Montag, 13. September 2010

Der Schein-Aufschwung D ist schon zu Ende

Binnen-Nachfrage bleibt die Achilles-Ferse

Von Karl Weiss

Der „Aufschwung“ habe eingesetzt, hat man in Deutschland der Bevölkerung erzählt, nur weil viele Reiche im Ausland im Frühjahr Porsches, Mercedes, BMWs und Audis gekauft hatten. Nur ist die Zahl der Reichen begrenzt und damit ist der Schein-Aufschwung bereits vorbei. Im Juli setzten deutsche Firmen im Ausland 1,5% weniger ab als im Vormonat.

Stahlindustrie

Das ganze produzierende Gewerbe setzte insgesamt nur 0,1% mehr als im Vormonat ab, während die Optimisten in Regierung und Wirtschafts-Instituten 1% mehr vorhergesagt hatten.

Damit ist man weiterhin weit vom Vorkrisen-Niveau entfernt. Die Krise ist nicht zu Ende. Im Gegenteil, das Ende ist überhaupt nicht abzusehen.

Die 0,1% Zuwachs sind zudem noch nicht inflationsbereinigt. Das ergibt für die realen Werte auch einen Rückgang. Auch wenn der Umsatz der deutschen gewerblichen Wirtschaft bis Mai 2010 fast auf das Vorkrisenniveau kam, ging dieser im Juni und Juli bereits wieder zurück und liegt nun um 13% unter dem letzten Vorkrisenmonat, August 2008. Der Inlandsumsatz liegt sogar 14% darunter.

Zwar kann die deutsche Automobilindustrie auf einen relativ guten Absatz verweisen, denn man exportiert nach China, andere asiatische Länder und in die USA, aber der Rest der bundesdeutschen Wirtschaft hat das Vorkrisen-Niveau noch nicht erreicht und die Juli-Zahlen belegen: Sie sind auch nicht dabei, dieses zu erreichen.

Dies führt – bei aller Sparhysterie – auch zu einem zweiten negativen Effekt: Die Verschuldung der Bundesrepublik steigt rasant. Im ersten Halbjahr 2010 verzeichnete der Kernhaushalt der BRD ein Finanzierungsdefizit (also die Notwendigkeit der Aufnahme neuer Schulden) von 32,9 Milliarden Euro – und das bei einer um 2,2% steigenden Wirtschaftsleistung in einem halben Jahr, dem höchsten Halbjahreszuwachs seit der Vereinigung.

Toyota Autohalde auf dem Kalifornien Terminal

Wird diese Aufwärtsbewegung nun nachhaltig gestoppt, wird das Defizit des 2. Halbjahres ja noch höher.

Was sich da zeigt, ist auch ein anderes deutsches Grundübel: Der Bundeshaushalt ist weitgehend abgekoppelt von der Wirtschaftsleistung, weil weder die großen Firmen nennenswert besteuert werden noch die Besitzer und Aktionäre. Während in den Vorstandsetagen bereits wieder die Freudentränen fließen, bleibt der Staat (und die Bevölkerung) im Tal der Tränen.

Es ist immer wieder das gleiche Lied: Da die Löhne in Deutschland massiv abgebaut wurden und die Arbeitslosigkeit weiterhin auf dem schon 2005 erreichten hohen Niveau liegt (man glaube nur nicht die offiziellen Arbeitslosen-Zahlen-Lügen), ist die Binnennachfrage eingebrochen – und dies schon vor der Krise. Alles hing und hängt nur am Export. Darum war der Wirtschaftseinbruch in der Krise in Deutschland auch höher als in vergleichbaren anderen Ländern, denn der internationale Waren-Austausch nahm zeitweise bis zu 50% ab in der ersten Phase der Krise.

Jetzt stehen wir am Ende der zweiten Phase der Krise. Ein Teil der allertiefsten Einbrüche wurde schon wettgemacht, aber im Großen und Ganzen ist das Vorkrisen-Niveau noch nicht wieder erreicht. Doch jetzt kündigt sich bereits die zweite Talfahrt dieser Krise an, ein erneuter Einbruch, welcher die dritte Phase der Krise einleitet. Die USA und China haben deutlich verschlechterte Vorhersagen und zum Teil gibt es in den USA schon klare Rückgänge. Dort aber, in USA und China, ist eben genau ein wesentlicher Teil des deutschen Exportmarktes.

Ford Trucks in Detroit auf Halde

Der andere ‚gut funktionierende‘ Exportmarkt sind die anderen EU-Länder. Doch dort ist mehr Heulen und Zähneknirschen als in Deutschland. Die EU wird Deutschland nicht aus der Krise holen, ebensowenig wie Deutschland die EU aus der Krise holen kann, denn die braucht Deutschland nur als Exportmarkt.

Damit zeichnet sich am Horizont Schlechtes ab für Deutschland.

Solange in Deutschland nicht massive Lohnerhöhungen durchgesetzt werden, ein genereller Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde eingeführt wird und die Leiharbeit auf tatsächlich zeitlich begrenzte Stellen beschränkt wird, solange also die Binnennachfrage nicht zum zweiten Bein der deutschen Ökonomie wird, bleibt Deutschland einbeinig und kann mit seinen Exporten nur den anderen hinterherhinken, die eine selbsttragende Wirtschaft haben.


Veröffentlicht am 13. September 2010 in der Berliner Umschau

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