WTO-Doha-Runde endgültig gescheitert
Von Karl Weiss
Wie bereits vorausgesagt in diesem Artikel, sind praktisch keine bedeutenden internationalen Abkommen mehr möglich, im gleichem Masse, wie der im Todeskampf liegende Kapitalismus in die kapitalistische Barbarei schlittert.
Diese ist neben der völligen Kriminalisierung aller Beziehungen eben genau dadurch gekennzeichnet: ‚Keine gemeinsamen Ziele mehr‘, ‚die Einzelinteressen dominieren‘, ‚Alle gegen alle‘, ‚je rücksichtsloser, desto besser‘ und ‚Rache ist Blutwurst‘. Entsprechend ist denn auch am 29. Juli 2008 der letzte Versuch in Genf gescheitert, auf einer Versammlung von über 500 Delegierten aus fast allen Ländern der Welt (153 Länder waren vertreten), die Doha-Runde der Verhandlungen der World Trade Organisation (WTO) über eine weitere Liberalisierung des Welthandels zu einer Einigung zu bringen.
Die Doha–Runde wurde 2001 in Doha, der Hauptstadt des Emirates Quatar, eröffnet und sollte dazu führen, dass die letzten Einfuhrzölle fallen, der Kapital- und Gewinn-Verkehr völlig von Restriktionen und Abgaben befreit wird und dass die Ansichten der reichen Länder zu Patenten und zu Urheberrechtfragen anerkannt werden. Kurz: Die imperialistischen Länder sollten alle Vorteile haben, die Entwicklungsländer alle Nachteile. Allerdings haben die Entwicklungsländer sich zusammengeschlossen und Gegenleistungen der imperialistischen Länder gefordert, was diese aber nicht zugestanden haben. Daran sind letztendlich nach 7 Jahren und unzähligen Versuchen der Wiederbelebung diese Verhandlungen gescheitert.
Was die WTO unter Liberalisierung des Welthandels versteht, war vor dieser Runde bereits deutlich geworden. In mehreren Abkommen waren die Entwicklungsländer gezwungen worden, ihre Märkte für die Waren und das Kapital der Industrieländer zu öffnen. Das hatte verheerende Auswirkungen für die armen Länder. Die Industrie-Ansätze, die sich entwickelt hatten, wurden praktisch vollständig konkurrenzunfähig und gingen meistens ein. Die Entwicklungsländer waren dadurch gezwungen, fast alle Industriegüter einzuführen und dafür die dringend benötigten Devisen auszugeben. Soweit im eigenen Land hergestellt wurde, waren die Firmen fast immer im Besitz von Gruppen aus den reichen Ländern, so dass keine Werte für die armen Länder erzeugt wurden, sondern nur Profite für jene, die sowieso schon in Geld schwammen.
Als Gegenleistung kamen von den reichen Ländern Versprechungen oder jedenfalls Andeutungen über Erleichterungen von Einfuhren von Agrarprodukten aus den Entwicklungsländern und zum Abbau der Subventionierung der eigenen Agrarprodukte. In Wirklichkeit haben die imperialistischen Länder aber nicht im Traum daran gedacht, ihre Märkte für Agrarprodukte der Entwicklungsländer zu öffnen und ihre Agrarsubventionen wirklich zu kappen. Aus Versprechungen wurden „nicht bindende Ankündigungen“ und aus dem fest Vereinbarten etwas, an das man sich nicht hielt, denn es waren keine Sanktionen vorgesehen. Selbst in den wenigen Fällen, in denen Sanktionen vorgesehen sind, hielt man einfach die Zusagen nicht ein.
So sind die USA bereits seit vielen Jahren verpflichtet, die Subventionen für ihre Baumwollanbauer deutlich zu kürzen. Man hat dies aber nicht getan. Brasilien, ein Land, das grosse Mengen von Roh-Baumwolle herstellen und exportieren könnte, wenn die USA nicht mit ihrer subventionierten Baumwolle den Weltmarkt zu Preisen überschwemmen würden, die keinerlei Konkurrenz zulassen, hat bereits vor Jahren die USA vor dem Gericht der WTO verklagt und hat Recht bekommen. Die USA gingen in Revision und kürzlich wurde das endgültige Urteil verkündet: Die USA wurden verurteilt zu dulden, dass Brasilien im Milliardenmasstab Einfuhrzölle auf Einfuhren aus den USA erhebt, um den Nachteil auszugleichen, der Brasilien durch das Nichteinhalten der Verpflichtungen der USA aus einem der Abkommen entsteht.
Tatsächlich hat es Brasilien bis jetzt nicht gewagt, diese Zölle zu erheben, sondern versucht, dies als Verhandlungsmasse einzubringen.
Bereits kurz nach dem Beginn der Doha-Verhandlungen hatten sich die Entwicklungsländer zum ersten Mal zusammengetan, um sich bei diesen Verhandlungen nicht wieder an die Wand drücken zu lassen wie bei den vorhergehenden. Man gründete die ‚Gruppe der 20’ , das sind die bedeutendsten 20 Entwicklungsländer und es wurde ein Führungstrio für diese Gruppe gebildet, das aus Indien, Südafrika und Brasilien bestand.
Die Globalisierungsgegner wie z.B. attac haben die Verhandlungen immer mit Beifall für die harte Haltung der Entwicklungsländer begleitet.
Allerdings gibt es keinerlei Grund, „Sieg“ zu schreien. Es wurde lediglich noch Schlimmeres verhindert mit diesem Scheitern, nichts Positives erreicht.
Es ist unbedingt notwendig, dass wir in den entwickelten Ländern bei unseren Regierungen darauf dringen, die Agrarsubventionen abzuschaffen und diese Milliarden sinvoll auszugeben, z.B. in einer massiven Umstellung der Landwirtschaft auf Biogas-Herstellung. Das könnte in einem Land wie Deutschland glatte 30 bis 40% der Erdöl- und Kohle-Importe unnötig machen. Zudem bekäme de Landwirtschaft wieder eine positive Aufgabe und würde unabhängig vom Brüsseler Tropf.
Wenn die Entwicklungsländer nicht mehr mit billigen Agrarprodukten aus reichen Ländern eingedeckt werden, könnten dort auch wieder die Millionenmassen von ländlicher Bevölkerung Ackerbau und Viehzucht betreiben und damit ihr Brot verdienen, was heute nicht möglich ist, denn man kann mit EU- oder US-Landwirtschaftsgütern nicht konkurrieren.
In den Entwicklungsländern sind zwischen 50 und 90% der Bevölkerung ländlich bzw. eine, die nur deshalb in die Städte gestrebt ist, weil man mit der Landwirtschaft kein Auskommen mehr hatte. Wenn alle diese Menschen wieder aufs Land gehen können, Ackerbau und Viehzucht betreiben und damit ein Auskommen haben, können Milliarden von Menschen aus Elend und Armut kommen.
Veröffentlicht am 4. August 2008 in der Berliner Umschau
Originalveröffentlichung