Samstag, 19. August 2006

Suche nach präsentierbarem Täter

Jamaikaner, Chemiker, Sprengstoffe, Al Quaida …..und?

Von Elmar Getto


Dies ist ein Artikel von Elmar Getto, der nach den Sprengstoffanschlägen des 7.7. 2005 in London in 'Rbi-aktuell' erschien. Er wird dadurch im Moment wieder besonders brisant, weil hier ausführlich auf den Sprengstoff Acetonperoxid eingegangen wird, den die Attentäter angeblich benutzt haben und der jetzt durch die Terrorwarnungen in England erneut im Blickpunkt steht.

Die Jagd nach dem „Al Quaida-Mastermind“, der eigentlichen Führungsfigur hinter den Anschlägen, die angeblich von den vier britischen ‚Jungs’ ausgeführt wurden, läuft auf vollen Touren, jedenfalls im Blätterwald. Ob er je gefunden wird? Das ist zu bezweifeln. Am 13.7. kam die Nachricht, daß drei der vermutlichen „Bomber“ identifiziert worden seien:

“The man who planted the bomb at Edgware Road was named last night as Mohammed Sidique Khan, 30, the married father of an eight-month-old baby, who is believed to have come from the Leeds area.
Two other terrorists were Hasib Hussain, 19, who bombed the bus in Tavistock Square, of Colenso Mount, Leeds, and Shehzad Tanweer, 22, the Aldgate bomber, who lived at Colwyn Road, Leeds.”

Für den vierten Mann hatte man sich auf einen Jamaikaner eingeschossen. Die ‚Süddeutsche’ z.B. schrieb am 15.7.05 morgens: „Nach Angaben der Polizei handelte es sich bei dem vierten Terroristen um Lindsey Germaine, der in der Grafschaft Buckinghamshire wohnte und in Jamaika geboren wurde.“

Dann stellte sich aber heraus, daß er gar kein Muslim war und damit nicht ins „Al Quaida-Schema“ paßte. Da wurde er schlagartig als Thema fallengelassen. Heute findet man auf keiner Website irgendeines großen Sender oder einer großen Zeitung oder Zeitschrift in Deutschland mehr einen Hinweis auf den „Jamaikaner“, der doch gerade eben noch der „vierte Terrorist“ war.

Dann wurde eine Meldung lanziert, daß nun stattdessen ein 37-jähriger mit dem Namen Nadim Fiaz aus Leeds der vierte Mann sei.

Wäre auch zu schwierig, an der Theorie von vier fanatischen islamistischen „Selbstmordbombern“ festhalten, wenn einer der vier nicht einmal Muslim war, nicht wahr?

Schließlich wurde dann ein fünfter Terrorist gesucht. Im gleichen Artikel der ‚Süddeutschen’ steht: „Unter Berufung auf Polizeiquellen meldete die Presse, dass ein möglicher fünfter Attentäter gesucht werde. Bilder von Überwachungskameras sollen zeigen, daß die vier Attentäter kurz vor ihrer Tat auf einem Bahnsteig in der Vorstadt Luton noch mit einem fünften Mann zusammenstanden.“

Das konnte also nicht der bereits vorher als eventueller „mastermind“ identifizierte Syrer Mustafa Setmariam Nasa sein, der auch die spanische Staatsbürgerschaft besitzt und seit einiger Zeit auch in Zusammenhang mit den Anschlägen in Madrid gebracht wird. Er war nämlich laut Angaben aus Sicherheitskreisen kurz vor den Anschlägen aus London abgereist.

Stellt sich natürlich die Frage, warum die „Sicherheitskreise“ ihn denn nicht hopps genommen hatten, als er in London war. Man wußte, daß er aus London abgereist war, also wußte man auch, daß er in London war. Die Madrider Anschläge haben an die 200 Tote gefordert und man nimmt einen nicht fest, der damit in Zusammenhang gestanden haben soll? Kann das mal einer erklären? Man trifft bei den Terrorverdächtigen andauernd auf diese Tatsache: Geheimdienst oder Polizei wissen, wo sie sind, nehmen sie aber nicht fest.

Damit sind wir nun bereits bei sechs. Das ist aber auch noch nicht alles. Im oben schon erwähnten Artikel war auch schon der „Chemiker der Gruppe“ als einer der Verdächtigen genannt worden, denn er sei kurz vor den Anschlägen verschwunden und in seiner Wohnung hätte man Spuren des bei den Anschlägen verwendeten Sprengstoffs gefunden. Das ist nun also Nummer 7.

Achtung: Der Sprengstoff, der bei den Anschlägen verwendet wurde, war also zu diesem Zeitpunkt bereits identifiziert, sonst hätte man ja den gleichen nicht in jener Wohnung finden können. Das werden wir weiter unten noch seltsam finden.

Der „Chemiker“ heißt Magdi-Al-Naschar, ist 33 Jahre alt und Ägypter, stellte sich inzwischen als Biochemiker heraus und wurde in Ägypten gefaßt. Nach einem akademischen Abschluß in seinem Heimatland hatte er in den USA seinen „Master“gemacht und war im Jahre 2000 nach Leeds in England gekommen, wo er an der Universität seinen Doktortitel erwarb, den er im Mai erhielt. Er arbeitete dort nun als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Vor zwei Wochen war er zu Ferien in sein Geburtsland gereist und wollte nach einigen Wochen zurückkehren.

In seiner Wohnung in Leeds waren Spuren von Sprengstoff gefunden worden. Leider erklärte niemand, wie man denn überhaupt auf diese Wohnung gestoßen war. Er, so wird berichtet, leugnet jede Verbindung zu dem Anschlag. Interessant aber, daß nach ihm gesucht wurde aufgrund des Sprengstoffs, laut diesen Angaben tagelang durch Scotland Yard, Interpol und FBI. Man hatte also eine klare Vorstellung, welcher Sprengstoff benutzt wurde und suchte gezielt nach so einem Sprengstoff und fand ihn dort. Wie gesagt, das wird uns weiter unten noch interessieren.

Dann kommt eine ganz komische Aussage: „Die britische Polizei bezeichnet Naschar offiziell nicht als Verdächtigen.“ Wie, man hatte genau den benutzten Sprengstoff in seiner Wohnung gefunden, tagelang nach ihm gefahndet und er ist keine Verdächtiger????

Bei der ägyptischen Polizei hört sich das anders an: „Er sei in Anwesenheit des britischen Geheimdienstes verhört worden, bestätigte ein Botschaftssprecher in Kairo.“ Interessant, nicht wahr, wie leicht ein ausländischer Geheimdienst Zugang zu festgenommenen Staatsbürgern erhält? Für Ägypten, einem der bekannten Folterländer, vielleicht an der Tagesordnung, aber die Regeln eines Rechtsstaats beinhalteten doch bis vor kurzem die strikte Trennung von Geheimdienst und Polizei (aus guten Gründen, nach den Erfahrungen mit der Gestapo), oder? War nicht Großbritannien vor nicht allzu langer Zeit noch als Rechtsstaat bezeichnet worden?

Wie auch immer, am Morgen des Samstags, den 16.7., wurde folgende Nachricht von mehreren Zeitungen veröffentlicht: „Der in Verbindung mit den Anschlägen festgenommene Ägypter hat offenbar doch keine Verbindung zur al-Qaida.“ Stattdessen würde man jetzt die „pakistanische Spur“verfolgen.

Also wie denn nun? Man hat genau jenen Sprengstoff in seiner Wohnung gefunden, aber seine Spur ist nicht mehr „heiß“, weil er keine Verbindung zur Al–Quaida hat???? Es muß also unbedingt ein Al-Quaida–Anschlag sein, ein anderer interessiert nicht? Kann das jemand erklären?

Also, wie weit sind wir jetzt? Man hat den vierten Mann identifiziert, aber er interessiert nicht, weil sowieso schon niemand mehr zuhört. Vom fünften Mann hat man zwar Videoaufnahmen, kann ihn aber nicht identifizieren. Den sechsten hat man unbehelligt aus London verschwinden lassen, obwohl er als Terrorverdächtiger und Al-Qaida bekannt war. Der siebte interessiert auch nicht mehr, weil er keinen Zusammenhang mit Al-Quaida hat. Stattdessen konzentriert man sich jetzt auf die Aufenthalte von zwei der ‚Jungs’ in Pakistan, dem Land ihrer Vorfahren. Man kann jetzt schon voraussehen, was dabei herauskommt: Nichts Konkretes. Höchstens unter Folter erzwungene Geständnisse irgendwelcher Pakistani. Das war schon in früheren Jahrhunderten die Methode der katholischen Kirche: Da man nicht an der Wahrheit interessiert war, folterte man so lange, bis die „richtigen“ Aussagen herauskamen.

Doch nun kommt die Sache mit dem Sprengstoff. Plötzlich taucht einen neue Meldung auf:

„Der bei den Anschlägen verwendete Sprengstoff ist laut BBC entgegen ersten Vermutungen nicht militärischer Herkunft. Die Zutaten der bei einer Hausdurchsuchung in Leeds gefundenen Sprengstoffmischung auf Basis von Acetonperoxid (Apex) seien frei im Handel erhältlich. Polizeichef Blair bestätigte die Angaben indirekt.“

Hoppla! Man hat in der Wohnung des „Chemikers“ gar nicht jenen Sprengstoff der Bomben gefunden? Wie hatte man ihn dann mit diesen Anschlägen in Verbindung gebracht? Man hatte doch gerade noch behauptet, man sei auf ihn gestoßen, weil der Sprengstoff der Bomben bei ihm gefunden wurde.

Man hat einen anderen Sprengstoff gefunden und dieser wurde nun als der Sprengstoff der Anschläge definiert? Wie wird diese Verbindung hergestellt? Nun wird es immer konfuser:

„Süddeutsche“ vom 15.7.: „Laut BBC ähnelt einer der gefundenen Stoffe dem, den der sogenannte Schuhbomber Richard Reid bei seinem versuchten Anschlag auf ein Passagierflugzeug 2001 verwendete. Der explosive Inhaltsstoff der Sprengsätze sei Acetonperoxid, dessen chemischen Bestandteile man sich in jeder Drogerie besorgen könne, berichtete die BBC unter Berufung auf die Ermittler. Allerdings gibt es die Stoffe dort üblicherweise nicht in den Mengen und Konzentrationen, die für einen Sprengsatz gebraucht werden.“

Hier wird immerhin noch darüber gesprochen, daß die Bestandteile nicht in den benötigten Mengen und Konzentrationen frei verkäuflich sind. Doch das verschwindet in anderen Meldungen, wie auch in der oben schon zitierten:

Handelsblatt: „Der US-Fernsehsender ABC berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise, der 33-Jährige [Chemiker] solle beim Bau der Bomben in der nordenglischen Stadt Leeds eine zentrale Rolle gespielt haben. Bei ihm handele es sich um den mutmaßlichen Drahtzieher der Bombenanschläge. Er soll die Sprengsätze mit der Chemikalie Acetonperoxid gebaut haben, die nach Angaben britischer Ermittler leicht zu beschaffen ist. In seinem Haus wurden Reste der Chemikalie gefunden.“

Das bezieht sich auf einen Mann, der offiziell nicht als Verdächtiger gilt!

Nun steht also fest, der Sprengstoff des Anschlags sei Acetonperoxid, das auch Apex genannt werde, leicht herzustellen sei, in der Wohnnung des „Chemikers“gefunden wurde, der offiziell kein Verdächtiger ist. Alles klar?

Der in der Meldung erwähnte „Schuhbomber“ hatte kleine Mengen des Sprengstoffs Acetonperoxid in den Absätzen seiner Schuhe versteckt und versucht damit ein Verkehrflugzeug zu entführen, was aber nicht gelang.

Der geneigte Leser findet dies alles etwas verwirrend? Dann warte er erst einmal, was jetzt kommt.

Der Schreiber dieser Zeilen ist Chemiker und fühlte sich daher herausgefordert, den Spuren des Schuhbombers und seines Acetonperoxids, das auch Apex genannt wurde, nachzugehen.

Zu Acetonperoxid zunächst folgendes aus einem Chemie-Forum:

„Acetonperoxid (Umgangssprachlich APO) ist ein weißer Pulversprengstoff, der extrem leicht detoniert und um einiges stärker ist als Schwarzpulver. Er wird hauptsächlich aus Aceton, Wasserstoffperoxid und einem Aktivator gewonnen. Von der Herstellung würde ich jedem abraten, weil mir Fälle bekannt von Leuten sind, die man [danach] im Umkreis von mehreren Metern wieder zusammensammeln konnte.

Die Acetonperoxide (allgemein als APO bezeichnet) sind zyclische Verbindungen mit einer sehr hohen Neigung zur Sublimation, die den Einsatz beim Militär verhinderte. [Unter Sublimation versteht man den direkten Übergang vom festen zum gasförmigen Zustand und zurück zum festen.]

Acetonperoxid (dimer) Fp.: 127-133°C je nach Reinheit

Acetonperoxid (trimer) Fp.: 96-97°.

Der Schmelzpunkt (Sublimationspunkt) und die Zersetzungstemperatur (Detonationspunkt) liegen sehr eng. Seit der Pressemitteilung der Bundesanstalt für Materialprüfung vom 4. März 2002 gilt die Ausrede nicht mehr, man benötige ... [sie] für die Polymerisation oder für Anschauungszwecke. Vorher als explosive Substanz mit industriellem Interesse gehandelt, unterliegen die Acetonperoxide (...) direkt und ohne Ausnahme dem vollen Regelwerk des Sprengstoffgesetzes.“

Zunächst zur Beschaffbarkeit: Die Behauptung der leichten Beschaffbarkeit der Rohstoffe, gar in Drogerien, ist so nicht richtig. Hoch konzentrierte Lösungen von Wasserstoffperoxid in größeren Mengen sind bestenfalls in spezialisierten Chemikalienhandlungen zu bekommen, Aceton, speziell in größeren Mengen, ist starken Restriktionen unterworfen, weil es eine der Substanzen zur Herstellung bestimmter Rauschgifte ist. Zwar könnte ein Chemiker, der an einem Institut arbeitet, an beides herankommen, wie auch an die Salzsäure, aber wir reden hier von Mengen von über 20 Kg (jede der vier Bomben soll etwa 5 Kg Sprengstoff enthalten haben und weiterer Sprengstoff soll in jenem Auto gefunden worden sein). Solche Mengen kann man keineswegs irgendwo „mitgehen lassen“. Es müßte von ihm im Institut schon ausdrücklich bestellt worden sein und das ließe sich ja leicht nachprüfen.

Dann kommt aber das weit größere Problem: Die Herstellung. Die ist keineswegs einfach und vor allem sehr gefährlich. Die Herstellung in einer Wohnung, ohne daß dort ein kleines chemisches Labor eingerichtet wurde, kann ausgeschlossen werden. Aber der „Chemiker“ hätte es ja im Institut herstellen können. Läßt man die Substanzen in einem geeigneten Gefäß reagieren, muß man große Mengen Eis (besser: Trockeneis) zur Verfügung haben, um jede wesentliche Temperaturerhöhung zu unterbinden. Man muß also ununterbrochen die Temperatur in Reaktionsgefäß überwachen.

Ist die Reaktion abgeschlossen, gießt man das überstehende (saure) Wasser und Aceton von der entstandenen gelblichen oder braunen Masse ab. Was man da nach dem Trocknen vor sich hat, ist allerdings extrem leicht zur Detonation zu bringen, jede wesentliche Temperaturerhöhung löst sie aus, schon direktes Sonnenlicht kann dies tun. Zwar ist dies kein Sprengstoff, der auf Schlag detoniert, wie die Azide, aber das Zerquetschen einiger Kristalle kann mit einer Temperaturerhöhung verbunden sein, die alles in die Luft gehen läßt. Jede Art von Manipulation dieses Sprengstoffes ist also lebensgefährlich.

Der Chemiker im oben zitierten Forum warnt nicht umsonst vor dieser Herstellung. Bei den Fällen, von denen er spricht, in denen man Teile der experimentierenden Personen im Umkreis aufsammeln mußte, handelte es ich um kleine Mengen, etwa solche, die in ein Reagenzglas passen. Hier aber reden wir von über 20 Kg!

Der Sprengstoff ist dann auch keineswegs für einen sicheren Transport geeignet, denn auch hier besteht immer die Gefahr des Zerquetschen von Kristallen. Tatsächlich einen solchen Sprengstoff für diese Anschläge zu verwenden, wäre nicht sehr überlegt.

Dazu kommt, daß man beim Beschaffen der Rohstoffe hätte auffallen können und so leicht bereits vor den Anschlägen hätte entdeckt werden können. Wenn wir auch von fanatischen Attentätern sprechen, so hat sich doch auch eine Kühle und Wohlüberlegtheit gezeigt, was die Vorbereitung solcher Anschläge betrifft. Warum sollte man eine extrem gefährliche Heimherstellung und Beförderung eines extrem unsicheren Sprengstoffes riskieren, wenn in einem Industrieland wie dem Vereinigten Königreich sicher Sprengstoffe in beachtlichen Mengen an vielen Orten vorhanden sind?

Viel wahrscheinlicher ist es, wenn also die Verwendung von Acetonperoxid bei den Anschlägen bewiesen ist (was bisher noch niemand von der Polizei festgestellt hat, obwohl die chemischen Labors von Scotland Yard berühmt für ihre Genauigkeit und Schnelligkeit sind), daß ein Emulsionssprengstoff auf der Basis von Acetonperoxid verwendet wurde, wie er laut jenen Meldungen als Apex verkauft wird. Diese Emulsionssprengstoffe sind in Bergwerken, offenen Minen und Steinbrüchen in Gebrauch.

Die Firma Alaska Pacific Powder z.B. verkauft „Apex Extra“und „Apex Elite“ als Emulsionssprengstoffe, es gibt ein „Apex Ultra 40“ und eine Firma „Apex Explosives“ in Indien und Australien, auch ist die Bezeichnung „Apex Gel“ verbreitet. Hier wird offenbar der Herstellprozess in der Industrie ungefährlich gemacht, indem man nicht einfach in Wasser, sondern in einer mit Öl-in-Wasser-Emulsion reagieren Läßt. Dadurch hat man zu keinem Zeitpunkt das feste getrocknete Acetonperoxid vorliegen. Das gebildete Produkt sammelt sich vielmehr in der Ölphase der Emulsion, gelöst im Öl. Dieser Herstellprozess ist allerdings für Nicht-Fachleute nicht zugänglich. Nur mit jahrelanger Erfahrung kann man wissen, welches Öl zu verwenden ist und mit welchen Mengen welcher Emulgatoren man arbeiten muss, um eine stabile Emulsion zu erhalten usw. (die Stabilität der Emulsion ist ja für die Sicherheit des Sprengstoffes ausschlaggebend).

Die fertige Emulsion wird dann in Plastik-Würste abgefüllt, die mit einem Stoff überzogen sind. Dadurch kommt kein Sonnenlicht an den Sprengstoff. Es wird von solchen „Plastiktaschen“ von 2 oder 3 Inch Durchmesser und 44 cm Länge gesprochen. Das sind also Maße, die etwa denen von Dynamit-Stangen entsprechen, nur mit dem Vorteil, daß sie flexibel sind. Allerdings geht dieser Sprengstoff nicht mit einem Funken oder einer Zündschnur los (das Wasser als äußere Phase der Emulsion verhindert einen starken Temperaturanstieg). Man braucht einen „Booster“. Das sind kleine Mengen von anderen Sprengstoffen, die leicht mit einem Funken zur Explosion zu bringen sind und die dann die Detonation des eigentlichen Sprengstoffes auslösen.

Es ist denkbar, daß solche industriellen Sprengstoffe verwendet wurden. Sie sind sicherlich in vielen Minen Großbrittanniens vorhanden. Im Fall der spanischen Anschläge war bekannt geworden, daß ein Spitzel der spanischen Polizei die verwendeten Sprengstoffe in einer Mine gestohlen und den Attentätern übergeben hatte. Bis heute sind weder dieser Spitzel noch seine Auftraggeber bei der spanischen Polizei für diese Beteiligung an den menschenverachtenden Attentaten von Madrid vom März 2004 vor Gericht gestellt worden.

So, nach diesem Ausflug in die Welt der Sprengstoffe sind wir nun wieder zurück in der wirklichen Welt, wo Leute, in deren Wohnung man Spuren des entsprechenden Sprengstoffs gefunden hat, nicht zu den offiziellen Verdächtigen zählen, weil sie keine Verbindung zu Al-Quaida haben.

Diese Sache mit Al Quaida ist aber noch nicht richtig ausgestanden. Im ersten Artikel zu den Londoner Anschlägen in der vergangenen Woche haben wir schon hervorgehoben, daß es keine Organisation gibt, die sich Al Quaida nennt. Dies ist vielmehr der Codename der westlichen Geheimdienste für das, was die Organisation von Osama Bin Laden sein soll. So dachte man jedenfalls bis zum 15. Juli 2005.

Dann wurde man von einem des Besseren belehrt, der es wissen muß: Tony Blair. In einem Interview, das er der US-Fernsehstation Fox gab, sagte er, befragt zur möglichen Rolle der Al Quaida bei den Anschlägen: "Al Qaeda is not an organization. Al Qaeda is a way of working ... but this has the hallmark of that approach." Al Quaida ist keine Organisation. Al Quaida ist eine Vorgehensweise … und dies ist geprägt von dieser Art zu handeln.“

Nun sind wir platt! Da haben wir seit dem 11. September 2001 aus allen Fernsehstationen, in allen Zeitungen und Zeitschriften eingetrichtert bekommen, daß Osama Bin Laden einer Organisation unbekannter Grösse vorsteht, mit der er überall auf der Welt zuschlagen kann, mit ihr die Anschläge auf die US-Botschaften in Afrika durchgeführt hat, die noch weit schwieriger vorzubereitenden und durchzuführenden Anschläge des 11. Septembers in den USA und viele weitere, einer Organisation von Tausenden von Menschen, in vielen Gruppen überall auf der Welt, und nun kommt einer der Hauptverantwortlichen für diese Illusionsmachinerie und sagt: „Ätsch! Alles erstunken und erlogen!“ Al Quaida ist ein westlicher Code für eine Vorgehensweise von Terroristen.

Das erinnert an eine Meldung, die schon Jahre alt ist:

„December 8 2002

Palestinian security forces have arrested a group of Palestinians for collaborating with Israel and posing as operatives of Osama bin Laden's al-Qaeda terrorist network, a senior official said yesterday.”

Schon im Jahre 2002 gab es keine Al-Quaida, wie Blair jetzt offiziell zugibt. Es wurden Araber bezahlt, um als angebliche Al Quaida aufzutreten.

Inzwischen (16.7.05) ist die Londoner Polizei auch schon ein wenig zögerlich geworden mit der Story der vier „Selbstmordattentäter“.

Ein Sprecher der Polizei wird in einem reuters-Bericht zitiert:

Police have carefully refrained throughout the investigation from publicly using the term "suicide bomber", describing the four men only as bombing suspects.

"We've never used the phrase 'suicide bombers'. We've always been aware that amongst the things we need to clarify is the notion these people intended to die as well as letting off a bomb," the spokesman said.

Die Polizei hat während der Ermittlungen sorgfältig vermieden, öffentlich den Begriff „Selbstmord-Bomber“ zu verwenden und beschrieb die vier Männer lediglich als verdächtig, die Bomben gelegt zu haben.

„Wir haben nie den Begriff ‚Selbstmordbomber’ verwendet. Wir waren uns immer bewußt, daß unter den aufzuklärenden Dingen jene waren, ob diese Leute sterben wollten ebenso wie ob sie die Bomben hochgehen lassen wollten.“ sagt der Sprecher.

Und damit sind wir wieder da angelangt, wo wir im zweiten Teil waren: Ohne Al Quaida, ohne Selbstmordattentäter.



Link zum Originalartikel hier

Freitag, 18. August 2006

Der Alkohol-Boom hat begonnen, Teil 4

Bill Gates und George Soros investieren in Alkohol, Teil 4: Endlich auch in Deutschland

Von Karl Weiss


Artikel der "Berliner Umschau" vom 16.8.2006

So mancher aus - sagen wir - Frankfurt rümpft innerlich die Nase, wenn man ihm etwas von Leuten in Bayern erzählt, geschweige denn solchen aus der Region Straubing-Bogen in der Oberpfalz, die Gegend nennt sich Gäuboden, nicht weit von München entfernt. Die Gegend galt als rückständig und die Leute dort als ‚Holzköpfe’. Nichts ist weiter entfernt von der Wahrheit als dies.

In Wirklichkeit sind die Leute dort lebenslustig, aufgeschlossen, viele junge Europäer und in einigem auch der hessischen Großstadt voraus. Zum Beispiel ist in Frankfurt noch jeder gezwungen, sauteures und umweltvernichtendes Benzin in sein Auto zu füllen, das die deutsche Außenhandelsbilanz belastet (wenn er nicht bis nach Homburg fahren will), während bei Straubing soeben eine der ersten deutschen Alkohol Tankstellen eröffnet wurde, ein Gemeinschaftsprojekt des Autohauses Reinholz in Ittling, des Autohauses Griesbeck, des Mineralölhändlers Diermeier und der Firma Röhrer.

Dahinter steht die Stadt Straubing, die sich zur Stadt der nachwachsenden Rohstoffe gemausert hat, die ‚biomasse GmbH’ dort und die bundesweite C.A.R.M.E.N., das bedeutet Centrales Agrar-Rostoff-Marketing- und Entwicklungs-Netzwerk (wer interessiert ist: die Website heißt carmen-ev.de), die in Straubing ihren Sitz hat in der Schulgasse 18 und die dort auch ein Kompetenzzentrum hat und ein Forschungsinstitut baut.

So mancher deutsche Automobilhersteller rümpft die Nase, wenn er von den US-Fahrzeugkonzernen General Motors und Ford hört. Sie galten als nicht sehr innovativ, wenig dynamisch und die Autos als eher hausbacken. Tatsache ist, daß sowohl Ford als auch GM über seine Tochter Saab heute weit fortgeschrittenere Autos anbietet als die deutsche „Hocharistokratie”, angefangen von DaimlerChrysler über BMW hin zu Volkswagen, nämlich die Flex-Fuel-Autos, die Benzin oder Alkohol in jeder beliebigen Mischung tanken können. Es scheint, daß deutsche Konzerne ihre Dynamik verloren haben, außer wenn es um Massenentlassungen geht.

Ein klarer Fall von: “Wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte.”

Ford bietet in allen seinen Verkaufsstellen schon jetzt oder spätestens ab Anfang September den Ford Focus als Flex-Fuel-Version ohne Aufpreis an. Damit hat der Focus gegenüber seinen wesentlichen unmittelbaren Konkurrenten Golf, Astra, Peugeot 307 und Renault einen wesentlichen Vorteil gewonnen: Die Zukunftsicherheit. Auch die Gebrauchtwagenpreise werden für veraltete Nur-Benziner einbrechen und für Flex-Fahrzeuge steigen. Wer in diesem Moment noch einen Nur-Benziner kauft, müßte bekloppt sein.

Daneben bietet Ford auch den Ford C Max als Flex-Fuel-Version an, ebenfalls ohne Aufpreis.

Das gleiche gilt für Ford-Tochter Volvo. Einige der Volvo-Modelle können ab sofort in jeder deutschen Volvo-Vertretung in der Flex-Version erstanden werden - genauso ohne Aufpreis.

Bei GM ist es ebenfalls die schwedische Tochter, die SAAB, welche einen Teil der Palette bereits in der Flex-Version auf Lager hat. Zwar wissen das noch nicht alle Opel-Händler, die auch SAAB vertreiben, aber mit etwas Nachhilfe lernen die schnell.

Wer heute ein Flex-Fuel-Fahrzeug kauft, ist zukunftssicher, ohne jetzt irgendwelche Nachteile hinnehmen zu müssen. Falls es noch keine Alkohol-Tankstelle in der Nähe gibt, fährt er so lange ganz normal mit Benzin. Sobald es eine gibt, wird er den Preisvorteil nutzen können und seine Kollegen mit veralteten Nur-Benzinern auslachen.

Besonders unverständlich ist die Weigerung des VW-Konzerns, seine ausführlichen Erfahrungen aus Brasilien mit der Herstellung von Flex-Fuel-Autos in Deutschland zugunsten des VW-Käufers anzuwenden. In Brasilien war man sogar Vorreiter in dieser Sache und hat bereits letzten Monat beschlossen, daß ab Januar 2007 alle VW-Personenwagen in Brasilien mit der Flex-Fuel-Technik vom Band laufen werden.

Die einzige Erklärung für diese völlige Mißachtung seiner deutschen (und europäischen) Kunden ist darin zu suchen, daß die Oberen bei VW, angefangen vom Porsche-Chef, aufs engste mit der Ölindustrie verkungelt sind und den Verbrauchern diesen Vorteil vorenthalten, weil sie ihren Freunden dort zu höheren Profiten verhelfen wollen. Ausgerechnet Volkswagen, daß sowieso seit Monaten in den rufschädigenden Schlagzeilen steht wegen Prostituierten-Reisen-Skandalen und Korruptionsaffären und deshalb eine Verbesserung seines Images dringend gebrauchen könnte. Wenn nun die Umsätze einbrechen, werden es wieder die Arbeiter zu spüren bekommen statt der Schuldigen.

Jeder, der jetzt ein Flex-Fuel-Fahrzeug kauft, sollte sich übrigens auf der Site ethanol-statt-benzin.de registrieren lassen, weil er dadurch die Verbreitung von Ethanol-Tankstellen fördert.

Heute gibt es bereits 16 Alkohol-Tankstellen in Deutschland, die im folgenden aufgezählt werden:

1. Postleitzahlgebiet 9:
- 91583 Schillingsfürst, Ansbacher Str. 1
- 92421 Schwandorf, Regensburger Str. 55
- 93059 Regensburg, Weichser Weg 5
- 94559 Niederwinkling, Industriestr. 2
- 94699 Deggendorf, Hengersberger Str. 33
- 99439 Weimar - Großobringen, Wohlsborner Str. 1
2. Postleitzahlgebiet 8:
- 80469 München, Baaderstr. 6
- 84109 Wörth a.d. Isar, Siemensstr. 2
- 86529 Schrobenhausen, Pöttmeser Str. 9
3. Postleitzahlgebiet 6:
- 61352 Bad Homburg, Benzstr. 15
- 66740 Saarlouis, Schanzenstr.
4. Postleitzahlgebiet 5:
- 53773 Hennef, Frankfurter Str. 150
- 53842 Troisdorf, Hauptstr. 338
5. Postleitzahlgebiet 2:
- 24558 Henstedt-Ulzburg, Philipp-Reis-Str. 12
6. Postleitzahlgebiet 1:
- 16515 Oranienburg/OT Wensickendorf, Hauptstr. 69
- 16761 Henningsdorf, Fabrikstr. 8a

Wer Näheres über diese Tankstellen, ihre Lage usw. wissen will, kann auf der Site mobilohnefossil.de mehr erfahren.

Die großen Ölkonzerne mit ihren lichdurchfluteten, ultramodern stilisierten Tankstellen rümpfen schon mal die Nase über die „Freien Tankstellen“, aber sie haben sich soeben abhängen lassen und sind in die Liste der Dinosaurier geraten (groß, aber überholt). Wie zu erwarten, ist keine der oben genannten Tankstellen eine der großen Konzerne, sondern sie sind allesamt „Freie“oder von kleinen Tankstellen-Gruppen. Offensichtlich verbieten die gigantischen Ölkonzerne ihren Pächtern, Alkohol-Zapfsäulen zu installieren.

Das ist ein Skandal!

Natürlich verdient Big Oil sein großes Geld hauptsächlich mit der Herstellung und dem Verkauf von Benzin, Diesel und Kerosin (auf Deutsch: Petroleum). Man glaubt dort offenbar, das Hochkommen von erneuerbaren Kraftstoffen auf alle Ewigkeit verhindern zu können, wenn man denn nur genügend Druck auf Politik, Pächter und Autoindustrie ausübt. Man hat dort aber anscheinend noch nicht gemerkt, daß der Alkohol-Zug längst abgefahren ist. Wenn Gates und Soros in Alkohol investieren, hätten die Alarmglocken klingeln müssen. Ab sofort ist jeder Moment, den sie noch verlieren auf den Zug aufzuspringen, der bereits in voller Fahrt ist, verlorenens Geld für sie. Andere werden Räume besetzen, für deren Eroberung man Jahrzehnte gebraucht hat.

Im Gedächtnis der Verbraucher wird der Eindruck bleiben, daß man erst Alkohol an Markentankstellen zugelassen hat, als bereits deftigste Umsatzeinbußen hinzunehmen waren. Und die Verbraucher sind keine Idioten. Sie erinnern sich, wo zuerst Flex-Autos verkauft wurden und wo sie zunächst zum Alkohol-Tanken hin mußten.

Daß die Öl-Giganten völlig unflexibel geworden sind, ist nicht nur eine Folge ihrer Größe und Unübersichtlichkeit (die wichtigsten gehören zu den 15 größten Unternehmen der Welt), sondern auch eine Folge ihrer absoluten Fixiertheit auf finanzielle Geschäfte, während ihre Tradition, die eine technische ist, völlig in Vergessenheit gerät. Keiner von ihnen hat in wirklich großem Umfang das Bohren an weniger rentablen Stellen begonnen, seit der Erdölpreis über 70 Dollar pro Barrel sich festgehakt hat, obwohl das die technische Vernunft geboten hätte. Dazu kommt bei einigen die Zusammensetzung ihrer Aktionäre.

Der Shell-Konzern zum Beispiel hat bereits ausführliche Erfahrungen mit dem Alkohol-Geschäft in Brasilien und verkauft u.a. brasilianischen Alkohol in die USA. Daß sie trotzdem diesen Vorsprung nicht ausnutzen und ihre Pächter Alkohol-Zapfsäulen installieren lassen, mag wohl teilweise mit den Aktionären zusammenhängen. Bekanntlich ist der Konzern mit dem genauen Namen „Royal Dutch - Shell“ immer noch zu wesentlichen Teilen in den Händen der Niederländischen Königsfamilie. Daß die Adeligen nach jahrhundertelangem Inzest nicht gerade zu denen gehören, die mit besonderer Intelligenz glänzen, ist verzeihlich.

Ähnliches mag auf den BP-Konzern zutreffen, ein anderer in Europa beheimateter. In Fernseh-Reklame-Stücken stellt man sich dar, als ob man ernsthaft an nachwachsenden Rohstoffen interessiert sei, doch die Realität ist eine andere. Alkohol gibt es an keiner europäischen BP-Tankstelle. Auch hier die Verbindung zum Königshaus, in diesem Fall dem Englischen. Man sehe sich nur den Thronfolger an.

In diesem Teil soll auch noch etwas eingehender auf die Frage des Kraftstoff-Verbrauchs im Vergleich Benzin-Alkohol eingegangen werden. Tatsache ist, daß Benzin pro Liter einen höheren Energieinhalt bei der Verbrennung hat, der etwa 1: 0,67 beträgt. Das bedeutet, Alkohol hat pro Liter nur etwa zwei Drittel des Energie-Inhalts von Benzin. Dieser Vorteil beruht darauf, daß die wesentlichen Inhaltstoffe von Benzin Kohlenwasserstoffe sind, d.h. das gesamte Molekül besteht nur aus Kohlenstoff-und Wasserstoff-Atomen und trägt vollständig zur Wärmetönung der Verbrennung bei. Der Alkohol dagegen hat als wichtigen Bestandteil ein Sauerstoff-Atom, das nicht im Sinne eines verbrennbaren Bestandteils fungiert.

Die Praxis hat aber in diesem Fall eine ganz andere Seite. Es gibt nämlich, auch mit modernsten Einspritzpumpen, keine ideale Luft-Benzin-Mischung, die eine glatte und vollständige Verbrennung des gesamten Benzins bei der Explosion im Otto-Motor garantieren würde. Dies wäre nur der Fall, wenn man reinen Sauerstoff statt Luft mit Benzin mischen würde. Das ist ja offensichtlich kein in Frage kommendes Modell.

Die tatsächliche Verbrennung im Otto-Motor mit Luft ist vielmehr unvollständig und verbrennt in Wirklichkeit nur etwa 75% des Benzins. Der Rest wird zwar gecrackt (das heißt, die Moleküle werden verkleinert) aber sie verbrennen (anfängllich) nicht vollständig. Dazu kommt, daß Benzin noch andere Komponenten als Kohlenwasserstoffe enthält, die zusätzlich die Verbrennung unvollständig machen. Die betrifft in etwa weitere 5% des Energieinhalts von Benzin. Im Effekt wird also zum Vortrieb des Autos im Ottomotor mit Benzin nur etwa 70% des Energieinhalts des Benzins genutzt.

Genau gesagt, verbrennen auch noch andere Bestandteile des Benzins nach dem Ausnutzen von 70% des Energieinhalts, aber diese Anteil tragen nicht mehr zur Explosionswelle bei, die den Kolben bewegt, der wiederum das Auto antreibt. Nur die Bestandteile, die bei der ersten eigentlichen Explosion verbrennen und den Kolben bewegen, werden genutzt.

Beim Alkohol hingegen haben wir so etwas wie ein Einblasen von reinem Sauerstoff in die Verbrennung: Der Sauerstoff kommt aus dem eigentlichen Molekül. Das ist der Mischung mit Luft weit überlegen. Das bedeutet in der Praxis, daß die Explosion mit einer viel vollständigeren Verbrennung in den ersten Momenten einhergeht, in denen der Druck gegen den Kolben aufgebaut wird. Dadurch kann bei Alkohol ein weit höherer Prozentsatz als 70% unmittelbar in Bewegung umgesetzt werden, wahrscheinlich um die 90%. Dadurch entstehen auch höhere Temperaturen im Verbrennungsraum.

Wer das gleiche Auto einmal mit Benzin, einmal mit Alkohol fährt, spürt diese Tatsachen sofort. Mit Alkohol ist das Auto deutlich temperamentvoller. Es beschleunigt schneller, nimmt das Gas leichter an, Überholvorgänge können schneller abgeschlossen werden und die Höchstgeschindigkeit wird höher. Es wird auch der Motor stärker beansprucht, weshalb man heute bei Flex-Fuel-Autos Ventile und Ventilsitze mit spezieller Härtung verwendet.

Aber - und nun kommt das aber - dies geht auch mit erhöhtem Verbauch einher. Ein normaler Fahrer, der diesen Vorteil nutzt, wird etwa ein Drittel mehr (also etwa 133%) verbrauchen als beim Benzin. Das sind zwar nicht die 150%, die man aus den Unterschieden des Energieinhaltes vermuten könnte, aber eben doch deutlich mehr. Aus 10 Liter auf 100 km werden da 13,3 Liter auf 100 km.

Aber - nun kommt das andere aber - wer genauso fährt, wie er mit dem Benzin gefahren ist, also die schnellere Beschleunigung nicht ausnutzt, sondern etwas weniger Gas gibt und die beim Fahren mit Benzin verwendeten Geschwindigkeiten wiederholt, wird so gut wie keinen Mehrverbrauch haben. Dieser könnte bei 5 bis 10 Prozent liegen, aber das liegt im Bereich der normalen Schwankungen, so daß dies nicht feststellbar ist.

Da unsere heutigen Motoren mit Benzin bereits eine absolut ausreichende Beschleunigung (sprich: Drehmoment) zur Verfügung stellen, kann man sich also bewußt dazu bringen, den „Sportlichkeitsfaktor“ des Alkohols nicht zu nutzen. Dann wird der Preisvorteil rein im Geldbeutel bleiben: Alkohol kostet an den Tankstellen, wo man ihn bekommt, in der Regel ein Drittel weniger als Benzin.

Dies ist aber nur eine Momentaufnahme. Ist der Erdölpreis erst einmal bei 100 Dollar pro Barrel angelangt, wird dieser Preisunterschied noch weit deutlicher werden.

(wird fortgesetzt)

In den folgenden Teilen: Wie ist die Energiebilanz von Bio-Alkohol? Welche anderen Bio-Kraftstoffe gibt es und welche anderen natürlichen Land-Produkte können zur Verbesserung der Umwelt beitragen? Für welche anderen Zwecke kann der Alkohol gebraucht werden? Was wäre die beste Alkohol-Quelle in Deutschland? Wie sieht es mit den Fahrzeugen mit Erdgasantrieb aus? Ist Alkohol ein Konkurrent zum Wasserstoff-Antrieb? Wie ist es mit den Brennstoffzellen? Können die mit Alkohol betrieben werden? Kann ein Flugzeug mit Alkohol fliegen? Und andere Fragen.


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Samstag, 12. August 2006

Büchse der Pandora offen

Neue Regeln? - Gut, machen wir Krieg!

Von Karl Weiss


Artikel heute veröffentlicht in der "Berliner Umschau"


Die Menschheit rutscht langsam in den Dritten Weltkrieg und man merkt es kaum. Die Büchse der Pandora wurde geöffnet. Nachdem nun allen Ländern ausführlich vorgemacht wurde, daß man beliebig Nachbar- und andere Staaten angreifen kann, ohne dafür verurteilt oder bestraft zu werden (irgendwelche Vorwände finden sich ja immer), beginnen sich allenthalben die Konfliktpunkte in Kriege umzuwandeln.

Während im Januar/Februar 1991 noch ein kleiner Staat, der einen anderen, noch kleineren Staat angegriffen und besetzt hatte (Irak- Kuwait), heftig bestraft wurde (inzwischen weiß man, daß die Gründe ganz andere waren), begannen danach die Regeln zu verwischen, die Standards interpretierbar zu werden, was sich vor allem zeigte, als es plötzlich akzeptabel war, daß sich Teile Jugoslawiens einfach unabhängig erklärten, ohne darüber mit der Zentralregierung Einigung zu suchen.

Deutschland unter Außenminister Genscher war jeweils das erste Land, das Kroatien, Slowenien und Bosnien anerkannte, alle Regeln internationaler Diplomatie brechend.

Danach kam der Krieg gegen Rest-Jugoslawien wegen des Kosovo, dann der 11. September. George W. Bush erklärte den „New War“. Alle Nato-Staaten erklärten sich im Kriegszustand und sind es noch heute, ohne zu merken (wirklich?), was sie damit anstellten.

Waren vorher, während der Zeit des „Kalten Krieges“, jegliche Überfälle auf andere Staaten (mit Ausnahme natürlich jene der zwei damaligen Supermächte), jegliche Unabhängigkeitserklärungen von Teilen souveräner Staaten absolut verboten und Ziel massiver Eingriffe, waren nun alle Regeln geändert.

Das nächste Ziel war Afghanistan – da machte man sich nicht einmal die Mühe, wirklich plausible Begründungen zu finden, man marschierte einfach ein.

Als dann auch der Irak überrollt wurde und von der US-Regierung und seinen (abbröckelnden) Willigen zu einer Kolonie gemacht wurde, begannen alle Dämme zu brechen.

Zu diesem Zeitpunkt hatten sich bereits vier Teilstaaten von Post-SU-Ländern für unabhängig erklärt: Abchasien und Südossetien (von Georgien), Berg-Karabach (von Aserbeidschan) und Transnistrien (von Moldawien). Das schwelt vor sich hin. In diesem Fall gilt plötzlich nicht mehr die „Genscher-Doktrin“, daß Abspaltungen anerkannt werden sollen, wenn es Mehrheitsentscheidungen in überwachten Volksentscheiden gegeben habe.

In Afrika gibt es wegen der willkürlichen Grenzziehungen der früheren Kolonialmächte sowieso ein riesiges diesbezügliches Konfliktpotential.

Das Ganze begann sich langsam in den Köpfen von Tausenden von Politikern in Konfliktregionen zu klären: „Die Regeln wurden geändert. Das gilt auch für uns. Auf gehts, machen wir Krieg!“

Als die USA dann die Israelis in den Libanon marschieren ließen, war endgültig klar: Jetzt gibts kein Halten mehr. Als erstes marschierte Äthiopien in Somalia ein, wenn auch noch nicht mit der ganzen Truppenmacht. Auch im Süd-Sudan gibt es Kämpfe. Angesichts des Hauptinteresses für den Libanon blieben diese Dinge fast unbeachtet.

Der Nächste war die Türkei: Man begann Truppen an der Grenze zum Irak zusammenzuziehen und seit Beginn des Libanon-Kriegs begannen Übergriffe auf irakisches (kurdisches) Staatsgebiet, die von der Öffentlichkeit ebenfalls kaum zur Kenntnis genommen wurden.

Dann der Iran. Ganz offen und ungehindert unternimmt man Luftangriffe im Nachbarland Irak (kurdischer Teil).

In dem Maße, wie sich der Libanon-Krieg zu einem Flächenbrand im ganzen Nahen Osten ausweiten könnte, würde man mit Sicherheit die nächsten militärischen Abenteuer erwarten können. Daß er das tun wird, ist angesichts der Bedingungen („Neuer Naher Osten“, vollständiges Besiegen und Entwaffnen der Hisbollah), die durch die US-Regierung für einen Waffenstillstand gestellt wurde, praktisch nicht mehr abzuwenden – es sei denn, diese Bedingungen werden fallengelassen.

Hat nicht Aserbeidschan schon mehrfach angekündigt, Berg-Karabach müsse wieder dem Staatsverband einverleibt werden? Das würde Krieg mit Armenien bedeuten.

Man könnte sich aber auch in eine andere Richtung bewegen und sich des Schicksals der armen unterdrückten Aserbeidschaner im Iran annehmen. Da gäbe es gewiß bestimmte Nationen, die das aus vollem Herzen unterstützen würden.

Aber es gibt noch so viele andere Stellen, die der neuen Doktrin der gewaltsamen Konfliktlösung aufgeschlossen sein könnten. Auf Zypern steht zum Beispiel noch ein ungelöstes Problem an, das auch zum Krieg Türkei-Griechenland führen könnte.

Griechenland hat außerdem noch ein Hühnchen mit Mazedonien zu rupfen, Albanien könnte den Kosovo gleich einverleiben, was dann wohl Serbien auf den Plan ruft.

Der serbische Teil Bosniens steht auch noch an, nicht?

Ganz zu schweigen von wichtigen ungelösten Problemen zwischen Ungarn und Rumänien. Es gibt auch noch eine ungarische Minderheit in einem Eck Serbiens, die müßte sich doch auch noch unabhängig erklären, oder nicht?

Polen hat mit Weißrußland einen Gebietskonflikt, die Situation in der Ukraine schreit nach einer Trennung in Ost und West und daß Tschetschenien nicht bei Rußland bleiben will, weiß man ja nun.

Oder sehen Sie nach Spanien. Ein weites Feld! Und Großbritannien – ja, ist das zuzumuten, daß weiterhin Schottland, Wales und Nordirland besetzt sind?

Oder stellen Sie sich einmal vor, Deutschland würde anfangen. Muß nicht endlich das Sudetenland „heim ins Reich“ – und wie ist es mit Österreich? Dann gibt es da noch eindeutig deutsche Gebiete in Polen, nicht wahr? Die unterdrückten Deutschen in Dänemark müssen endlich befreit werden, was dann dazu führt, daß die Dänen die unterdrückten Dänen in Deutschland befreien müssen. Und was ist mit Südtirol, hä? Und Ostpreußen? War nicht Elsaß-Lothringen auch deutsch? Dann haben wir da noch eine Rechnung mit den Niederlanden offen wegen einer Spucke auf „uns Rudi“ bei der WM 90 und – und – und ...

Nun, so werden Sie sagen, wird es aber absurd! Wird es? Oder war es das schon?

Wenn die Libanonoffensive jetzt so ausgeweitet wird, daß Syrien zum Eingreifen gezwungen ist und dann der Beistandspakt mit dem Iran greift, und der Iran in den Krieg eingreift, wenn dann der Iran von US-Truppen angegriffen wird – wäre das nicht absurd?

So absurd wie das Szenario da oben?

Davon sind wir keineswegs weit entfernt. Rußland sah sich schon veranlaßt, Syrien zu bitten, einen eventuellen Vergeltungsschlag auf Israel nicht mit russischen Raketen durchzuführen. Warum hat man wohl solche Besorgnisse?

Türkische Truppen stehen in irakischen Gebiet und überfliegen es. Jetzt. Heute.

Iranische Flugzeuge greifen irakisches Gebiet an. Jetzt. Heute.

Äthiopische Truppen sind in Somalia. Jetzt. Heute.

Israelische Truppen stehen im Gaza-Streifen und Ramallah.

Israelische Truppen strömen in den Libanon.

US-, Deutsche und viele andere Truppen in Afghanistan.

US- und britische Truppen im Irak.

Absurd, nicht?

Die Regeln wurden geändert! Machen wir Krieg!


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Freitag, 11. August 2006

Verdacht vor dem 11. September abgewürgt

Die Aussagen des Agenten Samit im Moussaoui-Prozess

Von Karl Weiss


Artikel erschienen am 23. März 2006 in der "Berliner Umschau"

Die Aussage von FBI-Special-Agent Harry Samit hat sich als Katastrophe für die US-Regierung herausgestellt. Der FBI-Mann hatte klare Hinweise, daß Moussaoui in einen riesigen Komplott für einen Terroranschlag verwickelt war. Er wußte sogar, daß dieser Anschlag durch Verkehrsflugzeuge durchgeführt werden würde, die in Gebäude gelenkt werden sollten, aber die FBI-Oberen maßregelten den Agenten, statt seinen Hinweisen nachzugehen. Warum?

Jetzt wird mit aller Deutlichkeit klar, warum die Bush-Regierung nicht einen einzigen des Terrorismus Verdächtigen vor Gericht hat stellen lassen - außer eben Moussaoui. Bei dem konnte man nicht anders, weil er bereits zwei Wochen vor den Anschlägen festgenommen wurde. Würde man aber andere, wie z.B. den ebenfalls gefaßten angeblichen 19. Verschwörer des 11. September, Binalshibh, vor Gericht stellen, dann hätten eben, wie im Fall Moussaoui, die Verteidiger das Recht, Angeklagte und Zeugen zu befragen und dann könnte die Wahrheit über den 11. September ans Tageslicht kommen oder jedenfalls ein Teil davon.

Die Aussage des FBI-Agenten vor dem Gericht in Alexandria, Virginia, USA, wurde zu einer einzigen Katastrophe für die offizielle USA. Selbst die ‚Süddeutsche’, sonst immer schnell bei der Hand, um Fragesteller zum Anschlag des 11. September lächerlich zu machen, konnte nicht umhin zu bemerken: "Die Details von Samits Aussagen sind teilweise erschütternd. Er mußte auf Befragen des Verteidigers einräumen, daß er seinen Vorgesetzten im Washingtoner Hauptquartier des FBI „kriminelle Fahrlässigkeit" vorgeworfen hat."

Und die sonst so leichtgläubige Zeitung, wenn es um "offizielle Versionen"geht, mußte sogar zugestehen, daß Samits Vorgesetzte zum Teil seine Warnungen vor einem drohenden Terroranschlag mit Flugzeugen "bewußt mißverstanden" hätten (Originalton ‚Süddeutsche’). Wenn man etwas bewußt mißversteht, dann hat man andere Absichten.

So weit geht die ‚Süddeutsche’ aber dann doch nicht, diese anderen Absichten zu hinterfragen. Tatsache ist, daß der Agent Moussaoui festnahm, weil er einen Hinweis von einer Flugschule bekommen hatte: Ein Ausländer mit arabischem Namen lernte Passagierliner fliegen, interessierte sich aber weder für Starts noch für Landungen. Der offenbar gut ausgebildete Agent Samit bemerkte sofort, daß er eventuell einem großen Anschlag auf der Spur war und zog alle Stränge.

Obwohl Moussaoui schwieg, hatte Samit bald herausgefunden, daß er wahrscheinlich einen islamistischen Fundamentalisten an der Angel hatte. Es gelang ihm sogar, einen Zusammenhang mit Osama Bin Laden herzustellen. Samit nahm Kontakt zum FBI in Frankreich auf (wußten Sie, daß die US-Bundespolizei in anderen Ländern Niederlassungen hat?) und bekam von dort die Verbindung mit Osama Bin Laden, der damals bereits als Verantwortlicher für die beiden Anschläge auf US-Botschaften in Afrika in höchstem Verdacht stand.

Moussaoui hatte in Tschetschenien Islamisten für dessen Truppe rekrutiert.

Bei jedem halbwegs bei Verstand befindlichem Menschen, ganz zu schweigen FBI-Verantwortlichen, hätten nun alle Warnlampen aufleuchten müssen, so wie auch bei Samit. Aber dessen Vorgesetzten versuchten verzweifelt, jede Aktivität Samits zu unterbinden. Es gibt keine vernünftige Erklärung dafür, als daß sie auf Anweisung von „weiter oben" handelten, wenn man höheren FBI-Chargen nicht komplette Verblödung vorwerfen will.

Die Vorgesetzten Samits strichen die Verbindung mit Bin Laden aus den Akten! Warum? Samit versuchte verzweifelt, einen Durchsuchungsbefehl für Muossaouis Wohnung zu bekommen. Seine Vorgesetzten verboten ihm, sie zu beantragen. Warum?

Hätte er die Wohnung durchsuchen können, hätte er dort unter anderem die Teppichschneider gefunden, mit denen als Waffen kurz danach die Anschläge durchgeführt wurden, die fast 3000 Menschenleben kosteten. Allein dieser Hinweis, zusammen mit der Erkenntnis, daß entführte Flugzeuge zu den Anschlägen benutzt werden sollen, hätte bereits ausreichen können, um die Anschläge zu verhindern.

Samit wußte auch, daß bereits eine Sonderkommission Bin Laden im FBI bestand und schickte seine Erkenntnisse dorthin. Sie wurden nicht beantwortet, bis die Anschläge stattgefunden hatten. Noch am Tag vor den Anschlägen, dem 10. September, versuchte Samit erneut, eine Erlaubnis zum Beantragen der Hausdurchsuchung zu bekommen - ohne Erfolg.

Schließlich kam bei dieser Aussage auch noch zu Tage, daß Samit bereits ausführlich vor einem Sonderermittler des Justizministeriums ausgesagt hatte, was bisher geheim gehalten worden war. Da er zweifellos einige der wichtigsten Dinge über die Vorgeschichte des 11. September wußte, hätte das Justizministerium diese Aussage an die Untersuchungs-Kommission des Senats über die Anschläge leiten müssen, hat dies aber nicht getan. Warum wurde sie geheim gehalten?

Samit hat insgesamt 70 Mal seine Vorgesetzten auf die Gefahr kommender Terroranschläge aufmerksam gemacht. Die entscheidende Stelle seiner Aussage lautete folgendermaßen: „Sie glaubten also, daß ein Terroranschlag bevorsteht, und Sie wurden daran gehindert, dem nachzugehen, nicht wahr?" „Yes, Sir"

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Dienstag, 8. August 2006

Wohin die Gelder 'Aufbau Ost' verschwanden

Wie ein paar deutsche Banken 200 Milliarden Euro einsteckten

Von Karl Weiss


Artikel veröffentlicht in der "Berliner Umschau" am 8. August 2006

Als letztes Jahr die 15 Jahre Währungsunion zwischen der Bundesrepublik und der in den letzten Zügen liegenden DDR gefeiert wurde, hätte jemand mit feinem Gehör auch die Sektkorken in den Vorstandsetagen einiger deutscher Großbanken knallen hören können, denn es war 15 Jahre her, daß sie eines der größten Geschäfte aller Zeiten gemacht hatten: 200 Milliarden Euro mit einem Streich.

Es hat sicherlich auch noch andere Riesengeschäfte gegeben, aber dieses war mit Sicherheit eines der größten. Die DDR-Banken, die ja als Staatsbanken in einer Planwirtschaft völlig andere Aufgaben zu erfüllen hatten als die BRD-Banken, wurden schlicht und einfach für einen Appel und ein Ei an die westdeutschen Banken verhökert. Soweit Schulden der Ostbetriebe gegenüber diesen Banken vorhanden waren, trat der westdeutsche Steuerzahler als Bürge auf.

Große Nutznießer waren unter anderem die Dresdner Bank und die Deutsche Bank, die beiden größten Privaten. Aber auch andere Banken wurden bedacht: Die Berliner Bank bekam die Berliner Stadtbank, die aus der DDR-Staatsbank hervorgegangen war, die Genossenschaftsbank West die Genossenschaftsbank Ost und die Westdeutsche Landesbank Girozentrale die Deutsche Außenhandelsbank.

Der Staat DDR hatte ja den Betrieben Gelder für ihre Investitionen zukommen lassen müssen. Das wurde formal in Form von Krediten durch die (staatseigenen) Banken getan, waren aber in Wirklichkeit Subventionen. Die DDR-Staats-Betriebe (also fast alle) mußten ja ihre Gewinne vollständig an den Staat abführen, konnten nichts in Rücklagen legen, um etwa Investitionen durchzuführen. Als nun diese Staatsbanken abgewickelt wurden, gingen diese scheinbaren Kredite als Forderungen an die DDR-Betriebe mit an die Westbanken über.

Ganz plötzlich hatten alle DDR-Staatsbetriebe riesige Schulden. Das war ja im DDR-System so nicht vorgesehen. Der Begriff Kredite für diese Gelder war fehl am Platz. Sie mußten nicht zurückgezahlt werden. Statt dessen wurden ja die gesamten Gewinne abgeführt.

Dadurch waren fast alle vorherigen DDR-Staatsbetriebe praktisch pleite. Man hatte ja keine Rücklagen, weil die Gewinne abgeführt worden waren. Plötzlich mußte man aber hohe Summen an Westbanken zurückzahlen und hohe Zinsen und Zinseszinsen begleichen, weil der Begriff Kredite so genommen worden war, wie man ihn im Westen verstand.

Man sehe sich nur einmal an, was für Geschäfte da getätigt wurden: Die Westdeutsche Landesbank Girozentrale bekam die Deutsche Außenhandelsbank für schlappe 430 Millionen Mark. Ein Schnäppchen! Mit ihr kamen nämlich Kreditforderungen an Ost-Betriebe in Höhe von etwa 7 Milliarden Mark. Das ist mehr als 16 mal so viel.

Die Berliner Bank mußte für die Berliner Stadtbank 49 Millionen Mark bezahlen. Doch der Kreditberg, der als „Bonus“ mitkam, betrug 11,5 Milliarden Mark, das ist etwa das 235-fache des Kaufpreises.

Die Genossenschaftsbank West hatte 120 Millionen für die Genossenschaftsbank Ost zu berappen, doch gleichzeitig erhielt sie Verbindlichkeiten von 15,5 Milliarden Mark, also etwa 129 mal so viel. Das sind Geschäfte, bei denen selbst erfolgsgewöhnten Bankern ein Leuchten in die Augen steigt.

Auf diese Art und Weise wurden insgesamt an die 200 Milliarden Euro (nicht Mark!) an die Banken vergeben.

Nun, mögen Sie sagen, da war ja auch ein großes Risiko drin, denn die Ostbetreieb konnten das alles ja nicht zahlen. Genau. Das wußte natürlich auch der damalige Staatssekretär im Finanzministerium, der für die Währungsunion zuständig war. Also sagte man sich, da müssen wir als Bund mit einer Kreditgarantie bürgen, denn sonst gehen ja die armen Banken pleite, wenn sie ihre Kredite nicht zurückgezahlt bekommen.

Merken Sie, worauf es hinausläuft? Genau!

Die Ostfirmen sind fast alle Pleite gegangen. Ist ja logisch, wenn sie zuerst alle Gewinne immer abführen mußten, damit Honecker seinen aufwendigen Lebensstil leben konnte und dann als Kredite zurückzahlen mußten, was man ihnen für Investitionen gegeben hatte.

Uns wurde erzählt, die Firmen im Osten seien marode bis zum geht nicht mehr gewesen. Jetzt wissen wir, was wirklich geschah. Wer am Ende alle diese „Schulden“an die Banken zahlen mußte, waren wir, der deutsche Steuerzahler.

Das alles geht übrigens aus einem Bericht des Bundesrechnungshofes hervor. Es gab schon damals auch Politiker, die vor einem solchen Vorgehen warnten, z.B. der CDU-Mann Rupert Scholz. Danach hat man nicht mehr viel von ihm gehört. Na eben. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat vergeblich gewarnt.

Während man uns weismachte, die Wiedervereinigung sei so teuer und wir müßten alle zum ‚Aufbau Ost’ beitragen, war es in Wirklichkeit der Profit-Aufbau von West-Banken, wohin wesentliche Teile der Gelder flossen.

Ach so, es wurde noch nicht gesagt, wer denn der Staatassekretär im Finanzministerium war, der hierfür und für die Währungsunion zuständig war. Sein Name war Horst Köhler. Kennen wir den Namen nicht irgendwoher? Richtig, das ist doch der Bundespräsident.

Nun weiß man, warum die Banken dafür sorgten, daß er zunächst Präsident des Internationalen Währungsfonds und später Bundespräsident wurde. Man muß sich schließlich für 200 Milliarden Euro dankbar zeigen.

Wenn Ihnen demnächst wieder erklärt wird, es sei keine Geld da und es müsse gespart werden, dann fragen Sie doch einmal nach den 200 Milliarden Euro, die aus unseren Steuergeldern den Banken in den Rachen geschoben wurden.


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Sonntag, 6. August 2006

NYT: Arabische öffentliche Meinung unterstützt Hisbollah

"Viel Feind, viel Ehr"

Von Karl Weiss

Dieser aktuelle Artikel wurde von der "Berliner Umschau"am 4. August 2006 veröffentlicht.

Ob sich die israelische und die US-Regierung wirklich bewußt sind, was sie angestellt haben mit dem Libanon-Krieg, jetzt schon, geschweige, denn wenn, er ausgeweitet wird? Man muß vermuten: Nein. Muß sich fragen, ob sie von allen guten Geistern verlassen waren.

Die beiden größten und mächtigsten arabischen Länder, Ägypten und Saudi-Arabien und andere arabische Länder, die feste Verbündete der einzigen Supermacht waren, befriedetes Gebiet, beginnen innere Probleme zu bekommen, die nicht so leicht wieder eingedämmt werden können.

Gleich zu Beginn des Libanon-Krieges gaben sowohl der Saudi-Arabische König als auch Ägyptens Präsident Mubarak Erklärungen ab im Sinne, daß Israel ein Recht zur Selbstverteidigung habe usw. Doch nun gibt es keinen vernünftigen Menschen auf der Welt mehr, der diesen Krieg wirklich für eine Selbstverteidigungs-Maßnahme halten könnte, zumal nachdem Frau Rice so freundlich war, uns aufzuklären, daß es um den "Neuen Nahen Osten" geht.

Jetzt kommen beide den USA unterwürfige Regierungen in Erklärungsnot. Die öffentliche Meinung - soweit nicht von westgläubigen Medien - stellt sich voll auf die Seite der Libanesen und der Hisbollah. Die wenigen Tausend Kämpfer, die nun bereits siebzehn Tage den israelischen Angriffen standhalten und ihr Chef, der Scheich Hassan Nasrallah, werden zu Helden, zu Identifikationsfiguren für die ganze islamische und arabische Welt.

Dies ist nicht etwa ein Wachtraum des Berichterstatters, wie vielleicht jemand meinen mag, sondern die Meinung der New York Times in einem Artikel vom 28. Juli. Der Artikel hebt hervor, daß nun sowohl das saudi-arabische Königshaus als auch Mubarak schnellstens Stellungnahmen herausgeben mußten, in denen sie Distanz von den USA und Israel suchen. Mubarak betonte, daß ein sofortiger Waffenstillstand erreicht werden müsse und der jordanische König tönte aus einer bekannten Körperöffnung der Supermacht heraus, er werde medizinisches Personal in den Libanon schicken um den (wörtlich) „Opfern der irsraelischen Aggression“ beizustehen.

Nach Angaben der NYT werden hinter vorgehaltener Hand an US- und israelische Stellen weiterhin unterstützende Erklärungen zu deren Politik abgegeben, aber man kann es nicht mehr wagen, dies öffentlich zu tun. Es finden in Ägypten bereits Demonstrationen statt, auf denen Bilder von Scheich Nasrallah, von zerfetzten Babys und Sprüche wie „Jerusalem wird nicht frei sein, solange Kairo nicht frei ist“ getragen werden. Demonstrieren führt in Ägypten oft zu Festnahme und Folter. Die Demonstranten müssen daher für ihren Mut bewundert werden.

Der saudische Hof hat eine Warnung herausgegeben, daß der saudische Friedensplan zurückgezogen werden könnte. Saudi-Arabien hatte im Jahre 2002 einen Plan herausgegeben, der Israel Anerkennung und Garantien aller arabischen Staaten versprach, wenn es sich auf die Grenzen von vor dem Sechs-Tage-Krieg zurückziehen würde. Dieser Plan war allgemein als „Versicherung“ für Israel verstanden worden, daß es sich, wenn alles schiefginge, immer noch auf diese Lösung zurückziehen könnte.

Die saudische Note wird folgendermaßen zitiert: „Wenn die Option Frieden durch israelische Arroganz zurückgewiesen wird, bleibt nur die Option Krieg. Dies könnte Folgen für die ganze Region haben, einschließlich solchen Kriegen und Konflikten, die niemanden schonen würden, einschließlich jener, deren militärische Schlagkraft sie nun dazu bringt, mit dem Feuer zu spielen.“

Der Überfall und die Zerstörung ganzer Wohnviertel und der libanesischen Infrastruktur hat die verfeindeten Bürgerkriegsparteien des Libanon bis zu einem gewissen Maße geeint. Kein christlicher Führer kann es heute wagen, gegen die Hisbollah zu sprechen, denn alle Libanesen sehen: Die einzigen, die sie verteidigen, sind die Hisbollah-Milizen.

Wenn die Israelis glauben „Viel Feind, viel Ehr“, dann hat sich ihre Ehre wirklich beträchtlich gesteigert.

Was der Artikel der New York Times aber besonders betont, ist die Tatsache, daß der Überfall auf den Libanon nun erstmals die Schiiten und die Sunniten der islamischen Welt geeint hat, eine Errungenschaft, die in Jahrhunderten von Bemühungen noch niemand vorher geschafft hat.

Die Sunniten sind ja bei weitem vorherrschend im Islam. Der ganze Norden Afrikas, ebenso wie Pakistan und Afghanistan sowie das große Indonesien sind überwiegend Sunnitisch. Schiitische Mehrheiten finden sich nur in Palästina, Libanon, Iran, Irak und Aserbeidschan.

Hatte die Figur des Massenmörders und Millionärssöhnchens Osama Bin Laden bis zu einem gewissen Grade bei den Sunniten eine positive Resonanz gefunden, so entdecken sie jetzt, daß es keine Al Quaida gibt. Sie war eine Schöpfung der USA. „Wo ist jetzt Al Quaida?“ fragen sich alle. Dagegen geht nun das Plakat mit dem Bild des schiitischen Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah auch bei den Sunniten weg wie warme Semmeln.

Die reaktionären Führer in Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien, Algerien usw. sehen sich alle einer wachsenden Opposition von Islamisten gegenüber, die mehr und mehr die Herzen der Bevölkerung gewinnt. Sie senden alarmierte Botschaften an den Paten jenseits des großen Teiches, aber der ist mit anderem beschäftigt.

Das Herum-Trompeten von Frau Rice, man werde nicht stoppen, bevor nicht ein „Neuer Naher Osten“ erreicht sei, trifft genau ins Herz der Menschen in der arabischen Welt. So zeigt eine arabische Zeitung eine Karikatur mit der Unterschrift „Der Neue Nahe Osten“ mit einem israelischen Panzer auf den Trümmern eines Wohnhochhauses in Form der arabischen Welt.

Seit in den Sechziger Jahren der ägyptische Präsident Nasser die Araber zur Einigkeit gegen Israel aufrief, hat es kein Ereignis gegeben, das die Araber so gewinnen konnte wie das Aufkommen einer Situation, in der eine kleine Miliz der unbändigen Militärmacht Israels widersteht.

Der ägyptische Dichter Achmed Negm erzählt, was ihm ein Straßenkehrer in Kairo über Scheich Nasrallah gesagt hat: „Onkel Achmed, der hat den toten Mann in mir erweckt!“

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Dienstag, 25. Juli 2006

Hier spricht Guantánamo

"Hier spricht Guantánamo". Roger Willemsen interviewt Ex-Häftlinge. Mitarbeit Nina Tesenfitz. 238 Seiten. Paperback. Zweitausendundeins. 12,90 EUR

Buchbesprechung von Karl Weiss

Roger Willemsen hat die Interviews durchgeführt, die schon Hunderte von Reportern hätten führen müssen, aber es aus Untertänigkeit gegenüber der US-Regierung nicht getan haben: Interviews mit entlassenen Guantánamo-Insassen. Er beschämt damit sämtliche Zeitungen und Fernsehstationen der Welt. Es war offensichtlich, daß die neue Form von US-Konzentrationslagern, wie sie als bekanntestes Beispiel Guantánamo darstellt, von höchstem internationalem Interesse ist. Trotzdem haben sich alle großen Medien geweigert, Interviews zu machen, als die ersten Opfer Guntánamos entlassen wurden.

In Guantánamo, wie auch in einer unbekannten Anzahl anderer Konzentrationslagern innerhalb von US-Stützpunkten, aber auch in Staaten, die unbesehen alles akzeptieren, was die US-Regierung anordnet, werden mehrere hundert, eventuell auch Tausende von illegalen Gefangenen zusammengepfercht, unter im wesentlichen sub-humanen Umständen.

Die Kennzeichen, die diese Lager zu Konzentrationslagern machen, sind die absolute Willkürlichkeit der Auswahl der Gefangenen, die völlige Isolierung der Gefangenen von der Außenwelt, die Nicht-Bestätigung der Haft durch einen Richter, die Nicht-Benachrichtigung von Verwandten über den Aufenthaltsort, das völlige Fehlen konkreter Anklagen, die absolute unbefristete Gefangenschaft, die Tatsache, daß die Gefangenen offiziell Gefangene eines großen Staates sind, die Anwendung verschiedenster Demütigungs- und Foltermethoden wie auch die von psychischen Zerstörungsmethoden, die Verweigerung von Kontakt mit ihren Anwälten, die Weigerung, ihnen den Status von Kriegsgefangenen zuzuordnen, die Weigerung, Abgeordneten des Roten Kreuzes freien Zugang zu allen Gefangenen und zu Gesprächen mit von ihnen ausgesuchten Gefangenen zu geben, die jahrelange Weigerung, auch nur Namenslisten an die Öffentlichkeit zu geben (die außer für Gunatánamo fortbesteht), das völlige Geheimhalten der Orte der Lager (mit Ausnahme von Gunatánamo) und schließlich die Verpflichtung der Entlassenen, nicht über die Vorgänge und Zustände im Lager verlauten zu lassen, bei Androhung von ungenannten Übeln.

Vergleiche wurden versucht mit den schlimmsten Kriegsgefangenenlagern, wie z.B. einige der West-Allierten nach dem 2. Weltkrieg im Rheinland auf freiem Feld, die der physischen Vernichtung, sprich Ermordung, der Gefangenen dienten. Allerdings waren diese Lager Kurzzeitlager, die in keiner Weise mit den jetzigen US-Konzentrationslager verglichen werden können. Auch Vergleiche mit Gefängnissen im Mittelalter und in einigen absolutistischen früheren Ländern sind nicht hilfreich, weil dort zwar äußerst prekäre Bedingungen herrschten, aber in der Regel keine systematische Folterung aller Insassen.

Im Prinzip gibt es Ähnlichkeiten mit den Geiselhaft-Lagern von kriminellen Organisationen, die im großen Stil Geiseln nehmen, aber selbst in Kolumbien gab es bisher noch keinen Fall von vier Jahren Geiselhaft.

Es ist tatsächlich unmöglich, irgendeinen zutreffenden Namen für diese Lager zu finden, wenn nicht Konzentrationslager.

Die US-Regierung rechtfertigt die Aufhebung aller Rechte für die Gefangenen mit den Anschlägen des 11. September 2001. Angeblich hätten die Insassen irgendetwas damit oder mit der Vorbereitung ähnlicher Anschläge zu tun. Dieses Argument ist nicht zu halten. Alle, über die man bisher Kenntnisse gewonnen hat, hatten weder etwas mit den Anschlägen des 11. September zu tun, noch gibt es irgendwelche Beweise für Vorbereitung ähnlicher Anschläge auch nur durch einen dieser Häftlinge.

So berichtet die Presseankündigung des Buchs „Hier spricht Guantánamo" denn auch davon, daß die Freigelassenen (nach mehr als drei Jahren Haft) berichten, es handele sich im wesentlichen um Bauern, Landarbeiter, Arbeiter, Angehörige von Hilfsorganisationen und andere Personen, die in Afghanistan willkürlich aufgegriffen oder von den Taliban an die Amerikaner verkauft wurden. Unter den Gefangenen und jetzt Freigelassenen befindet sich auch der ehemalige Botschafter Afghanistans in Pakistan.

Kaum einer der Insassen sei je militanter Islamist gewesen. Was die Entlassenen besonders anprangern, ist, daß ihnen keine Rehabilitierung ermöglicht wird. Dadurch, daß praktisch alle Medien der Welt über sie schweigen und sie nicht zu Wort kommen lassen, können sie nicht in ein normales Leben zurückkommen. Nach jahrlanger Haft können sie keinen Freispruch vorweisen, ja nicht einmal eine abgebüßte Gefängnisstrafe. Sie bleiben „Terroristen".

Die ‚Zeit’ schreibt über das Buch: „Aus dem rechtlichen Niemandsland", eine Züricher Zeitung: „Skandalon der US-Demokratie".

Bleibt die Frage : Wo ist Demokratie?


Link zum Nachdruck der Buchbesprechung bei "Journalismus - Nachrichten von heute" hier

Sonntag, 23. Juli 2006

Hartz IV: 'Berliner Zeitung' schert aus dem Chor der Mißbrauchsankläger aus

Kriegserklärung

Von Karl Weiss

Während fast alle bundesdeutschen Groß-Medien zusammen mit der Politiker-Kaste das Lied von den angeblichen Mißbräuchen der Arbeitlosen singen, scherte ein Kommentator der „Berliner Zeitung" am 10. Juni aus dieser einmütigen Schelte aus und bezeichnete stattdessen die verschärfenden Gesetze gegen die Arbeitslosen und Bedürftigen als ‚Kriegserklärung’ des Staates an seine Bürger.

Es ist erfreulich zu sehen, daß die Medien-Großkonzerne noch nicht in allen Fällen die vereinheitlichte Einheitsmeinung der allseits geliebten Politiker durchsetzen können. Es gibt noch Journalisten in Deutschland, es gibt noch mutige Männer und Frauen, die gegen den Strich bürsten.

Ein Beispiel hierfür der Kommentar „Kriegserklärung" von Christian Bommarius in der „Berliner Zeitung" vom 10. Juni. Er schreibt u.a.:„Nicht die Armut ist zu bekämpfen, sondern der Mißbrauch des Sozialstaats durch die Armen. Nicht das Schicksal der Hartz-IV-Empfänger gehört ins Zentrum der Debatte, sondern ihr Versuch, diesem Schicksal mit legalen oder halblegalen, jedenfalls aber für den Staat, den "Steuerzahler" kostspieligen Methoden zu entkommen."

Besonders klagt er dabei an, daß nun nicht nur das Hinterherschnüffeln hinter jedem Pubs der Arbeitslosen verordnet wurde, sondern auch die Prozeßkostenhilfe, die es bisher noch für Bedürftige gab, nach einem Gesetzentwurf der Länder Baden-Württemberg und Niedersachsen bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt werden soll.

Bisher nämlich hatten die Hartz-IV-Geschädigten immer noch die Möglichkeit, gegen die Entscheidungen der örtlichen Agentur oder ARGE vor Gericht zu ziehen und dabei Prozeßkostenhilfe vom Staat zu bekommen. Nun sind die Kosten der Prozeßkostenhilfe deutlich angestiegen, weil die Entscheidungen der Sachbearbeiter der Armenverwaltung so oft Anlaß zu verzweifelten Anrufungen des Gerichts geben.

Klar, daß die unsäglichen Politiker darauf so reagieren, daß sie diese Prozeßkostenhilfe fast unmöglich machen wollen. Damit wären die Armen dieser Gesellschaft endgültig der Willkür und den Launen der Sachbearbeiter ausgesetzt, die in einer Reihe von Fällen längst bewiesen haben, daß von vielen von ihnen nicht das geringste Verständnis, sondern brutale bürokratische Schikanen zu erwarten sind.

So ist es keine Übertreibung, wenn Bommarius dies eine Kriegserklärung gegen die Armen nennt.

Er klagt dabei auch an, daß die Begründung für dieses Gesetz wiederum nichts anderes als mögliche Mißbräuche sind, genauso wie es beim Hartz-IV-Verschärfungsgesetz war. Die Datenschutzbeauftragten hatten schon deutlich gemacht, daß die Möglichkeit eines Mißbrauchs keine Begründung für generelle Einschränkungen ist, ja, niemals sein kann. Es gibt bereits jetzt ausreichend Handhaben gegen eventuellen Mißbrauch, wobei außer zwei, drei Fällen bundesweit überhaupt keine tatsächlich belegten Mißbrauchsfälle vorliegen.

Das gilt sowohl für den angeblich vorliegenden Mißbrauch von Arbeitslosengeld-II-Leistungen als auch für den jetzt angeklagten Mißbrauch der Leistungen der Prozeßkostenhilfe.

Soweit es sich um die Frage der Kostenanstiege handelt, argumentiert der Berliner-Zeitung-Kommentator mit Recht, daß die Beträge, die die bundesdeutschen öffentlichen Haushalte durch Steuerhinterziehung verlieren, mit einer geschätzten Höhe von 200 Milliarden Euro weit höher sind als alle Kosten für die Armen-Almosen und die Prozeßkostenbeihilfe zusammen.

Er klagt an: „ ... eher spaziert ein Steuerhinterzieher mit einem Kamel durch ein Nadelöhr als ins Gefängnis. Das ist tröstlich, denn flexibel ist die Leistungselite nur auf freiem Fuß."

Link zum Originalartikel hier



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"Kein Anspruch auf fabrikneue Kleidung"

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"Hartz IV: Der Fall Brigitte Vallenthin"

Donnerstag, 20. Juli 2006

Welche Chance hat Israel?

Ausblick nach dem Abzug aus dem Gazastreifen

Von Elmar Getto

Ich habe persönlich Juden kennen und gern haben gelernt. Eine davon ist heute in Israel. Ich habe jeden Antisemitismus mit Haß verfolgt. Ich habe über alle diese Jahre die Kriege und die Auseinandersetzungen in Israel/Palästina begleitet und mich aktiv für die Rechte des palästinensichen Volkes eingesetzt. Ich habe immer Terrorakte gegen Zivilisten verurteilt, aber das gilt eben nicht nur für die (selteneren) Anschläge palästinensicher Gruppen, sondern auch für den (fast täglichen) Regierungsterror Israels. Heute bin ich mit einer Frau liiert, deren Großvater Palästinenser aus Jerusalem war. Ich sehe mich als Deutscher besonders verpflichtet, jedem Rassismus entgegenzutreten. Ich würde gerne eine Chance sehen für Israel, aus dieser Situation herauszukommen, einer Situation, in der es sich fast als Sieger fühlen kann und doch nichts mehr als Niederlagen zu erwarten hat.

In den letzten Tagen und Wochen ist die Berichterstattung über Israel völlig auf die Räumung einiger weniger Siedlungen ohne strategische Bedeutung für Israel beschränkt gewesen. Die wirklichen und grundlegenden Fragen des Konflikts scheint niemand mehr stellen zu wollen. Darum hier ein Kommentar zu ihnen.

Wenn ich sage eine Chance für Israel, so meine ich damit sowohl Israel als Staat, als Land, in dem viele Juden leben als auch als Heim für alle Menschen, die dort leben. Aber ich sehe schlechte Chancen.

Mit wachsendem Entsetzen habe ich verfolgt, wie die Oslo-Vereinbarungen Stück für Stück von der israelischen Regierung zerpflückt und schließlich ganz zu den Akten gelegt wurden, wie die reale Alternative, die Israel hatte - theoretisch immer noch hat -, Land für Frieden und ein friedliches Zusammenleben mit den Nachbarn statt einer ständigen Situation „Weder Krieg noch Frieden“ einzutauschen, für ein Wolkenkuckucksheim vergeben wurde.

Entsetzt habe ich verfolgt, daß selbst israelische Friedensgruppen, deren Sprecher in deutschen Zeitungen schrieben, ausschlossen, daß die palästinensischen Flüchtlinge, die zu großen Teilen über verschiedene arabische Länder verteilt unter unwürdigen Umständen leben, je zurückkommen dürften in das Land ihrer Väter, auf den Boden, von dem sie vertrieben wurden.

Ab diesem Moment bekam ich Angst, daß Israel sich im falschen Glauben an eine Position der Stärke mehr und mehr in eine Sackgasse manövrieren würde, sich mehr und mehr von der Frage abwenden würde, ob seine Aktionen international bei den Menschen noch auf Zustimmung treffen, sich mehr und mehr in eine letztlich aussichtslose Position des „Alles oder Nichts“ verrennen könnte.

Leider haben sich alle diese meine Befürchtungen bewahrheitet. Bis auf eine Minderheit sind heute Positionen in Israel verbreitet, die auf schlimmsten Rassismus hinauslaufen, so als wäre es nicht gerade das jüdische Volk, das am extremsten die Exzesse des Rassismus zu spüren bekam.

Die Stimmen der Vernunft, die lange wesentliche Teile der Gesellschaft in Israel bestimmten, sind so leise geworden, daß sie beinahe unhörbar sind. Israel ist – und dies ist eine Tragödie – zu einer Art von Apartheidsregime geworden, nur ohne die internationalen Sanktionen.

Die Medien in Israel gaukeln den Israelis weiterhin eine weitgehende Zustimmung vor, aber sie besteht nicht mehr. Die Meinungsumfragen in Europa, die man in Israel (und in den europäischen Mainstream-Medien) als „einen neuen Antisemitismus“ abtat, sind eindeutig. Nein, es handelt sich nicht um Antisemitismus, es handelt sich um die Ablehnung der Politik eines Staates, der auf Unterdrückung, Gewalt, Mißachtung und Abschlachten eines anderen Volkes beruht.

In einer Befragung antwortetet die Mehrheit der Europäer, daß es die US- und israelische Regierung sind, von denen international die größte Kriegsgefahr ausgeht. Das ist weder Antiamerikanismus noch Antisemitismus, sondern ein Beweis für die sachliche Betrachtung der Fakten durch diese Europäer.

Was Israel, obwohl seine offizielle Politik schon seit den Anfängen unannehmbar war, immer noch ausgezeichnet hatte, war die Sympathie der weiten Mehrheit der Menschen auf der Welt (unter denen, die sich mit diesen Themen überhaupt beschäftigten), weil man sich auf den Holocaust bezog, weil niemand soviel Vorschuß-Sympathie hatte wie die Juden. Man sah auch immer die Stimmen der Vernunft in Israel, die damals noch kräftig waren.

Heute ist der Name Israel für eine klar überwiegende Mehrheit der Menschen auf der Welt (, die sich überhaupt mit solchen Themen beschäftigen) zu einem Synonym von Schlächtereien und Brutalitäten geworden, der Rücksichtslosigkeit gegen Beschlüsse internationaler Gremien, des offen arroganten Niederwalzens jedweder Beachtung der natürliche Menschenrechte, kurz, zum Inbegriff des Bösen, zu einem (um es im Jargon der Patenmacht Israels zu sagen) Schurkenstaat.

So manche in Israel glauben sich alles erlauben zu können, solange der große ‚godfather’ jenseits des Ozeans mitzieht. Das geht, so lange es hält. Heute aber kann der aufmerksame Beobachter feststellen, daß der „Große Bruder“ Israels selbst schon in Schwierigkeiten ist, wenn diese auch bisher seine Stellung als einzige Supermacht noch nicht ernsthaft in Frage gestellt haben.

Alles, was man voraussehen kann, ohne in Spekulationen zu verfallen, weist aber darauf hin, daß sich diese Schwierigkeiten in den kommenden 15 Jahren drastisch steigen werden. Schwerlich werden wir 2020 noch die USA als Weltenherrscher und alleinige Supermacht haben. Selbst wenn die ‚Blase’ der Schulden der Supermacht, die nicht bezahlt, sondern einfach durch Ausgabe neuer Titel auf asiatische Staaten abgeschoben werden, die mit diesen Dollartiteln ihre Exporte hoch halten, noch 12 Jahre anhalten sollte, wie es einige Analysten prophezeien, wird sie danach mit einem um so größeren Knall platzen. Wird die USA einmal anfangen müssen, ihre Schulden und vor allem die Zinsen wirklich zu bezahlen, wird kein Geld mehr für Anderes da sein. Wenn der Dollarkurs im Keller sein wird und niemand mehr den Dollar als Vergleichs- und Reservewährung benutzt, wird die USA in der Wirklichkeit angekommen sein und alles andere zu tun haben, als täglich Millionen nach Israel zu schicken.

Auch die millionenschweren täglichen Überweisungen der jüdischen US-Kolonie werden dann deutlich spärlicher werden. Ohne diese beiden täglichen Bluttransfusionen aber ist Israel als bärenstarker, übermilitarisierter Staat nicht möglich. Es würde auf das zusammenschrumpfen, was die in Israel hergestellten Werte repräsentieren – und das ist nichts, was eine Großmacht ausmachen könnte. Der heutige Großmacht-Status ist im wesentlichen auf den riesigen Beträgen der eingehenden Gelder basiert.

Heute lebt das öffentliche Bild Israels noch von der wortreichen Unterstützung durch die kapitalistischen Regierungen auch der anderen westlichen Staaten sowie durch deren Mainstream-Medien, die alles über Israel so weit wie möglich umlügen, aber auch jetzt schon nicht darum herumkommen, manchmal auch die Wahrheit durchscheinen zu lassen (außer der Springer–Presse natürlich).

Aber auch diese Länder werden in den kommenden 15 Jahren sich schnell wachsenden Oppositionsbewegungen ausgesetzt sehen, so wie das heute in Deutschland schon deutlich wird. Man wird mehr und mehr auf die Machterhaltung im eigenen Land sehen müssen und das beinhaltet zu einem bestimmten Zeitpunkt für jedes dieser Länder das Nachgeben gegenüber der Forderung, die einseitige Unterstützung Israels einzustellen. Jede dieser Regierungen wird die innenpolitische Erleichterung dem Festhalten an außenpolitischen Prinzipien vorziehen. Auch das wird tiefe Einschnitte für Israel als (noch) weithin unterstütztes Land inmitten einer feindlichen Umgebung bedeuten.

Diese beiden Faktoren, die materielle Unterstützung und die ideelle Unterstützung „des Westens“ machen die heutige Stärke Israels aus. Beginnen diese Dinge wegzubrechen, bleibt nur noch die blanke militärische Präsenz, aber die ist teuer und wird dann bald nicht mehr so aufrechtzuerhalten sein.

Heute in zwanzig Jahren wird Israel, wenn es dann noch besteht und wenn es nicht grundsätzlich umgekehrt ist auf seinem Weg, voraussichtlich aussichtslos in der selbstgestellten Falle zappeln.

Welche Chance hat Israel also?Es gibt nur eine Chance für Israel: Heute reicht es nicht mehr, auf die Oslo-Vereinbarung zurückzukommen. Heute besteht eine Chance nur noch auf der Basis der bekannten Resolutionen des Weltsicherheitsrates und der UN-Vollversammlung sowie den Entscheidungen des internationalen Gerichtshofes der UN sowie den unweigerlich dazugehörenden Dingen.

Das heißt im einzelnen und konkret:

1. Vollständiges Abwenden von den Prinzipien des Zionismus bezüglich des Eigentums an Land und der Überlegenheit der Juden sowie der Definition von Israel als jüdischer Staat. Komplette Trennung von Staat und Kirche.

2. Anerkennung aller in Israel Lebenden als Bürger mit gleichen Rechten.

3. Einigung mit den Palästinensern entweder auf Gründung eines gemeinsamen Staates auf den Territorien von Israel, der Westbank und dem Gazastreifen oder auf Gründung und Anerkennung eines eigenen palästinensischen Staates (neben dem Israelischen Staat) auf der Westbank und dem Gazastreifen unter Einschluß des arabischen Teils Jerusalems als Hauptstadt.

4. Ermöglichung der Rückkehr aller vertriebener und geflüchteter Palästinenser und Rückgabe deren Grund und Häuser. Wo eine solche Rückgabe nicht mehr stattfinden kann, sind angemessene Entschädigungen zu bezahlen. Soweit die Palästinenser aus Israel und nicht den jetzigen palästinensischen Gebieten stammen, ist ihnen freizustellen, ob sie nach Israel oder ggf. nach Palästina zurückkehren wollen.

5. Rückgabe der Golan-Höhen.

6. Räumung aller Siedlungen in den besetzten Gebieten. Rückzug auf die Grenzen vor 1967, Abbau der Mauer (Grenzzaun).

7. Angemessene Reparationszahlungen an die Palästinenser für die während der Besatzung vernichteten materiellen Werte (Häuser, Vieh, Ernten, Bäume, Landenteignungen etc.)

8. Garantie der ausreichenden Wasserversorgung für Palästina.

9. Friedensvertrag mit internationalen Garantien der Existenz Israels (und ggf. Palästinas) mit den arabischen Nachbarstaaten. Internationale Garantien für ein vollständiges gegenseitiges Nichtangriffs-Übereinkommen.

10. Entmilitarisierung des israelischen Staates und Entwaffnung der paramilitärischen palästinensischen Gruppen.

11. Anklagen und Prozesse gegen jene, die für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich sind wie auch gegen jene, die sie ausgeführt haben.

Ohne die Erfüllung dieses Katalogs (oder einem ähnlichen / entsprechenden) sehe ich keine Chance mehr für Israel, wird es im Jahre 2048 keine Feier der hundert Jahre Israel geben.


Dies ist ein Artikel von Elmar Getto vom letzten Jahr, ursprünglich erschienen am 24. August 2005 in der 'Berliner Umschau', damals noch 'Rbi-aktuell', der im Moment durch den neu aufgeflammten Nahostkrieg große Bedeutung gewinnt. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, daß nach gestrigen Veröffentlichungen 75% der Deutschen die jetzigen Angriffe des israelischen Staates ablehnen.

Mittwoch, 19. Juli 2006

Können die USA bankrott gehen?

Schwerwiegende Aussagen eines Mitglieds der Zentralbank

„Die USA könnten bankrott gehen“: Diese klare Aussage, wenn auch im Konjunktiv, hat laut einer Meldung des britischen „Telegraph“, der keinerlei Panikmache verdächtig ist, ein Professor Kotlikoff von der „Federal Reserve Bank of St. Louis“ gemacht, eine der führenden Institutionen der „US Federal Reserve“, der US-Zentralbank.

Der Professor bezieht sich dabei auf eine Reihe von Fakten:

1. Das Außenhandelsbilanz-Defizit der USA ist bei weitem das höchste der Welt und auch in absoluter Höhe besorgniserregend und - vor allem - immer noch weiter wachsend. Die USA importieren weit mehr als sie exportieren und das in ständig weiter steigendem Maße.

2. Das Budget-Defizit (mehr Staatsausgaben als Staatseinnahmen) hat ebenfalls besorgniserregende Höhen erreicht. Es ist ebenfalls das höchste der Welt. Dem steht natürlich auch die bei weitem stärkste Wirtschaftskraft der Welt gegenüber (in etwa so stark wie die gesamte EU), was den
internationalen Vergleich relativiert, aber die Defizite summieren sich nun bereits viele Jahre.

3. Die Staatsverschuldung der USA hat einen Punkt erreicht, an dem selbst für eine solche extrem prospere Volkswirtschaft die Grenzen erreicht sind, speziell unter Berücksichtigung von Punkt 4.

4. In naher Zukunft wird die Generation der US-Amerikaner mit der höchsten Geburtenrate (die Zeit nach dem 2.Weltkrieg) beginnen in Rente zu gehen (Baby-Boomers), was die staatlichen Rentenausgaben in ungeahnte Höhen steigen lassen wird. Dazu kommt, daß die Medicare und Medicaid-Ausgaben in ähnlichem Maße steigern werden (Medicare ist die Hilfe für ältere Bürger in Krankheit, Medicaid die für Bedürftige).

5. In der Amtszeit von Präsident Bush wurden massive Steuerkürzungen durchgeführt, speziell für Reiche und für große Unternehmen. Dadurch sind die Steuereinnahmen deutlich zurückgegangen und die Defizite haben sich vergrößert.

Dies alles zusammen wird nach Angaben des Professors auf eine Insgesamt-Zahlungslücke von unglaublichen 65,9 Trillion (Billionen) hinauslaufen. Das ist, ausgeschrieben, folgende Zahl: 65.900.000.000.000, also eine 65,9 mit elf Nullen. Der geneigte Leser braucht es erst gar nicht zu versuchen, niemand kann sich diese Zahl vorstellen.

Das ist mehr als fünf Mal das US-„Gross Domestic Product“ (in etwa: Brutto-Sozialprodukt). Dieses Riesenloch könnte schwerste Auswirkungen auf den Dollar haben. Der Dollar ist im Moment die Welt-Reservewährung. Das bedeutet, die US-Federal Reserve kann soviel Staats-Dollar-Anleihen herausgeben, wie sie will, sie werden immer gekauft werden.

Das hat seine guten Gründe. Seit am Ende des Zweiten Weltkriegs das Bretton-Woods-System eingeführt wurde, hat die USA immer alle ihre Schulden und Zinsen bedient und man kann sich sicher sein, daß man genau das herausbekommen wird, was draufsteht. Ebenso hat es seit dieser Zeit in den USA keine galoppierende Inflation gegeben, die den Wert des Dollars vernichtet hätte. Der Dollar ist schlicht und einfach das zuverläßigste, was ein Finanzanleger oder eine Zentralbank sich wünschen kann.

Würde aber nun entweder eine hohe Inflation in den USA entstehen und/oder der Dollar aus Furcht vor einem Dollar-Crash gewaltig im Wert fallen, dann würde eine Flucht aus dem Dollar einsetzen, die heute mit elektronischen Methoden innerhalb von Minuten einen Wertverlust von 50% ergeben kann - wenn auch in solchen Fällen der Handel unterbrochen wird. Beginnt er aber erneut, wird eben doch dahin gegangen, wo es hingehen muß.

In der Praxis ist es das, was der Professor mit dem „Bankrott-Gehen“ der USA meint. Der Dollarkurs im Keller, der Dollar als Reservewährung praktisch nicht mehr vorhanden, die Zuverlässigkeit des Dollar unterminiert, die Wirtschaftskraft der USA angeschlagen. Plötzlich würden die gewaltigen Importe der USA etwas in der Richtung vom Doppelten kosten, was praktisch nicht zu zahlen wäre. Damit würde der ganze Wohlstand in den USA auf ein deutlich niedrigeres Niveau geworfen, viele Fabriken geschlossen, viele Arbeiter auf die Strasse gesetzt.

Die Armen wären natürlich, wie immer im Kapitalismus, die am Schlimmsten Betroffenen. Gewaltige Hungersnöte würden das Land erschüttern, eventuell auch soziale und oder rassische Unruhen.

Dazu käme die akute Gefahr einer galoppierenden Inflation, denn die Importpreise sind ja plötzlich fast doppelt so hoch. Deshalb kann dem auch nicht mit Gelddrucken oder Anleihen-Ausgeben entgegengetreten werden, denn das hätte genau diesen Effekt, die Inflation anzuheizen.

Der einzige Ausweg in einer solchen Situation ist zuzusehen, bis man am Boden des Lochs angekommen ist und dann mit der Hände Arbeit langsam wieder zu versuchen herauszukommen.

Etwas Vergleichbares ist zum Beispiel mit Argentinien am 22. Dezember 2001 und in den darauffolgenden Wochen geschehen.

Das alles bedeutet nicht das Ende des Lebens in jenem Land, aber bezogen auf die USA wäre es das Ende des Supermacht-Status.

Aber gemach, erstens ist es noch nicht so weit und zweitens muß es auch gar nicht dazu kommen. Die USA können dies noch mit energischen Maßnahmen vermeiden, die jenen oben genannten Gefahren entgegenwirken. Allerdings ist im Moment keinerlei Ansatz zu einer solchen Politik bei der US-Regierung zu erkennen.

Link zum Originalartikel hier

Sonntag, 16. Juli 2006

5 Millionen Arbeitslose einstellen

Sie haben über unsere Verhältnisse gelebt!

Von Elmar Getto

Inzwischen hat auch die Bundesregierung eingestanden, daß Hartz IV keineswegs zu Einsparungen im Haushalt geführt hat. Nun stellt sich mehr und mehr heraus, daß es sogar für hohe zusätzliche Ausgaben verantwortlich ist. Zählt man außerdem die hohen Kosten für die Haushalte, die sich durch die Arbeitslosigkeit ergeben, also entgangene Steuereinnahmen und Sozialabgaben und zählt man die ganzen Kosten der sündteuren Agentur ohne Arbeit dazu, so kommt man zu einem klaren Ergebnis: Würde der deutsche Staat fünf Millionen Arbeitslose einstellen zu einem durchschnittlichen Monatseinkommen von - sagen wir - 1 800 Euro, so würden sich die Kosten für den Staat deutlich verringern.

Wir hätten über unsere Verhältnisse gelebt, so hieß es. Die öffentlichen Haushalte müßten saniert werden. Es sei nicht mehr so viel Geld da für die angebliche „soziale Hängematte". Dies alles waren Begründungen für Hartz IV und sie zogen auch bei vielen Menschen in Deutschland. Bis heute glauben die meisten, Hartz IV sei zum Sparen eingeführt worden. Die Realität ist eine völlig andere. Hartz IV hat vielmehr die Kosten für die öffentlichen Haushalte noch einmal in die Höhe geschraubt. Gehen wir den Fragen von "Sparen", "über Verhältnisse leben" und "nicht genügend Geld da" genau nach, kommen wir zum Schluß: Die Einheitspartei-Politiker haben über unsere Verhältnisse gelebt!

Nach den letzten vorliegenden Zahlen (das sind die von 2004, also vor Hartz IV, aber nun wissen wir ja, daß es mit Hartz IV noch teurer wurde) sind die Kosten der Arbeitslosigkeit für den Staat die folgenden ('Rbi-aktuell' - jetzt 'Berliner Umschau' - veröffentlichte diese Zahlen schon im Juli, aber es wurde noch nicht die Gegenrechnung aufgemacht):- Arbeitslosengeld: 24,7 Mrd Euro- Arbeitslosenhilfe: 16,9 Mrd Euro- Nicht bezahlte Sozialbeiträge: 23,6 Mrd Euro- Nicht bezahlte Steuern: 15,9 Mrd Euro.

Das sind zusammen also 85,7 Milliarden Euro, eine unglaublich hohe Summe. Seitdem ist die (offizielle) Arbeitslosigkeit auf durchschnittlich über 5 Millionen gestiegen und laut Regierungsangaben sind die Ausgaben durch Hartz IV ebenfalls um über 12 Milliarden über den erwarteten gelegen, also kann man für die aktuelle Situation ohne weiteres noch einmal etwa 15 Milliarden Euro draufschlagen und hat immer noch nicht hoch geschätzt. Damit sind wir also bei der fast nicht vorstellbaren Summe von etwa 100 Milliarden Euro, die die Arbeitslosigkeit in Deutschland jährlich den Staat kostet, das ist folgende Zahl: 100.000.000.000, also eine 1 mit 11 Nullen.

Hier ist allerdings noch gar nicht eingeschlossen, was auch noch die Bundesagentur ohne Arbeit mit all ihren Unteragenturen kostet und was die ARGEs kosten in den Landkreisen und Städten. Nach den letzten Angaben (die sind je nach Quelle unterschiedlich) liegt dieser Betrag im Bereich von zwischen 20 und 40 Milliarden. Zusammen ergibt sich also ein Kostenpaket von - niedrig geschätzt - 120 bis 140 Milliarden Euro.

Und nun rechnen Sie einmal mit uns nach, was das jährlich ergäbe, wenn der Staat die 5 Millionen Arbeitslosen mit durchschnittlich 1 800 Euro im Monat (einschlieslich des Arbeitgeberanteils der Sozialversicherungen) einstellen würde: 5.000 000 x 1.800 Euro x 12 = 108 Milliarden Euro.

Das wären also Einsparungen in der Größenordnung von zwischen 12 und 32 Milliarden Euro für die öffentlichen Haushalte, wahrscheinlich mehr.Wir brauchen dabei gar nicht in die Details dieses Modells einsteigen, z.B. darüber reden, zu welchen Arbeiten denn der Staat diese 5 Millionen Menschen heranziehen könnte, denn es kann natürlich keine Rede davon sein, daß unsere ruchlose Politikerkaste auch nur anfängt darüber nachzudenken, dies wirklich zu tun.

Jeder weiß natürlich auch warum. Wären alle diese Arbeitslosen untergebracht, wie könnte man dann verzweifelte Leute produzieren, die sich den Kapitalisten für Mini-Löhne offerieren?

Es wird also klar: Hartz IV diente nicht dem Sparen und sollte dies auch nie. Es ging um die Schaffung von niedrigst bezahlten Arbeiten in riesigem Ausmaß in Deutschland und die Verbreitung von Elend bei den Arbeitslosen und von Furcht und Schrecken bei denen, die noch Arbeit haben, um sie weich zu kochen für Verschlechterungen. Dafür gibt der nette neoliberale Politiker von nebenan schon mal gerne zwischen 12 und 32 Milliarden mehr aus.

Wenn Ihnen also das nächste Mal irgend jemand aus unserer gnadenlosen Politikerkaste was erzählen will von „leeren Kassen", von „Haushalte sanieren", von „dafür kein Geld da" usw., dann wissen Sie, für was jene freundlich-strengen Damen und Herren das Geld ausgegeben haben: Um ihren Auftraggebern in den Konzernetagen Niedriglohngruppen und einen riesigen Niedriglohnsektor zu bescheren.

Gleichzeitig wird aber auch klar: Im echten Sozialismus, wenn die Bedürfnisse der Menschen bestimmen werden, was gemacht wird, kann man mit einem Schlag die gesamte Arbeitslosigkeit beseitigen und Millionen Menschen für sinnvolle und nötige Arbeiten einsetzen und angemessen bezahlen. Das alles ohne zusätzliche Kosten für den Staat.


Hier stelle ich einen weiteren wichtigen Artikel von Elmar Getto in den Blog, der ursprünglich in der Berliner Umschau (siehe Link rechts) am 19.10.2005 erschienen ist. Es geht um den finanziellen Nachweis, daß für die Kosten von 'Hartz IV' 5 Millionen Arbeitslose mit einem anständigen Einkommen eingestellt werden könnten.

Link zum Originalartikel hier


Andere Artikel zur Hartz IV im Blog:

"Dossier Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend"

"19 Fälle – Die Realität von Hartz IV"

"Nicht genug zu essen – Hartz IV – Realität in Deutschland 2007"

"Die neuesten Hartz-Sauereien – Das Mass ist voll!"

"Hartz IV – Absurd, absurder, am absurdesten – Das Chaos war geplant!"

"Hartz IV – Berliner Zeitung schert aus dem Chor der Missbrauchsankläger aus"

"Grundversorgung von 1600 Euro käme billiger als heute."

"Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden"

"Hartz IV führt in Obdachlosigkeit"

"Hartz IV–Empfänger müssen kalt duschen, im Dunkeln sitzen und Wasser trinken"

"Hartz IV: Vertreibung von Mietern"

"Hartz IV–Betroffene: Daumenschrauben anziehen!"

"Hartz-IV: Jetzt auch noch Sippenhaft"

"Hartz IV: Nieder auf die Knie!"

"Kein Anspruch auf fabrikneue Kleidung"

"Hartz IV: Unter den Brücken schlafen?"

"Hartz IV: Der angeleinte Mensch"

"Hartz IV: Der Fall Brigitte Vallenthin"

Die Legende vom Sparen

Dafür ist kein Geld da!

Landauf, landab erklären Politiker, Medien und auch ein Teil der irregeleiteten Bundesbürger, es müsse eben gespart werden. Es sei eben nicht mehr so viel zu verteilen da und da müsse jeder sein Scherflein beitragen. Kein Kindergarten, öffentliche Bäder geschlossen, öffentlicher Nahverkehr unbezahlbar, mehr als 30 Kinder in einer Klasse: Tut uns ja so leid, aber man muß sparen. Es fehlt einfach Geld an allen Ecken und Enden!

Die allgemeine Sparorgie ist nichts als eine Legende, das ganze Spargetue ist nicht mehr als „bullshit", wie sich unsere amerikanischen Freunde auszudrücken pflegen.

Leider haben sich auch bereits weite Teile der Linkspartei/WASG auf diese Sprachregelung eingelassen. In Berlin, wo sie mitregieren, erklären die „Genossen", es sei eben kein Geld da. Wenn man sich den Bundeshaushalt ansieht, so müßte der also geschrumpft sein - 30, 40%. Das ist aber wundersamerweise nicht der Fall. Er ist im wesentlichen gleichgeblieben. Nur kleine Veränderungen von Jahr zu Jahr, mal etwas nach unten, mal etwas nach oben. Moment mal, wie kann das sein, wenn doch überall das Geld hinten und vorne fehlt?

Warum glauben die Politiker eigentlich, wir seien so dumm, daß wir nicht einmal die Zahlen des Bundeshaushalts der letzten Jahrem und dieses Jahres vergleichen können?

Das Ganze begann unter der Regierung Kohl. Die Monopolkonzerne hatten ageordnet, daß nun Schluß mit lustig sein mußte, soziale Leistungen sollten rigoros abgebaut werden. Gehorsam startete Kohl die erste Sondierung, den ersten Versuch, massiv Soziales abzubauen und zu sehen, was geschieht. Doch die Regierung Kohl und die Herren der Konzerne fielen voll aufs Maul. Man hatte dort angefangen, wo die größte Kampfkraft der Arbeiter lag: Man versuchte als erstes, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu kappen und bereitete bereits das Ende der Steuerbefreiung der Nacht- und Schichtzuschläge vor.

Daraufhin begannen Streiks in mehreren großen Betreiben, hauptsächlich bei DaimlerChrysler, zunächst befristet. Praktisch alle Arbeiter machten mit. Die SPD-gelenkten Gewerkschaftsführungen sahen die große Gelegenheit, der scheinbar unschlagbaren Kohl-Regierung eins auszuwischen und ihre Partei als Alternative anzupreisen. Sie organisierten die Streiks und Kohl mußte schnellstens zurückrudern, um nicht in die Situation zu geraten, die ein Villepaine in Frankreich vor kurzem kennengelernt hat.

Der Mythos der Kohl-Regierung war vorbei, der Weg war frei für Schröders und Fischers Sieg 1998 in den Bundestagswahlen. Das war genau, was die Monopole nun brauchten. Sie wußten, das die Arbeiter ohne die SPD-Führer nur schwerlich streiken konnten, also brauchte man die SPD an der Regierung. Und so geschah es. Die meisten, die damals SPD und Grüne wählten, glaubten, ein kleineres Übel gegenüber der CDU-FDP-Regierung gewählt zu haben. In Wirklichkeit hatte man genau jene gewählt, die die Monopole jetzt wollten.

Bereits kurz nach der Regierungsübernahme beschloß Rot-Grün die größte Unternehmenssteuer-Entlastung, die Deutschland je gesehen hat. Es wurden alle Arten von Abschreibungsmöglichkeiten eingeführt, speziell für all jene Dinge, die große Konzerne abschreiben wollen. So kam man zum Ergebnis, daß die Monopolkonzerne praktisch keine Steuern mehr zahlen brauchten, z.T. sogar Geld aus anderen Jahren wieder herausbekamen.

Du verlagerst deine Fertigung nach Polen? Klar, daß du alle Kosten dafür abschreiben kannst! Dein Gewinn ist in Irland angefallen? Brauchst du in Deutschland keine Steuern mehr bezahlen! Deine Aktien sind gefallen? Kannst du von den Steuern absetzen! Kosten für Entlassungs- und Frühpensionierungsaktionen? Kannst du von den Steuern absetzen! Die Krise hat dir Verluste beschert? Dafür bekommst du Steuern vom letzten Jahr wieder raus! Usw. Usf. Insgesamt fehlen seitdem etwa 100 bis 150 Milliarden Euros jedes Jahr im Staatssäckel, während in den Vorstandsetagen ohne Unterlaß die Sektkorken knallen.

Diese ganze „Reform" wurde zunächst in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, weil die Folgen nicht unmittelbar zu sehen waren. Noch schien ja alles seinen gewohnten Gang zu gehen.

Charakteristisch war auch, daß diese Unternehmenssteuer-Abschaffung praktisch nicht auf kleinere Betriebe anzuwenden war. Für sie blieben die Steuern vielmehr gleich hoch. Da wurde klar wie kaum je zuvor, daß wir nicht mehr im normalen Kapitalismus, sondern im Monopolkapitalismus leben, in dem nur die großen, die Monopol-Konzerne das Sagen haben.

Als dann, bereits während der ersten Rot-Grünen Legislaturperiode, nach und nach die staatlichen Leistungen in den Kommunen (und auch Ländern) abgebaut zu werden begannen, merkten zunächst nur wenige, daß es das Geld der Konzerne war, das nicht mehr in den Kommunen und Ländern ankam, die daraufhin Grundlegendes zu streichen begannen. Es begann die Zeit der Privatisierungen, der „Public-Private"-Konzepte, das Herunterfahren der Lehrerstellen, das Schließen von Schulen, die Krankenhäuser ließ man einschnurzeln usw. usf. Die Bahn wurde aufs Abstellgleis gefahren, die Post zum Tode verurteilt, der öffentliche Nahverkehr mehr und mehr ausgetrocknet.

Man stelle sich nur vor, wenn die Unternehmensbesteuerung noch so wäre wie zu Kohls Zeiten. Es stünden zwischen 100 und 150 Milliarden Euros mehr zur Verfügung. Man könnte eine wirkliche Familienförderung durchführen, Kindergärten für alle anbieten, die Schulklassen verkleinern, den öffentlichen Nahverkehr ausbauen und billigere Tickets anbieten, die Bahn zu einem wirklichen Verkehrsmittel für Alle und alle Güter ausbauen - zu angemessenen Preisen -, die öffentlichen Bäder wieder öffnen, die preiswerten Wohnungen in der öffentlichen Hand lassen, die Krankenhäuser zu wirklichen Gesundheitszentren machen - und hätte immer noch Geld übrig für weitere wichtige Aufgaben.

Stattdessen wurde all dies Geld den Großkonzernen in den Rachen geworfen, die sich dafür mit mehr und mehr Entlassungen und Stellenabbau bedankten. Als es dann 2002 wieder ans Wählen ging, hattten schon eine Reihe von Rot-Grün-Wählern gemerkt, daß von „kleinerem Übel" keine Rede sein konnte. Doch mit dem Trick vorzugeben, man werde sich nicht am Irak-Krieg der US-Regierung beteiligen, konnte Rot-Grün noch ein zweites Mal triumphieren, wenn auch knapp. In Wirklichkeit war der Beitrag der Bundesrepublik als „Etappe" für den völkerrechtswidrigen Krieg weit größer als zum Beispiel der von Spanien oder Italien.

Nun wurde das zweite große „Reform"-Projekt der Monopole in Auftrag gegeben. Diesmal sollte der massive Abbau von Löhnen, die Einführung von Niedrigstlöhnen und das Durchlöchern des gesamten Netzes von Tarifverträgen erreicht werden. Man war sich klar, daß dies nicht dadurch möglich war, daß man einfach in den Tarifrunden minus 10% forderte. Es wurde das Projekt Hartz IV geboren, erstellt in einer Komission durch die Monopolverbände und Schröder zum Umsetzen vorgelegt, der dann auch keine Zeit verlor.

Man mußte die Arbeitslosen in Armut stürzen, sie demütigen bis aufs Unterhemd, so daß der Fall in die Arbeitslosigkeit für die Arbeiter (und Angestellten) zum absoluten Alptraum würde. Dann brauchte man nur noch Entlassungen ankündigen und konnte jegliche Verschlechterung durchsetzen, denn damit würden ja Entlassungen verhindert. Ebenso würde man so einen Niedrigstlohnbereich einführen können, denn der wäre ja immer noch besser als Hartz IV.

So wurde dann - wieder unter dem Vorwand von angeblichem Sparen - Hartz IV durchgezogen. In Wirklichkeit war jedem klar, der rechnen konnte, daß Hartz IV selbstverständlich keinen Cent Einsparung bringen, sondern eher mehr kosten würde, so wie es dann ja auch kam. Auch daß Hartz IV natürlich nicht einen mehr in Arbeit bringen würde, war völlig klar. Es ging ja auch nicht um Einsparungen und nicht um Arbeitsplätze, sondern um mehr Profite für die großen Monopolkonzerne.

Man braucht sich nur die Unternehmensberichte durchsehen, die im ersten Halbjahr 2006 für 2005 veröffentlicht wurden: Es hat geklappt, die Profite haben Höhen erreicht, die selbst hartgesottenen Spitzen-Managern die Freudentränen in die Augen treiben.

Insoweit hört es sich auch immer wieder rührend an, wenn bemängelt wird, daß Hartz IV doch eine so riesige Bürokratie geschaffen habe, daß es so schlecht gemacht sei. Es ist genauso gemacht, wie es sein sollte.

Aber selbst wenn wir dies alles nicht berücksichtigen. Wenn wir einfach sagen: Nun, mehr als da ist, ist eben nicht in der Steuerkasse, wäre denn dann wenigstens die Sparhysterie gerechtfertigt?

Nicht die Bohne.

Sieht man sich nämlich genau an, für was alles Geld da ist, Millionen von Euros da sind, wird klar, daß mans wirklich hat, aber eben nur für das, was man will.

Schweigen wir hier von Militärausgaben und Auslandseinsätzen, für die immer genug Geld da ist, nehmen wir andere Beispiele.

Reden wir hier auch nicht von den gewaltigen Kosten für die Betreuung, den Transport und die Aufbewahrung der Atommüllabfalle, für die jene besitzenden Konzerne keinen Cent bezahlen müssen.

Fangen wir mal mit den ca. 100 Milliarden Euro an, die Deutschland jedes Jahr in die Europäische Union zahlt. Jeder Cent davon ist rausgeworfenens Geld. Diese unglaubliche Summe von Geld wird nämlich fast ausschließlich für zwei Dinge ausgegeben: Für die Brüsseler Bürokratie und für Subventionen, die fast ausschließlich an Konzerne gehen.

Daß die Brüsseler Bürokratie so überflüssig ist wie ein Kropf, bracht nicht mehr eigens erläutert zu werden. Um Verordnungen darüber zu schaffen, um wieviel cm die Verpackung größer sein darf als das Produkt, dafür braucht man keinen Apparat von 21 000 Bürokraten, das könnte im Einvernehmen der Länderministerien geregelt werden - wenn so etwas denn regelwürdig ist.

Aber auch die Subventionen Europas, laufen sie unter dem Namen Agrarsubventionen oder Regionalfonds oder anderen, haben keinerlei Daseinsberechtigung. Weder die kleinen Bauern werden davor gerettet ihrer Höfe aufgeben zu müssen noch werden unterentwickelte Regionen Europas gestützt. In Wirklichkeit sind das alles Gelder, die am Ende in den Taschen der Großkonzerne landen.

Was man mit 100 Milliarden jährlich alles Sinnvolles anfangen könnte!

Um sich nur einmal ein Bild zu machen, was da für eine Schlange am Busen der Steuerzahlen gezüchtet wurde, hier einige Zahlen vom unabhängigen österreichischen Europa-Abgeordneten Hans-Peter Martin zum Beamten-Futtertrog Brüssel: Die durchschnittliche Pension eines Europa-Beamten beträgt 5.509 Euro, das ist der Durchschnitt, also vom Pförtner bis zum Generaldirektor. Die Ausgaben allein für Pensionen dieser Beamten sind seit 1999 um 75% angestiegen. Heute stehen bereits Pensionszusagen fest, die den europäischen Steuerzahler mit 22,8 Milliarden Euro belasten werden - bei wohlgemerkt, wie gesagt, nur 21.000 Beamten!

Bereits jetzt gibt es 7.500 ehemalige Euro-Beamte. Die durchschnittliche Pension der Spitzenbeamten beträgt 10.500 Euro! Allein die Pensionsleistungen kommen heute auf 491,5 Millionen Euro jährlich. 2004 gab es eine Sonderregelung, daß die Beamten bereits mit 50 in Pension gehen konnten. Gehen sie in Pension, bekommen sie zunächst einmal 6 Monate ihr Gehalt weiter, dann für 5 Jahre 70%. Das alles sind keine Renten, sondern Pensionen, für die also bestenfalls symbolische Eigenleistungen eingezahlt werden. Na, man hats ja!

Aber nicht nur für den allseits unbeliebten Brüsseler Wasserkopf und seine Subventionen wird Geld zum Fenster hinaus geworfen.

Ein besonders interessantes Kapitel ist das Übergeben von Hunderten von Millionen von Euros an Firmen, die dies absolut nicht brauchen. Zum Beispiel trifft das zu auf die FIFA. Es handelt sich um eine der reichsten Handels-Firmen im ganzen Sportgeschäft. Was sie verkauft? Sportrechte! Die Rechte, die sie für die WM in Deutschland verkauft hat, darunter Fernsehrechte, Werberechte, Eintrittskarten usw. werden auf größenordnungsmäßig 3 Milliarden Schweizer Franken geschätzt, allein die Fernsehrechte kosteten 1,8 Milliarden Euro.

Nun, verehrter Leser, wenn Sie eine Firma aufmachen, die in Deutschland etwas verkauft, dann müssen Sie natürlich dafür Steuern zahlen. Nicht so die FIFA. Ihr wurde im Rahmen der deutschen Bewerbung für die WM 1998 zugesagt, daß sie völlig steuerbefreit sein würde. Damit hat man nach „Wikipedia" auf etwa 250 Millionen Euro verzichtet.

In diesen 250 Millionen Euro aber noch keineswegs eingeschlossen die ganzen Polizeiaufgebote und sonstigen staatlichen Maßnahmen, um die WM zu organisieren und abzusichern. Auch das alles, was von jeder anderen Firma natürlich bezahlt werden müßte, wird der FIFA umsonst gegeben. Aber man hats ja, warum soll man dann nicht ein bißchen der FIFA abgeben, nicht wahr?

So könnte man noch seitenweise weitermachen. Es wird Geld verpulvert, daß es eine Art hat, während man uns gleichzeitig weismachen will, es würde gespart und es sei kein Geld vorhanden.


Link zum Originalartikel hier

Mittwoch, 28. Juni 2006

Willkommen im neuen Weblog "Karl Weiss - Journalismus"

Ab heute gibt es also dieses Blog.

Es soll hauptsächlich dazu dienen, meinen Lesern die Artikel zugänglich zu machen, die ich in der "Berliner Umschau" schreibe. Dazu sind alle aufgefordert, Kommentare zu schreiben, zu kritisieren und Anregungen zu geben. Ich weiß heftig zu kritisieren, kann aber auch einstecken. Ich werde nach und nach auch ältere Artikel einstellen, so daß alle (und ich selbst) auf Geschriebenes Zugriff haben. Ebenso habe ich mit Elmar Getto ausgemacht, daß ich auch einige wichtige Artikel von ihm hier einstellen werde.

Wer meine Artikel kennt, speziell die mit politischem Inhalt, weiß, daß sie üblicherweise nicht die Tagesaktalität suchen, sondern die Zusammenhänge und Hintergründe beleuchten.

Ich wünsche also allen (und mir) viel Spass mit diesem Blog.

Karl Weiss, Rio de Janeiro

Karl Weiss - Journalismus

Bürger-Journalist - Nachrichten-, Politik-, Brasilien- und Bilder-Blog

Willkommen / Impressum

Willkommen im Weblog Karl Weiss - Journalismus.
Der Weblog Karl Weiss - Journalismus ist umgezogen. neue Adresse: www.karl-weiss-journalismus.de
IMPRESSUM
Ich bin zu erreichen über weiss.karl@ rocketmail.com
Ich wünsche also allen (und mir) viel Spaß (und Ernst) mit diesem Blog.
Karl Weiss, Belo Horizonte, Brasilien

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