Weingeist als Kraftstoff

Schweden setzt auf regenerative Energien

Von Elmar Getto

Während die EU, speziell die Kommission, weiterhin fest im Griff der Ölkonzerne ist, die ihre Profite mit immer neuen Preiserhöhungen in märchenhafte Höhen treiben, hat Schweden als bisher einziges europäisches Land den Weg Brasiliens eingeschlagen, sich weitgehend unabhängig von importierten fossilen Energieträgern zu machen. Bis 2020 soll dies verwirklicht sein.

Der erste Schritt dazu ist die Umstellung des schwedischen Parks von Benzin-Autos auf Alkohol. Ein Netz von Alkohol-Zapfsäulen ist bereits am Entstehen und vier verschiedene Automobilkonzerne offerieren bereits ‚Flexible Fuel’-Fahrzeuge in Schweden, die mit jeder Mischung von Benzin und Alkohol fahren können. Als nächster Schritt ist die Umstellung auf Bio-Diesel vorgesehen.

Brasilien Alkohol Zapfsaeule

Die Stromerzeugung soll nach und nach von Kohle-, Schweröl-, Atom- und Müllverbrennungs-Kraftwerken auf die erneuerbaren Energien wie Wind, Solar und Biomasse umgestellt werden (ein wirklicher Ausstieg aus der Atomkraft - nicht ein Schein-Ausstieg wie in Deutschland - war in Schweden als erstem europäischen Land schon lange beschlossen worden). Bereits in 10 Jahren ist die Erzeugung von 15 Milliarden KWh Strom aus erneuerbaren Energien vorgesehen.

Bei der Wärme sind Steuervorteile für diejenigen vorgesehen, die ihre Heizung auf Alternative Energien umstellen. Weiterhin wird es verstärkte Forschung zu diesem Thema geben und ein nationales Programm der Energieeinsparung.

Dr. Norbert Allnoch, Leiter des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR) in Münster, sagte: „Alle führenden Industrienationen werden früher oder später (...) auch die industriepolitische Bedeutung für ihr Land entdecken und eine weltweite Innovationsspirale bei regenerativen Energietechniken in Gang setzen.“

Wie in einem anderen Artikel im Block schon berichtet wurde,
ist in Brasilien bereits seit Anfang der Siebziger Jahre der Alkohol als Kraftstoff eingeführt. Dort kann er kostengünstig aus der Zuckermelasse gewonnen werden, die bei der Zuckerherstellung aus Zuckerrohr anfällt. Man kann aber auch den ganzen Zuckersaft vergären, ohne Zucker daraus zu machen. Dadurch ist man sehr flexibel in den Zucker- bzw. Alkohol-Mengen, die man herstellt.

Zuckerrohrlastwagen in Brasilien mit Alkohol-Fabrik im Hintergrund

Der Boom des Alkohols als Kraftstoff in den achtziger Jahren wurde aber in Brasilien durch eine Vertrauenskrise in den neunziger Jahren abgelöst. Alkohol wurde im wesentlichen nur noch als Beimischung im Benzin gefahren, im Moment liegt der beigemischte Anteil bei 24 %. Doch seit Anfang 2003 gibt es in Brasilien - so wie jetzt auch in Schweden - die sogenannten Flex-Fuel-Fahrzeuge, die mit Einspritzung arbeiten.

Diese stellen heute in Brasilien bereits 67% der verkauften Neuwagen, so daß schon bald der Verbrauch von Alkohol wieder gewaltig ansteigen wird - ebenso wie der von Benzin auf lange Sicht gegen Null tendieren wird. Während der Benzin-Preis in Brasilien gerade eben erhöht wurde und jetzt in den meisten Regionen bei etwa 2,30 - 2,40 Reais pro Liter liegt (etwa 80 bis 83 Eurocents), kann man Alkohol an der Tankstelle im Bereich von 0,90 bis 1,40 Reais erwerben (etwa 31 bis 48 Eurocents pro Liter). Das stellt natürlich einen deutlichen Anreiz dar, zudem laut Versicherungen der Ford die modernen Flex-Fuel-Autos nicht oder nur unbedeutend mehr als die Benzin-Autos verbrauchen. Dazu sind die mit dem Weingeist betriebenen Fahrzeuge auch noch wesentlich lebhafter, denn der hat wegen seiner höheren Dichte auch einen größeren Energieinhalt pro Liter.

Alkohol hat ja außer dem Preisvorteil und dem Unabhängigkeitsvorteil vor allem den wichtigen Umweltvorteil: Jedes Gramm CO2, das bei ihnen aus dem Auspuff kommt, ist vorher beim Wachsen der entsprechenden Pflanzen aus der Luft geholt worden (Kreislaufwirtschaft).

Treffende Karikatur

Brasilien ist heute bereits unabhängig von importierten fossilen Energieträgern, was nicht heißt, daß man nicht weiterhin Erdöl und Erdgas importiert. Man exportiert aber auch bereits und beides hält sich schon die Waage.

Kohlendioxid-Anstieg: Dies ist eine so überzeugende Kurve über das, was im Moment geschieht, dass sich jeder Kommentar erübrigt.

Wann wohl der Rest von Europa außer Schweden endlich merkt, daß man im Griff der Ölkonzerne zappelt und von ihnen beliebig gemolken werden kann?

Die Europäische Kommission befindet sich mit vollem Getöse auf der Gegenspur. Soeben hat man ein Verfahren eingeleitet, um zu überprüfen, ob die Steuerbefreiung von Alkohol als Kraftstoff in der EG nicht einen Verstoß gegen die EU-Richtlinien darstellt.

Nun, einen Verstoß gegen die Höchstprofite der Erdölkonzerne ist es sicherlich. Das scheint zu sein, was zählt.


Dieser Artikel von Elmar Getto zum wichtigen Thema der regenerativen Energien, der ursprünglich am 21. September 2005 in "Rbi-aktuell" erschien, ist ebenfalls weiterhin aktuell.
typekey:mats-1 - 26. Jan, 23:00

Wo bleibt der Realismus

Und natürlich, bauen wir nur noch erneuerbare Brennstoffe an auf den landwirtschaftlich nutzbaren Flächen. Vergessen wir auch den Kunstdünger, die dieselbetriebenen Landwirtschaftsfahrzeuge und den Transport der Agrarerzeugnisse in der Kalkulation zu erwähnen!

Nachzuprüfen wäre die Hypothese, ob tatsächlich nur 5% der Brennstoffe substituiert werden könnten, wenn die ganzen Anbauflächen für Biobrennstoffe verwendet würden (für Deutschland). (Die Nettoeffizienz des Anbaus mal unberücksichtigt)

Dann kann ich mich ja immer noch ernähren vom vergärten, gebrannten Zuckersaft :), hat zwar keine Vitamine, aber das ist nicht so wichtig für Idealisten.

Karl Weiss - 27. Jan, 01:39

Leider haben Manche wenig Vorstellungskraft

Es ist natürlich offensichtlich, dass auf Feldern, auf denen Bio-Energie-Pflanzen angebaut werden die Traktoren Biodiesel fahren. Auch der Transport der Produkte kann mit Bio-Kraftstoffen erfolgen.

Manche können aber über den Froschteich Deutschland nicht hinaussehen. Selbstverständlich besteht weltweit genügend Anbaufläche, um 75 % des benötigten Kraftstoffs zu erzeugen und trotzdem noch genügend Lebensmittel für alle. Niemand muss von Zuckerrohrsaft leben. Wie der Artikel hier oben drüber darlegt, könnte von der jetzigen Agrarproduktion das Doppelte der heutigen Menschheit ernährt werden - es gibt also keinerlei Notwendigkeit sich einzuschränken.

Ist aber erst einmal die völlige Abhängigkeit vom Erdöl überwunden, dann werden auch modernere Energiequellen, vor allem die Sonnenenergie durch moderne Photovoltaik auch die Bio-Energie-Kraftstoffe ablösen. Die sind zwar im Moment der richtige Ausweg, aber nicht auf lange Sicht.
typekey:mats-1 - 27. Jan, 12:20

Jedem sein Weltbild

Ich würde mich eher als Realist bezeichnen. Ich sehe leider keine Substitutionsmöglichkeit für 80 Millionen Barrel (159 Liter) am Tag. Das sind etwa 150 m^3/Sekunde.

Was ich aber antizipieren kann: Hungersnöte, Kriege, so wie es halt geschieht, wenn die Populationsgrösse zu gross ist.
Karl Weiss - 29. Jan, 13:47

Realismus

Das mit den Realisten ist so eine Sache. Die letzten, die sich selbst so bezeichnet haben, die Realos der Grünen, sind innerhalb kürzester Zeit in Regierungsverantwortung zur Position des Imperialismus übergegangen und haben den Überfall auf andere Länder und die Bombardierung anderer Länder verantwortlich mitgetragen. Wenn das Realismus ist, dann will ich nie Realist sein.

Im übrigen ist es richtig: Man wird nicht die gesamten weltweiten Mengen an Benzin und Diesel durch Bio-Kraftstoffe ersetzen können. Es müssen auch andere erneuerbare Energien eingesetzt werden und vor allem muss der Verbrauch deutlich gesenkt werden, was heute schon möglich wäre.

Bedeutet das, man solle gar nicht erst anfangen?

Wenn Sie am Auto die Bremsen reparieren müssen und wissen , hinterher kommen weitere Reparaturen, werden Sie dann die Bremsen nicht reparieren?

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