Mögliche Delinquenten in den Selbstmord treiben?
Von Karl Weiss
Hallo, liebe Frau Stephanie von und auf und zu Guttenberg. Heute kann ich nicht mehr anders als mich direkt an Sie selbst zu wenden, auch wenn Sie natürlich für mich in unerreichbarer Ferne sind. Ein schmutziger Plebejer - pfui Spinne! - und eine eine wahrhaftige Hochadelige.
Ich wende mich, auch wenn ich das natürlich nicht verdiene, direkt an Sie, Frau von und auf und zu Guttenberg, weil ich höre, Sie seien in der Sendung „Tatort Internet – Schützt endlich unsere Kinder“ in RTL 2.
Wie ich hier höre, werden dort Fallen für mögliche Kinderschänder aufgestellt und Sie beteiligen sich daran, solche Figuren dann vor die Fernsehkamera zu zerren und somit an den Pranger. Niemand weiss, ob der das getan hätte, hätten Sie ihn nicht eingeladen. Seine Identität wird nicht definitiv geschützt.
Ich nehme an, Sie wissen, das ist eine Straftat – ich meine von Ihnen, nicht von dem möglichen Delinquenten. Sie sind mit mit einem Rechtsanwalt verheiratet, Sie wissen, was Sie tun bzw. hätten sich leicht bei Ihrem Gatten schlau machen können – aber Sie wissen, niemand wird Sie belangen, denn Sie sind eine Schönheit, Sie sind die Ehefrau vom Verteidigungsminister und Sie sind Hochadelige. Wer wollte Sie belangen?
Weiter höre ich, große Teile der Unterhaltungen zwischen der Schauspielerin, die eine Dreizehnjährige spielt und dem möglichen Kinderschänder werden nicht gezeigt. Können Sie garantieren, da wird nicht geschummelt? Kann es sein, dass der angebliche Kinderschänder mit Dingen angelockt wurde, die nichts mit Kinderschänden zu tun haben?
Ich höre außerdem, die angeblichen Kinderschänder würden gezeigt, wie sie sich mit dem Fernsehteam unterhalten, aufgenommen mit versteckter Kamera und dann dem Fernsehpublikum vorgespielt. Sie können nicht wirklich ernsthaft glauben, das sei legal, oder, liebe Frau von und zu und auf? Selbstverständlich darf Bildmaterial nur ins Fernsehen, wenn der Betroffene zugestimmt hat. Oder wollen Sie behaupten, der hätte zugestimmt?
Ich lese, Sie hätten gesagt: "Wir wahren hier, so gut es geht, Persönlichkeitsrechte. Wir müssen uns aber daran erinnern, dass wir über Täter sprechen."
Liebe Frau von und zu und auf, es kann wohl nicht wahr sein, dass Sie „so gut es geht“, keine kriminellen Akte begehen. Meinen Sie nicht, dass es der Frau des Verteidigungsministers gut anstände, sich immer und jedes Mal an die Legalität zu halten?
Darf ich alleruntertänigst darauf aufmerksam machen, dass es allein noch kein Vergehen darstellt, mit einer Dreizehnjährigen Kontakt aufzunehmen und sich mit ihr zu treffen - ausser man kann unlautere Absichten nachweisen? Es mag sein, dass Sie vermuten, später wäre es zu Vergehen oder Verbrechen gekommen, aber niemand kann für ein vermutetes zukünftiges Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Das kann man nur für solche, die man wirklich begangen hat - oder wenn belegbar ist, was man vorhatte.
Ich höre, liebe Frau von und zu und auf, einer der möglichen Kinderschänder, dessen Identität aufgedeckt wurde, sei nach der Sendung verschwunden. Die Familie befürchtet Selbstmord. Meinen Sie wirklich, liebe Frau von und zu und auf, der deutsche Verteidigungsminister sollte mit einer Frau verheiratet sein, die mögliche Delinquenten in den Selbstmord treibt?
Oder liegt das bei Ihnen einfach im Blut? Immerhin hat der Hochadel ja über viele Jahrhunderte feudal geherrscht, war Gesetz und Richter zugleich und bog sich das Recht so lange zurecht, wie es ihm passte, ja - und natürlich, der Pranger war immer ein beliebtes Mittel beim Hochadel. Glücklicherweise hat schließlich und endlich die Aufklärung gesiegt und den Hochadel in seine Schranken gewiesen. Sollten Sie vielleicht auf eine Wiederauferstehung des Feudalismus hinarbeiten?
Alle wissen, was Ihre Vorfahren mit deren Untertanen – unseren Vorfahren – angestellt haben, wie zum Beispiel den Dreißigjährigen Krieg, an dessen Ende die Hälfte der europäischen Bevölkerung tot war, eine Leistung, die nicht einmal Hitler fertig gebracht hat.
Veröffentlicht am 26. Oktober 2010 in der Berliner Umschau
Schade
schade, dass ich dies nicht ausreichend klar machen konnte im Artikel.
Selbstverständlich sollte niemand auf dem Adel als solchem herumhacken. Nur lassen sich alle vernünftigen Adligen natürlich nicht mehr als Herr von ..., Herr Baron ... oder "seine Hoheit" anreden. Sie haben entweder ihren Adelstitel offiziell abgelegt oder verwenden ihn nur noch in offiziellen Schriftstücken und bestehen vor allem nicht mehr darauf, mit jenem Pomp vorgestellt und angeredet zu werden.
Ganz anders die auf und von und zu Guttenberg. Sie bestehen auf ihrem Adelstitel, natürlich korrekt verwendet und sie bestehen auf den korrekten Anreden. Der Bürgerjournalist weiss dies, denn er war mit dem Vater des heutigen Verteidigungsministers in der gleichen Klasse, im Wilhelmsgymnasium in München. Frau Guttenberg z.B. muss mit "Freifrau zu Guttenberg" bezeichnet werden. Wer das Hemd anzieht, muss auch dafür einstehen, was drauf steht.
Darüber darf man sich wohl lustig machen und dann darf man den Guttenbergs natürlich auch die lange Geschichte des Adels um die Ohren schlagen.
Ähnlich ist es mit dem Status des Verteidigungsministers bzw. der Frau des Verteidigungsministers. Frau Guttenberg lässt sich in der Sendung ständig als Frau des VM vorstellen und nutzt damit die Prominenz aus. Dann darf man selbstverständlich auch diese Prominenz in einem ironischen Text aufspiessen.
Natürlich sind Sie nicht die einzige, Kassandra, die einen unangenehmen Beigeschmack fühlt, wenn erwachsene Männer sich mit 13- oder 14- jährigen Mädchen im Internet verabreden. Darum gibt es ja auch schon die Strafbestimmung des "Cyber-Grooming", die allerdings auch nachweisbare Fakten für eine Verurteilung verlangt.
Wir dürfen aber auch nicht die generell geltenden Regeln des Strafrechts vernachlässigen, wie die Unschuldsvermutung und die Rechte von Angeklagten (bzw. Verdächtigen), dennn jeder von uns könnte einmal in die Situation kommen, fälschlich angeklagt oder verdächtigt zu werden.
Dann sind diese (scheinbar formalen) Regeln lebenswichtig.
Ich hatte in meinem Bekanntenkreis einen Fall einer falschen Anklage, bzw. eines falschen Verdachts. Was mein Bekannter zu leiden hatte, obwohl in seinem Fall offiziell keine Regeln verletzt wurden, geht auf keine Kuhhaut.