'Gegen Demokraten helfen nur Granaten'
Von Karl Weiss
Ein Interview von Peter Kleinert mit dem evangelischen Schulpfarrer Dr. Stoodt, dieser Tage veröffentlicht in Kleinerts `Neue Rheinischen Zeitung`, legt den Finger in eine offene deutsche Wunde: Die systematische Förderung sowie das gleichzeitige Herunterspielen der faschistischen Gefahr in Deutschland durch angeblich christliche Politiker und durch die Massenmedien.
Das Interview fand bisher nur wenig Resonanz, zumal die NRhZ mit ihrem „Flyer“ im Internet außerhalb des Kölner Bereichs noch wenig bekannt ist.
In den Jahren 2000 bis 2006 gab es in Deutschland insgesamt 1343 Fälle rechtsextremer Gewalttaten, von Anschlägen über Morde zu schweren Körperverletzungen mit Dauerfolgen und Körperverletzungen. Dazu kommen Tausende von Fällen, in denen die Täter nicht oder nicht eindeutig als Rechtsaussen identifiziert wurden, was dann nicht als 'rechtsextreme Gewalt' registriert wird. Dabei wurden in insgesamt 1640 Fälle Waffen gefunden, die eindeutig sogenannten Neonazis zuzuordnen waren, auch dies nur die Spitze des Eisbergs.
Seit 1989 sind 136 Menschen in Deutschland dem Terror von Faschisten, hier meist ‚Nazis’ genannt, zum Opfer gefallen. Diese Zahl wird von den deutschen bürgerlichen Medien verheimlicht und so getan, als sei die RAF z.B., die niemals auch nur nahe solchen Zahlen kam, eine Gefährdung des ganzen Staates gewesen, während die meist `Neonazis` genannten Gruppen behandelt werden, als seinen es ein paar unbedeutende Spinner.
Schiessstand in Aargau, 10.8.2007, links am Boden Völkel, als Ausbilder: Wagner
Im August dieses Jahres wurden durch Zufall zwei bundesweit bekannte Faschisten in der Schweiz bei Schiessübungen gefilmt – mit Sturmgewehren! Faschisten sind nicht nur für praktisch alle politisch motivierten Gewalttaten in der Bundesrepublik verantwortlich, sie bereiten sich auch bereits auf die gewaltsame Machtübernahme vor. Sie kündigen dies bei ihren Aufmärschen ungestraft an.
Trotzdem wird uns von der Politik, den Sicherheitsbehörden und den bürgerlichen Medien vorgegaukelt, die Gefahr ginge von dubiosen islamistischen Grüppchen aus. Die Tatsachen sprechen eine andere Sprache.
Es handelte sich auf dem Schiessstand in der Schweiz um die bekannten Faschisten Übelacker und Völkel aus dem unmittelbaren Umfeld des hessichen NPD-Vorsitzenden Wöll. Der Präsident des Hessischen ‚Verfassungsschutzes’ dagen erklärte entgegen aller Offensichtlichkeit, die NPD würde für ihre „Meinung“ werben und nicht auf bewaffnete Aktionen setzen.
Er muss es besser wissen, denn der ‚Verfassungsschutz’ und die NPD sind, bestätigt von Bundesverfassungsgericht, nicht klar auseinanderzuhalten. Damit wird deutlich, der ‚Verfassungsschutz’ versucht in der Öffentlichkeit die rechte Gewalt zu negieren und damit die Putschpläne zu fördern.
Ein anderer Teil der Förderung der Faschisten ist die - vorsichtig ausgedrückt – eigenwillige Auslegung des Paragraphen 139 des Grundgesetzes, in dem völlig eindeutig jegliche faschistischen Nachfolgeorganisationen für illegal erklärt sind. Die NPD und die diversen „Wehrsportgruppen“ brauchen also gar nicht verboten zu werden, sie sind bereits illegal und müssen lediglich verfolgt werden. Das wird nicht getan, man sagt entgegen der Rechtslage, die NPD sei eine legale Partei und deren Aufmärsche müssten daher von der Polizei geschützt werden.
Wohin das führt, wurde im Juli in Frankfurt bei einem Aufmarsch des rechten Mob deutlich. Im Vorfeld erklärte der Frankfurter Polizeipräsident, man sei nicht um die NPD besorgt, die habe man „im Griff“, Sorgen würden die linken Gegendemonstranten bereiten. Und so wurde auf der Demonstration gehandelt.
Die Faschisten wurden von einem absurd riesigen Aufgebot von Polizisten vor den Gegendemonstranten geschützt, sie durften sämtliche Auflagen übertreten, offen Straftaten begehen unter den Augen der Polizei, doch gemäss der These des Polizeipräsidenten hatte die Polizei keine Problem damit.
Man höre, welche Sprechchöre die hessische NPD auf diesem Marsch skandierte, die von der Polizeiführung mit Achselzucken quittiert wurden:
- „Linkes Gezeter – neun Millimeter“
- „Schlagt den Linken die Schädeldecke ein“
- „Gegen Demokraten helfen nur Granaten“
Stoodt kommentiert dies im Interview, das seinen wohl eher eben jene Sturmgewehre, mit denen jetzt geübt wird.
Der Frankfurter Studentenpfarrer und Antifaschist Dr. Stoodt
Die Polizei dagegen kümmerte sich ausschliesslich darum, linke Gegendemonstranten abzudrängen. Zitat aus dem Interview:
„Nun – wir haben ja gesehen, wie 8.000 PolizistInnen die knapp 600 Nazis im Griff hatten: Auflagenverstöße, Verstöße gegen das Strafrecht, Hasspropaganda, Verherrlichung des NS-Regimes und vor allem: ein offener Antisemitismus, wie ich ihn in den letzten 30 Jahren in Frankfurt nie erlebt habe – das alles wurde geduldet, obwohl Demo-BeobachterInnen und JournalistInnen aktiv darauf hinwiesen, dass gerade gegen Auflagen oder sogar das Strafrecht verstoßen wurde. Polizeiliches Achselzucken war die Folge. Uns liegt eine schriftliche Zeugenaussage von einem Fotojournalisten vor, aus der hervorgeht, dass nach Auskunft eines vor Ort anwesenden Polizeirats die Polizeieinsatzleitung im expliziten Auftrag der Staatsanwaltschaft so gehandelt hat, was selbst bei eingesetzten Polizeibeamten aus NRW zu Kopfschütteln führte. Das ist beweisbar und belegt.“
Es geht also nicht nur um Verharmlosung, es geht um offene Förderung!
Der interviewte Pfarrer drückt das so aus: „Das politische Feindbild der hessischen Exekutive ist völlig klar. Sie hat am 7. Juli ihre demokratische Ehre verloren.“ Das betrifft eben nicht nur den Frankfurter Polizeipräsidenten und die Staatsanwaltschaft, sondern auch den hessischen Ministerpräsidenten und den zuständigen Innenminister.
Übelacker (schwarzes Kleid), der NPD Bundes-Vorstand Schwerdt (lila Hemd) und der hessiche NPD-Vorsitzende Wöll (braunes Hemd , wie treffend) bei einem NPD-Aufmarsch in Jena im August 2006
Nicht zufällig beschäftigt die Stadt Frankfurt auch eben genau jene Faschistin Übelacker, die bei den Schiessübungen erwischt wurde. Die Frau arbeitet bei bei Mainova, dem Frankfurter Energieversorger mit städtischer Beteiligung.
Charakteristisch auch: Obwohl ‚Verfassungsschutz’ und NPD bis zur Unkenntlichkeit miteinander verwoben sind, wussten die ‚Verfassungsschützer’ nichts von den Schiessübungen in der Schweiz oder taten jedenfalls so. Dabei hatten sie behauptet, die Franktfurter Gruppe „Freie Nationalisten Rhein-Main“, die inzwischen weitgehend in der NPD aufgegangen ist, werde mit „höchster Aufmerksamkeit“ beobachtet.
In Wirklichkeit tat man überrascht, als in der Schweiz die Bilder von der Schiessübung veröffentlicht wurden und nicht nur der Schweizer Nationalratskandidat Roland Wagner, sondern auch die beiden deutschen Jung-Faschisten von der NPD idetifiziert wurden. Hierauf aufmerksam gemacht, erklärte der ‚Verfassungsschutz’ wiederum mit den gleichen Worten, man werde das mit höchster Aufmerksamkeit beobachten.
Die beiden Schiesswütigen bei einem Faschistenaufmarsch im Frühjahr in Wiesbaden; Völkel in Bildmitte mit Tarnjacke, Übelacker links davon mit brauner Jacke
Statt die Haltung zu ändern und endlich aus der passiven Beobachterrolle und Verneinung jeder Gefährlichkeit der NPD herauszutreten, „business as usual“. Wahrscheinlich wird man auch den Putschversuch der Rechtsaussen, der bereits angekündigt wurde (‚wenn wir in Deutschland einmal aufräumen“) mit höchster Aufmerksamkeit beobachten.
Genauso charakteristisch auch die Reaktion der bürgerlichen Medien. Ausser in Frankfurt selbst wude all dies totgeschwiegen. Die Frankfurter Rundschau brachte nur eine kurze Meldung ohne Namensnennungen. In der ‚Hessenschau’ interviewte man den Präsidenten des hessichen Verfassungsschutzes dazu, wobei er die oben genannten Beschwichtigungen von sich gab, ohne dass nachgehakt wurde.
Dabei ist in hessen die gezielte Förderung von Faschisten keine Ausnahmefall. Von den vier Leibwächtern von Friedmann, so hat sich herausgestellt, waren drei Faschisten. Einer von ihnen wurde, als der Skandal aufflog, in diejenige LKA-Abteilung versetzt, in der untergetauchte NS-Verbrecher „gesucht“ werden. Es sind also keine „Fehler“, die da passieren, sondern es ist Politik.
Da kann man nur mit Shakespeare sagen: „May it be madness, there is method in it!”
Hier ist der Link zum ganzen Interview
Veröffentlicht am 15. Oktober 2007 in der Berliner Umschau
Originalartikel