Wo ist konservative Politik geblieben?
Von Karl Weiss
Die vier größten europäischen Staaten innerhalb der EU sind „konservativ“ regiert: Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien. Doch nicht eine dieser vier Regierungen hat irgendetwas Konservatives an sich. Konservative Politik legt den Schwerpunkt auf die Bewahrung des guten, alten Bewährten und lehnt Neuerungen um ihrer selbst willen ab. Nun zeigen Sie dem Bürgerjournalisten einmal auch nur eine wirklich konservative Nuance in der Politik der vier Regierungen!
Beginnen wir mit der Regierung, die zuletzt ihr Amt antrat: Die Britische Cameron-Regierung. Traditionell (und das ist natürlich ein Schlüsselwort für konservative Politik) sind die Konservativen national, sie lehnen also im wesentlichen die Übertragung von nationalen Zuständigkeiten auf übernationale Gremien (in diesem Fall EU) ab. So, und nun zeigen Sie, wo Cameron dies gegenüber der EU tut! Fehlanzeige!
Wer auch immer in Europa bereits froh war, dass die Labour-Regierung in England schließlich und endlich zu einem Ende kam, musste konstatieren: Cameron führt fast die gleiche Politik weiter. Nichts von einer Volksabstimmung über die neuen Rechte Brüssels über alle Europäer, nicht daran zu denken. Also zu was wurde dann konservativ gewählt, wenn es überhaupt keine Alternative gibt?
Gehen wir nun zum kleinsten der vier „Großen“, Italien. Seit Jahren herrscht dort Berlusconi mit verschiedenen Partnern. Er wurde uns als konservativ verkauft. Aber was bitte ist an Berlusconis Politik konservativ?? Welche altbewährten Prinzipien hält er hoch???
Das Prinzip, gemeinsame Sex-Sitzungen mit ausländischen Staatsoberhäuptern am Pool von Regierungsvillen abzuhalten, kann wohl nicht dazugehören, oder? Und die Verfolgung von Staatsanwälten, die ihn für seine Taten verantwortlich machen wollen? Ist das konservativ??? Und das wiederholte Einbringen von Gesetzen, die ihn von allen Verantwortung befreien? Konservativ? Und die Verwicklung in eine faschistische Organisation, die Attentate auf Zivilpersonen durchführte, die sogenannte Gladio, das soll konservativ sein? Dann wäre Hitler auch konservativ gewesen.
Oder sehen wir uns nun die beiden großen Verbündeten an, Frankreich und Deutschland, die beiden Nationen, die Europa auf die Tagesordnung setzten, die nur 10 Jahre nach Beendigung des zweiten Weltkrieges die Mutter aller Erbfeindschaften begruben und eine Partnerschaft aufbauten. Gedenken an de Gaulle und Adenauer. Wie viele junge Französinnen in unserer Familie! Wie viele Gastaufenthalte in französischen Familien! So baut man Völkerfreundschaften auf!
Deutschland und Frankreich stellten das vereinte Herz Europas dar. Das war ein konservativer Wert, den Adenauer und de Gaulle damals verfolgten – zwei große Länder Hand in Hand, den Kern einer neuen Gemeinschaft in Europa bildend. Was ist daraus geworden? Auf beiden Seiten des Rheins haben andere Werte den Einzug gehalten. Wie man sie nennen soll, weiss man nicht, aber konservativ sind sie nicht – auf keinen Fall.
Wer Zigeuner aus ihren Camps vertreibt und mit Gewalt in irgendwelche anderen Länder deportieren lässt, ist der ein Konservativer? Welche überlieferten Werte verfolgt er da? Wer zuletzt eine Anti-Sinti-und-Roma-Politik mit Gewalt verfolgte, war Hitler. Ist der eine konservative Ikone???
Nun wird uns gesagt, Sarkosy hätte die ganze Zigeuner-Sache nur in Gang gesetzt, um von seiner Verwicklung in widerrechtliche Abhörmassnahmen zum Herausfinden von Personen abzulenken, die seine innige Verbindung mit den Milliarden der L’Oreal-Erbin öffentlich werden lassen könnten (‚Le Monde‘).
Geheimdienste für persönliche Zwecke zu missbrauchen, ist das konservative Politik???? Faschistische Akte zu verwenden, um persönliche Verfehlungen zu verdecken – ist das konservative Politik?
Und wenden wir uns schließlich unserer eigenen Spitzen-Frau zu, der deutschen Bundeskanzlerin. Sie wurde unter einem „Christlich-Demokratischen“ Label gewählt und gibt bis heute vor, diese Werte zu verteidigen. Doch was wissen wir inzwischen mit Sicherheit von ihr?
Sie gab ohne das geringste Zögern Hundert-Milliardenbeträge an Banken, als diese sich im Spielkasino der großen Beträge verzockt hatten. Das deutsche Volk hat diese Gelder aufzubringen. Was bitte ist daran konservativ - oder christlich? Welche seit Generationen weitergebenen Werte führen zu einer solche Politik???
Es scheint eher die Aufhebung aller traditionellen Werte zu sein, die dies hervorbrachte, also der Anti-Konservativismus!
Die nächste wesentliche Aktion, die man von ihr weiss, ist das erneute Ausgeben von Hunderten von Milliarden von Euro im Mai 2010, um EU-Partnern noch tiefer in die Verschuldung zu treiben, als sie sowieso schon waren – nur weil sie damit dann die „armen“ Banken bezahlen konnten.
Auch dies eine Aktion, die allen wesentlichen traditionellen Werten Hohn sprach.
Die dritte schließlich von ihr berichtete Aktion war jetzt vor kurzem die Annahme der Handschrift der großen Energiekonzerne in der Vereinbarung mit den Atom-Betreibern, was man als alles Mögliche bezeichnen kann, nur nicht als konservativ. Die Erhaltung des Lebens ist ein zutiefst konservativer Wert, das Riskieren von Millionen Leben für die Profite von Konzernen ist dagegen anti-konservativ.
Welche Sehnsucht nach Kohl!
Der vertrat zumindest im wesentlichen noch konservative Werte.
Na gut, da war auch so manches andere, gehen wir nicht zu sehr in Details!
Als er versuchte, kurz vor Ende seiner letzten Amtszeit, die Steuerbefreiung der Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge aufzuheben, wurde er innerhalb von zwei Wochen durch beginnende Streik-Aktionen der Gewerkschaften gestoppt – und das war gut so.
Aber trotzdem: Unter Kohl hatten die Konzerne noch Steuern zu bezahlen, wurden die Reichen noch mit mehr als 50% Steuern für ihre Einnahmen belegt (auch wenn in Wirklichkeit niemand diese Steuern bezahlte, da gab es zu viel Schlupflöcher), musste man noch gleich hohe Steuern für Einnahmen aus Vermögen bezahlen wie für Einnahmen aus Arbeit, wurden große Erbschaften noch halbwegs besteuert, kurz, die wesentlichen konservativen Überzeugungen waren noch gültig, wie z.B. : Wer kann, soll auch in erhöhter Weise zu den Einnahmen des Staates herangezogen werden.
Dann kam der September 1998: Der Bürger-Journalist erinnert sich noch, er war ganz optimistisch mit einer neuen Rot-Grünen Regierung.
Das war der größte Fehler des ausgehenden Jahrhunderts.
Was da nun auf das deutsche Volk zukam, war der Albtraum: Agenda 2010 und verbundene Projekte: Die Konzerne wurden praktisch von allen Steuern befreit, die Reichen brauchen nur noch marginale Steuern für Einnahmen aus Vermögen bezahlen, die Leiharbeit wird freigegeben, Hartz IV wird aus der Taufe gehoben, die Ein-Euro-Jobs und natürlich kein Mindestlohn, kurz alles, was man eventuell von einer konservativen Regierung erwartet hätte (aber von ihr nicht durchzusetzen gewesen wäre), wurde nun mit Gewalt durchgepaukt. Die Verarmung des deutschen Volkes und die Hilfe ausschließlich für die Reichen wurde Gesetz unter Schröder-Fischer.
Das war ein Gespann von Leadern, die am tiefsten in die deutsche Geschichte einschnitten und die Armut wieder auf die Tagesordnung brachten, die in Deutschland bereits ausgerottet schien - man darf sie unbedenklich als Schröder-Fischer-Armut bezeichnen.
Eine konservative Regierung hätte dies nie durchsetzen können, denn sie wäre von Streiks hinweggefegt worden. Aber die Gewerkschaftsführer in Deutschland waren selbst SPD oder Grün, wer hätte also zu Streiks aufrufen können??
Welche Sehnsucht nach Kohl!
Veröffentlicht am 21. September 2010 in der Berliner Umschau