Globaler Einbruch der Börsen

Shanghai stürzt um 9% ab - TecDax verliert über 6%

Von Karl Weiss

Einen regelrechten Zusammenbruch erlebten die Börsen weltweit am gestrigen Dienstag. Die Börse in Shanghai stürzte innerhalb kurzer Zeit um etwa 9% ab, der größte Verlust seit 10 Jahren. Kurz danach reagierte auch die japanische Börse, wenn dort der Fall auch nicht so tief wurde. Als die Europäer die Börsen öffneten, ging es ebenfalls sofort abwärts.

Der SSE Composite brach bei rekordhohen Umsätzen 8,84 Prozent auf 2.771,79 Punkte ein - nachdem er am Montag erstmals die Marke von 3.000 überwunden hatte. Es handelte sich in der Volksrepublik China um den massivsten Aktienmarkteinbruch seit Februar 1997, nachdem der ehemalige Staatschef Deng Xiaoping gestorben war. Zahlreiche Titel stürzten um die dort maximal möglichen 10 Prozent nach unten. Hierzu gehörten unter anderem Baoshan Iron & Steel, Air China, China Life Insurance und Shanghai Pudong Development Bank.

Shanghai


Ausgelöst wurden die Kurseinbrüche durch Gewinnmitnahmen. Gleichzeitig sind die Börsenhändler über weitere mögliche Drosselungs-Maßnahmen der chinesischen Regierung für Wirtschaft und Finanzmärkte beunruhigt. Der viertgrößte Kurssturz in Shanghai seit der Börseneröffnung 1990 zog auch den Hongkonger Leitindex Hang Seng mit nach unten. Er sank nach Angaben von Reuters bei sehr großen Umsätzen um 1,76 Prozent auf 20.147,87 Zähler, den tiefsten Stand seit vier Wochen. Besondere die Aktien chinesischer Immobilienfirmen standen auf den Verkaufszetteln.

Der Dax verlor etwa 3%, der TecDax (ein Lieblingskind der Börsianer bis dato) sogar über 6%. In Zürich ging es etwa 3,5% abwärts, auch Paris und London zogen mit, wenn auch mit niedrigeren Verlusten. MDax und SDax verloren an die 5% - den Kleinen geht es immer stärker an den Kragen.

Als dann in Amerika die Börsen öffneten, gab es auch dort keinerlei Widerstand.

Die New Yorker Börse, repräsentiert durch den Index Dow Jones, brach ein, wie es am Tag der Anschläge vom 11. September zuletzt passiert war. Zeitweise hatte er 4% verloren, das ist bei dem grossen Volumen dort eine unglaubliche Menge Geld. Am Ende waren es aber nur 400 Punkte, die er niedriger schloss. Dabei wurde allerdings offensichtlich eingegriffen. Nicht lange vor Börsenschluss hatte der Index fast 300 Punkte in 2 Minuten verloren. Da streikte plötzlich das System. In den letzten 17 Minuten des Börsentags konnten keine Aktien mehr verkauft werden. Auf dem Parterre der Börse reagierten die Broker mit einem vereinten „Buuuuuh“ darauf, als die Schlussglocke geläutet wurde.

Auch in Lateinamerika brachen alle Börsen ein, in Brasilien z.B. um glatte 9%. Das Brasilien-Risko (das ist der Abschlag, den brasilianische Regierungsbonds hinnehmen müssen) stieg gewaltig an, obwohl sich nichts in Brasilien geändert hat. Die Entwicklungsländer sind meist die zuerst und besonders Betroffenen, wenn die kapitalistische Krise beginnt.

Viele Beobachter werten den Zusammenbruch als Erscheinung einer anlaufenden globalen Wirtschaftskrise, wahrscheinlich schon seit Anfang Februar (das wird man erst im Nachhinein aus den Monatsstatistiken ablesen können). Börsencrashs sind dabei nicht die Ursache oder die wesentlichen Ereignisse einer Wirtschaftskrise, sondern lediglich ihre Folgen und ihr Anzeichen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser 27. Februar später einmal als der „Schwarze Dienstag“ bezeichnet wird.

Aller Voraussicht nach wird nun, in einer Kaskadenbewegung mit mehreren Abstürzen, der Aktienmarkt weltweit in den Keller rauschen und wohl auch die bis jetzt noch schwache Abwärtsbewegung des Dollars an Fahrt gewinnen. Kleine Zwischenhochs werden nicht über die allgemeine Tendenz hinwegtäuschen können. Die Abwärtsphase einer grossen kapitalistischen Weltwirtschaftskrise kann ein oder zwei Jahre dauern.

Die Kommentare begannen sofort Nebelkerzen zu werfen. „Lediglich eine lange erwartete Anpassung!“ „Kein Grund zur Panik!“ „Aktien halten!“ tönt es von allen Seiten. So will man die kleinen und mittleren Anleger dazu bringen, jetzt nicht ihre Aktie zu verkaufen, solange man noch viel Geld dafür bekommt, sondern andauernd auf den Wiederaufschwung zu hoffen, der allerdings erst nach jahrelanger Talsohle anstehen wird. Auf diese Art und Weise sorgen die Medien dafür, dass die Grossanleger nicht so stark betroffen sind, sondern die Hauptlast des Crashs von den kleinen und mittleren Anlegern getragen wird.

Am Montag war bekannt geworden, dass die Nachfrage nach dauerhaften Verbrauchsgütern in den USA eingebrochen ist. Das ist das eigentliche Anzeichen der Wirtschaftskrise, denn die definiert sich mit fallenden „Gross National Products“ in mehreren aufeinanderfolgenden Quartalen. Das wird also statistisch erst gegen Ende des Jahres der Fall sein.

Das war denn auch das andere Alarmzeichen am Montag: Der frühere US-Fed-Chef Greenspan warnte vor einer „Rezession“ gegen Ende des Jahres. 'Rezession' ist die verniedlichende Bezeichnung bürgerlicher Ökonomen für die unvermeidlichen kapitalistischen Wirtschaftskrisen.

Diese Krisen sind im Kapitalismus unvermeidlich, weil die Grosskonzerne in ihren Bemühungen, dem unausweichlichen Fall der Profitraten zu entkommen, mit der Schaffung ständig neuer Produktionskapazitäten reagieren, was dann die Überproduktion hervorruft. Die Menschen haben aber nicht mehr das Geld, all diese Produktion zu kaufen und es beginnt die Überproduktionskrise. Gewaltige Mengen produktiven Kapitals werden vernichtet, bevor ein neuer Zyklus auf niedrigerer Stufe beginnen kann. Stillegung von Betrieben und Betriebsteilen, das ist der Kern der Krise.

Dieser Dienstag hatte es aber wirklich in sich, denn es gab zwei weitere weltweit mit höchster Aufmerksamkeit registrierte Ereignisse:

Aussenministerin Rice gab bekannt, es würde eine Konferenz aller Nachbarstaaten des Iraks einschliesslich Syrien und dem Iran einberufen, unter Teilnahme der USA. Damit ist der Überfall auf den Iran anscheinend zunächst einmal vom Tisch. Genau diese Konferenz war von der Baker-Kommission nach den US-Kongresswahlen vorgeschlagen, aber bisher von Präsident Bush immer abgelehnt worden. Das ist eine entscheidende Niederlage der Cheney-Fraktion in der US-Regierung, wenn man davon ausgeht, es sei kein Nebelvorhang, um die Vorbereitungen eines Überfalls auf den Iran zu verstecken.

Am gleichen Tag entging Vize-Präsident Cheney nur knapp einem Sprengstoffanschlag in Afghanistan. Das kann Zufall sein, hat aber einen “Geruch“. Es soll die Taliban gewesen sein, die ein Attentat mit dem Ziel Cheney begangen hätten. Der Aufenthaltsort in Afghanistan war aber gar nicht bekanntgegeben worden. Er reist immer unter weitgehender Geheimhaltung. Wie kann eine Organisation wie Taliban, die wohl keinen gut funktionierenden Geheimdienst zur Verfügung hat, herausfinden, wo Cheney sich aufhält? Sollte da die US-Regierung selbst versucht haben, sich des querschiessenden Vize-Präsidenten zu entledigen?

Eine US-Militärsprecherin erklärte, die Bombe sei eine halbe Meile von Cheney entfernt hochgegangen und es habe nie eine ernsthafte Gefahr für ihn gegeben. Sollte man ihm nur eine deutliche Warnung gegeben haben?

Jedenfalls scheint es so, dass Verteidigungsminister Gates und Aussenministerin Rice nun das Ruder in der Hand haben und eine weniger aggressive Aussenpolitik verfolgen, während Cheney mit seiner Fraktion bis auf weiteres aus dem Verkehr gezogen scheint.


Veröffentlicht in der "Berliner Umschau" am 28. Februar 2007


Andere Artikel zur Weltwirtschaftskrise:

"Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Full Crash- Zweites Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Stehen wir am Beginn einer grossen Weltwirtschaftskrise?"

"25% Fall des Dollars?"

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"Können Sie das glauben?"
typekey:mats-1 - 28. Feb, 15:36

Danke

für Deine Berichterstattung, Karl!
Obwohl ich in manchen Dingen anders denke. Ich bin nicht gegen Marktwirtschaft, aber gegen die Globalisierung und das Kreditgeldsystem ohne Verankerung!

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