Kein Anspruch auf fabrikneue Kleidung
Von Karl Weiss
Sozialhilfeempfänger haben Anspruch auf einen staatlichen Zuschuss, wenn sie spezielle Anschaffungen machen müssen. Das trifft zum Beispiel zu, wenn Kleidung gekauft werden muss, weil die alte zerschlissen ist. Nun hat ein Sozialamt aber entschieden, die Antragstellerin müsse sich auf gebrauchte Kleidung verweisen lassen. Ein Sozialhilfeempfänger habe keinen Anspruch auf fabrikneue Kleidung.
In diesem Fall ging das Sozialamt so weit, im Internet nach entsprechenden Angeboten zu googeln und wurde auch fündig. Man legte dem entscheidenden Gericht Ausdrucke von Internet-Seiten vor, die billige/gebrauchte Kleidung anboten. Das entscheidende Gericht war das Landessozialgericht von Schleswig Holstein. Es benutzte die vorgelegte Internetseite, um im Sinne des Sozialamtes zu entscheiden, ohne überhaupt der Frage nachzugehen, ob sich ein Sozialhilfeempfänger einen Computer und Internetanschluss überhaupt leisten kann.
Ein anderes Landessozialgericht hatte bereits früher geurteilt, Hartz-IV-Betroffenen hätten keinen Anspruch auf einen Zuschuss, wenn ihr Computer nicht mehr funktioniere und ein Neuer angeschafft werden müsse.
Das ist deutlicher Ausdruck deutscher Gerichtsbarkeit. Der Computer wird einerseits von einem Gericht als Luxusartikel angesehen, andererseits muss ein Sozialhilfeempfänger im Internet googeln, um gebrauchte bzw. billige Kleidung zu finden.
Das ist die typische Situation des „Hauptmann von Köpenick“: Er bekommt keine Arbeit, weil er keine Wohnung hat und bekommt keine Wohnung, weil er keine Arbeit hat. Deutsche Gerichte lieben es, ausweglose Situationen für den Untertan zu schaffen.
Hier ein Auszug aus dem Urteil:
„...sei zutreffend vom Beklagten auf die Zumutbarkeit der Anschaffung von gebrauchten Kleidungsstücken verwiesen worden.
Diese Auffassung teilt der Senat; (...) wobei letztlich der Kleidungsbedarf insgesamt ggf. dadurch gedeckt werden müsste, dass gebrauchte Kleidung, z. B. in Secondhand-Geschäften, auf Flohmärkten oder über das Internet erworben wird.“
Auch der Hinweis auf Flohmärkte und Secondhand-Geschäfte zieht nicht, denn nicht jeder hat Zugang zu solchen Kaufgelegenheiten. Ausserdem sind dort auch nicht alle Grössen und Formen erhältlich. Hartz-IV-Geschädigte und Sozialhilfeempfänger generell auf gebrauchte Kleidung zu verweisen, ist schlicht und einfach abartig.
Das Entscheidende an diesem Gerichtsurteil auf der Ebene des Landes-Sozialgerichtes ist nämlich nicht der konkrete Fall, sondern die Tatsache, dass diese Regel nun allgemein angewandt werden wird, immer mit dem Hinweis auf dieses Urteil.
Dabei sollten wir nicht vergessen: Es sind keineswegs nur die Richter, die sich mit dicker Brieftasche auf unsere Kosten gütlich tun. Es ist auch die Politikerkaste, die das neue Sozialgesetzbuch beschlossen hat, das die Grundlage für solche Entscheidungen liefert: Es waren die Politiker von CDU/CSU und SPD, von Grünen und FDP, die dies gemeinsam auf dem Gewissen haben!
Hartz IV muss weg!
Veröffentlicht am 17. Juli 2008 in der Berliner Umschau
Originalveröffentlichung
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