Piratenpartei auf Kurs Bundestag
Von Karl Weiss
Das Institut Emnid und das Magazin Cicero haben jeweils Umfragen veröffentlicht, die ein Wahlergebnis der Piratenpartei von 6% vorhersagen, d.h. sie würde ins Parlament einziehen. Eine Umfrage, die das Wissenschafts-Magazin LifeGen.de publizierte, kommt sogar auf 11 Prozent. Das wäre DIE Sensation des neuen Jahrhunderts in Deutschland.
Zwar wurde das deutsche 3-Parteiensystem bereits "aufgemischt", als Ende der Siebziger Jahre die Grünen auf der Bildfläche erschienen und sich dann im Laufe der Zeit zu einer Klientel-Partei (Städter, Lehrer, Intellektuelle, Ex-68er) entwickelten, die den Einzug in fast jedes deutsche Parlament schafft. Noch mehr und noch nachhaltiger wirkte das Erscheinen der Linken, die praktisch an jenem Tag entstand, als Lafontaine nach der Desaster-Niederlage der SPD bei den nordrhein-westfälischen Landtagswahlen im Frühjahr 2005 ein öffentliches Angebot an die PDS schickte, zusammen mit ihm und der WASG eine neue Partei für die nächsten Wahlen zu gründen.
Heute hat sich die Linke auch im Westen fest etabliert und die "interessierten Seiten" haben es inzwischen schon aufgegeben, sie zu einer Totgeburt zu erklären. Allerdings ist den Linken in Deutschland nicht entgangen, dass die Linke zum Teil mit unannehmbaren Entscheidungen aufwartete, so z.B. die Anerkennung der "Neuen Verfassung der EU" und der Befürwortung des Verkaufs von kommunalen Wohnungen - ganz zu schweigen von den Absurditäten, die sich die Linke in Berlin als Regierungspartei leistet. Das hat bereits zu einem herben Rückschlag der Linken bei den Europawahlen geführt und für die Bundestagswahl sieht es nicht viel rosiger aus.
Doch nun, wenn die Piratenpartei es wirklich schaffen würde, aus dem Nichts in den Bundestag zu kommen, wäre all dies in den Schatten gestellt. Mit sechs Parteien im Bundestag würde sich alles ändern. All die schönen Träume von Schwarz-Gelb wären ausgeträumt, ja selbst die Konstellation zusammen mit den Grünen ("Jamaika") wäre gefährdet - und würde außerdem die Grünen zerreißen. Nichts wäre mehr wie vorher.
Die Piratenpartei hat bisher noch nicht einmal ein klares Wahlprogramm, wenn man von den grundlegenden Anliegen der Piraten, Internet ohne Zensur, Bürger ohne Maulkorb und freies Download zu privaten Zwecken absieht.
Aber das ist natürlich auch nicht, um was es geht. Den ausgelutschten und abgefuckten Politikern eine Lektion erteilen, das ist das Ding.
Man braucht kein Weiser zu sein, um zu sehen, dass die jetzige Große Koalition das Internet vor allem als Bedrohung ansieht. Und eine klare Mehrheit vor allem der jüngeren Menschen sieht das Internet vor allem als eine Bereicherung, ja manchmal schon fast als Lebensinhalt. Da ergibt sich ein logischer Konflikt und die Politiker-Masken unterschätzen offensichtlich sträflich, was da auf sie zukommt. Statt sich sachlich mit dem Internet und den Fragen des Downloads zur privaten Nutzung unvoreingenommen zu beschäftigen, beginnen sie zu verteufeln. Die Frage von Kinderporno im Internet wird benutzt, um den Beginn von Zensurmaßnahmen zu etablieren. Das wiederum bringt eine Menge Leute auf die Palme.
Es ist also gar nicht ausgeschlossen, dass es die Piratenpartei wirklich in das Parlament schafft, auch wenn diese Wählerstimmen vor allem auf die Ablehnung der etablierten Parteien zurückzuführen wären, nicht auf ein positives Programm der Piratenpartei.
Es ist zweifellos ein wesentlich positiver Ansatz, der da möglich wird. Im Moment kann alles helfen, was die verkrustete Parteienlandschaft aufbricht. Die Art und Weise, wie die Probleme nicht angegangen, aber stattdessen Hunderte von Milliarden in die Bankenwelt geschaufelt werden, charakterisiert eindrucksvoll die offene Verwesung, in die das System bereits übergegangen ist. Da kann frischer Wind nur gut sein.
Veröffentlicht am 17. August 2009 in der Berliner Umschau