´Ist doch schön, wenns wärmer wird´
Von Karl Weiss
Die Versuche der Medien, im Auftrag der Erdöl- , Energie- und Autokonzerne die beginnende Klimakatastrophe und den konzern-gemachten Treibhausgas-Anstieg zu leugnen oder zu verniedlichen, nehmen immer kuriosere Formen an.
Den Vogel hat mal wieder Springer abgeschossen, diesmal mit seiner ‚Welt’.
In einem Artikel vom 15. Februar 2008 hat dies Blatt die Stirn besessen, unter der Überschrift „Klimaerwärmung verlängert das Leben“ seine Leser zum Besten zu halten.
Man berichtet über einen kleinen Teil einer Studie der britischen Regierung, in der die Entwicklung der Zahlen von Todesfällen dargestellt wird, die als durch große Hitze bzw. große Kälte verursacht gelten.
Auch in Großbritannien haben sich die Durchschnittstemperaturen in den letzten Jahren erhöht, was zu mehr Hitzeperioden und weniger extremen Kälteperioden geführt hat. Die Zahl der Toten durch extreme Hitze blieb aber im wesentlichen gleich zwischen den Jahren 1971 und 2003, während die Zahl der durch Kälte verursachten Toten um etwa ein Drittel abnahm.
"Von Kälte verursachte Sterblichkeit ist erheblich größer als die auf Hitze zurückzuführende, sowohl in Großbritannien als auch im übrigen Europa", heißt es in der Studie. Daraus ergab sich, die Zahl der auf extreme Temperaturen zurückzuführenden Todesfälle (nur ein winziger Teil aller Todesfälle) verringerte sich in diesem Zeitraum. Soweit, so gut. Nur hat dies seine Gründe: Zum Beispiel heißt es in der Studie, die Kleidung sei leichter geworden, gegenläufige Zwänge seien gefallen, was die Zahl der Hitzetoten beeinflußte.
Man merkt schon, diese (im Vergleich zu allen Todesfällen) geringe Veränderung hat nichts mit den Klimaveränderungen zu tun. Erst recht hat dies natürlich keinen Einfluss im Sinne einer „Verlängerung des Lebens“. Es werden hier schlicht und einfach Daten dazu missbraucht, den Eindruck zu erwecken, es handele sich bei der beginnenden Klimakatastrophe um geringfügige Erwärmungen, die sogar als positiv angesehen werden könnten.
Im Artikel wird dann auch gleich eine Umfrage gestartet, um zu überprüfen, ob die Lügenpropaganda gefruchtet hat. Man gibt auf die Frage, was man vom Klimawandel halte, vier mögliche Antworten:
- Klimawandel gibt es nicht
- Ist doch schön, wenns wärmer wird
- Ja, das kann nicht gut sein
- Der Klimawandel ist doch schon da
Gehorsam antworten denn auch die von Springer im Kopf verdrehten Leser:
- 53% : Klimawandel gibt es nicht
- 22%: Ist doch schön, wenns wärmer wird
- 4%: Ja, das kann nicht gut sein
- 21%: Der Klimawandel ist doch schon da.
Das ist ungefähr so, als würde man angesichts eines kommenden dritten Weltkriegs erklären, es gäbe ja sowieso zuviel Menschen auf der Erde.
Das wird an Zynismus nur noch übertroffen von Sarrazins € 3,68-pro-Tag-Rezepten.
Die bereits in den ersten Auswirkungen zu spürende Klimakatastrophe ist in keinster Weise charakterisiert durch einen geringfügigen generellen Temperaturanstieg ohne jede andere Auswirkung – auch wenn dies an einigen wenigen Orten der Erde bisher die einzige Veränderung gewesen sein mag.
Es gibt sogar Plätze, wo es für eine Zeit im Schnitt kühler wird. Im wesentlichen ist die Klimakatastrophe aber charakterisiert durch die generell viel höhere Energie, mit der alle Wetterabläufe ausgerüstet sind. Die Hitzewellen werden heisser, die Winde werden stärker, die Unwetter zerstörerischer, die Niederschläge intensiver, die Trockenperioden endloser usw.
Dazu kommen weitere mögliche Effekte wie der Anstieg des Meeresspiegels, die grundlegende Veränderung ökologischer Gleichgewichte und die Veränderung von Meeresströmungen.
Am Ende läuft der katastrophale Effekt der Klimakatastrophe auf die Verringerung und das Verschwinden von Trinkwasser und auf die Veringerung und das Verschwinden der pflanzlichen Oberfläche der Erde hinaus. Dies würde im fortgeschrittenen Stadium für den grössten Teil der Menschheit das Überleben unmöglich machen, wenn die Entwicklung nicht schnellstens gestoppt wird.
Angesichts dieser Gefahr zynisch mit Worten zu spielen, wie „Ist doch schön, wenns wärmer wird“ ist wirklich absurd. Der Springer-Verlag versucht – um mit Erich Kästner zu sprechen – uns den Kakau zu trinken zu geben, durch den er uns zieht. Man muss schon ein Springer-Blatt sein, um es auf dieses Niveau zu schaffen.
Veröffentlicht am 14. März 2008 in der Berliner Umschau
Originalartikel