Neue Krisen-Daten Deutschland
Von Karl Weiss
Am Samstag sind neue Krisen-Daten der deutschen Wirtschaft eingetroffen. Die wichtigste Zahl: Im Januar ist der Industrie-Umsatz in Deutschland gegen das Vorjahr um 20% eingebrochen. Einen besonders starken Einbruch hatte dabei die Investitionsgüterindustrie, in Deutschland die wichtigste Branche noch vor der Automobilindustrie.
Der Umsatz der deutschen gewerblichen Wirtschaft lag im Januar um ein Fünftel (19,7 %) unter dem Vorjahreswert, der Auslandsumsatz dabei sogar um 23,6 %. Das ist der stärkste Rückgang seit der Wiedervereinigung. Die Automobilindustrie ging um 34,3 Prozent in den Keller, die Metallerzeugung und -bearbeitung um 30,0 Prozent und die Chemie um 27,2 Prozent. Der Umsatz der gewerblichen Wirtschaft fiel um 19,7%, die Produktion um 19,2% und die Aufträge – und das ist ein Desaster – um 35%.
Die Investitionsgüterindustrie hat in der Produktion ein Minus von 22,8% aufzuweisen. Damit hat diese Schlüsselbranche (noch vor der Automobilindustrie) innerhalb eines Jahres ihre Produktion um etwa ein Drittel zurückgefahren.
Das eigentlich noch bedenlichere als die Einbruchszahlen Monat für Monat gegenüber dem Vorjahr sind die Vergleiche mit den Vormonatszahlen. In Form von Graphiken zeigen diese Zahlen seit dem letzten August in allen diesen kritischen Industrie- und Wirtschaftsdaten einen steilen Absturz Monat für Monat, der bisher völlig ungebremst ist bzw. sich sogar teilweise noch beschleunigt.
Nur ein Beispiel: Der Umsatz, Monat für Monat, des verarbeitenden Gewerbes mit einer arbeitstäglichen und saisonalen Bereinigung zeigt für die erste Hälfte 2008 eine Stagnation mit einigem Auf und Ab und dann ab August nur noch einen immer steiler werdenden Absturz. Hier die Zahlen 2008 (in einem Vergleich mit dem Jahr 2005 als 100): August 122, September 118, Oktober 117, November 114, Dezember 106, Januar 98.
Der frühere Vize-Chef der Londoner Europäischen Bank für Entwicklung, Jürgen Jahnke, weist in diesem Zusammenhang darauf hin: „... hier rächt sich, wie schon (...) bei den Auftragszahlen, die wahnsinnige deutsche Exportabhängigkeit, die Export- und Leistungsbilanzüberschüsse auf Kredit gegenüber den Defizitländern aufbaute. Ein Zurück zur Ausgangsposition wird nach Platzen der Kreditblase nicht mehr möglich sein.“
Angesichts dieser Zahlen und solcher Aussichten wird die Arbeitslosigkeit in Deutschland für 2010 zu Beginn auf etwa vier Millionen geschätzt, zur Mitte des Jahres dann auf etwa 4,3 Millionen. Das sind wohlgemerkt bereits die geschönten Zahlen, die wirklichen werden sich dann bereits im Rahmen zwischen 7 und 10 Millionen bewegen, je nachdem, wen man mitzählt.
Der Kommentator der „Financial Times Deutschland“, Thomas Fricke, weist darauf hin, dass damit die „Agenda 2010“-Politik gescheitert ist, denn deren Berechtigung wurde ja aus der Behauptung hergeleitet, in Aufschwungphasen würde damit die Arbeitslosigkeit schneller abgebaut und in Abschwungphasen wie jetzt die Arbeitslosigkeit weniger wachsen. Diese Politik war im März 2003, also genau vor 6 Jahren, von Kanzler Schröder verkündet und danach umgesetzt worden und die „Grosse Koalition“ hat diese Politik konsequent weitergeführt.
Tasächlich wurden die Veränderungen in den Arbeitslosenzahlen praktisch nicht beeinflusst. Stattdessen wurde die Armut in Deutschland eingeführt und verbreitet und die Reallöhne verringert. Das wirkt sich jetzt in der Krise besonders negativ aus, denn die schon gesunkene und weiter sinkende Binnenachfrage kann den Abschwung nicht dämpfen.
Fricke schreibt: „Deutschland steuert auf ein politisches wie ökonomisches Desaster zu. Die Arbeitslosigkeit droht im Einlösejahr 2010 höher auszufallen als zur Zeit von Schröders vollmundiger Agenda-Rede vor sechs Jahren. (...) Zurück auf Los. Dem Land droht ökonomisch wie psychosozial ein Desaster, wenn Kanzlerin und Finanzminister weiterträumen.“
Veröffentlicht am 18. März 2009 in der Berliner Umschau