Schäubles Traum - Unser Albtraum
Gefunden, übersetzt und angepasst von Karl Weiss
Dieses Gespräch zwischen einem Bürger, der lediglich Pizza bestellen will und dem Mann von der Pizzeria beruht auf einem Text des bekannten brasilianischen Schriftstellers Luiz Fernando Verissimo. Er wurde von Karl Weiss übersetzt und an die deutschen Verhältnisse angepasst.
„Pizza Hütte, Guten Abend!“
„Ja, hallo, ich möchte gerne Pizza bestellen.“
„Ja, würden Sie mir bitte Ihre Terror-Abwehr-Nummer geben?“
„Meine Terror-Abwehr-Nummer ist 997 338 701 341 850 – 889 445 1056 – 4“
„Danke schön, Herr Müller! Ihre Adresse ist Reichstr. 88, in 021345 Unterschönhausen bei Leinweiler und Ihre Telefon-Nummer ist 0285 – 55883, ja? Ihre Nummer bei Ihrem Arbeitgeber, der Hauser KG + Co., ist 0277 – 29445 und ihre Handy-Nummer ist 0731 – 44 67 29, richtig?“
„Korrekt! Woher wissen Sie das alles?“
„Na, wir sind natürlich direkt an die Terror-Abwehr-Zentrale angeschlossen.“
„Ach ja, natürlich! – Also ich hätte gerne zwei Familien-Pizzas wie in dem Sonderangebot, eine ‚Vier Käse’ und die andere ‚Quattro Stagione’“
„Lieber Herr Müller, das dürfte nicht unbedingt die richtige Wahl sein. Aus ihren Gesundheitsprofil geht hervor, sie haben hohe Triglycerid-Werte und außerdem sehr bedenkliche Cholesterin-Werte – Ihre Lebensversicherung verbietet ausdrücklich eine gefährliche Lebensweise.“
„Ja, da haben Sie Recht. Was empfehlen Sie denn?“
„Na da hätten wir die Super-Light-Pizza auf Joghurt-Basis mit Rettich. Das dürfte das richtige sein! Sie werden die besonders genießen.“
„Woher wissen Sie denn, dass ich die besonders genießen würde?“
„Nun, Sie haben am Samstag, den 27. Oktober diesen Jahres um 14 Uhr 53 die Site der städtischen Bibliothek in Hummesweiler besucht und dort die Site „Gourmet-Rezepte mit Rettich“. Dort haben Sie 39 Minuten verweilt. Ich schließe daraus, diese Pizza ist die richtige für Sie.“
„Uuuhfff! Na gut, also zwei Familien-Pizzas von dieser Sorte!“
„Sie werden sie sicherlich genießen, Herr Müller, ebenso wie Ihre Frau Ingrid, geborene Steinhäuser und Ihre drei Jungs Hans, Uwe und Kevin – auch wenn der letztere behindert ist.“
„Was macht das?“
„Das sind 38 Euro und 98 Cents.“
„Kann ich Ihnen meine Kreditkarten-Nummer geben?“
„Tut mit leid, Herr Müller, aber ihr Kreditkarten-Limit ist überzogen. Sie werden wohl bar zahlen müssen.“
„Na gut, dann gehe ich eben noch beim Nachtschalter der Multi-Bank vorbei und hebe das Geld ab.“
„Hmmm, Herr Müller, das wird schwierig werden. Sie haben dort bereits ihr Kreditlimit überzogen.“
„Also kümmern Sie sich um Ihre eigenen Probleme! Sie schicken die Pizzas und ich treibe das Geld auf, ja? Wie lange wird das dauern?“
„Heute sind wir etwas eng. Das könnte zwischen 45 Minuten und 1 Stunde dauern. Aber Sie können die Pizzas auch in 15 Minuten hier abholen, wenn Sie wollen – Allerdings ist das nicht sehr empfehlenswert, mit zwei Pizzas auf dem Motorrad.“
„Na, nu aber! Woher wollen Sie denn wissen, ich würde die mit dem Motorrad abholen?“
„Entschuldigen Sie, Herr Müller, aber aus ihrem Profil der Terror-Abwehr-Zentrale hier geht hervor, sie waren bei ihrem Wagens mit zwei Raten im Rückstand und der gehört Ihnen schon nicht mehr. Allerdings gibt es da noch ein Motorrad auf ihren Namen. Ich nahm an, Sie würden das dann wohl benutzen.“
„(Die Antwort von Herrn Müller darauf kann der Öffentlichkeit wegen Paragraph 8951 a (Unflätigkeit) nicht zugänglich gemacht werden.)“
„Herr Müller, ich darf Sie bitten, mich nicht zu beleidigen. Sie können mich keineswegs mit der hinteren Auslassöffnung vergleichen. Seinen Sie vorsichtig! Sie wurden bereits letztes Jahr wegen Nichtbefolgen des Ratschlages einer Amtsperson mit einer Geldstrafe belegt. Im Wiederholungsfall würden Sie nicht unter einer Gefängnisstrafe davonkommen.“
„(Schweigen)“
„Sonst noch etwas?“
„Nein, danke. Ach so ja, vergessen Sie bitte nicht die zwei Liter Coca, die im Sonderangebot enthalten sind.“
„Entschuldigen Sie, Herr Müller, das geht leider nicht. Es ist uns ausdrücklich verboten, zuckerhaltige Getränke an Kunden mit Diabetes auszuliefern – und Ihre Frau hat Diabetes.“
„Aaaahhhh! Ich stürze mich aus dem Fenster!“
„Na das wird aber nicht viel bringen. Sie wohnen doch im Erdgeschoss!“
Veröffentlicht am 4. Dezember 2008 in der Berliner Umschau