Montag, 29. Dezember 2008

Der kapitalistische Krisenzyklus - "Eiszeit", "Kollaps", "Infarkt"

Krise Nr. 149

Von Karl Weiss

Der Harvard-Ökonom Robert Barro hat seit 1870 insgesamt 148 Krisen identifiziert, bei denen das Brutto-Inlandsprodukt des jeweiligen Landes um mindestens 10% gesunken ist (gegenüber dem Vorjahreszeitraum). Zwar hat die Intensität der Krisen nach dem 2. Weltkrieg zunächst deutlich nachgelassen, aber die These der bürgerlichen Ökonomen, das sei Ergebnis der verbesserten Beeinflussung, erweist sich nun als vergebliche Hoffnung. Es kann nicht im geringsten von sachlichem Beeinflußbarkeit die Rede sein. Alles, was die kapitalistische Wirtschaftskrise an Intensität verloren zu haben schien, kommt nun mit voller Wucht in der gerade begonnenen (Nr. 149) umso intensiver zur Geltung.

Damit sind so ziemlich alle Thesen der bürgerlichen Ökonomen der letzten 60 Jahre widerlegt. Natürlich gibt das niemand zu. Manche klammern sich so hysterisch an ihre eigenen Dogmen, dass sie jetzt ungeachtet der klaren Anzeichen eine Krise vorhersagen, in der es z.B. Deutschland angeblich nur zu einem Minus von 0,5% in der Wirtschaftsleistung kommen und ab dem Jahr 2010 bereits wieder aufwärts gehen wird.

"Ich bin in Ordnung, ich bin auf einen Steuerzahler gefallen"

Alle jene allerdings, die sich an den tatsächlichen Vorzeichen orientieren und nicht an Dogmen, sprechen von ganz anderen Zahlen und benutzen Worte wie „Eiszeit“, wie „Kollaps“ und „Infarkt“, siehe z.B. den aktuellen Leitartikel von Tobias Bayer in der Financial Times Deutschland (FTD) unter dem Titel „Die ruhigen Jahre sind vorbei“.

Er stellt die These auf, es habe eine Ansammlung von glücklichen Umständen gegeben, die dazu führten, dass die große Krise erst jetzt ausgebrochen ist. Tatsächlich hängt die Intensität der Krisen von hunderterlei Umständen ab, aber im gesamten werden die Krisen eben am Ende das tun, was sie im Kapitalismus tun müssen: Die Vernichtung von überschüssigen Produktionskapazitäten, bis die verbleibenden den vorhandenen Kaufkraft angepasst sind.

Es sieht ganz so aus, dass es da einen ziemlichen Nachholbedarf gibt und es scheint so, diesmal werden alle möglichen Eingriffe bestenfalls noch eine Verminderung der Einbrüche in bestimmten Länder bewirken können, nicht mehr und nicht weniger.

Deutschland: Brutto-Inlandsprodukt, Einkommen, Renten, Prozent gegen Vorjahr, bis 2008

Nicht dass diese Eingriffe nicht einen deutlichen Unterschied ausmachen könnten, was wir besonders in Deutschland extrem bemerken werden. Die Weigerung der großen Koalition (und der sie unterstützenden Parteien der FDP und der Grünen), auch nur ein einziges wirklich großes Konsumpaket aufzulegen, wird noch zu entsetzlichen Zuständen in Deutschland führen.

Allerdings wird sich das nicht wesentlich von jenen Zuständen unterscheiden, die in den USA nach dem Kollaps des Dollars herrschen werden oder denen in China, nachdem praktisch alle Exporte in die USA gestoppt sein werden. Man darf, ohne allzu weit vorzugreifen, von einer profunden sozialen Unrast in allen diesen Ländern ausgehen.

Dollar Gasp

Die kapitalistischen Krisen sind unerbittlich und sie sind unvermeidlich. So sind sie auch Teil des unvermeidlichen Endes des kapitalistischen Systems. Allerdings kommt dies nicht automatisch. Wir werden den entscheidenden Stoß geben müssen. Der Schreiber dieser Zeilen wird mitmachen. Und Sie?


Veröffentlicht am 29. Dezember 2008 in der Berliner Umschau

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