Dienstag, 3. Februar 2009

In the Valley of Elah

“Es ist der Fluch der bösen Tat, dass sie fortwährend Böses muss gebären“

Von Karl Weiss

Den deutschen Namen des Filmes kenne ich nicht, er stammt aus dem Jahr 2007 und heißt in der der Original-US-Version wohl „In the Valley of Elah“ (Bezug auf die Bibel, Geschichte von David und Goliath?), mit Tommy Lee Jones in der Hauptrolle des Vaters eines US-Soldaten, der aus dem Irak zurückkommt und wenige Tage später ermordet wird, in der Rolle seiner Frau Susan Sarandon. Der Film wurde hier in Brasilien an einem Sonntagmorgen im Kabelfernsehen gezeigt. An einem anderen Sonntagmorgen – ob das wohl Zufall ist? – wurde eine Dokumentation gezeigt, ich glaube, es war im „History Channel“ über US-Soldaten, die aus dem Irak zurückkommen.

Irak: Weinendes blutbeflecktes Kind, dessen Vater und Mutter soeben von US-Soldaten ermordet wurden

Im Kern geht es in beiden Fällen um die entsetzlichen Gräueltaten gegen Zivilisten, die von den US-Truppen im Irak begangen wurden und werden – und wohl im gleichen Masse in Afghanistan - und darum, dass diese nicht nur Auswirkungen auf die Iraker haben, an denen so etwas verübt wird (wie auch auf alle umliegenden Völker, die gut informiert sind, was dort vorgeht), sondern eben auch auf die Täter bzw. deren Kameraden.

Im Irak sind bisher schon nach den vorsichtigsten Schätzungen aller halbwegs glaubwürdigen Quellen zumindest eine Million Zivilisten durch Aktionen des US-Militärs ermordet worden, nach anderen Schätzungen weit mehr. Das Verhältnis von getöteten „feindlichen Kämpfern“ zu Zivilpersonen liegt bei glatt 1 : 100. Ein großer Teil dieser Opfer geht auf Luftangriffe zurück, eine Mordmethode, die sich speziell durch ihre Unpersönlichkeit auszeichnet, aber ein nicht zu unterschätzender Teil der Gräueltaten wurde und wird Angesicht zu Angesicht durchgeführt und die Taten prägen sich den Tätern und den anderen gegenwärtigen Soldaten unauslöschlich ein.

Irak: Weinendes Kind, dessen Vater un Mutter soeben von US-Soldaten ermordet wurden

Die Dokumentation war beeindruckend. Die Soldaten sind deprimiert. Einer sagt: „Was wir getan haben, ist unverzeihlich!“ Ein anderer: „Ich selbst habe die Zivilisten nicht erschossen, aber ich war der Teil der Gruppe, die dies tat. Ich kann dies nie vergessen. Ich kann mit dieser Erinnerung nicht leben.“

Offenbar gibt es bei der Spezies Mensch trotz aller Indoktrination ein ursprüngliches Gefühl für richtig und falsch, zumindest was extreme Fälle betrifft, wie ohne jede Not Zivilisten zu ermorden und zu verstümmeln.

Die Zahl der Selbstmorde bei US-Soldaten, die aus dem Irak zurückkommen, ist erschreckend hoch und steigt weiter an. Meistens versuchen die Soldaten mehrere Monate lang, wieder in ein normales Leben zurückzufinden, was einem Teil auch gelingt. Viele aber merken, sie können nie wieder ein normales Leben leben. Sie schotten sich von der Familie ab. Reihenweise gehen Ehen und Verlobungen zu Bruch. Die Soldaten beginnen sich „sonderbar zu benehmen“.

Irak-Krieg US-Aggression

Es gibt psychologische Hilfszentren, aber nur wenige im Land. Die Soldaten müssen, um dort behandelt zu werden, ihre heimische Umgebung verlassen, was meistens jede Möglichkeit einer erfolgreichen Behandlung bereits verhindert. Im Gegenteil: In diesen Behandlungszentren ist die Zahl der Selbstmorde überproportional hoch.

Dazu kommen die Drogenprobleme. Laut Aussagen von Soldaten im Film und in der Dokumentation nehmen praktisch alle US-Soldaten im Iran Drogen, „weil man es sonst nicht aushält“. Während in US-Kasernen regelmäßig Drogentest durchgeführt werden, ist das Einschmuggeln von Drogen durch Truppen in die Unterkünfte im Irak allgemein bekannt und „genehmigt“. Auch Soldaten, die aus dem Irak zurückkommen, werden in US-Kasernen keinen Drogen-Kontrollen unterzogen, wird im Film gesagt.

In den Behandlungszentren werden zwar auch Entzugskuren angeboten, aber das erhöht die dortigen Probleme nur noch, weil die oft sehr beträchtlichen Entzugserscheinungen noch zur Depression hinzukommen. Ein Teil der Soldaten schafft es selbst, von den Drogen loszukommen, aber ein wesentlicher Teil ist dauerhaft drogenabhängig. Damit ist aber ihre kriminelle Karriere vorgezeichnet. Man braucht viel Geld für Drogen und muss stehlen und/oder überfallen, um ans Geld zu kommen und man wird mit verbotenen Drogen erwischt. So ist denn auch ein Teil der zurückgekehrten Irak-Soldaten, der vom Sprecher der Dokumentation auf 20% (der Überlebenden) geschätzt wird, heute bereits im Gefängnis oder verurteilt.

Irakkrieg

Das Interview mit einem von ihnen in der Dokumentation ist erschütternd. Der Häftling sagt, er sei eigentlich ganz froh im Gefängnis zu sein, denn so könne er sich vorstellen, er büße hier seine Schuld aus dem Irak ab. Außerdem fände er sich draußen sowieso nicht mehr zurecht.

Im Film “In the Valley of Elah” ruft der Sohn seinen Vater, ebenfalls Soldat, aus dem Irak an und sagt, er müsse ihn hier rausholen. Der Vater weiss, das ist nicht möglich und versucht seinen Sohn zu beruhigen. Der merkt, es gibt keine Hilfe für ihn und reagiert zynisch und brutal.

Was ihn zu jenem Hilferuf geführt hat, erfährt der Vater später von einem Kameraden seines Sohnes. Der Sohn hatte einen großen Army-Truck zu fahren und hatte Anweisung, auf keinen Fall anzuhalten, wenn sich jemand vor den Lastwagen stellte, denn dies seien oft Fallen der Widerstandskämpfer. Als er einmal diesen Befehl ausführt, stellt er fest, er hat ein Kind totgefahren und es war keine Falle. Er steigt aus und macht mit dem Handy ein Foto der Szene. Dies Foto schickt er dem Vater. Aber der versteht nicht, weil auf dem Foto das tote Kind nicht zu erkennen ist.

Später schickt der Sohn kurze Videos, mit dem Handy aufgenommen, an den Vater, der nicht begreift, was da gefilmt ist. Der Sohn hatte begonnen, irakische Verletzte, die man ins Krankenhaus (und Gefängnis) fährt, zu foltern. Er greift in deren Wunden und fragt, ob das weh tue, während der Verletzte schreit wie am Spieß. Er mach dies nun so häufig, dass alle Kameraden ihn „Doc“ nennen.

Am Ende findet der Vater heraus, wie sein Sohn ermordet wurde. Die Gruppe von Soldaten, eben aus dem Irak zurückgekommen und unter Drogen, geht am Abend in ein Strip-Lokal. Der Sohn beginnt dort die Stripperinnen unflätig zu beschimpfen und anzugreifen. Die ganze Gruppe wird aus dem Lokal geworfen. Die anderen sind sauer auf den Sohn und es entsteht ein Streit. Mitten im Streit greift plötzlich einer der Soldaten zum Messer und ermordet den Sohn mit über 20 Messerstichen.

Anschließend beginnt die Grupe zu beraten, wie man das Verbrechen vertuschen könnte. Man zerschneidet die Leiche in viele kleine Stücke (einer der Soldaten ist Metzger) und will sie dann fortschaffen, aber alle haben so viel Hunger, dass sie erst einmal Hühnchen essen gehen. Als sie zum Tatort zurückkommen, haben Tiere die Leichenteile bereits zerstreut. So fährt man zur Kaserne zurück und verspricht Stillschweigen.

Das ist das andere Problem, mit dem viele Familien zurückgekehrter Soldaten zu kämpfen haben: Die Soldaten, die für Jahre im Irak waren, sind oft völlig verroht und gewalttätig. Sie sind oft nicht mehr zu liebevollen oder freundschaftlichen Beziehungen mit anderen Menschen fähig. In der Regel sagen die Eltern oder Ehefrauen oder Bräute der Soldaten, was da zurückkam, war nicht mehr der geliebte Sohn, Mann oder Bräutigam.

Ein zusätzliches Problem ergib sich daraus, dass die USA Frauen als ganz normale Soldaten zusammen mit den Männern „kämpfen“ lassen. Einer der interviewten Soldaten in der Dokumentation sagte, alle Soldatinnen seien ein- oder mehrmals vergewaltigt worden. Er deutet an, dass er zumindest durch Festhalten auch daran beteiligt war. Anscheinend beschließen bestimmte Gruppen der Soldaten einfach, eine der Kameradinnen zu vergewaltigen und nehmen sie sich dann einer nach dem anderen vor, während die anderen sie festhalten. Die Soldatinnen werden dann anschließend „vergattert“, auf keinen Fall ihre Vergewaltiger anzuzeigen, sonst sei das „Verrat“.

So haben dann diese Frauen noch ein zusätzliches psychisches Problem, wenn sie zurückkommen. Auch bei ihnen ein Zurückziehen von der Welt, Gewaltausbrüche, Drogen und Kriminalität.

Bei all dem ist ein Problem noch gar nicht erwähnt, das sich erst mit der Zeit herausstellt: Die Strahlenkrankheit. Im Irak (wie auch in Afghanistan, wie auch von Israel im Libanon, in Syrien und in Gaza) wird abgereichertes Uran in Geschossen und Sprengköpfen eingesetzt, so wie schon vorher im 1. Golfkrieg 1991. Von den über 500 000 damals dort eingesetzten Soldaten sind im Bereich von 325 000 verschieden stark verstrahlt und krank geworden. Insgesamt sind nach Auskunft der Veteranenorganisation des 1.Golfkrieges über 11 000 bereits daran gestorben, es werden weitere Tausende Todesfälle noch erwartet. Die Zahl von 325 000 bezieht sich auf arbeitsunfähig Erkrankte. Näheres zu diesen Fällen in diesem Artikel: „11 000 Tote – und niemand erwähnt es

Die Soldaten, die aus dem Irak zurückkommen, sind also zusätzlich von der Strahlenkrankheit bedroht, so als ob sie ohnedies nicht schon genug Probleme hätten. Abgereichertes Uran strahlt fast genau so stark wie reines metallisches Uran ohne Anreicherungsprozess und das ist viel. Jeder, der sich gezwungenermaßen viel in der Nähe solcher Geschosse, Raketen und Munition aufhält bzw. dessen Staub am Abschussort oder am Einschlagsort einatmet, bekommt Strahlenschäden, die sich bei geringer Dosis erst nach Monaten oder Jahren bemerkbar machen. Häufig sind dies Erkrankungen an Leukämie und anderen Krebserkrankungen, aber auch die Schädigung des Gewebes selbst (ohne Krebs) kann bereits zu schwersten Krankheitssymptomen und zum Tod führen.

Es sei daran erinnert: Diese Munition wurde in wesentlichen Teilen über Deutschland in dem Irak geliefert. Seit Anfang des Irak-Krieges haben bekanntlich Bundeswehrsoldaten die Bewachung der US-Kasernen in Deutschland übernommen, wo all dies zwischengelagert wurde und wird. Sie waren also zum mindesten zum Teil dieser Strahlung ausgesetzt.

So hat denn auch jemand schon bei einem SPD-Abgeordneten nach den Schäden durch Strahlung durch abgereichertes Uran gefragt und bekam prompt Antwort: Die Bundeswehr (wer auch sonst, nicht wahr?) habe das bereits überprüft und alles als ungefährlich eingestuft. Wie schön, dass die Gesetze der Physik ausser Kraft gesetzt wurden.

Kaum etwas kennzeichnet die Zersetzung dieses Gesellschaftssystems Kapitalismus und seiner Politiker (in den USA wie in Deutschland) klarer als die völlige Gleichgültigkeit, die man den eigenen Soldaten entgegenbringt, während man sie gleichzeitig für politische Propaganda benutzt.


Veröffentlicht am 3. Februar 2009 in der Berliner Umschau

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