Vor dem letzten Spieltag in der brasilianischen Fussball-A-Serie
Von Karl Weiss
Zu einem ausgewachsenen Krimi hat sich der letzte Spieltag am kommenden Sonntag in der brasilianischen ersten Fußball-Liga gemausert. Fast alle Entscheidungen, darunter die Meisterschaft, zwei der vier Qualifizierten für die „Libertadores“ (Gegenstück zur Champions Leage) und zwei der vier Absteiger sind noch offen. Am Mittwoch findet auch das Rückspiel im Finale der ‚Copa Sulamericana’ (Gegenstück zur UEFA-Cup) zwischen Internacional Porto Alegre (Brasilien) und Estudiantes La Plata (Argentinien) statt.
Alle Bilder in diesem Artikel sind von der "Libertadores"-Begegnung zwischen Fluminense und São Paulo in der ersten Jahreshälfte im voll besetzten Maracanã-Stadion in Rio. Damals spielte Adriano noch bei São Paulo, der heute wieder für Inter Mailand stürmt.
Obwohl die meisten dem Meister der letzten beiden Jahre, São Paulo F.C., bereits an diesem Sonntag einen Sieg im heimischen Stadion gegen den bis dahin noch abstiegsgefährdeten Verein Fluminense Rio de Janeiro zugetraut hatten, reichte es nur zu einem Unentschieden. Damit hat Gremio Porto Alegre am kommenden Sonntag noch einmal eine Chance, nachdem ihm an diesem Sonntag ein glattes 4:1 beim bereits abgestiegenen Ipatinga gelang. Fluminense entwickelt sich zu so etwas wie einem Angstgegner von São Paulo, denn man war schon in der diesjährigen „Libertadores“ im Viertelfinale gegen diesen Gegner ausgeschieden.
São Paulo muss bei Goiás Goiânia antreten, das zu Hause eine Bank ist und wird es sehr schwer haben, ein Unentschieden zu erreichen, was ihm für den Meistertitel reicht. Gremio empfängt dagegen zu Hause die Mannschaft von Atlético Mineiro aus Belo Horizonte, für die es um nichts mehr geht – es ist also alles offen. Verliert São Paulo und gewinnt Gremio, ist Gremio Meister, denn dann hat man gleiche Punktzahl, aber einen Sieg mehr.
Ähnlich eng geht es bei den beiden noch offenen Abstiegsplätzen zu, nachdem Ipatinga bereits seit letzter Woche abgestiegen war und Portuguesa São Paulo nach einem Heim-Unentschieden gegen Sport Recife endgültig in den sauren Apfel beißen muss. Gerettet vor dem Abstieg haben sich an diesem Sonntag Fluminense Rio de Janeiro mit dem Unentschieden gegen São Paulo und der F.C. Santos, der nach mehreren Niederlagen noch in Gefahr geraten war und sich nun mit einem Auswärts-Unentschieden bei Atlético in Belo Horizonte den notwendigen rettenden Punkt holte.
In Abstiegsgefahr schweben noch der drittletzte, Vasco da Gama Rio de Janeiro mit 40 Punkten, der viertletzte, Figuerense Florianopolis mit 41 Punkten und davor auf den Nichtabstiegsplätzen Atletico Paranaense mit 42 und Náutico mit 43 Punkten. Das theoretisch leichteste Spiel hat Figuerense unter diesen vier Kandidaten, das zu Hause gegen Internacional Porto Alegre antritt. Dieser Gegner hat vier Tage vorher das zweite Endspiel des Südamerika-Cups und wird entweder noch erschöpft von den Siegesfeiern oder am Boden zerschmettert von der Niederlage sein. Wenn Figuerense also gewinnt, braucht man nur noch ein Unentschieden oder eine Niederlage von Alético Paranaense, das zu Hause gegen Flamengo Rio de Janeiro antritt oder eine Niederlage von Náutico, das bei Santos zu Gast ist, und wäre gerettet. Andererseits reicht Náutico ein Unentschieden, um sich in Sicherheit zu bringen.
Vasco spielt zu Hause gegen Vitória Salvador, ein Sieg wäre kein unmögliches Ergebnis. Aber selbst dann muss Figuerense nicht den erwarteten Sieg gegen Internacional schaffen und zusätzlich noch Atlético Paraná oder Nautico verlieren, damit es für Vasco reicht. Eine andere Kombination von Ergebnissen wäre eine Niederlage sowohl von Atlético als auch von Náutico. Das könnte im Fall von deren Siegen noch Figuerense und Vasco retten. Vasco wäre dann punktgleich mit Náutico, hätte aber 12 Siege gegen nur 11 von Náutico aufzuweisen.
Was auch noch offen steht, sind die beiden anderen Plätze in der „Copa Libertadores“ des nächsten Jahres neben den beiden verbliebenen Meisterschaftsanwärtern São Paulo und Gremio sowie Sport Recife, das bereits im ersten Halbjahr den brasilianischen Pokal gewonnen hatte. Die verbliebenen Kandidaten für zwei Plätze sind Palmeiras São Paulo mit 65 Punkten, Cruzeiro Belo Horizonte mit 64 Punkten und Flamengo Rio de Janeiro mit ebenfalls 64 Punkten, aber zwei Siegen weniger. Flamengo hat ein schweres Auswärtsspiel gegen einen der möglichen Absteiger, der bis zum Umfallen kämpfen wird, Atletico Paranaense. Das dürfte schwer werden. Cruzeiro hat ein leichtes Heimspiel gegen den schon lange abgestiegenen Verein Ipatinga aus der Stahlstadt in Minas Gerais und damit die theoretisch leichteste Aufgabe. Palmeiras hat ebenfalls ein Heimspiel, aber gegen den starken Club Botafogo Rio de Janeiro, für den es allerdings um nichts mehr geht. Da sieht also ganz nach den Plätzen für Palmeiras und Cruzeiro aus.
Für die `Copa Sulamericana’ in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres werden sich neben dem Meister sieben schon feststehende Vereine qualifizieren, das sind Internacional, Goiás, Coritiba aus der paranaensischen Hauptstadt, Botafogo, Vitória, Sport und Atlético Mineiro, dazu jener Verein, der es nicht schafft, in die „Libertadores“ zu kommen, also wahrscheinlich Flamengo.
Zuletzt noch die Ergebnisse der Halbfinale und des ersten Finalspiels des Südamerika-Cups. Internacional, das bereits seit fünf Runden nur noch mit einer Reservemannschaft in der brasilianischen Meisterschaft spielt und sich voll auf den Sieg in diesem Cup konzentriert hat, gewann beide Spiele gegen Chivas Guadalajara im ersten Halbfinale. Im zweiten standen sich die beiden argentinischen Clubs Estudiantes aus La Plata und Juniors aus Buenos Aires gegenüber. In der argentinischen Hauptstadt konnte Estudiantes ein Unentschieden erreichen und gewann dann knapp 1:0 zu Hause und zog so in die Endspiele ein.
Das erste davon wurde in Argentinien ausgetragen und sah die brasilianische Mannschaft als Sieger mit 1:0, nachdem deren Torhüter Lauro mit einigen spektakulären Rettungstaten sein Tor sauber gehalten hatte und den Titel des besten Spielers auf dem Platz bekam. Theoretisch müsste jetzt Internacional zu Hause den Titel holen, aber das glaubten auch schon die jeweils stärker eingeschätzten Mannschaften in den Endspielen in den beiden letzten Jahren, América Mexico Stadt und Colo Colo Santiago de Chile und mussten sich doch geschlagen geben. 2006 unterlag Colo Colo der unbekannten mexikanischen Mannschaft von Pachuca und 2007 war es América, der mexikanische Meister, der die bis dahin nicht hervorgetretenen argentinischen Mannschaft von Arsenal den Titel holen sah.
Veröffentlicht am 3. Dezember 2008 in der Berliner Umschau