Klimaziele: Brasilien -36 bis -39% bis 2020 – und ihr?
Von Karl Weiss
Für den kommenden Klimagipfel in Kopenhagen wird bereits jetzt von fast allen Beobachtern ein völliges Fiasko vorausgesehen, vor allem weil die beiden Länder mit dem größten klimaschädlichen Ausstoß von Klima-Gasen, USA und China, bereits angesagt haben, sie würden sich zu gar nichts verpflichten. Auch Deutschland gehört zu den erklärten Verpflichtungs-Verweigerern.
In der Folge werden wohl auch alle anderen nichts Konkretes festlegen wollen und der Gipfel wird zu einem Austausch unverbindlicher Leerformeln werden. Der Brasilianische Präsident Lula hat nun einen letzten Versuch gemacht, die Großmächte zu beschämen und ist mit einer Selbstverpflichtung Brasiliens vorgeprescht.
Das brasilianische Kabinett hat beschlossen, bis zum Jahr 2020 36 bis 39 % (genau zwischen 36,1 und 38,9 %) der jetzigen CO2-Belastung zu kürzen, hauptsächlich durch eine Verringerung der Vernichtung von Regenwäldern, vor allem im Amazonasgebiet. Die anderen Maßnahmen, um dieses weit gehende Ziel zu erreichen, ist der Ersatz von Benzin als Kraftstoff durch aus Zuckerrohr gewonnenen Alkohol und der Ersatz von Diesel als Kraftstoff durch Biodiesel.
Diese Selbstverpflichtung Brasiliens stellt den Versuch da, die reichen und „entwickelten“ Länder zu veranlassen, ebenfalls eine Verpflichtung bis zum Jahr 2020 einzugehen.
Unter dem Druck der Energie-, der Öl- und der Automobilkonzerne haben praktisch alle ach wie so entwickelten Länder konkrete Ziele zur Verminderung des CO2-Ausstosses verneint. Es wäre mit Investitionen von nur einem Zehntel jener Gelder möglich, mit denen man Banken „gerettet“ hat, die Energiebasis im wesentlichen umzustellen. Das würde bedeuten: Weg von der Verbrennung von Kohle , Öl, Benzin, Diesel und Gas zur Wärme- und Energiegewinnung, hin zur Solarenergie, zu Sonnenbrennöfen, zur Windenergie, zur Erdwärme, zu Wärmepumpen, zu Wellenenergie, zu Gezeitenenergie und als Brückentechnologie auch zum Bio-Sprit (Alkohol als Benzin-Ersatz und Biodiesel statt Diesel).
Außerdem müsste der Raubbau von Wäldern überall eingestellt werden. Dabei stehen besonders Brasilien und Indonesien in der Pflicht, aber auch Kanada.
Es ist keineswegs garantiert, dass Brasilien die Selbstverpflichtung auch einhalten kann. Im nächsten Jahr sind hier Wahlen. Wen der voraussichtliche Kandidat der Oligarchie, Serra, gegen die Koalition der jetzigen Regierung gewinnt, weil die voraussichtliche Kandidatin Lulas, Wilma Roussef, fast unbekannt ist, wird die Oligarchie im größten Land Lateinamerikas wieder die ganze Macht in der Hand haben und vor allem ihren Agrargewinnen nachhetzen, was freies Abholzen im Amazonasgebiet bedeutet. Aber auch Lulas Koalition ist zum Teil aus Oligarchie-Teilen zusammengesetzt, die keinerlei Interesse haben, die Eroberung neuer Acker- und Weideflächen im Norden und Westen des Landes zu unterbinden.
So wie Lula bereits als der beliebteste Präsident aller Zeiten lavieren musste, um seine Regierungskoalition nicht zu gefährden, müsste dies auch Wilma Roussef tun, falls sie wirklich gewinnen sollte.
Demgegenüber haben wir in Deutschland, wie auch die Engländer, die Franzosen und die US-Amerikaner eine Regierung, die nicht laviert, sondern strikt Konzernkurs fährt. Dies wurde deutlich, als die große Koalition (die SPD erinnert sich schon gar nicht mehr daran) statt Investitionen in alternative Energien beschloss, in großer Zahl neue Kohlekraftwerke zu bauen und die Braunkohlengewinnung und die dazugehörigen Kraftwerke auszubauen statt stillzulegen. Mit dieser Entscheidung wurde es in Wirklichkeit bereits unmöglich, das Ruder des wachsenden CO2-Ausstosses herumzureißen und Verpflichtungen für die Verminderung einzugehen.
Wenn die Klimakatastrophe noch verhindert werden soll, die wahrscheinlich mit den Lebensbedingungen praktisch der ganzen Menschheit aufräumen würde, muss so schnell wie möglich eine neue Umweltbewegung, befreit von den Grünen, die Überlebenschance für die Menschheit einfordern.
Veröffentlicht am 16. November 2009 in der Berliner Umschau