CDU-Wahnsinn ‘Stuttgart 21’
Von Karl Weiss
Das Projekt “Stuttgart 21“, ein gigantisches Bahn-Neubau-Projekt, das Milliarden und Abermilliarden kostet, nur um einige schnelle Züge ein paar Minuten eher ankommen zu lassen, ist der Skandal schlechthin. Mit einigen Alternativprojekten hätte sich im wesentlichen der gleiche Zeit-Einspareffekt erreichen lassen können, ohne in Zeiten der „alternativlosen“ Sparorgien mit Milliarden von Euro nur so um sich zu werfen. Nun hat sich auch noch herausgestellt: Unter Mitwirkung des heutigen Ministerpräsidenten in Stuttgart wurde ein illegaler Millionenzuschuss hierzu vom Land gewährt.
Das Land Baden-Württemberg hat bereits lauthals verkündet, es sei kein Geld mehr da, Sparen sei „alternativlos“ usw. usf. Vor allem wenn es um die Bildung (Ländersache) geht, ist man beim Sparen ganz groß. Dafür hat man aber Hunderte von Millionen für Bahn-Prestige-Objekte (nicht Ländersache).
So steht in seltsamem Gegensatz zu den Spar-Versprechen auch des Bundes das Prestige-Großprojekt der CDU „Stuttgart 21“, das u.a. den völligen Abriss des denkmalgeschützten Hauptbahnhofsgebäudes und einen völlig neuen unterirdischen Bahnhof auf dem Gelände des jetzigen Hauptbahnhofs beinhaltet. Das war in keinster Weise nötig, sondern ist ein reines „CDU-ist-groß-Projekt“. In Wirklichkeit sind da aber auch SPD und FDP involviert, aber die laufen im „Ländle“, wie man dort das Land nennt, nur unter „ferner liefen“.
Nimmt man die Argumente für das Mammut-Projekt, so sind sie leicht widerlegbar.
Zunächst wird ein 20-Minuten-Gewinn für die ICEs auf der Strecke von Ulm nach Mannheim/Heidelberg beansprucht. Sieht man sich das aber genau an, so ist der größte Teil dieses Zeitgewinns auf ein anderes Projekt zurückzuführen, nämlich eine neue Trasse am Albaufstieg zwischen Ulm und Stuttgart, die nicht mehr so steil und kurvenreich wie die bisherige ist. Nur: Dieses Projekt macht nur den kleinsten Teil der Ausgaben aus und hätte auch ohne die Stuttgarter Groß-Baustelle verwirklicht werden können.
Argument Nummer 2 ist: Der Stuttgarter Hauptbahnhof ist ein Kopf-Bahnhof. Die Züge müssen dort also umkehren. Das sei nicht mehr zeitgemäß. Außerdem führe das zu Zeitverlusten. Also: Moderne Züge wie der ICE haben die Doppel-Kopftechnik: In einem Kopfbahnhof schließt der Zugführer schlicht sein Abteil, steigt aus und geht bis ans andere Ende des Zuges, wo er aufschließt, anknipst und schon kann’s wieder losgehen.
Nun, so muss man als ehemaliger Bewohner des Großraums Frankfurt fragen: Wie kommt es, dass Frankfurt es bis heute nicht geschafft hat, zu regionaler Bedeutung herabzusinken, obwohl man dort auch einen Kopfbahnhof hat – und bis heute kein Milliardenprojekt vorliegt, dies zu ändern. Frankfurt wurde – ganz im Gegenteil – als Sitz der Europäischen Zentralbank auserkoren – mit Kopfbahnhof, man stelle sich vor!
Nun kann es für die schnelle Weiterfahrt eines ICE tatsächlich manchmal hinderlich sein, wenn ein längeres Langsamfahrt-Stück für die Einfahrt und Ausfahrt des Bahnhofs erforderlich ist. Doch hat man in Frankfurt längst gezeigt, wie man dies Problem behebt: Ein Teil der ICE fahren gar nicht mehr zum Hauptbahnhof, sondern berühren Frankfurt nur in Frankfurt-Flughafen, von wo man dann schnell wieder auf Geschwindigkeit kommt. Von da zum Hauptbahnhof gibt es die häufige und schnelle S-Bahn.
Ähnliches hätte sich in Stuttgart verwirklichen lassen: Ein Freund aus Stuttgart meinte zum Beispiel, man hätte den kleineren Bahnhof Stuttgart-Untertürkheim zu einem ICE-Bahnhof ausbauen können, von dem aus man in wenigen Minuten mit der S-Bahn am Hauptbahnhof ist – weit schneller als in Frankfurt vom Flughafen. Dazu wären alle, die zur Hauptverwaltung der Daimler-Benz AG oder zum Stuttgarter Neckarstadion wollen, dort bereits fast am Ziel.
Das meist gehörte Argument für den Milliarden-Coup ist allerdings: Man brauche eine neue „Visitenkarte“. Der heutige, unter Denkmalschutz stehende Hauptbahnhof, tut es nicht mehr. Das ist das Denken von Personen, die einfach alles ablehnen, was schon älter ist, eben einfach, weil es schon älter ist. Diese Art von Personen, offenbar besonders häufig in der CDU anzutreffen, hat nicht den geringsten Schimmer, was ein Denkmal und was Denkmalschutz ist. „Alte Menschen? Schmeißt sie raus! Kürzt ihnen die Rente! Sollen sie sehen, wo sie bleiben! Alte Gebäude? Abreißen! Abreißen!“
Früher einmal hat die CDU behauptet, sie sei eine konservative Partei. „Konservativ“ kommt von ‚conservare’ im Lateinischen und meint, man wolle alte Werte, die weiterhin gültig sind, betonen gegen einen manischen und unbegründeten Erneuerungsgedanken um seiner selbst willen. Soweit ein zweifellos unterstützenswertes Anliegen.
Was sich da heute als CDU darstellt, ist dagegen das genaue Gegenteil. Verändern um der Veränderung willen, Alles, was alt ist, verabscheuen. Nur das Neue hat Wert! Das ist die Ideologie eines Autobauers, aber nicht die von Konservativen.
Nun kommt zu all diesen Absurditäten, die das Projekt „Stuttgart 21“ umringen, noch eine kleine, aber feine Illegalität. Hierzu schreibt „news25.de“:
„Das Land Baden-Württemberg hat im Jahr 2001 der Deutschen Bahn einen fragwürdigen Auftrag über mehrere hundert Millionen Euro zugeschanzt, um das umstrittene Verkehrsprojekt Stuttgart 21 zu retten. Nach Informationen des "Spiegel" war auch Ministerpräsident Stefan Mappus, damals Politischer Staatssekretär im Verkehrsministerium und zuständig für den Regionalverkehr, beteiligt. (...) Derartige Geschäfte hält der Düsseldorfer Wettbewerbsrechtler Clemens Antweiler für unzulässig: "Das ist nur eine kaschierte Subvention für die Deutsche Bahn."“
Und die Finanzen sind überhaupt der wichtigste Schwachpunkt von „Stuttgart 21“: Die zunächst genannte Zahl von 2,6 Milliarden Euro ist längst auf 4,1 Milliarden Euro gewachsen, bereits eine absurd hohe Zahl, und auch die ist in Wirklichkeit längst Geschichte. Die letzte glaubwürdige Schätzung liegt bereits bei über 7 Milliarden Euro. Man wird also bald etwa beim dreifachen der zunächst erlogenen Kosten sein.
Doch nicht genug damit: Nun liegt auch noch ein Gutachten des Bundes-Umweltamtes vor, das dieses Projekt und zwei weitere zur Beschleunigung der ICEs als „reine Prestige-Projekte“ bezeichnet. Das Umweltbundesamt, immerhin eine offizielle Institution der Bundesrepublik Deutschland, bemängelt vor allem, dass so viel Geld in die Hand genommen wird, ohne irgendwelche nennenswerten Vorteile für die Umwelt damit zu erreichen.
Würde eine vergleichbare, aber geringere Menge Geld investiert, um stattdessen die Infrastruktur der Bahn für den Güterverkehr zu verbessern, könnte damit fast der gesamte Güterverkehr in Deutschland auf die Schiene verlegt werden, was einen immensen Einfluss auf die Verbesserung der Situation der Luftverschmutzung im dicht besiedelten Deutschland hätte, sagt das Umweltbundesamt.
Nun, wie auch immer, die Bevölkerung Stuttgarts (und nicht nur dort) wird immer empörter über das rücksichtslose Durchpeitschen des Projekts. Bei den letzten Kommunalwahlen 2009 wurde die Fraktion der „Grünen“ zur stärksten in dieser traditionell konservativen Stadt. Es gibt keinen Zweifel, dass dies klar auf die überwiegende Ablehnung von „Stuttgart 21“ zurückzuführen ist. In keiner anderen Stadt mit mehr als 600.000 Einwohnern stellen die Grünen die größte Stadtratsfraktion.
Trotzdem besteht die große Koalition aus Deutsche Bahn, Bundesregierung, baden-württembergischer Landesregierung und Stuttgarter Rathaus weiterhin auf dem Wahnsinnsprojekt.
In der ersten August-Woche kam es zu einer Demonstration von mindestens 16.000 Stuttgarter Bürgern gegen das Projekt anlässlich der Erstellung des Bauzauns zum Abriss des Stuttgarter Hauptbahnhofs, der bis dahin größten Demonstration von Einheimischen in Stuttgart seit Menschengedenken.
Am 13. August 2010 wurde erneut demonstriert. Etwa 20.000 Einheimische wurden diesmal gezählt, nachdem nun bereits an der Fassade des Hauptbahnhofs die Marken des Abrisses zu erkennen sind.
Es steht nun Spitz auf Knopf. Wird sich die Abrissbirne gegen die Menschen durchsetzen? Wenn es gelingt, die Frage in die Betriebe und Büros zu tragen und spontane Aktionen durchzuführen, könnte die Kartoffel den Politikern zu heiß werden.
Veröffentlicht am 18. August 2010 in der Berliner Umschau
Zusatz zum Artikel (vom 18.08.2010)
Wie es der Zufall will, hat die "Süddeutsche" genau heute einen Artikel zu diesem unsinnigen Prestige-Projekt veröffentlicht, der noch einen weiteren ganz neuen Aspekt gegen die Verwirklichung ins Feld bringt: Der geologische Untergrund in jenem Tal, in dem das Zentrum Stuttgarts liegt, ist extrem problematisch, weil dort Formationen von Anhydrit vorkommen. Wer Schleusen öffnet im Untergrund, so dass Wasser auf das Anhydrit treffen kann, erlebt plötzlich ein gewaltiges Anschwellen des Gesteins dort, was mit der Macht von Erdbeben solche Bauten zerstören kann.
Hier: http://www.sueddeutsche.de/kultur/katastrophenszenario-stuttgart-schwankende-neubauten-1.989471
Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zu Stuttgart21:
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