Obamas Rede in Berlin ist verräterisch
Von Karl Weiss
Ja, was Obama in der Rede an der Siegessäule als aussenpolitisches Programm vorgestellt hat, wäre eine neue Clinton-Politik, eine neue Epoche des Menschenrechts-Imperialismus. Aber wird Obama, wenn er gewählt wird, ab Januar 2009 die gleichen Bedingungen vorfinden wie Bill Clinton Anfang 1993? Nein, er wird mit völlig anderen Problemen zu kämpfen haben, denn die ökonomischen Grundlagen sind nun völlig andere. Die USA und mit ihnen der weltweite Kapitalismus wird genau zu diesem Zeitpunkt auf grundlegende und unvermeidliche ökonomische und andere Probleme treffen, die unabhängig vom Willen von Politikern, Zentralbankchefs und Präsidenten aufkommen.
Ja, Obama hätte das Zeug, ein neuer Kennedy zu werden, ja, diesen sogar zu übertreffen. Seine Reden sind blendend (im doppelten Sinne des Wortes) und der dunkle Teil seiner Hautfarbe scheint zu signalisieren, er habe etwas gemein mit den Unterprivilegierten dieser Welt, was das frauenfressende Millionärssöhnchen aus Boston niemals aufweisen konnte, aber Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts war der weltweite Kapitalismus nach den Zerstörungen des 2. Weltkrieges in eine lange Aufschwungphase eingetreten und Prosperiät griff um sich, was John Fitzgerald wohl unnachahmlich repräsentierte. Nun aber hat der Kapitalismus seine letzten Karten ausgespielt, er kann keinerlei akzeptable Zukunft mehr bieten, er steckt in unausweichlichen Krisen (sei es ökonomisch, politisch, ökologisch oder in solchen der Glaubwürdigkeit), muss mehr und mehr zur Gewalt greifen, um die rebellierenden Völker im Schach zu halten.
Dafür ist aber Bush der richtige Repräsentant, nicht Obama. Wenn er gewählt wird, so wird er ein Fisch auf dem Trockenen sein, einer, der nichts vom Versprochenen halten kann (speziell jene Versprechen, die er gar nicht gemacht hat, die man in ihn hineinprojeziert). Die weltweite Wirtschaft ist auf dem Weg in die Weltwirtschaftskrise und wie tief diese ausfallen wird, ist im Moment nicht vorhersehbar und wohl auch kaum vorstellbar. Ausdruck und Inbegriff dieser Krise werden die USA sein und Obama, wenn er denn gewählt wird, Ausdruck und Inbegriff der USA. Statt hinauszuziehen in alle Welt und ein Land nach dem anderen in den Sack der USA zu stecken, wird ihn die wirtschaftliche Wirklichkeit im eigenen Land mit Massenarbeitslosigkeit und -armut, Hunger und Unruhen einholen.
Und er kann dem nicht einfach mit Konjunkturprogrammen entgegentreten, denn der Dollar verfällt jetzt schon und wird nicht mehr viel Gelddrucken wegstecken. Ab einem bestimmten Moment müssen die Gläubigerstaaten anfangen, US-Staatsanleihen massiv auf den Markt zu werfen und dann wird der Traum von der einzigen Supermacht ausgeträumt sein.
Wenn Sie einen Eindruck bekommen wollen, was diese Wirtschaftskrise in den USA in der Praxis bedeuten wird, dann hören Sie nur diese Meldungen: Die Kaffe-Shop-Kette Starbucks klagt heute bereits über 40% Umsatzeinbusse in ihren Cafes in den USA und schliesst sie reihenweise. In Cleveland, einer grossen Industriestadt im Staat Ohio, gehören heute bereits 10% aller Wohnhäuser den Banken. Und das, bevor die USA überhaupt offiziell in der Wirtschaftskrise ankommt!
In der arabischen Welt hat Obama bereits jetzt, noch nicht einmal als Kandidat der Demokraten gewählt, alle Vorschusslorbeeren aufgebraucht. In den Zeitungen, Runfunk- und Fernsehstationen dort wird wieder und wieder verbreitet, was er vor Repräsentanten des Zionismus versprach: Jerusalem wird für ewig ungeteilt die Hauptstadt Israels sein. Damit ist bereits klar: Es wird keinen Frieden in Nahost geben, der eigentliche Kern der Stärke islamistischer Kräfte wird aufgebaut statt geschwächt und Obama hat sich einen schweren Felsblock zum Tragen aufgeladen.
Kleinbürgerliche Schichten in Europa und sogar ein Teil der Arbeiter mögen noch eine Zeit lang geblendet sein von dem, was sie in Obama sehen wollen, doch die meisten von ihnen werden erschrecken, was da wirklich kommen wird und desillusioniert werden, so wie es auch mit den Integrationsfiguren Blair und Schröder geschah, die ja ebenfalls Blender waren: Heute will kaum einer mehr wirklich an sie geglaubt haben.
Nur hat sich der Verfall des Kapitalismus beschleunigt und damit wird die Halbwertszeit neuer Hoffnungsträger als Politiker immer kürzer werden.
Und es wird nicht einfach nur eine wirtschaftliche Krise sein, es wird eine umfassende Krise der ganzen Lebensbedingungen der Menschheit sein. Mit dieser Krise geht der Kapitalismus in die kapitalistische Barbarei über, wird in Todeskrämpfen geschüttelt. Nur ist ein Gesellschaftssystem kein Mensch, es stirbt nicht einfach, es muss hinweggefegt werden!
Bereits jetzt zeigt sich bei den Lebensmittelpreiserhöhungen: Der Markt, der im Kapitalismus eigentlich alles heilen soll, funktioniert nicht, weil er von Monopolen beherrscht ist.
Das gleiche gilt für die Ölpreise und damit jene von Benzin und Diesel: Es wird kein Zurück zu einem Erdölpreis von 70 Dollar pro Barrel geben, wie bürgerliche Ökonomen prophezeien. Eine Welt mit einem Erdölpreis von 150 Dollar ist aber nicht nur quantitativ, sondern qualitativ verschieden.
Das Geld für alle diese erhöhten Preise muss von irgendjemand aufgebracht werden – und raten Sie einmal, wer das sein wird? Richtig! Sie und ich! Die massive Verarmung der Massen hat gerade erst begonnen!
Dabei wird gleichzeitig die beginnende Klimakatastrophe mehr und mehr deutlich werden. Die Zahl von klimabedingten Katastrophen wird weiterhin ansteigen, die Rückversicherer werden drastisch die Prämien steigern müssen und alles wird deutlich teurer, weil alle Versicherungen deutlich teurer werden.
Nach den letzten Messungen beschleunigt sich der Abbau des schwimmenden Eises in der Nordpolregion so sehr, dass man in fünf Jahren mit eisfreien Sommern dort rechnet. Damit wird aber der Reflektions-Effekt der weissen Eis-und Schneemassen wegfallen und weit mehr Wärme von der Sonneneinstrahlung dort absorbiert werden. Niemand weiss, ob damit nicht bereits der Weg zurück aus der Klimakatastrophe verbaut und der Punkt ohne Wiederkehr überschritten ist und man bereits voraussagen kann, wann es keine Menschheit mehr geben wird, wie wir sie kennen.
Ein weiterer G8-Gipfel ist verübergegangen, ohne dass man sich auf konkrete und drastische Massnahmen gegen die Erwärmung des Erdklimas durch den CO2-Ausstoss verständigt hätte. Auch Obama hat keine solche Massnahmen in seiner Rede auch nur erwähnt, obwohl er doch wissen müsste: Es muss weltweit dagegen vorgegangen werden – und das rasch!
Die Politik kündigt immer Verringerungen bis 2050 an – nur um damit jede wirksame Massnahme heute NICHT zu beschliessen. Nach der Analyse aller Fachleute ist es aber 2050 längst zu spät.
Charakteristisch dafür die heutige deutsche Bundesregierung: Grossmäulig werden Verringerungen bis 2050 angekündigt. Konkret beschlossen wird aber nur ein geringfügiger Zuschuss zu Altbaurenovierungen, der bestenfalls 0,1% des deutschen Energieverbrauchs einsparen kann.
Auch die Regenwälder werden munter drauf los weiter vernichtet, dass es eine Art hat, ohne dass irgendjemand ernsthaft etwas dagegen tut. Wenn erst einmal ein wesentlicher Teil der Regenwälder Südamerikas, Zentralafrikas und Indonesiens unumkehrbar versteppen und verwüsten – und das kann in 10, 15 Jahren der Fall sein -, wird es keine Möglichkeit für Milliarden Menschen mehr geben, auf diesem Planeten zu überleben.
Und nun urteilen Sie selbst: Ist Obama mit seiner Rede diesem Szenario gerecht geworden?
Veröffentlicht am 28.7.2008 in der Berliner Umschau