Doch die Verhältnisse - ...
Von Karl Weiss
Der eilig vor den Wahlen herbeigerufene „Aufschwung“ (Guttenberg, CSU) wird nicht stattfinden. Die positiven „Stimmungs-Zahlen“ sind nicht in wirkliche Einkäufe umgeschlagen. Der Massenkonsum in Deutschland geht deutlich zurück. Warum wohl?
Die Financial Times Deutschland (FTD) hat sich in den letzten zwei Wochen extrem aus dem Fenster gelehnt mit ihren Vorhersagen: „Rezession ist beendet“, „Die Indikatoren im Positiven“, „GfK: Excellentes Konsumklima“, „Ifo signalisiert Ende der Misere“ und „Konsumklima hellt sich auf“. Was davon übrig blieb, zeigte sich am 26.8.09, als die Zahlen des Umsatzes des Einzelhandels im ersten Halbjahr veröffentlicht wurden:
Über 2% Umsatzrückgang über das ganze Halbjahr, das ist seit vielen Jahrzehnten nicht mehr vorgekommen. Der Juni, der eigentlich alles heraureissen sollte mit einem deutlichem Plus, ergab stattdessen einen hohen Rückgang: 1,6% in einem einzigen Monat! Real, also den Preisrückgang mit eingerechnet, wurden es sogar 1,8%.
Für das ganze erste Halbjahr waren es im Vergleich zum Vorjahr 2,3 % und real 2,1%. Diese letztere Zahl (real) ist ein Rekord.
Vielleicht mag einer meinen, na, ein bisschen mehr als 2% Rückgang, das ist ja noch mässig im Vergleich zum Rückgang des Industrieumsatzes oder zum massiven Exportrückgang von über 30%. Aber die Zahlen des Massenkonsums können natürlich nicht mit solchen Raten einbrechen wie die Verkäufe der Industrie oder der Auslandsabsatz. Ein wesentlicher Teil des Konsums besteht aus Grundnahrungsmitteln und anderen Waren, bei denen der Konsument nicht so einfach einsparen kann.
Wer sparen muss, weil einer in der Familie keinen Arbeitsplatz mehr hat oder weil der einzige Verdiener auf Arbeitslosengeld steht, der beginnt zuerst an teuren Auslandsreisen, teuren Autos, an aufschiebbaren Reparaturen, an Essen ausser Haus und Theater- und Kinobesuchen zu sparen, der bestellt das Kabelfernsehen ab oder begrenzt die Zahl der Handys in der Familie – alles Dinge, die sich nicht im Einzelhandelsumsatz ausdrücken. Wer in Hartz IV fällt, muss sich natürlich weit über das hinaus einschränken, aber das ist gerade nicht das Thema.
Darum sind die Veränderungen im (preisbereinigten) Einzelhandelsumsatz auch generell sehr gering. Ein Auf oder Ab von 0,5% bedeutet bereits gewaltige Veränderungen, zumal dies auch eine der grössten Zahlen im Wirtschaftsgeschehen eines Landes ist. Über 2% minus im Jahresvergleich (oder ein Einbruch wie im Juni von 1,6% in einem Monat) stellen hier Welten dar.
Und das ist noch keineswegs die schlechteste Nachricht. Das ist vielmehr jene, die von der FTD so ausgedrückt wird: „Das war erst der Anfang“. Sie zitiert einen Experten: „Mittelfristig dürfte der Einzelhandel noch stärker belastet werden, wenn Kurzarbeit in Stellenabbau umgewandelt wird. Dann bleibt vielen Beschäftigten weniger in den Taschen."
Ganz offen werden jetzt schon überall Massenentlassungen nach den Wahlen angekündigt.
Werden wir uns das gefallen lassen? Wennn man seinen Arbeitsplatz verlieren soll, dann können die Kapitalisten mit nichts mehr drohen. Dann muss gestreikt werden!
Veröffentlicht am 28. August 2009 in der Berliner Umschau