Niemand wagt es sich mit denen anzulegen
Von Karl Weiss
Die Psycho-Droge Z. (Wirkstoff: Olanzapin) vom Pharma-Riesen Eli Lilly, verwendet für Schizophrenie, akute Manie und ‚Bipolare Störungen I’, zeigt heftigste Nebenwirkungen, die bis hin zum Tode führen können, so führt sie z.B. häufig zu Zuckerkrankheit. Außerdem wird sie für andere als ihre zugelassenen Anwendungen vermarktet. Eli Lilly hat bereits in mehr als 28 000 Fällen außergerichtliche Entschädigungszahlungen geleistet mit einem Gesamtumfang von etwa 1,2 Milliarden Dollar. Das Mittel ist weiterhin ohne Einschränkungen im Verkauf und der US-Pharma-Konzern erwartet weiter steigende Umsätze. 192 Millionen Euro Umsatz allein in Deutschand pro Jahr. In drei Artikeln der New York Times wurde der Fall aufgerollt.
Der Fall Z. (hier wird der Name abgekürzt, um nicht Vorwände wegen des Gebrauchs einer geschützten Marke zu liefern) wäre heute noch in geheimen Archiven versteckt, wenn nicht ein Gutachter in verschiedenen Entschädigungsprozessen die gerichtlichen Unterlagen heimlich an einen Rechtsanwalt weitergegeben hätte, der psychisch Kranke vertritt. Der wiederum gab sie dem New York Times-Reporter Alex Berensen, der im Dezember 2006 drei Artikel hierüber veröffentlichte (siehe: Quellen). Inzwischen stehen die Unterlagen auch schon im Internet zum Download für jeden, der interessiert ist (siehe : Quellen).
Es handelt sich sowohl um die einzelnen Beschreibungen der Nebenwirkungen als auch um Propaganda-Material der Eli Lilly, das belegt, mit welchen Methoden der Pharma-Monopol dies Mittel in den Markt drückt.
Bis jetzt hat es Eli Lilly nicht gewagt, den Reporter oder die New York Times zu verklagen, wir können also davon ausgehen, da wurde nichts Falsches erzählt und nicht übertrieben.
Offensichtlich ist Z. einer der ganz großen Pharmaskandale, von ähnlicher Bedeutung wie Vioxx, wahrscheinlich sogar grösser. Ein Anwalt, der an einem der Prozesse um Entschädigungen beteiligt war, sagte: „Das ist schlimmer als alles, was ich je gesehen habe. Es gibt keine Chance dafür, dass die Firma es in dieser Sache zu einem öffentlichen Gerichtsverfahren kommen lässt. Die müssen einen außergerichtlichen Vergleich suchen.“
Um ein wenig deutlich zu machen, wie schwerwiegend die Anklagen sind, hier ein Auszug aus ‚Arzneimitteltelegramm 1/2007’(a-t):
„Olanzapin (Z.) – Risikodaten unterdrückt: Unterdrückung von Negativdaten (a-t 2005; 36: 1-2) behindert die objektive Information zu Nutzen und Schaden von Arzneimitteln. Die New York Times berichtet aktuell über interne Unterlagen der Firma Eli Lilly, nach denen diese ihr bekannte Risiken des Neuroleptikums bewusst verharmlost hat. Bereits 1999 wertete demnach der damalige wissenschaftliche Leiter Gewichtszunahme und Hyperglykämie (s. a-t 1998 Nr. 1: 11) als Gefahr für den ökonomischen Langzeiterfolg des für die Firma wichtigen Produktes.
Die Auswertung von Studien hatte ergeben, dass 16% der Anwender von Olanzapin mehr als 30 kg zunehmen. Nach anderen internen Daten erhöht sich bei 30% der Patienten das Gewicht pro Jahr um mehr als 10 kg. Zudem sei eine Inzidenz von Hyperglykämien unter Olanzapin von 3,6% versus 1,05% unter Plazebo für Gespräche mit Ärzten und für die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA auf 3,1% vs. 2,5% „revidiert” worden (New York Times, 17., 20. und 21. Dez.2006).
In der Fachinformation werden im Abschnitt „Warnhinweise” Hyperglykämie oder Entwicklung oder Verschlechterung, eines Diabetes nach wie vor als „sehr seltene” Störwirkungen (unter 0,01%) bezeichnet (Lilly: Fachinformation Z., Stand Sept. 2006). Obwohl die Firma 28.500 Patienten, die wegen Diabetes oder anderer Störwirkungen unter Olanzapin geklagt hatten, mit insgesamt 1,2 Milliarden Dollar entschädigt, verbreitet sie weiterhin, dass es keine Evidenz dafür gäbe, dass Olanzapin Diabetes verursache (New York Times, 8. Jan. 2007).
Ein Experte, der in einem Gerichtsverfahren Einsicht in Eli Lillys Unterlagen zu Olanzapin hatte, betont, dass die gefährlichsten Effekte von Z. der Öffentlichkeit und den verschreibenden Ärzten vorenthalten würden. Auch der FDA wirft er Unterdrückung von Negativdaten zu Olanzapin vor. Die Behörde weigere sich bis heute, Ergebnisse zu Suizidversuchen aus Studien vor der Marktzulassung offenzulegen (FURBERG, C.)
Dies wurde schon 2002 von einem Kritiker der Pharmaindustrie bemängelt. Seines Wissens liegt die Todesrate unter Olanzapin in den von Eli Lilly der FDA übermittelten Studiendaten höher als unter jedem anderen Neuroleptikum (HEALY, D.)
Auch eine amerikanische Expertin vermisst im FDA-Gutachten Angaben zu Suizidversuchen, obwohl 12 von 20 Todesfällen bei 3.139 Olanzapinanwendern durch Suizide bedingt sind (JACKSON, G.E.)
Vergleichsdaten gibt es aus einer zweijährigen Studie mit knapp 1.000 schizophrenen oder schizoaffektiven Patienten mit hohem Suizidrisiko: Unter Clozapin (L. u.a.) treten signifikant weniger kombiniert ausgewertete Suizide, Suizidversuche oder Hospitalisierungen wegen Suizidalität auf als unter Olanzapin (Hazard Ratio: 0,76, 95% Konfidenzintervall 0,58-0,97; MELTZER, H.Y. et al.: Arch. Gen. Psychiatry 2003; 60: 82-91)." (Genaue Literaturangaben: siehe Quellen)
Der Pharma-Koloss (eine der 10 weltweit grössten Pharma-Firmen) aus Indianapolis in den USA hat außerdem systematisch verschleiert: Viele Erkrankungen gingen mit einer Ketoazidose einher, es kam zu nekrotisierenden Pankreatitiden und 23 Patienten starben, darunter ein 15-jähriger Jugendlicher.
Nun müsste man glauben, die US-Behörde ‚Food and Drug Agency’ (FDA), die für die Zulassung und Nichtzulassung von Pharma-Mitteln zuständig ist, hätte nach einer Reihe von Prozessen und Entschädigungszahlungen reagieren und das Mittel aus dem Handel ziehen müssen, besonders auch deshalb, weil es andere Mittel für diese Krankheiten gibt, die nicht diese Nebenwirkungen aufweisen oder jedenfalls nicht so stark. Doch nichts dergleichen geschah.
Es ist eindeutig so, wie es bereits von Vielen angeklagt wurde: Die Pharma-Industrie und die Zulassungsbehörden sind engstens miteinander verkungelt, mit häufigem Austausch von Personen von der einen zur anderen Seite, mit Aufsichtsratsposten und Beraterverträgen, mit „informellen“ Treffen und mit gegenseitigem Begünstigen. „Lässt du meine Arznei zu, werde ich dafür sorgen, dass du eine hochdotierte Professur bekommst.“ „Wenn ihr mich unterstützt, um Vorsitzender der Kommission zu werden, werde ich euren Antrag auf Zulassung sehr wohlwollend prüfen.“
Das ist übrigens kein US-Phänomen. Auch in Deutschland ist die „Nähe“ des Bundesgesundheitsamts, des Bundesgesundheitsministeriums und anderer öffentlicher Stellen zur Pharma-Industrie Legende.
Dies ist eine Propaganda für das Mittel.
Das haben Selbstschutzgruppen von Geschädigten daraus gemacht.
Z. ist der wichtigste Umsatzbringer für Eli Lilly. Über 30% des Umsatzes werden mit ihm gemacht. Im Jahr 2006 wurden mit Z. etwa 4,36 Milliarden US-Dollar Umsatz gemacht. In Deutschland ist das Mittel eines der ganz großen Medikamente, an 119. Stelle der meist verordneten Medikamente mit über 853 000 Verordnungen und einem Umsatz von etwa 192 Millionen Euro. Über 10% der Auslandsumsätze der Arznei fallen auf Deutschland.
Gehen wir zurück zur Anwendung dieses Medikaments, so wird nun mancher stutzen: Aber wie ist das möglich, gibt es so viele, die manisch sind, schizophren oder die seltene ‚Bipolare Störung I’ haben?
Nein! Da sind wir nämlich gleich am zweiten Skandal.
Eli Lilly hat nämlich laut den Artikeln in der NYT auch systematisch das Mittel außerhalb seiner zugelassenen Anwendung angepriesen und verkauft und zwar für Demenz, auch leichte Demenz. Die Verkaufsanstrengungen wurden zu den Hausärzten getragen. Es ist offensichtlich, dass Hausärzte bei schwersten psychischen Störungen sicherlich keine Mittelchen verschreiben können und sollen, sondern die Patienten zu Fachärzten und Fachkliniken schicken müssen.
Eli Lilly hat offenbar versucht, bei der FDA auch ein Zulassung für ihr Mittel für alle Arten von Demenz zu erhalten. Da der Wirkstoff aber überhaupt nicht wirkt bei Demenz, erhielt der superschlaue Pharma-Konzern diese Zulassung nicht. Ohne dies aber abzuwarten, begann man, das Mittel für Demenz anzupreisen und zu verkaufen. Es gibt in den Unterlagen, die übergeben worden waren, die Dokumentation einer Verkaufsförderungsveranstaltung „ Viva Z.!“ aus dem Jahr 2000, aus der das vehemente „In-den-Markt-stoßen“ bei leichter Demenz durch Hausärzte hervorgeht. (siehe : Quellen)
Mit dieser Praxis, die Droge für leichte Fälle von Demenz anzubieten und damit vor allem in Alters- und Pflegeheimen phantastische Absätze zu erreichen beschäftigt sich ein US-Blog mit dem Namen ‚Clinical Psychology and Psychiatry - A Closer Look’ (siehe: Quellen).
Das nun aber, das sogenannte „Off-Label-Marketing“, ist ausdrücklich verboten und hätte eigentlich längst zu Verfahren gegen die Eli Lilly führen müssen.
Doch Verfahren gegen eine Eli Lilly in den USA, das ist ungefähr so wahrscheinlich wie der Fußweg zum Mond. Da muss man sich nur einmal die erlauchte Gesellschaft der Eigner, Aufsichtsräte und Vorstände der Eli Lilly ansehen:
Einer der grössten Einzelbesitzer von Aktien der Eli Lilly ist die Familie des Präsidenten Bush. Vater Bush, der frühere Präsident, arbeitete vor seiner Amtszeit als Direktor bei Eli Lilly. Später als Vize-Präsident unter Reagan und dann als Präsident war er der hauptsächliche Lobbyist für Eli Lilly. Sein damaliger Vizepräsident Dan Quayle, ein Rechtsaußen der übelsten Sorte, ist der Sohn des damaligen Mehrheitseigners von Eli Lilly. Donald Rumsfeld war im Aufsichtsrat von Eli Lilly, der frühere Budget-Direktor des Weißen Hauses und heutige Gouverneur von Indiana Mitch Daniels ist ein ehemaliger Vize-Präsident von Eli Lilly. Der Vorstandsvorsitzende Sidney Taurel von Eli Lilly war Beiratsmitglied im Heimatschutzministerium.
Hier haben wir ein typisches Anzeichen von staatsmonopolistischem Kapitalismus. Das Monopol und der Staat sind so verflochten, dass es praktisch nicht mehr möglich ist zu sagen, wer zu welchem Zeitpunkt mehr auf der Staats-Seite und mehr auf der Firmenseite ist oder war.
Waren das schon zwei Skandale und die völlige Straffreiheit der „Lilly“ der dritte, so hat die Geschichte auch noch einen vierten Skandal: Die Medien.
Obwohl es niemand entgangen sein kann, da das Thema Inhalt einer Reihe von Artikeln der NYT war, gibt es exakt Null Berichterstattung in den anderen Massenmedien, sei es in den Vereinigten Staaten oder in Good Old Europe. Alle Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehnachrichten und –magazine, alle, alle halten den Rand. Niemand wagt es sich mit denen anzulegen.
Nur im Internet findet man entsprechende Meldungen, kann die Artikel der NYT einsehen und auch die gesamten Unterlagen. Damit hat das Internet einmal mehr bewiesen, wie sehr es nötig ist in einer Zeit der gleichgeschalteten Massenmedien.
Quellen hier
Dieser Artikel wurde veröffentlicht in "Journalismus - Nachrichten von heute" am 5. März 2007.
Originalartikel
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