Das Auswärtige Amt und Bürger zweiter Klasse
Von Karl Weiss und Hans Georg
Khaled Al Masri - Sie erinnern sich, das war jener Bürger der Bundesrepublik Deutschland mit Wohnsitz in Neu-Ulm, der auf einer Reise im Balkan an der mazedonischen Grenze Ende 2003 auf Anordnung der US-Regierung festgenommen und in Macedonien und später in Afghanistan vom CIA gefoltert wurde. An den Verhören war auch ein BKA-Mann beteiligt, wie inzwischen zugegeben werden mußte. Doch statt sich um die Freilassung des Entführten zu bemühen, beugte sich der damals für die Geheimdienste verantwortliche Kanzleramtschef Steinmeier der Staatsraison. Die USA sind schließlich Verbündete.
Lektion gelernt: Es gibt Bundesbürger erster und zweiter Klasse. Bei denen erster Klasse wird - wenn sie entführt werden - ein Medienspektakel mit der Hauptfigur des inzwischen zum Außenminister aufgestiegenen Steinmeier aufgezogen, und es wird - wie im Fall Susanne Osthoff - in dramatischen Worten an die Entführer appelliert, die Entführten freizulassen. Bei denen zweiter Klasse hält man zugunsten des ´Großen Bruders´ die Klappe. Außerdem hat man es nicht so gerne, wenn eigene Beteiligung ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt wird.
Dies erfährt der seit vier Jahren in Syrien gefangene Hamburger Haydar Zammar. Nach Hinweisen der Berliner Geheimdienste von der CIA entführt und in ein Foltergefängnis nach Damaskus verbracht, ist dieser Deutsche bis heute ohne reguläre diplomatische Betreuung. Dem Auswärtigen Amt, das in Damaskus über eine luxuriös ausgestattete Botschaft verfügt, gelingt es angeblich nicht, für die Überführung Zammars in sein Heimatland zu sorgen - undenkbar, würde es sich bei Zammar um eine Person mit Wirtschaftsanbindung handeln.
Über ähnliche Erfahrungen verfügt auch der türkische Staatsbürger Murat Kurnaz, der nach viereinhalb Jahren illegaler Haft in Guantanamo jetzt in seine Heimatstadt Bremen zurückkehren konnte - dank öffentlicher Proteste und begleitet von betretenem Schweigen der deutschen Diplomatie. Die Bundesregierung habe ein feiges und zynisches Doppelspiel betrieben, weil sie die Öffentlichkeit anlog und die Schutzbefohlenen des Auswärtigen Amtes im Stich ließ, urteilen liberale Kritiker der deutschen Außenpolitik.
Dies gilt natürlich auch weiter für Al Masri, wie aus einer Pressemitteilung seines Anwalts Manfred Gnjidic vom 28. August hervorgeht. Al Masri braucht nämlich zur Entschädigung für alles, was ihm widerfahren ist, Zeugen, obwohl man ja auch einfach beim 'Großen Bruder' nachfragen könnte. Und wenn nun endlich ein Zeuge, ein ehemaliger - ebenfalls vom CIA gefolterter - Mitgefangener Al Masris mit Namen Laid Saidi aus Algerien in Deutschland aussagen will - verständlicherweise aber nur in Gegenwart seines Rechtsanwalts - erfindet Steinmeiers Außenministerium einen neuen Trick, wie es die für den Chef vermutlich peinliche Zeugenaussage verhindern kann: Man lässt Laid Saidis Anwalt vom deutschen Konsulat in Algerien einfach kein Einreisevisum ausstellen.
Das ist schließlich das gute Recht des Außenministeriums, nicht wahr? Ob das Bundesverfassungsgericht das auch so sieht, will Al Masris Anwalt nun überprüfen lassen.
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Das ist neu: Ein Artikel von mir (in diesem Fall zusammen mit Hans Georg) wurde nun auch in der vor etwa einem Jahr neu gegründeten "Neuen Rheinischen Zeitung" veröffentlicht, hier in der Ausgabe vom 5.9.06. Die NRhZ ist einer der traditionellsten Namen im fortschrittlichen deutschen Journalismus.
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