Der schlaueste Spruch des Jahres 2007
Von Karl Weiss
Unter dem Titel „Der dümmste Spruch des Jahres“ hat die „Süddeutsche“ zum Jahresabschluss dem notorisch bekannten Professor Sinn Raum gegeben, einen Artikel zu schreiben, der erfrischend offen - wenn auch in anderen Worten - sagt, was die „Süddeutsche“ sonst zu verstecken vorzieht: „Wir, die Mächtigen im Lande, werden nicht ein bisschen zurückgehen hinter das, was bereits dem Volk auferlegt wurde, im Gegenteil, wir werden noch verschärfen. Wer leben wird, wird es sehen!“
Auf die Forderung nach einem Mindestlohn antwortet er klar: „ ... das verwechselt Wunsch und Wirklichkeit.“ Er macht deutlich: Es wird keinen Mindestlohn geben und wenn doch, dann werden wir massiv entlassen. „Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt!"
Jeder müsse von seiner Hände Arbeit leben könne, so schreibt er, sei der „dümmste Spruch des Jahres“. Ja, das muss man sich ganz langsam auf der Zunge zergehen lassen: Er verdonnert ganz offen und ohne das geringste Zögern eine große Zahl von Menschen dazu, nicht leben zu können!
Wir müssen ihm dankbar sein. Er ist immerhin einer, der offen sagt, was man mit uns vorhat.
Während die anderen wie ein Kaninchen vor der Schlange vor dem Linkstrend in der Bevölkerung (Sinn nennt das den Zeitgeist) zittern und versuchen, mit wohlfeilen Sprüchen irgendetwas daran zu ändern, sagt Sinn, was Sache ist. Es sei ihm zugestanden: Er ist ein mutiger Mann. Er fürchtet nicht, in nicht allzu ferner Zukunft einer der ersten zu sein, die in jene Erziehungs-Camps eingeliefert werden, welche die CDU/CSU gerade für kriminelle Jugendliche vorgeschlagen hat und zweifellos bald einrichten wird.
Kurz: Was er da schreibt, ist schlicht und einfach der schlaueste Spruch des (eben vergangenen) Jahres.
Er schreibt, „wir“ stehen im internationalen Niedriglohnwettbewerb. Mit anderen Worten, die Löhne müssen auf die international niedrigsten abgesenkt werden, sonst werden noch viel mehr arbeitslos. In China ist man im Moment bei 13 Dollar im Monat, also etwa 9 Euro – nicht in der Stunde, nein, im Monat. Aber es lässt sich sicher noch ein Land mit noch geringeren Löhnen finden. In solchen Dingen ist Sinn Meister!
Ohne es vielleicht zu wollen, sagt er uns klar: „Wir, die Mächtigen im Lande, scheren uns einen feuchen Kehricht, ob ihr mit euerer Hände Arbeit genug verdient, um leben zu können. Wir leben prachtvoll, wenn ihr nicht leben könnt, ist das eure Sache.“
Ja, er hat recht: Es ist unsere Sache. Wir müssen mit dieser Kaste von Managern, Kapitaleignern und deren Protagonisten fertig werden, sie in die Erziehungs-Camps stecken, die bis dahin schon aufgebaut sein werden und müssen den Staat in die eigenen Hände nehmen. Dann wird die erste Frage immer sein: Kann man von diesem Lohn leben? Selbst den ehemals Mächtigen in den Erziehungs-Camps werden wir dann einen kleinen Lohn zahlen, von dem sie leben können, denn wir brauchen dann nicht mehr nachtragend zu sein.
Danke, Herr Sinn, für die Lehre! Wir werden sie so schnell wie möglich befolgen!
Veröffentlicht am 2. Januar 2008 in der Berliner Umschau
Originalartikel
Wortsinn von Sinn
Sie haben wieder mal aufgepasst und richtig hingehört. Dankenswerterweise wurde der Herr Sinn auch in zahlreichen Darbietungen des politischen Kabaretts auf jde nur erdenklich Schippe gehoben. Ich habe allerdings die Befürchtung, dass die Zuhörer mehr am Wortwitz als an der hinter den Darbietungen stehenden Wahrheit interessiert sind. Trotzdem denke ich, dass die Zahl kritischer Zuhörer und Hinterfrager wächst.
Gestern Abend in der sendung Panorama wurden gleich mehrfach Politiker dabei ertappt, die offensichtlich die Unwahrheit sagen. Und obwohl das nicht mehr ganz prime time ist, sollte das doch Wirkung haben. Jetzt hat Herr Koch ja sein neues Thema für den Wahlkampf gefunden. Bei der Bereitwilligkeit, mit der er die Jugendkriminalität politisch instrumentalisieren will, denn Kinderpornographie und Terrorismus hatten wir ja schon, könnte man schon vemuten, dass ihm solche Angriffe wie in der Münchner U-Bahn nicht ungelegen kommen.
Als seinerzeit, als ich noch ein junger Mann war, Strauss seinen legendären Satz sagte: "Leistung muss sich wieder lohnen", haben damals alle applaudiert. Ich habe damals schon verwundert festgestellt, dass wirklich keiner nachfragte, welche Art Leistung er denn eigentlich meinte. Damlas habe ich es vermutet und heute weiss ich es: Mit der gehörigen Chuzpe die Menschen über den Tisch ziehen und zwar so raffiniert, dass sie es selbst nicht merken. Es wird Zeit, dass wir solchen Leistungsträgern ihre Legitimation absprechen.
Mit ständig wachen Grüssen
Ihr Klavigen