Das neue soziale Image der SPD: 6 Euro pro Stunde
Von Karl Weiss
Wie tiefgreifend das neue soziale Profil der SPD nach dem gerade zu Ende gegangenen Parteitag ist, enthüllte der ‚Stern’ am 28. Oktober 2007: Die Sicherheitsleute auf dem Parteitag bekamen weniger als 6 Euro in der Stunde bezahlt.
War die SPD früher mal eine Arbeiterpartei, die bei Parteitagen und anderen Veranstaltungen eine „Kämpfertruppe“ von gestandenen Arbeitern aufstellte, für den Fall, es würden ein paar Faschisten versuchen zu stören, so ist sie heute zu einer Partei von Besserverdienenden geworden, die sich nicht die Hände schmutzig machen. Sie muss für ein Heidengeld eine Sicherheitsfirma engagieren, die sie vor Arbeitern schützt, die eventuell einmal ihre Wut handgreiflich auslassen wollten.
Doch genau dieses teure Sicherheits-Unternehmen zahlt seine Leuten fast nichts, fast alles wird vom Chef bzw. den Aktionären eingesteckt. Vor lauter Räsonieren hatten die SPD-Oberen vergessen, sie waren die Verantwortlichen auch für die Sicherheitsdienstleute von der Fremdfirma an diesen Tagen.
Sich allerdings die Mühe zu machen zu fragen, was die denn bekommen für ihre Arbeit und eventuell den Unterschied zu den eigenen Forderungen vom Mindestlohn zu zahlen, das wäre denn doch zu weit gegangen – wo kämen wir denn da hin?.
So kam es, wie es kommen musste, während auf dem Podium der Vizekanzler Müntefering einen Mindestlohn von „sieben-fünfzig“ verlangte, wurde er von Sicherheitsmännern bewacht, die im Auftrag von Parteichef Beck nicht einmal ganz 6 (in Worten: sechs) Euro pro Stunde erhielten.
Eine von ihnen erklärte, er arbeite auf dem Parteitag 16 Stunden am Stück und bekomme dafür weniger als 100 Euro, und davon gehen noch Anfahrtskosten, Steuern und Sozialabgaben ab.
Im Monat, so sagt er, kommt er kaum je auf netto 700 Euro. Zum Leben bleiben in manchen Monaten kaum 200 Euro.
Und nun höre man, was sein zeitweiliger „Arbeitgeber“ Beck auf eben jenem Parteitag sagte: "Der Mindestlohn ist eine Grundweichenstellung für unsere Gesellschaft. Wir wollen, dass jemand, der ... arbeitet, von dieser Arbeit auch leben kann."
Ja, da bleibt kaum ein Rest von Glaubwürdigkeit für das neue Grundsatzprogramm, das man extra für ein Heidengeld bei einer Werbeagentur in Auftrag gegeben hatte.
Scheint sich irgendwie zu einem Syndrom entwickelt zu haben bei der SPD: Fette Moneten für jene, die es sowieso dicke haben und holen bei denen, die nichts haben.
Veröffentlicht am 30. Oktober 2007 in der Berliner Umschau
Originalartikel