Sarrazin hat selbst mit verursacht, was er nun anprangert
Von Karl Weiss
So unglaublich dies erscheinen mag, aber Sarrazin hat in seiner Zeit als Berliner Finanzsenator im Rahmen der generellen Sparmaßnahmen die Gehälter von Erzieherinnen und Lehrern gekürzt und die Vorklassen abgeschafft. Damit hat er vor allem den Einwanderer-Kindern geschadet. So hat er denn mit verursacht, was er jetzt – angeblich als Schuld des Islam – anprangert.
Zur Zeit von Sarrazin als Finanzsenator waren die Erzieherinnen und Lehrer einer der Haupt-Angriffspunkte Sarrazins. Die Lehrer lernten bald, immer wenn von Reformen gesprochen wurde, ging es nicht um Verbesserungen im Schulsystem, sondern um Einsparungen, um Gehaltskürzungen und um zusätzliche Aufgaben.
So hatte Sarrazin z.B. von den Erzieherinnen in den Kinder-Tagesstätten (ein Schwerpunkt der ausländischen Kinder) gefordert, über jedes Kind ein Tagebuch zu führen und die Lernfortschritte zu dokumentieren, ohne dass dies bezahlt wurde. Bereits vor Sarrazins Zeiten war eine Erhöhung der verlangten Wochenstunden von Beamten dekretiert worden, doch dann wieder zurückgenommen, aber nicht für die Lehrer.
Als Sarrazin Finanzsenator wurde, änderte er nichts daran. Berlin hat bis heute die niedrigsten Einstiegsgehälter für Lehrer. Das führt dazu, dass fast jeder gute Lehrer versucht, woanders eine Stelle zu bekommen, um mehr Geld in der Tasche zu haben. Außerdem gibt es außerhalb von Berlin noch Verbeamtung von Lehrern. Dadurch bleibt Berlin meist auf den schlechteren Lehrern sitzen.
Eine wesentliche Hilfe gerade für die Kinder von Ausländern waren die Vorklassen, die es neben den Kindertagesstätten in Berlin gab, als Sarrazin drankam. Ihre Auflösung durch Sarrazin war ein Desaster. Hier, was die “Frankfurter Allgemeine” darüber schreibt:
“Damals besuchten etwa 10.000 Kinder die Vorklassen, 14.000 andere der gleichen Altersstufe Kitas. Im Westteil Berlins waren Erzieherinnen oder Sozialpädagoginnen in Vorklassen eingesetzt, im Osten der Stadt ehemalige Unterstufenlehrerinnen. Die Vorklassen versuchten, Defizite bei den Kindern zu beheben, bevor sie in die Schule kamen. Die Vorklassenleiter haben Eltern beraten, Müttern einen Sprachkurs an der Schule vermittelt und den Kindern eine logopädische Behandlung oder Integrationsstunden vermittelt.
Vor allem in der Sprachförderung haben sie Migrantenkinder weitergebracht. Für viele Familien war die kostenlose Vorklasse ein Ausweg, weil die Kindergartengebühren seinerzeit gerade erhöht worden waren.
Weil Kinder auch früher nicht unbedingt mit sechs Jahren schulreif waren, wurden schon 1906 die ersten Vorklassen eingerichtet.”
Zwar wurde stattdessen eine flexible Einschulungsphase eingeführt, die aber den Anforderungen, wie die Lehrer schon vorausgesehen hatten, in keiner Weise gerecht wurde. Sie besteht darin, dass die ersten beiden Klassenstufen in ein bis drei Jahren absolviert werden können.
Es entsteht so ,schreibt die FAZ weiter , nach “Beobachtung der Lehrer ein Teufelskreis: Den jeweils neu dazu kommenden Schulanfängern können die Lehrer nicht so viel Aufmerksamkeit schenken, wie eigentlich nötig wäre, weil so viele Kinder ein drittes Jahr brauchen. Die altersübergreifende Mischung stimme dann nicht mehr, sagen betroffene Lehrer.
So hat Sarrazin auch selbst dafür gesorgt, dass seine Prophezeiung eintritt, dass der bildungspolitische Kampf kaum zu gewinnen sei „in einer Struktur, wo die Zahl der Bedürftigen von Jahr zu Jahr steigt“.”
Veröffentlicht am 22. September 2010 in der Berliner Umschau