Bündnis linksgerichteter Staaten Lateinamerikas
Von Karl Weiss
Die ALBA (Bolivarische Allianz für Amerika) hat in Maracay, in der Nähe von Caracas, Venezuela, einen Sondergipfel abgehalten. Es handelt sich bei dieser Allianz um einen Zusammenschluss von Ländern mit linken Regierungen bzw. Präsidenten, hauptsächlich Kuba, Venezuela, Bolivien, Nicaragua, Honduras und Ecuador, dazu einige lateinamerikanische Klein- und Inselstaaten.
Hier sei auch noch ein Bild eingestellt, dass heute, am 29.6.09, in der Hauptstadt von Honduras aufgenommen wurde. Die Polizei der Staatsstreich-Militärs geht mit Wasserwerfern gegen Demonstranten für die demokratische Ordnung in Honduras vor. Hier sieht man auch das infame Mittel, dem Wasser roten Farbstoff beizumischen. Wer von diesem Wasserstrahl getroffen wird, kann später an der roten Farbe auf seiner Kleidung wiedererkannt und einer "Sonderbehandlung" unterzogen werden. Soeben wurde über Twitter der erste Tote bei diesen Zusammenstössen beklagt.
Zusatz zum Artikel
Dieser Artikel wurde bereits vor dem Bekanntwerden des Militär-Putsches in Honduras fertiggestellt. Er bekommt durch dies Ereignis eine besondere Aktualität. Der Putsch wurde bereits von der Mehrheit der Präsidenten der Staaten des amerikanischen Kontinents verurteilt. Kein Ton allerdings aus den USA und von den unmittelbar mit den USA liierten Präsidenten von Mexiko und Kolumbien. Welche Schlüsse sind daraus zu ziehen?
2. Zusatz 29.6.2009, 20Uhr Ortszeit
Zum Glück muss ich mich hier berichtigen. Sowohl Obama ("Der Staatstsreich in Honduras war illegal") als auch Aussenministerin Hillary Clinton ("ich fordere die Restauration der demokratischen Ordnung in Honduras") haben sich inzwischen eindeutig gegen den Staatsstreich ausgesprochen. Das ist neu bei einem Staatsstreich in Lateinamerika und das ist ein gewaltiger Fortschritt, auch wenn es bis jetzt nur Lippenbekenntniss sind.
Neben der Aufnahme neuer Mitglieder wurden eine Wirtschaftsunion, die Festlegung des Hauptthemas der Agrarwirtschaft und die Vorbereitung einer Gemeinschaftswährung beschlossen.
Die ALBA schließt jene Staaten in Lateinamerika zusammen, die über übliche sozialdemokratische Positionen hinausgehende linke Auffassungen vertreten. Der Kern dieser Allianz wird von Kuba und Hugo Chávez` Venezuela gebildet, dazu gesellten sich die später gewählten Präsidenten von Bolivien, Morales und von Ecuador, Correa. Ecuador wurde auf dem Sondergipfel in Maracay offiziell in die Staatengemeinschaft aufgenommen. Neue Mitgliedsanträge stellten die Karibik-Inselstaaten St. Vincent und das dem britischen Commonwealth angehörende Antigua und Barbuda.
Die Bezeichnung wurde von „Alternative“ in „Allianz“ umgewandelt, wodurch das Kürzel ALBA gleich blieb. Der Begriff „Bolivarisch“ wird in Lateinamerika leicht verstanden. Das bezieht sich auf den Venezuelaner Simon Bolivar (nach dem Bolivien benannt ist) und die anderen Helden der Befreiung aus spanischer Kolonialherrschaft vom Beginn des Neunzehnten Jahrhunderts, die in Lateinamerika als „Libertadores“ (Befreier) bezeichnet werden.
Der Ort war mit hoher Symbolkraft gewählt worden. Maracay liegt in der Nähe des Schlachtfeldes von Carabobo, wo 188 Jahre vor diesem Treffen den Truppen der spanischen Kolonialisten eine entscheidende Niederlage beigebracht worden war. Man ließ zu diesem Gedenktag Truppen der beteiligten Staaten auf dem Schlachtfeld paradieren und darüber russische Kampfflugzeuge fliegen.
Um einen Eindruck vn den reaktionären Grossgrundbesitzern (die meistens direkt mit den USA liiert sind) zu geben, muss man sich nur die "Kämpfer" der Rechts-Milizen ansehen, die letzte Jahr einen Putsch in Bolivien versuchten. Hier seien drei Bilder eingestellt, die sie zeigen und die Leichen von hilflosen Kleinbauern, die sie ermordet haben.
Doch das Wesentliche des Sondergipfels war nicht die Symbolik, sondern waren die tatsächlichen Fortschritte des Zusammenschlusses. Obwohl das Bündnis bereits seit 2004 besteht, gab es bisher keine permanenten Strukturen. Deren Gründung wurde nun beschlossen. Es wurden permanente Räte für politische, wirtschaftliche und soziale Fragen eingerichtet. Es wurde die Vorbereitung einer gemeinsamen Währung, des Sucre, beschlossen. Dazu die Gründung einer gemeinsamen Universität für Fachleute der Agrarwirtschaft. Als wesentlicher Inhalt der Allianz wurde neben der wirtschaftlichen Integration das gemeinsame Vorantrieben der Agrarwirtschaft festgelegt.
Das typische Problem aller Entwicklungsländer ist das Fehlen einer ausreichenden und eigenständigen Agrarproduktion. Die imperialistischen Länder, das heißt vor allem die Vereinigten Staaten, die EU, Japan und die Schweiz haben fast alle großen Agrarkonzerne und alle wesentlichen Agrarhandelsfirmen in der Hand, sie verfügen über eine riesige Überschussproduktion an Agrarprodukten, die sie subventionieren und mit Dumpingpreisen in die Märkte der Entwicklungsländer drücken. Dort werden so jegliche Ansätze einer eigenen Agrarproduktion, einer Agrarindustrie und der Selbstversorgung im Keim erstickt, weil niemand zu jenen Preisen Agrarprodukte produzieren kann, mit denen jene Länder diese Produkte in die dortigen Märkte liefern.
Fast alle Entwicklungsländer führen fast die Hälfte oder mehr ihres Nahrungsmittelbedarfes ein und das meistens nicht aus benachbarten anderen Entwicklungsländern, sondern aus den imperialistischen Staaten.
Auf diese Art und Weise gelingt es den Imperialisten, diese Länder in vollkommener Abhängigkeit zu halten, denn beim geringsten Aufbäumen können die Lebensmittellieferungen gestoppt werden, was dasjenige Land in Agonie stürzt. Das aktuelle Beispiel ist das Zimbabwe des Mugabe, der sich einfach nicht unterordnen wollte. Die Weigerung, Nahrungsmittel zu liefern, ließen Zimbabwe in eine sich ständig verschlimmernde Wirtschaftskrise schlittern, aus der das Land bis heute nicht entkommen konnte. Hunger und Seuchen verbreiteten sich und Mugabe war völlig machtlos.
Das wissen die Präsidenten der ALBA-Staaten wahrscheinlich sehr genau. Sie wissen, nur über die Entwicklung einer eigenen entwickelten Agrarwirtschaft, von Agrarfirmen und Handelsunternehmen sowie der Selbstversorgung werden sie von den imperialistischen Staaten unabhängig werden können.
Doch die Agrarproduktion, die Nahrungsmittelversorgung ist noch in einem anderen Sinne der Schlüssel zur Unabhängigkeit der Entwicklungsländer: Soweit eine Agrarproduktion besteht, ist sie in fast allen Entwicklungsländern fast ausschließlich in der Hand von Großgrundbesitzern. Diese wiederum sind die wesentliche Basis der Macht in diesen Ländern und sind mit dem einen oder anderen imperialistischen Staat liiert. Sie stehen natürlich in feindlicher Opposition zu linken Präsidenten und haben den „konservativen“ Apparat von ein, zwei oder drei Regierungsparteien in ihren Händen, die sie abwechselnd die Macht teilen ließen, bevor die linken Präsidenten ihnen einen Strich durch die Rechnung machten.
Auch von diesen Blutsaugern der Entwicklungsländer muss man unabhängig werden und das heißt schärfste Kämpfe mit ihnen zu überstehen, wie Hugo Chávez aus eigener leidvoller Erfahrung weiß.
Es ist also zweifellos ermutigend, dass diese linken Präsidenten Lateinamerikas das Thema der Agrarproduktion als Kernproblem erkannt haben und daran arbeiten wollen. Damit könnte die ALBA, die objektiv gesehen bisher nichts als ein verzweifelter Versuch ist, zu einem Fanal für die Riesenmassen von Menschen in allen Entwicklungsländern werden.
Was ist die Basis dieser Entwicklung? Warum gibt es in Lateinamerika, das traditionell von Militärdiktaturen von USAs Gnaden oder von reaktionären („konservativen“) Politikern regiert wurde, nun plötzlich eine Mehrheit von sozialdemokratischen und linken Präsidenten? Warum gibt es nur noch in zwei der bedeutenden Länder Lateinamerikas den traditionellen USA-hörigen Präsidenten? (Mexiko und Kolumbien), warum hat die Mehrheit der lateinamerikanischen Bevölkerung heute einen Präsidenten vom Typ Sozialdemokrat (Brasilien, Argentinien, Chile, Uruguay, Paraguay)? Warum gibt es nun plötzlich linke Präsidenten, speziell in den Armenhäusern Lateinamerikas (Venezuela, Bolivien, Honduras, Ecuador, Nicaragua)?
Hier noch ein anderes Bild aus eben jenem Putschversuch, das auch bezeichnend ist: Dieser Laden, der von den Rechts-Milizen gebrandschatzt wurde, gehörte einem Verwandten von Präsident Morales. Faschisten (auch jene im Auftrag der USA) arbeiten immer mit Sippenhaft
All dies hat seine Basis in der revolutionären Gärung, die Lateinamerika erfasst hat. Seit Beginn des neuen Jahrtausends gibt es grundlegende und tiefgreifende Veränderungen im Bewusstsein der Volksmassen in Lateinamerika. In einem ersten und beeindruckenden Schlag entlud sich dies im „Argentinazzo“ im Jahr 2001 in Argentinien, als der reaktionäre Präsident angesichts der aufgebrachten Volksmassen durch den Hinterausgang aus seinem Palast schlüpfen musste, um einen Hubschrauber zu erreichen, der ihn an den Flughafen brachte, von wo er ins Ausland flüchtete.
Das heißt noch nicht, dass in einem dieser Länder bereits eine revolutionäre Situation entstanden wäre, aber es heißt, die Imperialisten und ihre lokalen Repräsentanten gerieten in schwerste Widrigkeiten, die sie in einigen dieser Länder definitiv von der Macht abdrängte – was allerdings noch lange nicht heißt, nun sei das Volk an der Macht.
Da wächst in Lateinamerika ein weiteres Fanal gegen die imperialistische Weltherrschaft und die sich immer noch in Entwicklung befindliche Wirtschaftskrise könnte zu weiteren schwersten Problemen für die imperialistische Brut führen.
Nur zu! Alles, was hilft, diesem System den Todesstoss zu bereiten, hilft!
Veröffentlicht in der Berliner Umschau am 29.6.2009