte im Fall von deren Siegen noch Figuerense und Vasco retten. Vasco wäre dann punktgleich mit Náutico, hätte aber 12 Siege gegen nur 11 von Náutico aufzuweisen.

Was auch noch offen steht, sind die beiden anderen Plätze in der „Copa Libertadores“ des nächsten Jahres neben den beiden verbliebenen Meisterschaftsanwärtern São Paulo und Gremio sowie Sport Recife, das bereits im ersten Halbjahr den brasilianischen Pokal gewonnen hatte. Die verbliebenen Kandidaten für zwei Plätze sind Palmeiras São Paulo mit 65 Punkten, Cruzeiro Belo Horizonte mit 64 Punkten und Flamengo Rio de Janeiro mit ebenfalls 64 Punkten, aber zwei Siegen weniger. Flamengo hat ein schweres Auswärtsspiel gegen einen der möglichen Absteiger, der bis zum Umfallen kämpfen wird, Atletico Paranaense. Das dürfte schwer werden. Cruzeiro hat ein leichtes Heimspiel gegen den schon lange abgestiegenen Verein Ipatinga aus der Stahlstadt in Minas Gerais und damit die theoretisch leichteste Aufgabe. Palmeiras hat ebenfalls ein Heimspiel, aber gegen den starken Club Botafogo Rio de Janeiro, für den es allerdings um nichts mehr geht. Da sieht also ganz nach den Plätzen für Palmeiras und Cruzeiro aus.



Für die `Copa Sulamericana’ in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres werden sich neben dem Meister sieben schon feststehende Vereine qualifizieren, das sind Internacional, Goiás, Coritiba aus der paranaensischen Hauptstadt, Botafogo, Vitória, Sport und Atlético Mineiro, dazu jener Verein, der es nicht schafft, in die „Libertadores“ zu kommen, also wahrscheinlich Flamengo.

Zuletzt noch die Ergebnisse der Halbfinale und des ersten Finalspiels des Südamerika-Cups. Internacional, das bereits seit fünf Runden nur noch mit einer Reservemannschaft in der brasilianischen Meisterschaft spielt und sich voll auf den Sieg in diesem Cup konzentriert hat, gewann beide Spiele gegen Chivas Guadalajara im ersten Halbfinale. Im zweiten standen sich die beiden argentinischen Clubs Estudiantes aus La Plata und Juniors aus Buenos Aires gegenüber. In der argentinischen Hauptstadt konnte Estudiantes ein Unentschieden erreichen und gewann dann knapp 1:0 zu Hause und zog so in die Endspiele ein.



Das erste davon wurde in Argentinien ausgetragen und sah die brasilianische Mannschaft als Sieger mit 1:0, nachdem deren Torhüter Lauro mit einigen spektakulären Rettungstaten sein Tor sauber gehalten hatte und den Titel des besten Spielers auf dem Platz bekam. Theoretisch müsste jetzt Internacional zu Hause den Titel holen, aber das glaubten auch schon die jeweils stärker eingeschätzten Mannschaften in den Endspielen in den beiden letzten Jahren, América Mexico Stadt und Colo Colo Santiago de Chile und mussten sich doch geschlagen geben. 2006 unterlag Colo Colo der unbekannten mexikanischen Mannschaft von Pachuca und 2007 war es América, der mexikanische Meister, der die bis dahin nicht hervorgetretenen argentinischen Mannschaft von Arsenal den Titel holen sah.




Veröffentlicht am 3. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

Dienstag, 11. November 2008

Brasilianische Fussballmeisterschaft und Südamerika-Cup im Endspurt

Spannende Endphase

Von Karl Weiss

Sowohl die letzten Spieltage der brasilianischen Fussballmeisterschaft als auch die Halbfinale und Finale des Südamerika-Cups (Gegenstück zum UEFA-Cup) versprechen extrem spannend zu werden.


Alle Fotos in diesem Artikel sind aus dem Libertadores-Halbfinalspiel Fluminense Rio de Janeiro - Boca Juniors Buenos Aires aus der ersten Jahreshälfte.

In der brasilianischen Meisterschaft sind noch vier Spieltage zu absolvieren und es ist noch nichts entschieden, weder bei der Meisterschaft, noch im Abstieg noch bei den Plätzen für die „Libertadores“ (Gegenstück zur Champions-Leage). Fünf Vereine haben noch reelle Chancen auf den Titel: São Paulo F.C., der Meister aus den beiden vergangenen Jahren, mit 65 Punkten, Gremio Porto Alegre mit 63, Palmeiras São Paulo und Cruzeiro Belo Horizonte mit 61 und Flamengo Rio de Janeiro mit 60 Punkten. Die nächsten vier Vereine in der Tabelle können zwar rechnerisch auch noch Meister werden, aber angesichts der Stärke der ersten fünf ist das sehr unwahrscheinlich

Diese ersten fünf werden wohl auch die vier Plätze in der „Libertadores“ unter sich ausmachen, d.h. einer wird da herausfallen. Theoretisch können sich aber auch noch Internacional Porto Alegre, Coritiba aus der paranaensischen Hauptstadt, Botafogo Rio de Janeiro und Goiás Goiánia Hoffnung auf einen dieser Plätze machen.

Fluminense - Boca: Palácio und Palermo haben eine grosse Chance vergeben

Das Restprogramm der ersten fünf hat für jeden noch zwei Heimspiele und zwei Auswärtsspiele vorgesehen. Cruzeiro empfängt am 23. November Flamengo im Stadion Minerão in Belo Horizonte. Ansonsten spielen die ersten fünf nicht mehr gegeneinander.

Das Restprogramm von São Paulo sieht am leichtesten aus. Es ist in drei von vier Fällen gegen akut vom Abstieg bedrohte Vereine: Figuerense, Vasco und Fluminense. Zwar handelt es sich da um drei scheinbar leichtere Gegner, aber alle drei haben noch reale Chancen, dem Abstieg zu entgehen und werden kämpfen wie die Berserker. Zudem besteht immer die Gefahr, einen solchen Gegner zu unterschätzen. Dazu kommt ein extrem schweres Auswärtsspiel bei Goiás, das zu Hause eine Bank darstellt. Trotzdem hat São Paulos klare Chancen, zum dritten Mal hintereinander den Titel zu gewinnen.

Auch Gremio dürfte noch gute Chancen haben, einen eventuellen Ausrutscher von São Paulo zu seinem Vorteil zu nutzen. Es hat nur ein Spiel gegen einen Abstiegskandidaten, aber das ist Ipatinga, das zu diesem Zeitpunkt wohl schon rechnerisch abgestiegen sein wird. Die anderen drei sind Vereine aus dem Mittelfeld, also theoretisch ein leichtes Restprogramm.



Flamengo ist schon in der Punktzahl zurück und muss beim Mitbewerber Cruzeiro antreten. Das dürfte Flamengo eher zu einem Außenseiter machen.

Bleiben Palmeiras und Cruzeiro. Beide haben noch ein relativ schweres Programm zu absolvieren. Wenn São Paulo und Gremio nicht deutlich abbauen, werden sie wohl nicht mehr auf den Titel hoffen können.

Für den Abstieg kommen nach allen realen Abschätzungen noch sieben Vereine in Frage, also vier Absteiger und drei in letzter Minute gerettete. Praktisch schon abgestiegen ist Ipatinga aus der Stahlstadt in Minas Gerais mit nur 31 Punkten. Davor stehen auf den drei anderen Abstiegsplätzen Figuerense Florianopolis mit 35, Portuguesa São Paulo mit 36 sowie Náutico Recife mit 37 Punkten. Aber auch Fluminense Rio de Janeiro und Vasco Rio de Janeiro mit 37 Punkten und Atletico Paranaense aus Curitiba mit 38 Punkten sind noch lange nicht gerettet.

Es finden noch insgesamt vier „6-Punkte-Spiele“ statt, jeweils eines pro Spieltag, bei denen zwei der Abstiegskandidaten gegeneinander antreten. Fluminense hat dabei noch zweimal Heimvorteil, das dürfte dem Verein genügend Luft verschaffen. Für Atletico Paranaense dagegen ist ein besonders schweres Restprogramm vorgesehen, das könnte noch ins Auge gehen. Wenn wir also Fluminense als voraussichtlich gerettet ansehen und Atletico Paranaense als zum Abstieg verurteilt so wie Ipatinga, dann bleiben noch zwei Abstiegsplätze für Portuguesa, Náutico, Figuerense und Vasco. Da wird dann wohl die Bitternis des Abstiegs auf Náutico und Figuerense zukommen. Aber das sind natürlich Spekulationen.



Nun noch zum südamerikanischen UEFA-Cup, der ‚Copa Sulamericana‘. Ähnlich wie beim UEFA-Cup spielen dort die Vereine, die es nicht in die „Libertadores“ geschafft haben, aber auf den nächsten Plätzen endeten. Dazu lässt man in Südamerika noch alle Meister zu, weil die Copa Sulamericana nicht gleichzeitig mit der „Libertadores“ ausgespielt wird, sondern zeitversetzt. Dazu werden, wie auch in der „Libertadores“, mexikanische Vereine eingeladen, die hier oft eine sehr gute Figur machen.

Im Viertelfinale gab es in drei der vier Duelle ein brasilianisch-argentinisches Aufeinandertreffen, was allerdings nicht ganz so heiß gegessen wie gekocht wurde, weil in zwei der drei Fälle eine der Mannschaften in mindestens einer der Begegnungen mit vielen Ersatzspielern antrat, weil man noch Chancen auf den heimischen Meistertitel hat.

Mit den ersten Mannschaften in beiden Spielen traten Estudiantes aus La Plata und Botafogo Rio de Janeiro an. In La Plata musste Botafogo aber eine herbe 2:0-Niederlage einstecken und konnte dies im Rückspiel nicht aufholen.



Palmeiras, das noch Titelanwärter in Brasilien ist, trat zwei Mal mit einer von vielen Reservespieler durchsetzten Mannschaft gegen Argentinos Junior Buenos Aires an und verlor beide Spiele.

Ähnlich erging es Boca Juniors. Im ersten Spiel in Porto Alegre gegen Internacional trat man mit der ersten Mannschaft an, musste aber trotzdem eine 2:0 Niederlage hinnehmen. Daraufhin schonte Internacional seine erste Mannschaft im Auswärtsspiel gegen den São Paulo F.C. in der Meisterschaft und erlitt dann auch erwartungsgemäss eine 3:0-Schlappe, um mit seiner „ersten Wahl“ im Stadion Bonboneira in Buenos Aires gegen die berühmte Boca antreten zu können. Boca dagegen stellte eine Reihe von Ersatzspielern auf. Allerdings wurde dann doch Riquelme eingewechselt, als das Spiel zu Hause verloren zu gehen schien. Dem gelang auch ein Tor, das aber nicht die Niederlage mit 1:2 verhinderte.

Damit gewann Argentinien gegen Brasilien mit 2:1.



Auch im vierten der Duelle war ein argentinischer Verein vertreten. River Plate Buenos Aires spielte gegen den verbliebenen mexikanischen Vertreter Chivas Guadalajara. Zu Hause musste „River“ allerdings eine 1:2-Niederlage einstecken. Am 6. November beim Rückspiel in Guadalajara konnte man das nicht wett machen, sondern erreichte nur ein 2:2-Unentschieden, was den mexikanischen Verein ins Halbfinale brachte und die Phalanx der vier argentinischen Vereine auf zwei zusammenschmelzen ließ.

Die Halbfinalbegegnungen sind nun Argentinos Junior gegen Estudiantes in der einen Auseinandersetzung , womit bereits eine argentinische Mannschaft im Finale gesichert ist, und dementsprechend Internacional Porto Alegre gegen Chivas Guadalajara. Die Hinspiele finden jeweils am 12. November in Guadalajara und Buenos Aires statt, die Rückspiele am 19.11. in Porto Alegre und La Plata.



Es sei noch erwähnt, dass in drei vorangegangenen Jahren jeweils die „Underdogs“, die als schwächer eingeschätzten Mannschaften, das Endspiel gewonnen haben. Würde dies wieder eintreten, müsste der argentinische Verein, der ins Endspiel kommt, diesmal gewinnen.


Veröffentlicht am 10. November 2008 in der Berliner Umschau

Montag, 6. Oktober 2008

Brasilianische Fussballmeisterschaft auf der Zielgeraden

Extrem ausgeglichene Meisterschaft

Von Karl Weiss

Die Brasilianische Fussballmeisterschaft tritt in ihre entscheidende Phase. Noch 10 Spieltage sind zu absolvieren und 10 (in Worten : zehn) Vereine haben noch eine Chance, die Meisterschaft zu gewinnen, fünf im engeren Kreis und weitere fünf mit nur wenigen Punkten Rückstand. Acht Vereine sind dagegen noch akut vom Abstieg bedroht, ein weiterer noch nicht endgültig gesichert. D.h. von insgesamt 20 Vereinen in der Liga sind 19 noch direkt in den Kampf um die Meisterschaft oder in den gegen den Abstieg involviert, lediglich Sport Recife als 11. ist in einer „neutralen Zone“.


Alle Bilder in diesem Artikel sind von der Libertadores-Begegnung Fluminense -São Paulo im Mai. Adriano spielt heute nicht mehr bei São Paulo, sondern ist zu Inter Mailand zurückgekehrt.

In Wirklichkeit kann Sport rein rechnerisch noch Meister werden oder absteigen, nur kennt man die Stärke der Teams oben und die Schwäche der unten und so kann man diesen Club ausnehmen. Rein zufällig ist es gerade Sport, das dieses Jahr den Pokal gewonnen hat und damit bereits seinen Platz in der „Libertadores“ sicher hat. Im Gegensatz zur Champions Leage kommen in Südamerika auch die Pokalsieger in die Kontinent-Meisterschaft.

Man kann sich kaum erinnern, je eine so ausgeglichene Meisterschaftsrunde in irgendeinem Land gesehen zu haben.

Der letzte Spieltag wird am 7. Dezember sein, wenn alle zehn Begegnungen um 16 Uhr angepfiffen werden. Man kann jetzt schon darauf wetten, dass an jenem Tag noch Entscheidungen in Bezug auf die Meisterschaft und/oder die Plätze in der ‚Libertadores‘ fallen (dem südamerikanischen Gegenstück zur Champions Leage; außer dem Meister kommen noch der zweite, dritte und vierte in die Libertadores), genauso wie zum Abstieg.



An der Spitze stehen punktgleich Palmeiras São Paulo und Gremio Porto Alegre mit 53 Punkten. Palmeiras war seit Beginn der Saison Favorit. Man hatte sich deutlich verstärkt, hatte Anfang des Jahres Wanderley Luxemburgo als Trainer engagiert und die São Paulo-Meisterschaft gegen den São Paulo F.C. gewonnen. Der jeweils von Luxemburgo trainierte Verein stand die ganzen letzten Jahre in Brasilien auf einem der drei ersten Plätze. Zwar hat Luxemburgo bei Real Madrid schon bewiesen, dass er kein guter Trainer ist für Vereine, die nicht die brasilianische Spielweise praktizieren (viele Kurzpässe und Dribblings), ebenso kann er Mannschaften nicht gut auf Gegner einstellen, die nicht so spielen (was er als Trainer der Nationalmannschaft gezeigt hat), aber wenn beide brasilianisch sind, ist er fast unschlagbar.

Zu Beginn der Meisterschaft hatte Palmeiras allerdings eine ausgedehnte Schwächephase und brauchte lange, bis man begann, sich in der Tabelle emporzuarbeiten. Während der Saison aber bekam an der Spitze ein Verein nach dem anderen Schwächeperioden und so schloss Palmeiras bald auf.

Gremio Porto Alegre hatte sich vorher die Tabellenspitze geholt, als der lange führende Verein Flamengo Rio de Janeiro, Brasiliens Club mit den meisten Anhängern, seine Schwächephase bekam. Doch nun ist es Gremio, das diese Schwächephase hat. Man hat letzte Woche in einem Spiel der Südamerika-Meisterschaft (das ist das Gegenstück zum UEFA-Cup) eine 4:0-Schlappe gegen den Lokalrivalen Internacional erlitten.



Auf dem Sprung stehen dahinter mit vier Punkten Abstand (das ist bei zehn ausstehenden Spielen fast nichts) drei Vereine, jeder aus einer der drei grossen Metropolen des brasilianischen Südostens: Der São Paulo F.C., Flamengo Rio de Janeiro und Cruzeiro Belo Horizonte. Vorjahresmeister São Paulo scheint in einer guten Phase zu sein und darf noch als einer der grossen Anwärter auf die Meisterschaft angesehen werden. Flamengo hat sich nach der Schwächephase wieder gefangen, nachdem man grosse Teile der Saison an der Spitze stand und muss ebenfalls noch als ernster Anwärter angesehen werden.

Interessant: Alle diese 5 Vereine ander Spitze haben fast die gleiche Zahl von Toren geschossen: 43, 44, 45 oder 46.

São Paulo hat bereits 10 Unentschieden zu verzeichnen. Das Team ist Spezialist darin, eine drohende Niederlage noch zu vermeiden. Am anderen Ende der Skala steht Cruzeiro: Mit nur 4 Unentschieden in 28 Spielen hat man die Tabellenführung hauptsächlich deshalb verloren, weil man Rückstände nicht versteht in Unentschieden zu verwandeln. Die höchste Zahl von Siegen (das ist das erste Kriterium bei Punktgleicheit) hat Palmeiras mit 16 (von 28 Spielen, ein weiterer Beweis für die Ausgeglichenheit), die geringste Zahl der Niederlagen haben Gremio und São Paulo mit fünf. Gremio hat auch die beste Tordifferenz. Am Ende dürfte mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit entweder Palmeiras, Gremio oder São Paulo vorne stehen.



Hinter diesen ersten fünf stehen noch mit Chancen auf die Meisterschaft: Coritiba aus der paranaensischen Hauptstadt Curitiba mit 44 Punkten, Botafogo Rio de Janeiro, Vitória Salvador und Goiás Goiánia mit 43 und Internacional mit 42 Punkten.

Der Abstiegsstrudel zieht sich vom 12., das ist Atlético Mineiro mit 34 Punkten, über Santos aus der grössten Hafenstadt Südamerikas mit 33 und Figuerense Florianópolis mit 32 hin zu Náutico Recife mit 30 und Atletico Paranaense aus Curitiba mit 28, die alle noch nicht auf einem Abstiegsplatz stehen, aber auch nur wenige Punkte davor, hin zu den vier auf den Abstiegsplätzen: Auf Platz 17 Portuguesa São Paulo (einer der üblichen Verdächtigen Aufsteiger für den Abstieg), auf Platz 18 Ipatinga aus der Stahlstadt in Minas Gerais (auch einer der üblichen Verdächtigen), beide mit 27 Punkten und dann – wer richtig mitgezählt hat, weiss es schon – auf den beiden letzten Plätzen und in höchster Abstiegsnot zwei der vier grossen Rio-Vereine: Fluminense als Vorletzter mit 27 und Vasco als Letzter mit 26 Punkten. Ja, genau jenes Fluminense, das noch im Juni in den Endspielen der Copa Libertadores stand und nur im Elfmeterschiessen verlor.

Das wäre tatsächlich ein Schlag für Rio, wenn beide absteigen sollten. Aber es sind ja noch 10 Runden zu spielen, da kann noch viel passieren. Sollten beide sich noch retten können, würde der Abstieg wohl auf Portuguesa, Ipatinga, Atletico Paranaense und Náutico zulaufen.



Da kommen jetzt eine grosse Anzahl von 6-Punkte-Spielen, die sicherlich extrem interessant sein werden. So treffen am letzten Spieltag zum Beispiel Fluminense und Ipatinga aufeinander und spielen wahscheinlich um den Abstieg, ebenso wie beim Spiel Santos-Náutico, während gleichzeitig das Spiel Palmeiras gegen Botafogo die Meisterschaft entscheiden könnte.

Am fünftletzten Spieltag steigt in São Paulo das Spiel zwischen den beiden jetzigen Spitzenreitern, Palmeiras und Gremio. Das könnte bereits die Vorentscheidung sein

Am 2. November ist das Duell zwischen Fluminense und Vasco angesagt. Wer da verliert, hat gute Chancen abzusteigen. Am gleichen Tag auch Goiás - Cruzeiro. Da dürfte der Verlierer aus dem Meisterschaftsrennen sein.



Wenn Flamengo am 29. Oktober bei Vitória in Salvador antreten muss und dort verliert, könnte der Traum von der Meisterschaft ausgeträumt sein.

Allerdings könnte das gleiche auch auf Vitória zutreffen, wenn es am 23.10. bei São Paulo spielt.

Für Fluminense könnte das Spiel am 11.10. bereits Schicksalspiel sein, wenn man in Curitiba bei Atletico Paranaense antritt. Ein Auswärtssieg – und man könnte an dem Rivalen vorbeiziehen und aus den Abstiegsplätzen herauskommen, eine Niederlage und die Lichter gingen schon fast aus.


Veröffentlicht am 6. Oktober 2008 in der Berliner Umschau

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