Tiefster Einbruch in ganz Europa
Von Karl Weiss
Soeben sind die neusten statistischen Zahlen zur Wirtschaftskrise in Deutschland hereingekommen: Im vierten Quartal 2008 hat die deutsche Wirtschaft einen Einbruch von 2,1% erlebt, den höchsten von allen bedeutenden Ländern, was einer Jahresrate von 8,4% entspricht. Gleichzeitig spinnt Wirtschaftsminister Guttenberg von „einem baldigen Aufschwung“.
Die drei wesentlichen Faktoren des Rekord-Abschwungs – eine Jahresrate des Falls von über 8% im BIP hat es selbst in der Depression der dreißiger Jahre nur in extremen Ausnahmefällen gegeben – sind die Anlageninvestitionen (da es keine zahlbaren Kredite gibt, werden keine neuen Anlagen gekauft), danach der Außenbeitrag (Exporte, die sind besonders stark eingebrochen, weil im Ausland in fast allen Ländern gleichzeitig der Abschwung einsetzte) und als drittes die Konsumausgaben.
Diese drei Haupt-Faktoren für den in Deutschland am schärfsten ausfallenden Niedergang sind äußerst interessant:
Dass keine Anlageninvestitionen gemacht werden, ist natürlich zum einen eine Folge der Wirtschaftskrise: Wenn der Absatz stockt, wird man nicht in neue Anlagen investieren. Allerdings könnten kostensparende Investitionen eine Lösung von Problemen sein. Doch auch das geht geht nicht, denn man hat kaum Cash und wird es auch nicht für Investitionen ausgeben, man braucht Kredit. Aber der ist unverschämt teuer: Die Banken zocken und verlieren – dann muss ihnen angeblich geholfen werden und als Ausgleich geben sie keine Kredite mehr zu vernünftigen Bedingungen. Im Kapitalismus dürfen Banken alles – und du, lieber Bürger, darfst alles zahlen!
Dass die Exporte einbrechen, ist in einer starken Wirtschaftskrise natürlich. Nur trifft das die Länder unterschiedlich: Wer das gesamte Wachstum ausschließlich auf Exporten basiert hat, anstatt gleichzeitig die Entwicklung von internem Konsum und Exporten anzustreben, wer durch brutale Lohndrückerei gewaltsam auf dem internationalen Markt ein Ersatzwachstum erzielt, wer Exportweltmeister ist, statt eine ausgeglichene Wirtschaftentwicklung zu betreiben, der wird weit stärkere Einbrüche als die anderen erleben.
Und schließlich die Konsumausgaben im Inland. Hartz IV und die damit eingeleitete Lohnspirale nach unten haben die Unternehmer und Politiker in Deutschland in Glücksausbrüchen schwelgen lassen. Nun kommt der Kater: Die eingebrochene Binnennachfrage kann keinerlei Ausgleich schaffen. Zwar wird vom Wirtschaftsministerium (vorher Glos, jetzt völlig gleichlautend: Durchblicker Guttenberg) für die zweite Jahreshälfte ein Einsetzen des Aufschwungs vorhergesagt, aber der soll von Binnennachfrage getragen werden. Wo soll die herkommen angesichts der Mini-Löhne, der Kurzarbeit und den Massen-Entlassungen? Hat man vor, 20% Lohn- und Gehaltserhöhung im öffentlichen Dienst zu geben?
Hier der internationale Vergleich 4. Quartal 2008 von Deutschland mit den wichtigsten Ländern (Veränderung Brutto-Inlandsprodukt gegenüber Vorquartal):
Deutschland: -2,1%
Italien: -1,8%
Großbritannien: -1,5%
Frankreich: -1,2%
USA: -1,0%
Japan: 0,1% (3. Quartal, nach einer Pressemeldung liegt der Einbruch im 4. Quartal in der Nähe des deutschen)
Da passt es ins Bild, dass gestern die Zahl von 1 Million in Kurzarbeit veröffentlicht wurde, was bekanntlich mit Lohn-Einbussen verbunden ist und damit den Binnenkonsum noch weiter drückt.
Hier noch einmal den schon in einem anderen Artikel gebrachten Vergleich der Entwicklung der Reallöhne pro Kopf in europäischen Ländern von 2000 bis 2008:
Was werden uns Merkel und Guttenberg in der 2. Jahreshälfte erzählen, wenn keinerlei Aufschwung erfolgt ist – kurz vor den Bundestagswahlen?
Veröffentlicht am 20. Februar 2009 in der Berliner Umschau