General Motors könnte pleite gehen
Von Karl Weiss
General Motors, basiert in den USA (GM, in Deutschland Opel), bis vor kurzem noch größte Automobilfabrik der Welt und vor drei Jahren noch größtes Industrie-Unternehmen der Welt, könnte nach Angaben eines Sprechers der Merryll-Lynch-Bank Pleite gehen. Gleichzeitig hat Merryll Lynch die Empfehlung von GM-Aktien von „kaufen“ gesenkt auf „unter Marktdurchschnitt“ und den erwarteten Aktienkurs von 28 Dollar auf 7 Dollar.
Solche offenen Worte in Verlautbarungen von Banken an Nachrichtenagenturen sind extrem ungewöhnlich. Da dies in bestimmten Fällen sogar zu Schadenersatzforderungen führen könnte, wird dieses Mittel nur in extremen Ausnahmefällen verwendet, wenn zu befürchten ist, die Manager eines betroffenen Unternehmens könnten bereits ihre Schäfchen ins Trockene bringen, während Aktionäre, Kunden und Beschäftigte im Regen stehen gelassen werden.
Die Verkäufe von Fahrzeugen im allgemeinen und von Pkw im besonderen sinken in den USA seit Monaten. Die Ursachen sind die steigende Arbeitslosigkeit und die steigende Zahl von prekären Arbeitsverhältnissen an der Gesamtzahl der Beschäftigten, die Millionen von Familien, welche die Monatsraten der Hypotheken nicht mehr aufbringen konnten und ihr Häuschen verloren haben oder kurz davor stehen, es zu verlieren und die Angst vor Arbeitslosigkeit und sozialem Abrutschen.
„Wenn die Bedingungen sich weiter verschlechtern für GM, ist ein Vergleichs- oder Insolvenzantrag im Bereich des möglichen.“ sagte der Analyst von Merryll Lynch, Murphy.
Die Aktien von GM haben in den letzten Monaten bereits die Hälfte ihres Wertes verloren. Am 1. Juli sanken sie noch einmal 7% im Wert. Merryll Lynch hat außerdem bereits zum dritten Mal in diesem Jahr die Schätzungen über die Verkäufe von Pkw in den USA nach unten korrigiert. Nach Meinung der Bank wird die Schwäche im Absatz sich auch 2009 fortsetzen.
Der Analyst stellte fest, es gäbe eine rasche Verminderung des Auto-Absatzes in Menge und Zusammensetzung und dies liesse GM rasch Kapital verlieren. Im Moment hält er etwa 15 Milliarden Dollar als zusätzliches Finanzpolster für GM für nötig, um Schlimmeres zu vermeiden, was allerdings auch zusätzliche Sicherheiten nötig machen würde. Auch andere Analysten hatten bereits auf zusätzlichen Finanzbedarf von GM hingewiesen, aber niemand hatte eine so grosse Summe genannt.
Ein Sprecher der GM reagierte hierauf, indem er sagte, bei einer weiteren Verschlechterung der Konditionen werde man neue „operationelle Massnahmen“ ins Auge fassen. Für 2008 sei die Liquidität gesichert.
Diese Meldung macht einmal mehr deutlich: Die Wirtschaftskrise hat gerade erst begonnen und wird sich weiter vertiefen. Wohin das am Ende geht, ist heute noch nicht abzusehen. Auf jeden Fall sind alle Pfeiffereien im dunklen Wald, die behaupten, „das Schlimmste sei überstanden“, reines Wunschdenken.
Viele kleine und mittlere Anleger haben sich von den beruhigenden Worten einlullen lassen und ihre Aktien nicht abgestossen. Jetzt beginnen sie, massiv Geld zu verlieren.
Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass Einschätzungen, die auf Tatsachen und nicht auf Wünschen basieren, übereinstimmend von dem Abrutschen in eine schwere Weltwirtschaftskrise ausgehen, die sich von den USA über die anderen Länder ausbreiten wird, wobei der Grad der Betroffenheit durchaus unterschiedlich sein mag.
Veröffentlicht am 3. Juli 2008 in der Berliner Umschau
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