Verdursten in Falludscha
US-Truppen, wie wäre es mit mit Galle befeuchteten Schwämmen?
Von Elmar Getto
Anlässlich des kürzlichen zweiten Jahrestages der Rückkehr der wenigen Überlebenden Zivilisten nach Falludscha wird hier ein Artikel von Elmar Getto von damals zum Vorgehen der US-Truppen gegen Zivilisten in dieser irakischen Stadt erneut veröffentlicht. Die Massaker dürfen nicht vergessen werden!
Die Nachrichtenagentur Inter Press News Service veröffentlichte am Freitag einige Aussagen von Personen, die aus Falludscha entkommen konnten und nun in Lagern leben.
Dabei werden nicht nur die schon bekannten Mißachtungen der Genfer Konvention erneut vorgebracht, sondern auch neue und weiter gehende Anklagen erhoben.
Ein ehemaliger Bewohner des Stadtteils Julen, wo einige der heftigsten Gefechte stattfanden, wird zitiert: „Sie benutzten diese komischen Bomben, die Rauch in einer Pilzwolke ausstoßen. Dann fallen kleine Teile aus der Wolke, die lange Schwänze von Rauch hinter sich herziehen.“
Das entspricht der Beschreibung einer Chemie-Waffe. Solange keine näheren Angaben vorliegen, muß man davon ausgehen, daß es sich um den Einsatz von CS-Gas handelt.
CS-Gas wird von der Polizei in verschiedenen Ländern, so auch in der Bundesrepublik, zur Auflösung von Demonstrationen verwendet. Es hat neben dem Effekt des Reizgases (Tränenreizung) in höheren Konzentrationen (also für Personen, die sich in der Nähe befinden) auch Auswirkungen auf andere Körperfunktionen, die von Erbrechen und Übelkeit über Bewußtlosigkeit mit Konvulsionen zu unwillkürlichen Krämpfen führen. Die Gefahr für Leib und Leben besteht einerseits darin, daß ein Erbrechen bei Bewußtlosigkeit zum Einatmen von Erbrochenem führen kann (was eine tödliche Gefahr bedeutet) und anderseits, daß die Bewußtlosigkeit dazu führen kann, daß die betroffenen Personen lange Zeit im Einflußbereich des Gases verbleiben. Bei Langzeiteinwirkung ist CS ein tödliches Gas, wie mit Tierversuchen bewiesen wurde.
Die Polizeibehörden argumentieren damit, daß beim Auflösen von Demonstrationen schnelle Hilfe für eventuell Bewußtlose erreichbar ist und deshalb keine Gefahr bestünde.
Selbst wenn man dieses Argument akzeptiert, ist es doch klar, daß CS-Gas in Kriegen als Chemie-Waffe und damit verboten angesehen wird und werden muß. In Kriegen ist es offensichtlich, daß schnelle Hilfe selten zur Stelle ist und es sich damit um den Einsatz eines chemischen Stoffes zum „Außer-Gefecht-Setzen“ und auch zur Tötung handelt, was ja eben die Definition von Chemie-Waffen ist.
In Falludscha war es besonders offensichtlich, daß es keine schnelle Hilfe (in Wirklichkeit überhaupt keine Hilfe) für Verletzte und Bewußtlose gab. Nach vielen Zeugenaussagen schossen US-Heckenschützen auf alles, was sich auf den Straßen bewegte und machten damit das Bergen von Verletzten unmöglich.
Besondere Empörung haben in arabischen Ländern die Zeugenaussagen von verschiedenen Personen hervorgerufen, daß auf den Straßen liegende Verwundete von US-Panzern und gepanzerten Fahrzeugen gezielt überrollt wurden
Auch die typischen Anzeichen von Phosphor- oder Napalm-Brandbomben, die ausdrücklich verboten sind, werden berichtet: „Teile dieser Bomben verursachten plötzlich große Brände. Die Haut wurde verbrannt, auch wenn man Wasser auf die betroffenen Stellen schüttete.“
Daneben gibt es vielfache Zeugen vom willkürlichen Abschlachten von Zivilpersonen.
Fliehende Zivilpersonen (Frauen, Kinder, alte Männer) machten sich vielfach mit improvisierten weißen Fahnen kenntlich: „Sie wurden alle erschoßen.“
Andere versuchten zu fliehen, indem sie durch den Euphrat schwammen. „Die Amerikaner erschossen sie vom Ufer aus.“
US-Soldaten, so wird berichtet, drangen in einem Krankenhaus in den Operationssaal ein und zwangen die Ärzte, die Operation zu unterbrechen, so daß der Verletzte starb.
In einem Fall hätten die US-Truppen Personen, die Falludscha verlassen wollen, aufgefordert, zu einer Moschee zu kommen. Die Gruppen von Menschen, die mit weißen Flaggen dorthin gingen, wurden ausnahmslos erschoßen.
In den Lagern, in denen ein Teil der Bevölkerung Falludschas untergekommen sind, fehlen Wasser, Essen, Unterkunft und Kleidung. Die US-Truppen sehen sich dafür nicht verantwortlich.
Ein Repräsentant des „Roten Halbmonds“ berichtet, daß die US-Truppen bis heute keine Helfer nach Falludscha lassen unter dem Vorwand, ihre Sicherheit könne nicht garantiert werden.
Es ist bekannt, daß sich noch viele Zivilisten in den Häusern Falludschas versteckt halten (Sie können ja nicht heraus, denn weiterhin wird auf alles geschossen, was sich auf den Straßen bewegt).
Ebenso ist bekannt, daß die Wasserversorgung Falludschas seit dem Beginn der Offensive vor fast einem Monat gesperrt ist. Das andauernde Verhindern des Zugangs jeder Hilfe bedeutet wohl, daß eine unbekannte Zahl von Personen gezielt dem Tod des Verdurstens ausgesetzt werden.
Wo sind nun die New York Times, die Washington Post oder die Los Angeles Times, wo sind CBS, ABC, CNN und Fox, die Fragen an die US-Regierung über das Verdursten der Zivilisten in Falludscha stellen? Was hindert die Medien in Frankreich, Großbrittanien, Italien, Spanien, Polen usw. diese Fragen zu stellen und auf Antworten zu dringen?
Wo sind all die berühmten Reporter und Kommentaristen vom Ersten, vom Zweiten, von RTL, von Sat usw., wo die Kommentatoren der Welt, der FAZ, von Bild, dem Spiegel, der Süddeutschen der WAZ und wie sie alle heißen? Nicht ein Einziger wagt nicht einmal EINE Frage zu stellen, geschweige denn auf Antworten zu dringen, angesichts von Hunderten (vielleicht Tausenden) von Verdurstenden????
Wozu ist dieses Pack in den Medien noch gut außer der Hofberichterstattung?
Eine besondere Note bekommt der Tod des Verdurstens angesichts eines Obersten Kommandeurs der US-Truppen, der sich als besonders christlich gibt, wenn man bedenkt, daß es eben dieser Tod durch Verdursten ist, den nach seinem Glauben Gottes Sohn am Kreuz gestorben ist.
Wie der Evangelist berichtet, war eines der letzten Worte Jesus am Kreuz: „Mich dürstet.“
Wie wir weiter erfahren, führte einer der römischen Schergen dann einen mit Galle befeuchteten Schwamm an dessen Lippen (was das Leiden des Durstens noch vergrößert).
Sollten wir das US-Oberkommando nicht wenigstens fragen, ob sie in Falludscha nicht mit Galle befeuchtete Schwämme verteilen wollen?