Das tausendste Tor von Romário
Von Karl Weiss
Inzwischen haben die Viertelfinale der ‚Copa Libertadores’ stattgefunden, dem südamerikanischen Gegenstück der Champions Leage. In Brasilien wurden die Halbfinals des Pokals gespielt. Die ersten Runden der brasilianischen Meisterschaft haben viele Überraschungen gebracht – und das tausendste Tor von Romário.
Beginnen wir mit der „Libertadores“. Die Viertelfinalspiele liessen nichts an Klasse und Spannung zu wünschen übrig. Libertad aus der paraguayanischen Haupstadt Assunçon trotzte dem hohen argentinischen Favoriten Boca Juniors Buenos Aires in dessen eigenen Stadion, genannt „Bonbonniere“, ein 1:1-Unentschieden ab, konnte aber die Erwartungen im Rückspiel nicht erfüllen. ‚Boca’ wurde seiner Favoritenrolle mit einem 3:1 auf gegnerischen Platz gerecht und ist jetzt der Hauptfavorit auf den Titel.
Cúcuta aus der gleichnamigen kolumbianischen Stadt, das bereits im Achtelfinale überrascht und den peruanischen Vertreter ausgeschaltet hatte, wartete auch gegen einen der zwei verbliebenen uruguayanischen Clubs, Nacional Montevideo, mit zwei starken Leistungen auf. Zun Hause legte man ein 2:0 vor, um dann in Montevideo den Sack mit einem 2:2 zuzumachen. Man wird jetzt gegen Boca Juniors anzutreten haben. Theoretisch dürfte das die Endstation sein.
Santos, frischgebackener Meister des brasilianischen Staates São Paulo, hatte mit America Mexico Stadt einen der wesentlichen Favoriten und den letzten verbliebenen mexikanischen Vertreter als Gegner. Beim Hinspiel in Mexico Stadt erreichte man mit einem 0:0 eine aussichtsreiche Ausgangsposition. Zum Rückspiel in der Vila Belmiro (der Stadtteil von Santos, in dem das vereinseigene Stadion liegt) konnte man mit einem ausgeruhten Team antreten, denn man hatte am Sonntag vorher eine fast vollständige Reservemannschaft in der brasilianischen Meisterschaft spielen lassen – und prompt gegen einen Aufsteiger verloren.
Beim Gegner aber war es genau umgekehrt. Der hatte zwei Tage nach diesem Spiel das entscheidende Spiel im Endspurt der mexikanischen Meisterschaft auszutragen. Die zählt aber für America mehr. So trat man in Santos mit einer fast nur aus Reservespielern bestehenden Elf an.
Der Berichterstatter hatte das Glück, dieses Spiel am Fernsehen verfolgen zu können. Es konnte an Klasse ohne weiteres mit einem Viertelfinale der Champions Leage mithalten. Wenn jene mexikanische Mannschaft die Reserve war, dann muss man sich fragen, wie dann die erste spielt. Auch die Fernsehkommentatoren bemerkten, es gab in der Spielstärke fast keinen Unterschied zu jenem Team, welches das Heimspiel bestritten hatte.
Erwartungsgemäss spielte Santos deutlich offensiver als der Club aus Mexiko Stadt, aber ein hervorragend nach vorn getragener Konter liess America mit 1:0 in Front gehen. Auch zur Halbzeit stand es noch so. Santos liess Chancen im Dutzend aus. Davon eine auch von Zé Roberto, was einen gleich an seine Vorstellung im letzten Jahr bei den Bayern erinnerte.
Das Spiel fand vor den Augen Pelés, des besten Spielers von Santos und der Welt, im strömenden Regen statt, doch zur Mitte der zweiten Hälfte liess der Regen nach, die aufopfernd kämpfenden mexikanischen Ersatzspieler wurden langsamer und die technische Überlegenheit Santos begann sich durchzusetzen. Nun kam America kaum noch aus der eigenen Hälfte heraus. Logische Folge waren zwei Santos-Tore, die der Mannschaft aus der brasilianischen Hafenstadt das Tor zum Halbfinale aufstiessen, während America sich erneut mit dem guten Eindruck zufriedengeben musste, den die mexikanischen Teilnehmer nun schon seit Jahren in der Libertadores hinterlassen – ohne am Ende ganz vorne zu sein.
Zé Roberto erwies sich erneut als wichtige Stütze von Santos und war an der Entstehung beider Tore beteiligt. Inzwischen hat auch der brasilianische Nationaltrainer Dunga erkannt, auf welch weltmeisterlichen Niveau Zé Roberto spielt, der eigentlich schon auf dem Altenteil war, und ihn ins Aufgebot für die „Copa America“ berufen, die demnächst die Nationalmannschaften Südamerikas um die im Zweijahresrhythmus ausgetragene südamerikanische Krone austragen werden.
Die vierte und letzte Auseinandersetzung des Viertelfinales schliesslich führten die brasilianische Mannschaft Gremio Porto Alegre, letztjähriger Dritter der brasilianischen Meisterschaft und soeben Meister des Staates Rio Grande do Sul geworden, und den zweiten verbliebenen uruguayanischen Club gegeneinander, Defensor Montevideo.
Das erste Spiel in Montevideo war eine einseitige und klare Sache. Das hoch eingeschätzte Team von Gremio holte sich eine 2:0-Abreibung. Im Rückspiel im brasilianischen Süden (nur etwa 250 Kilometer von der uruguayanischenn Grenze entfernt) hätte man also mit drei Toren Unterschied gewinnen müssen, um weiterzukommen. Das war extrem unwahrscheinlich. Doch Gremio schaffte in einem Kraftakt ebenfalls ein 2:0 in der regulären Spielzeit. Nun war Elfmeterschiessen angesagt. Die beiden ersten uruguayanischen Schützen trafen das Gebälk bzw. die Ränge des „Olympischen Stadions“ von Porto Alegre. Die vier ersten brasilianischen Schützen dagegen trafen ins Ziel. Damit war mit Gremio der zweite brasilianische Verein im Halbfinale, wo er nun auf den anderen brasilianischen Vertreter Santos trifft.
Damit ist sichergestellt: Ein brasilianischer Verein wird im Endspiel stehen. Diesmal kann aber nicht passieren, was in den letzten zwei Jahren der Fall war, als jeweils zwei brasilianische Vereine das Endspiel unter sich ausmachten, 2005 São Paulo und Atletico Paranaense und 2006 Internacional Porto Alegre und São Paulo.
Im brasilianischen Pokal legten in den beiden Halbfinalbegnungen die beiden ersten Heimmannschaften jeweils einen Zweitorevorsprung vor, was es fast unmöglich machte, im zweiten Spiel das Geschick noch drehen zu können. Fluminense Rio de Janeiro hatte Brasiliense mit 4:2 abgefertigt, den besten Club aus der Hauptstadt, während Botafogo Rio de Janeiro bei Figuerense aus der Hauptstadt des südlichen brasilianischen Staates Santa Catarina, Florianopolis, sich eine 2:0-Niederlage abgeholt hatte.
Die Rückspiele begannen beide mit einem schnellen Tor der unterlegenen Mannschaft, so dass die Anhänger von Brasiliense und Botafogo Hoffnung schöpfen konnten. Botafogo schaffte auch das 2:0, was ein Elfmeterschiessen im Maracana-Stadion bedeutet hätte (im brasilianischen Pokal gibt es keine Auswärtstor-Regelung). Doch dann schlugen die im ersten Spiel siegreichen Mannschaften zurück. Fluminense erreichte noch den 1:1-Ausgleich, während Figuerense kurz vor Schluss der Begegnung mit dem Anschlusstor noch das Elfmeterschiessen verhindern konnte.
Damit stehen also Fluminense und Figuerense im Pokalendspiel, das in Brasilien in zwei Spielen auf den jeweiligen Heimplätzen der Vereine ausgetragen wird.
Die Halbfinale der „Copa Libertadores“, ebenso wie die beiden Endspiele des brasilianischen Pokals, werden am 30. (bzw. 31.) Mai sowie am 6. (bzw. 7.) Juni ausgetragen (die beiden späteren Termine treffen nur auf die Boca Juniors-Spiele zu).
Im Mai wurden bereits die ersten drei Spieltage der brasilianischen Meisterschaft absolviert.
Als wichtiges Ereignis ist das tausendste Tor von Romário zu vermelden, das er im heimischen Stadion São Januario (einem kleinen vereinseigenen Stadion von Vasco Rio de Janeiro in der Nähe des Maracana-Stadions) per Elfmeter gegen den Aufsteiger Sport Recife erzielte und damit zum 3:1-Sieg seiner Mannschaft beitrug.
Romário mit dem zweimaligen brasilianischen Nationaltrainer Parreira (WMs 1994 und 2006) bei seinem Abschiedspiel von der Nationalmannschaft vor zwei Jahren
Mit 41 Jahren als lupenreiner Stürmer noch in der ersten Division einer der grossen Fussballnationen zu spielen und dann auch noch auf 1000 Tore zu kommen, das muss ihm erst einmal einer nachmachen. Er ist nun in den exklusiven Club der „Tausender“ aufgerückt, in den es bisher nur Pelé (mit über 1200 Toren wohl auf Dauer einmalig – und das als Mittelfeldspieler, nicht als Stürmer) und der Ungar Puskas (ebenfalls Mittelfeldspieler, allerdings aus einer Zeit des offensiven Fussballs) geschafft haben, der letztes Jahr verstorben ist (bei dieser Zählung ist der gesamte Fussball vor dem zweiten Weltkrieg ausgeblendet, denn er ist wirklich nicht mit dem heutigen vergleichbar).
Siehe zu Romário auch noch diesen ausführlicheren Artikel:
http://karlweiss.twoday.net/stories/3688824/
Nach drei Spieltagen hat nur eine Mannschaft alle drei Spiele gewonnen: Parana Clube aus Curitiba, der gerade eben noch die Endspiele der Staatsmeisterschaft gegen einen drittklassigen Verein verloren hatte. Dahinter bildet sich ein Verfolgerfeld aus vier Vereinen, die mit 7 Punkten eine gute Ausgangsposition haben: Corinthians São Paulo, Palmeiras São Paulo, Vasco Rio de Janeiro (mit Romário) und Botafogo Rio de Janeiro.
Klingt fast wie eine Aufzählung derer, die nicht als Favoriten in die Meisterschaft gingen, aber im Fussball will eine Tabelle nach drei Spielen nichts heissen.
Dazu kommt, dass die beiden im Moment wahrscheinlich besten Mannschaften Brasiliens, Gremio und Santos, einen Teil der Spiele bisher mit Reservemannschaften bestritten haben, weil sie Mittwochs noch in der „Taça Libertadores“ eingespannt sind (Santos steht mit drei Punkten auf einem Abstiegsplatz).
Nun, bis Ende Dezember ist es lang und es wird noch viel Wasser (und Pisse) den Tieté hinunterfliessen. Der Tieté, das ist der kleine unschuldige Fluss, der das Pech hatte, genau dort entlang zu fliessen, wo die 20-Millionenstadt Sâo Paulo wuchs (Grösste Stadt der südlichen Hemispäre). Heute ist er ein schwarzer, stinkender Abwasserkanal, weil er fast alle Abwässer der Metropole aufnehmen muss.
Veröffentlicht am 30. Mai 2007 in der Berliner Umschau
Originalartikel
Den vorhergehenden Artikel zum Südamerikanischen Fussball kann man hier lesen.
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