Fussball - Brasilien und Südamerika

Noch sechs Länder in der Copa Libertadores vertreten

Von Karl Weiss


Der Mai ist gekommen.... Für den brasilianischen Fussball heißt das, die regionalen Meisterschaften sind abgeschlossen, es beginnt die brasilianische Meisterschafts-Runde. Der brasilianische Pokal steht auch schon in der Endphase. In Südamerika tritt die Copa Libertadores, das Gegenstück zur Champions Leage, mit den Viertelfinalen in die entscheidenden Spiele.

Zunächst zu den regionalen Meisterschaften in Brasilien: Aus langer Tradition, als man überhaupt keine brasilianischen Meisterschaften hatte, werden in Brasilien immer noch regionale Meisterschaften in den einzelnen Bundesstaaten ausgetragen. Das ist natürlich bei den kontinentalen Ausdehnung des Landes auch kein Wunder. Allein der Staat, in dem der Berichterstatter lebt, Minas Gerais, ist bereits deutlich grösser als Deutschland – und das ist nur einer von 26.

Die Entfernungen der nun beginnenden brasilianischen Meisterschaft sind denn auch beeindruckend. Bis vor kurzem, als noch Paysandú, ein Verein aus Belém an der Mündung des Amazonas, fast genau auf dem Äquator gelegen, in der ersten Liga war, musste ein Flugzeug von dort bis Porto Alegre im südlichsten Bundesstaat Rio Grande do Sul, wo im Winter schon einmal Temperaturen unter Null Grad vorkommen und wo es zwei Traditionsvereine gibt, etwa 4500 Kilometer zurücklegen, das ist mehr als die grösste Nord-Süd– oder Ost-West-Ausdehnung Europas.

In den Regionalmeisterschaften (eigentlich Staatsmeisterschaften) von Februar bis Anfang Mai müssen sich also die Traditionsclubs der ersten Liga mit zweit- und drittklassigen Vereinen herumschlagen, die aus ihrem Staat kommen. Das geht keineswegs immer zugunsten der Erstligavereine aus.

So hat z.B. in diesem Jahr im südlichen Bundesstaat Paraná, wo es in der Hauptstadt Curitiba drei Erstligavereine gibt, der Drittligaclub Paranavaí die Meisterschaft gewonnen, zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte, im Endspiel gegen einen der Traditionsvereine, Paraná Clube.

Auch in Goiás im Landesinneren Brasiliens, wo es mit Goiás einen Club der ersten Liga gibt, der noch im letzten Jahr mit um die Libertadores, die südamerikanische Vereinsmeisterschaft spielte, war dieses Mal ein Club aus der dritten Division erfolgreich, Atlético Goiás, nach 19 Jahren erneut Staatsmeister.

Zweitligaverein mit Überaschung
Im Endspiel im Staat São Paulo, der allgemein als am stärksten eingeschätzten regionalen Meisterschaft, hätte fast ein Zweitligaverein eine Überraschung geschafft, São Caetano, Ende letzten Jahres aus der Ersten Division abgestiegen und nun sicherlich einer der Favoriten für die Meisterschaft der Zweiten Liga. Man hatte im ersten Finalspiel den Favoriten Santos 1:0 geschlagen, musste dann aber im Rückspiel eine 2:0-Niederlage einstecken.

Santos, nun erneut einer der Mitfavoriten um die jetzt beginnende brasilianische Meisterschaft, ist neu formiert, nachdem man im vergangenen Jahr ebenfalls die São Paulo-Meisterschaft gewonnen hatte, aber dann in der brasilianischen Runde nicht in den Kampf um die Meisterschaft eingreifen konnte. Man hat weiterhin den Erfolgstrainer Luxemburgo unter Vertrag, der vorher Real Madrid trainiert hat, und kann sich jetzt vor allem auf den von den Bayern heimgekehrten Zé Roberto stützen, von dem noch zu reden sein wird.

In der Rio-Staatsmeisterschaft schaffte es diesmal keiner der „Kleinen“ ins Endspiel. Die beiden Traditionsvereine Flamengo und Botafogo machten in zwei mitreißenden Begegnungen die Meisterschaft unter sich aus. Nach zweimal 2:2 musste das Elfmeterschießen entscheiden, aus dem schließlich Rekord-Meister Flamengo, der Verein mit den meisten Anhängern in Brasilien, als Sieger hervorging.

Symboltier des Vereins: Der Hahn
Im Staat, aus dem berichtet wird, Minas Gerais, hat Atlético Mineiro, eben aus der Zweiten Liga als deren Meister in die erste Division zurückgekehrt, den Erzrivalen Cruzeiro im ersten Endspiel mit einer überraschenden Leistung mit 4:0 vom Platz gefegt. Zwar schaffte Cruzeiro im Rückspiel einen 2: 0-Erfolg, aber das reichte eben nicht. Damit hat Atlético, mit der zahlreichsten Anhängerschaft in Minas Gerais, nach 2000 endlich einmal wieder die Regionalmeisterschaft gewinnen können, nachdem die für lange Zeit fast immer an den Lokalrivalen Cruzeiro ging. Am Sonntagabend hallten hier in Belo Horizonte noch lange die Rufe „Galo“ durch die Stadt. „Galo“, das ist der Hahn, das Symboltier des Vereins. In Brasilien habe viele Vereine Symboltiere, Cruzeiro zum Beispiel die Füchsin. Einer, Palmeiras São Paulo, hat sogar das Schwein zum Symbol.

Im äußersten Süden Brasiliens, wo gestern Temperaturen von 3 Grad herrschten, in Rio Grande do Sul, konnte es der Vereinsweltmeister Internacional Porto Alegre, der im Dezember noch Barcelona im Endspiel besiegt hatte, nicht schaffen, auch nur ins Endspiel der regionalen Meisterschaft zu kommen. Man ist im Moment in einer schwachen Phase, wovon auch noch zu reden sein wird. Die beiden Endspiele wurden stattdessen von den beiden anderen Erstligaclubs aus dem Staat, Gremio Porto Alegre und Juventude Caxias do Sul, ausgetragen. Gremio, in einer hervorragenden Spiellaune, schaffte mit einem 4:1 die Meisterschaft, nachdem das Hinspiel noch 3:3 ausgegangen war.

Einige weitere Staatsmeister:
In Bahia gewann der ebenfalls nun in die erste Liga zurückkehrende Traditionsverein Vitória in der einzigen Meisterschaft, die nach Punkten und nicht im Turniermodus ausgetragen wurde, mit 5 Punkten Vorsprung vor dem Lokalrivalen Bahia, einem Traditionsclub, der eben in die dritte Liga abgestiegen ist.

In Ceará konnte der Traditionsclub Fortaleza gegen Icasa die Oberhand behalten.

In Santa Catarina, dem Bundesstaat, der stark durch deutsche Einwanderung geprägt ist, gewann Chapecoense nach 11 Jahren einmal wieder eine Meisterschaft, während der herausragende Club des Staates, Figuerense leer ausging. Man kann sich aber mit dem Halbfinale de brasilianischen Pokals trösten.

Damit sind wir denn auch schon beim Pokal. Am 16. und 23. Mai werden die beiden Halbfinals ausgetragen und bereits am 30. Mai wird der Sieger ermittelt. Das erste Halbfinale ist zwischen dem Rio-Traditionsverein Fluminense und der besten Mannschaft aus Brasilia, Brasiliense. Das zweite führt einen anderen Traditionsverein aus Rio, Botafogo, der eben den Minas-Meister Atlético in einem Spiel mit stark umstrittenen Schiedsrichterleistungen 2:1 ausgeschaltet hat, gegen jene Mannschaft aus Santa Catarina, Figuerense. Alle „Grossen“ aus São Paulo, Rio Grande do Sul, Minas und Paraná sowie die beiden anderen Traditionsvereine aus Rio sind also bereits eliminiert.

Nun zur Copa Libertadores, dem Gegenstück der Champions Leage in Südamerika. Genau gesagt, ist es eigentlich eine Vereinsmeisterschaft Südamerika plus Mexiko, denn der südamerikanische Verband lädt jedes Jahr den mexikanischen Pokalsieger und die beiden ersten der mexikanischen Meisterschaft ein teilzunehmen.

Die Gruppenphase war bis zum 19. April durchgeführt worden.In ihr war bereits der Vereinsweltmeister und letztjährige Sieger Internacional Porto Alegre ausgeschieden, der tatsächlich nach der Weltmeisterschaft ein tiefes Tal durchläuft. In die Achtelfinale gingen dann 5 Teams aus Brasilien (wobei zwei bereits gegeneinander kamen), 3 aus Mexiko, 2 aus Argentinien (die ebenfalls gegeneinander kamen), 2 aus Uruguay und jeweils einer aus Paraguay, Venezuela, Chile und Kolumbien.

Nun sind soeben die Achtelfinalspiele beendet worden. Wie auch in der Champions Leage, bewahrheitete sich einmal mehr die alte Weisheit, das erste Spiel ist meist ausschlaggebend. Wer sich eine gute Ausgangsposition geschaffen hat, überlebt meistens auch am Ende. Sei es, dass man auswärts ein Unentschieden schafft oder nur mit einem Tor Unterschied verliert, sei es, dass man zu Hause einen Sieg mit mindestens zwei Toren Unterschied vorlegt. In den acht Achtelfinalspielen gab es nur eine Ausnahme von dieser Regel. Im Spiel zwischen Necaxa aus Mexiko und Nacional aus Uruguay hatte Nacional nur ein 3:2 zu Hause geschafft. Im Rückspiel aber konnte das Team mit 1:0 in Mexiko gewinnen und qualifizierte sich.

Die brasilianischen und argentinischen Vereine scheinen dieses Jahr nicht so zu dominieren, wie es früher schon vorkam.

Boca Juniors Buenos Aires und Velez Sarsfield überlebten
Die Reihe der 4 argentinischen Vereine lichtete sich überraschenderweise schon in der Vorrunde und dann weiter in den Gruppenphase. Nur Boca Juniors Buenos Aires und Velez Sarsfield überlebten, kamen aber gleich gegeneinander. Boca Juniors behielt die bessere Seite für sich und ist nun der einzige argentinische Vertreter, gleichzeitig einer der Titelfavoriten. Sie werden gegen den starken paraguayischen Verein Libertad antreten müssen.

Aus der brasilianischen 5er-Phalanx schied nicht nur São Paulo aus, das gegen Gremio, einen anderen brasilianischen Verein, spielen musste, vor zwei Jahren noch Sieger und dann auch Weltmeister gegen Liverpool, im letzten Jahr im Endspiel, sondern es schieden auch Flamengo gegen die relativ unbekannte Mannschaft von Defensor aus Uruguay aus und Paraná Clube, das bereits zu Hause von der paraguayischen Mannschaft von Libertad mit einem 1:2 überrascht wurde und dann in Paraguay nur ein Unentschieden schaffte.

Damit stehen nur noch Gremio und Santos im Wettbewerb, wobei Santos grösste Schwierigkeiten gegen den venezuelanischen Verein Caracas hatte, bei dem man ein Unentschieden vorgelegt hatte, aber dann zu Hause Mitte der ersten Halbzeit 0:2 zurücklag. Santos schaffte noch das 3:2 bis zum Ende der Spielzeit, wobei der in Deutschland gut bekannte Zé Roberto eine überragende Partie lieferte und zwei Tore erzielte. Er steht auf dem Höhepunkt seines Könnens, obwohl schon 32 Jahre alt.

Mittelfeldspieler von Weltklasse
Er war ja von der Abstimmung unter den brasilianischen Zuschauern zum besten Spieler der brasilianischen Auswahl bei der WM in Deutschland bestimmt worden. Was sich die Bayern gedacht haben, als sie genau in dem Moment, als Ballack ging und ein Riesenloch im Mittelfeld hinterließ, auch mit Zé Roberto den zweiten Mittelfeldspieler von Weltklasse ziehen ließen, kann niemand erklären. Das Ergebnis liegt nun vor.

Zwar hatte Zé Roberto in der letzten Saison bei den Bayern eine Anzahl von Torchancen ausgelassen, so dass sein Ansehen schwand, aber man hatte offenbar zu schnell vergessen, wie viele von seinen Flanken von links in der Folge zu Toren geführt hatten. Jetzt hat er mit 32 auch noch den Torriecher entwickelt.

Die Bayern haben anscheinend die alte Bundesliga-Regel vergessen: Meister wird, wer die besten Brasilianer in seinen Reihen hat.

Santos mit Zé Roberto, aber auch Gremio sind ebenfalls Favoriten auf den Titel der Libertadores. Santos hat allerdings mit der mexikanischen Mannschaft von America einen der dicksten Brocken erwischt, damit haben wir schon den vierten Titelanwärter ausgemacht.

Gremio wird gegen Defensor aus Uruguay antreten und müsste das eigentlich schaffen, zumal man in Höchstform spielt.

Das letzte der Duelle im Viertelfinale ist das von Nacional aus Uruguay gegen den kolumbianischen Vertreter Cúcuta. Das müsste für Nacional zu schaffen sein.

Damit wären dann im Halbfinale America aus Mexiko, Gremio aus Brasilien, Boca Juniors aus Argentinien und Nacional aus Uruguay. Ein Endspiel Gremio gegen Boca Juniors wäre ein Klassiker. Aber solchen Vorhersageversuchen wird meist von der Realität ein Strich durch die Rechnung gemacht. Die Viertelfinalspiele finden am 16. und 23. Mai statt.

Schließlich wären noch die Favoriten für die jetzt beginnende brasilianische Meisterschaft zu nennen. Die beiden noch in der Libertadores vertretenen, Santos und Gremio, sind da sicherlich zuerst zu nennen. Diese beiden spielen wohl im Moment den besten Fußball in Brasilien. Nicht zu vergessen Vorjahresmeister São Paulo, der weiterhin stark ist. Internacional Porto Alegre müsste wohl bald seine schlechte Phase überwinden und dürfte dann auch Mitfavorit sein. Aus Rio kämen wohl nur Flamengo und Botafogo in Frage, während aus der traditionellen Hochburg Curitiba wohl im Moment keiner der drei Vereine auf der Höhe eines brasilianischen Titels steht. Das gleiche gilt wohl auch für die beiden Vertreter aus Minas Gerais und für die beiden anderen Traditionsvereine aus São Paulo, Corinthians und Palmeiras.

Nun, wie pflegt man bei uns zu sagen: Schaugn mer mal.


Artikel veröffentlicht in "Journalismus - Nachrichten von heute" am 14. Mai 2007


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