Kriege sind angesagt – Pandoras Büchse wurde geöffnet
Von Karl Weiss
Wen der Ausbruch des Ossetien-Krieges überrascht hat, der hat die Geschehnisse im Osten und Süden Europas nicht verfolgt. Man hätte vielmehr Wetten darauf abschließen können, es würde hier bald krachen, sei es Ossetien, sei es Berg-Karabach, Transnistrien oder Abchasien oder andere Konflikte, die vom „Westen“ und von Russland bewusst am Köcheln gehalten werden, um Vorwände zu Kriegen zu haben.
Liest man „westliche“ Medien, so hat Russland Georgien überfallen. Hier Originalton „Süddeutsche“: „Russland will Krieg (...) schickt Panzer und Luftlandetruppen, es bombardiert, (...) Das ist eine geradezu freche Verhöhnung des kleinen und militärisch weit unterlegenen Nachbarn, die ihre Steigerung erfährt mit der Bombardierung georgischer Infrastruktur jenseits des süd-ossetischen Gebietes. Russland sucht eine frontale Konfrontation mit Georgien. Die russische Zielstrebigkeit, auch zu sehen an den Bombardements in der Zwillings-Konfliktzone Abchasien, deutet darauf hin, dass Moskau auf die Gelegenheit gewartet hat, seinen Machtanspruch in der Region militärisch zu demonstrieren."
Das ist wirklich eine geradezu freche Verhöhnung der Intelligenz des deutschen Lesers. So frech zu lügen – und noch im Ton der Empörung, das ist schon fast gekonnt – aber in jedem Krieg ist die Wahrheit eben das erste Opfer. Um zum Opfer zu werden, hätte sie vorher allerdings am Leben zu sein – und das kann man bei der „Süddeutschen“ nun wirklich nicht sagen.
Der gleiche Kommentator muss in seinem Artikel zugeben: „Jetzt ist der Moment gekommen, wo der Westen die russische Antwort auf seine strategischen Ziele erhält.“ Was denn nun, hat Russland angegriffen oder antwortet es nur auf die strategischen Ziele des „Westens“, sprich der USA und allen in ihrem Hintern.
Diese strategischen Ziele stehen seit der Auflösung der Sowjetunion jedem "westlichen" Politiker in Verantwortung auf der Stirn geschrieben: Alle ehemaligen SU-Staaten (ausser Russland) in den Korb der USA! Völlige Einkreisung Russlands!
Im Grunde ist damit klar: Der „Westen“ ist es, der hier sein Spiel spielt und Russland reagiert, so gut es kann. Wer also nun Russland den schwarzen Peter zuschieben will, hat böse Absichten.
Nun ist Russland natürlich keineswegs ein armer, verfolgter Waisenknabe. Man hat die ganze Zeit nach der Auflösung der Sowjetunion die Fälle Süd-Ossetien, Abchasien, Berg-Karabach, Transnistrien und weitere offen gehalten, um Vorwände zu haben.
Bleibt aber trotzdem die Frage, wer hat den jetzigen konkreten Konflikt ausgelöst. Das weiss jeder, es stand nämlich in allen Zeitungen: Beim kürzlichen NATO-Gipfel wurde Georgien zugesagt, es werde in die NATO aufgenommen werden, aber erst, wenn es die „eingefrorenen Konflikte“ löst, sprich seine Oberhoheit über Süd-Ossetien und Abchasien wieder herstellt. Das ist gleichbedeutend damit, dass die USA Georgien zum Angriff aufgerufen haben und Georgien gehorcht hat.
Präsident Saakashivili, ausgebildet in den USA und nichts weiter als ein US-Statthalter, hat seinen Wahlkampf mit dem Versprechen geführt, die abtrünnigen Provinzen Süd-Ossetien und Abchasien zurückzuerobern. Es ist also klar, von wo die Initiative ausging, wer den Krieg begann und auf wessen Anweisung.
Wenn nun berichtet wird, US-Aussenministerin Rice habe Russland aufgefordert, die Souveränität Georgiens und sein Staatsgebiet zu respektieren, so ist das bestenfalls eine Lachplatte von den grossen Respektierern der Souveränität anderer Länder und deren Staatsgebiete wie Afghanistans und des Iraks.
Speziell aber geht es um die Respektierung der Souveränität Jugoslawiens. Was? Was hat denn ein Land, das es schon lange nicht mehr gibt, hiermit zu tun? Nun, in Jugoslawien wurde die Büchse der Pandora geöffnet – und mit der Anerkennung des Kosovo als eigenem Staat noch ein zweites Mal.
Bis zu jenem Zeitpunkt in den Jahren 1991/92 nämlich war das internationale Recht klar und wurde von allen Staaten auf der Welt anerkannt und eingehalten: Die nach dem ersten und dann später dem zweiten Weltkrieg und der Entkolonialisierung festgelegten Grenzen und Staatsgebiete sind SACROSANCT, unantastbar, unwiderruflich.
Obwohl es in vielen Ländern Revisions-Begehren gab, davon eine Anzahl extrem berechtigt, wurden keine Ausnahmen gemacht. Man denke nur an die absurden Staatsgebilde, die sich in Afrika bildeten und keinerlei Stammes- und Volksgrenzen respektierten. Man denke nur an die Kurden, die bereits feste Zusagen auf einen eigenen Staat hatten und dann „vergessen“ wurden und bis heute als Fremdkörper in vier verschiedenen Ländern leben müssen, immer neue Ursache von Konflikten.
Nur wenn der Staat selbst zugestand, eine Abspaltung oder ein Übergang in einen anderen Staat könne mit einer Volksabstimmung geschehen, wurde dies geduldet, wie im Falle des Saarlands, das an Deutschland ging oder im Fall der Tschechoslowakei, die sich in die Tschechische und Slowakische Republik aufspaltete.
Warum solch strenge Regeln? Weil sonst die Büchse der Pandora geöffnet wird und jeder Hinterhof seinen eigenen Staat aufmachen will.Wenn erst einmal Ausnahmen gemacht werden, wird die Separatitis ausbrechen und jeder Ex-Stamm wird seinen eigenen Staat haben wollen, ganz zu schweigen von den Unterabteilungen der Ex-Stämme. Wenn man diese Tür öffnet, dann wird bald nicht nur Oberbayern, sondern auch Niederbayern einen eigenen Staat haben wollen – symbolisch gesprochen.
Und doch, genau dies trat ein: Unter Führung der deutschen Bundesregierung Kohl und mit persönlicher Verantwortung des Aussenministers Genscher beschloss die EU 1991/1992, im Fall Jugoslawien eine Ausnahmen zu machen und die Separation der Teilrepubliken durch Anerkennung der wesentlichen Staaten der EU zu unterstützen. Innerhalb von kurzer Zeit hatten Slovenien, Kroatien, und Bosnien-Herzegowina Volksabstimmungen durchgeführt, ihren eigenen Staat gegründet und waren durch die EU anerkannt worden (Später folgten – ohne Kriege - auch Mazedonien und Montenegro). Am 25.Januar 1992 erkannte die EU (damals noch EG) Slowenien und Kroatien an, am 6. April des gleichen Jahres die Unabhängigkeit von Bosnien-Herzegowina.
Die Büchse der Pandora war geöffnet worden und jahrelange Kriege zwischen Serbien, das sich weiterhin (völlig berechtigt) als jugoslawischer Gesamtstaat ansah und den Teilprovinzen waren die Folge.
Ein weiteres Mal war die deutsche Regierung hauptverantwortlich für Kriege in Europa. Hauptgrund war der jugoslawische Präsident Milosevic, der sich einfach nicht dem „Westen“ und der EU unterordnen wollte.
Man versuchte dann, um von diesen Tatsachen abzulenken, die Serben als die Bösewichte darzustellen, die einzigen, die in den Kriegen nach ethnischen Kriterien Massaker und Massenvergewaltigungen begingen und Konzentrationslager einrichteten und als Hauptbösewicht den rechtmässig gewählten jugoslawischen Präsidenten Milosevic. In Wirklichkeit wurden `ethnische Säuberungen` und Massenvergewaltigungen von allen Kriegsparteien durchgeführt, die Bosnier brachten es sogar ferig, sich die Dienste von Osama Bin Laden zu sichern, um Terrorakte gegen Gegner durchzuführen, wie beim Prozess gegen Milosevic in Den Haag herauskam (eine Zeugin berichtete dort, sie habe Bin Laden zusammen mit dem US-Beauftragten ins Büro des damaligen bosnischen Präsidenten Izetbegovic gehen sehen; damals hatte die US-Regierung keinerlei Probleme, sichtbar mit Osama Bin Laden zusammenzuarbeiten).
Schliesslich liess man dann, als man Milosevic immer noch nicht hatte ablösen können, auch noch die faschistischen albanischen Truppen in den Kosovo einmarschieren, bescheinigte der Reaktion von Milosevic darauf, eine Agression zu sein, bombardierte Serbien in die Steinzeit zurück und hatte sich mit dem Kosovo nun ein weiteres Problem aufgeladen.
Es musste bis 2008 dauern, bis man nun zum zweien Mal die Büchse der Pandora öffnete, damit auch alle merken, sie ist offen: Man erkannte auf Druck der albanischen Faschisten eine formale Unabhängigkeitserklärung des Kosovo an, obwohl alle vernünftig denkenden Menschen auf der Welt, darunter die spanische und griechische Regierung, davon dringend abrieten – aus oben genannten Gründen.
Die russische Regierung warnte in dramatischen Worten, dies nicht zu tun und erinnerte an die Fälle von Süd-Ossetien, Abchasien, Transnistrien, Berg-Karabach und weitere, aber man nahm diese zukünftigen Kriege billigend in Kauf oder wollte sie sogar.
In diesem Artikel wird dazu berichtet:
„Doch die Strategen in Washington, Brüssel und Berlin wollten nicht hören. „Wir müssen zu Ende bringen, was wir mit der Anerkennung Sloweniens, Kroatiens, Bosniens und Mazedoniens begonnen haben, auch der Kosovo muss unabhängig werden.“ Es geht darum, auf keinen Fall wieder die Hoffnung auf eine friedliche Welt aufkommen zu lassen, immer genügend Spannungen zu schaffen, wegen denen man ständig mit Terrorismus rechnen und daher alle bürgerliche Rechte abbauen muss.“
Was geschehen war? In jenen Jahren 1991/92 wurde nicht nur die wichtigste Grundregel des Völkerrechts ein für alle Mal dem Schlund des Vergessens anheimgegeben, nein, es wurde auch formal die Sowjetunion aufgelöst. Und da enstanden einige neue Konkflikte. Es gabe nämlich Regionen in mehreren sowjetischen Teilrepubliken, die sich nun als selbständige Staaten installierten, die hauptsächlich von Russen bewohnt waren.
Das machte keinen Unterschied, solange man in der Sowjetunion war, in der die Russen sowieso dominierten, aber einen riesigen Unterschied, wenn man sich plötzlich in einem unabhängigen Staat Georgien, Moldawien, Aserbeidschan, Estland oder anderen eingliedern sollte. So beschloss man denn in manchen Landesteilen, sich nun seinerseits von der Teilrepublik loszusagen und so entstanden die „autonomen Gebiete“ wie Berg-Karabach, das zu Aserbeidschan zugehörig angesehen wird, Süd-Ossetien und Abchasien als Teile von Georgien, Transnistrien, das nicht zu Moldawien gehören will und andere, ebenso wie ethnische Konflikte, wie in Estland.
Das wurde damals vielleicht sogar belächelt, war aber in Wirklichkeit brisant, denn die Büchse war ja offen. Nun hat sich bestätigt, warum die Regeln so streng waren und hätten eingehalten werden müssen. Der Ossetien-Krieg ist nach den jugoslawischen Teilungskriegen bereits der fünfte, den die deutsche Bundesregierung im speziellen und „der Westen“ im allgemeinen mit auf dem Gewissen haben.
Wenn „westliche“ Regierungen die Todesopfer bedauern, ist das Heuchelei. Sie sind wesentliche Mittäter.
Veröffentlicht am 11. August 2008 in der Berliner Umschau
Originalveröffentlichung
Zusatz zum Artikel
Also ich will ja nicht angeben, aber dies habe ich im Forum des FDP-Bundesverbandes gefunden:
http://forum.fdp-bundesverband.de/read.php?4,1079952,1080941
"Re: Krieg in Georgien
geschrieben von: steiner (IP gespeichert)
erstellt am: 12. August 2008 02:40
Der gute Karl Weiss hat die Entwicklung schon am 17.02.2008 vorausgesagt:
[Link zum oben im Artikel zitierten Artikel vom 17.2.08]
Er scheint wirklich Ahnung zu haben wovon er schreibt.
Steiner"
Das wurde im Zusammenhang der Diskussion über den Ossetien-Krieg geschrieben.
Oder sollte ich, statt stolz zu sein, besorgt sein, was ich falsch gemacht habe, wenn mich ein FDP-ler lobt?
Nun, ich habe es wirklich vorausgesagt - und es müssen ja nicht unbedingt alle in der FDP ein Brett vor dem Kopf haben, nicht?
Und da gibt es auch noch einen anderen, der die beiden einschlägigen Artikel in einen gemeinsamen Zusammenang stellt, im 'Freigeistforum':
http://www.freigeister-forum.de/phpBB2/viewtopic.php?t=2744&postdays=0&postorder=asc&start=30
"siar
geistige Leuchte
Anmeldungsdatum: 15.11.2005
Beiträge: 731
Verfasst am: 12.08.2008 04:01
Ich habe zwei interessante Kommentare gefunden, einer vom 17.02.2008 und einer von heute:
http://karlweiss.twoday.net/stories/4715451/
http://karlweiss.twoday.net/
Der Junge scheint ein kluges Köpfchen zu haben. Auf alle Fälle ist er jetzt erst mal bei meinen Favoriten.
bearnie besonders für Dich dürfte das interessant sein, da wird noch mal der Krieg in Serbien ein wenig aufgeschlüsselt.
Grüße
siar "
Also, die Freigeister sind mir denn doch irgendwie lieber als die FDP - und an "siar" einen Gruss vom klugen Köpfchen.
Karl Weiss