Donnerstag, 7. August 2008

Wirtschaftskrise in den USA

Wie sieht es wirklich aus?

Von Karl Weiss

Nach offiziellen Zahlen ist die USA noch nicht in einer Wirtschaftskrise. Vierteljahr um Vierteljahr wird noch ein geringes Wachstum der US-Wirtschaft um 0,6% gemeldet. Ein Artikel legt aber die wahren Verhältnisse klar. Nach dieser Information ist die USA bereits seit Ende 2006 in der „Rezession“, wie die Wirtschaftskrise schönfärberisch bezeichnet wird. Im Moment verschärft sie sich zusehends. Der Artikel enthält eine Menge Details, die dies belegen.

USA: Foreclosure Zwangsversteigerung

Er ist von F. William Engdahl in info.kopp-verlag.de, hier.

Die entscheidende Aussage ist: Die Wirtschaft der USA ist zu 70% vom Inlandskonsum abhängig, der im Moment in den Keller fährt.

Dieser wurde durch die extrem niedrigen Zinsen in den Jahren 2003 bis 2006 und durch die damals breit angewandten „Sub-Prime“-Hypotheken (Hypotheken auf Immobilien, deren Besitzer nicht die Mindestvoraussetzungen für normale Hypotheken erfüllen) künstlich angeheizt, was eine Schein-Konjunktur hervorrief, die jedoch ohne reale Grundlage war, denn sie wurde durch „leichtes Geld“ für US-Bürger hervorgerufen, die zwar ein Häuschen haben, aber kein wirklich ausreichendes Einkommen.

Das musste schief gehen und ging schief. Fast alle diese Familien mit mittlerem bis geringem Einkommen müssten jetzt Monatsraten zahlen, die sie nicht aufbringen können und verloren oder verlieren damit ihre Häuser bzw. Eigentumswohnungen. Das löst aber die Probleme der Banken und Hypothekeninstitute nicht, denn auch wenn ihnen nun diese Häuser und Eigentumswohnungen gehören, sie können sie nicht zu akzeptablen Preisen verkaufen, weil Millionen solcher Immobilien auf dem Markt sind und nur wenige Käufer.

Immobilienkrise USA

Die Banken und Hypothekeninstitute können diese Häuser zwar noch eine Zeit lang unter ihrem vormaligen Wert in den Büchern führen, müssen aber irgendwann auf die wahren Werte übergehen, was ihre „Aktiva“ plötzlich einbrechen lässt. So hat die grösste Bank der Welt, die Citi Group, bereits über 40 Milliarden Dollar an solchen oder ähnlichen Werten als Verluste abgeschrieben. Nur mit dem Verkauf grosser Teile ihres Vermögens konnte sie überleben. Es wird vermutet, dass fast alle US-Banken heute bankrott wären, würden sie gezwungen, alle Immobilien nur zu den Preisen in die Bilanzen aufzunehmen, die heute wirklich zu erzielen wären.

Northern Rock Pleite

Die wichtigsten Details im Artikel sind in der Liste der Einzelhandelsketten enthalten, die Läden schliessen.

Man sehe sich diese beeindruckende Liste an:

Ann Taylor schließt landesweit 117 Läden.

Eddie Bauer hat im ersten Quartal 27 Läden geschlossen, jetzt folgen weitere.

Cache, ein Damenbekleidungsgeschäft, schließt dieses Jahr 20 bis 23 Läden.

Lane Bryant, Fashion Bug, Catherines schließen landesweit 150 Läden.

Talbots, J. Jill schließen Läden. Talbots wird alle 78 Kinder- und Herrenbekleidungsgeschäfte schließen, plus 22 schlechtgehende Geschäfte. Die 22 Läden gehören teils zu Talbots-Damenbekleidungsgeschäften und J. Jill.

Gap Inc. schließt 85 Läden.

Foot Locker schließt 140 Läden.

Wickes Furniture macht alle Läden dicht. Das seit 37 Jahren bestehende Möbelhaus zählte vor allem Familien aus den mittleren Einkommensschichten zu seinen Kunden.

Levitz gab die Schließung all seiner 76 Niederlassungen zum Jahresende bekannt. Das Möbelhaus hatte seit 1910 bestanden.

Zales, Piercing Pagoda plant die Schließung von 82 Niederlassungen zum 31. Juli, danach sollen weitere 23 schlechtgehende Geschäfte geschlossen werden.

Disney Store: der Besitzer ist berechtigt, 98 Geschäfte zu schließen.

Home Depot schließt 15 Niederlassungen wegen der lahmenden US-Wirtschaft und des zusammenbrechenden Eigenheimmarktes. Von dem Schritt sind 1300 Angestellte betroffen. Es ist das erste Mal, dass die größte Baumarktkette der Welt einen Vorzeigeladen schließt.

CompUSA (geschlossen).

Macy’s – neun Niederlassungen geschlossen.

Movie Gallery – der Video-Verleiher plant die Schließung von bis zu 400 der 3.500 Movie-Gallery- und Hollywood-Video-Läden, und das zusätzlich zu den bereits im letzten Herbst im Rahmen eines Konkursverfahrens geschlossenen Läden.

Pacific Sunwear – 153 Demo-Läden werden geschlossen.

Pep Boys – 33 Läden des Autoteilelieferers werden geschlossen.

Sprint Nextel – 125 Verkaufsstellen mit 4.000 Angestellten werden geschlossen, bereits im Vorjahr wurden 5.000 Mitarbeiter entlassen.

J.C. Penney, Lowe’s und Office Depot schalten zurück.

Ethan Allen Interiors plant die Schließung von zwölf ihrer 300 Geschäfte zur Kostensenkung.

Wilsons the Leaher Experts – schließen 158 Geschäfte.

Bombay Company wird alle 384 Läden in den USA schließen.

KB Toys schließt im Rahmen des Neubeginns nach dem Konkurs 356 Läden.

Dillard’s Inc. wird in diesem Jahr sechs weitere Läden schließen.

Diese Liste ist sicherlich nicht vollständig.

Es wird gerade an ihr deutlich: Es handelt sich um den unteren und mittleren Teil der breiten Mittelschicht in den USA, die in grossen Teilen drastisch weniger auszugeben haben und daher nur noch das Nötigste kaufen. Das trifft Läden für langlebige Güter, aber auch Restaurants und alle, die Güter des gehobenen Bedarfs verkaufen bzw. herstellen. Auch andere Güter und Dienstleistungen, die man streichen kann, ohne dass dies das Leben wesentlich verändern würde, werden gestrichen, wie z.B. das Ausleihen von Filmen. In diesen Bevölkerungsschichten hat entweder einer (oder mehrere) in der Familie seinen Arbeitsplatz verloren oder musste(n) einen Job mit weit geringerem Einkommen antreten oder die Familie hat ihr Haus verloren und muss nun Miete aufbringen oder sie kann gerade noch die erhöhten Monatsraten der Hypotheken zahlen, muss sich aber darum extrem einschränken.

Vor drei Jahren war es ausserordentlich leicht, selbst grössere Anschaffungen zu machen, denn man konnte leicht Kredite in Form von Hypotheken aufs Häuschen bekommen, die fast keine Zinsen kosteten. Heute sind die Kreditlinien extrem eingeschränkt. Wer das Geld nicht flüssig hat, kann kaum ein Anschaffung machen.

So ist es auch verständlich, warum der Verkauf von Automobilen grösseren Kalibers zum Teil um bis zu 50% zurückgegangen ist. Der obere Teil der Mittelschicht und die Reichen in den USA - eine Minderheit - sind weiterhin wenig betroffen von dieser Krise, aber die breite Mehrheit der Bevölkerung dort leidet bereits jetzt schwer unter ihr. Kurzarbeit ist bereits weit verbreitet und die Verringerung der Autoverkäufe wird zu weiteren Massenentlassungen führen, nicht nur in der Atomobilindustrie, sondern auch bei vielen Zulieferern und verbundenen Unternehmen, was die Situation noch verschärft.

Housing Slump

Eine andere wichtige Information des Artikels ist: Die offizielle USA verfälscht seit langem systematisch die Statistiken der Wirtschaftsdaten, um diese Probleme nicht aufscheinen zu lassen bzw. zu verniedlichen. Wer realistischere Schätzungen als die offiziellen Statistiken anstellt, wird zum Beispiel statt der offiziellen Arbeitslosigkleit von 5,5% auf eine von etwa 13% kommen. Auf solchen Schätzungen beruht auch die Aussage, die Wirtschaft der USA schrumpfe bereits beständig seit Ende 2006.

So muss auch die Meldung betrachtet werden, die nun bereits zum dritten Mal hintereinander kam: Das Brutto-Inlandsprokt (BIP) der USA habe im letzten Quartal um 0,6% zugelegt, hiess es nach dem 4.Quartal 2007, nach dem 1. Quartal 2008 und nach dem zweiten Quartal 2008. Ein Artikel in der Financial Times Deutschland macht klar, man kann diesen Zahlen nicht trauen, sie beruhen nämlich auf einer Schätzung, die meist von den Interessen der Schätzenden abhängig ist. Hier zwei Zitate aus dem Artikel:

„... die mit dem BIP-Bericht gelieferten Revisionen seit 2005. Danach ist das US-BIP im vierten Quartal 2007 nicht um 0,6 Prozent gestiegen, sondern um 0,2 Prozent gefallen;“

„... im Sommer 2001 seine jährliche Revision vorgestellt hatte, wurde immer noch vermutet, dass das US-BIP im dritten Quartal 2000 um 1,3 Prozent zugelegt hatte. Im Vergleich zur Schnellschätzung im Oktober 2000 war das bereits eine Halbierung. Aber nach dem aktuellen Stand der Dinge war das BIP im dritten Quartal 2000 um 0,5 Prozent gesunken.“

Auch wir in Deutschland kennen ja diese Mogelpackungen vom Typ Merkels Märchen, mit denen ein angeblicher Wirtschaftaufschwung „belegt“ wurde, von dem aber, welch Zufall, nur die Superreichen etwas gemerkt haben. In Wirklichkeit sind die Zahlen der Empfänger von Hartz IV seit 2006 nie unter 6 Millionen gesunken (von 2005 bis 2006 waren sie von etwas über 5 Millionen auf über 6 Millionen gestiegen).

Zwar können die USA wegen des gesunkenen Dollarkurses mehr exportieren, aber das wiegt nicht den verringerten Inlandsabsatz auf, es federt lediglich die Abwärtsbewegung etwas ab.

Schliesslich gibt es auch noch eine alarmierende Aussage in diesem Artikel für alle, die meinen, mit einem Präsidenten Barack Obama werden sich die Probleme der USA lösen: Der Chef der Kampagnenfinanzierung von Obama ist der Milliardär Pritzker (u.a. Erbe der Hyatt-Hotelkette), der zusammen mit der Bank Merryl Lynch die „Sub-Prime“-Kredite erfunden hat!

So hat sich denn auch Obama schon seit einiger Zeit von Aussagen verabschiedet, die früher nahegelegt hatten, er werde die Massensteuern senken und diejenigen der Superreichen und der grossen Konzerne erhöhen. Er behauptet nun, niemals massive Veränderungen der Steuern angekündigt zu haben, lediglich Korrekturen von ‚Exzessen‘.

Ausserdem: Die Wirtschaftskrise beginnt sich bereits auf andere Länder auszuweiten. So hat die japanische Industrie z.B. gerade in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen verminderte Produktionszahlen gemeldet. Drei europäische Lander sind schon offiziell in der Wirtschaftskrise, siehe hier.


Veröffentlicht am 6. August 2008 in der Berliner Umschau

Originalveröffentlichung

Andere Artikel zur Weltwirtschaftskrise:

"Anzeichen Wirtschaftskrise?"

"Full Crash- Zweites Anzeichen Wirtschaftskrise?"

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"25% Fall des Dollars?"

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