Stuttgart21 - Der spezielle Untergrund in Stuttgart
Von Karl Weiss
Nachdem in diesem Artikel ( „Stuttgart21 – der GAU“ ) bereits das Chaos, das Verstecken von Kosten und die Widersprüchlichkeiten in der Projektplanung und Vorbereitung von „Stuttgart21“ untersucht wurden, nachdem in diesem Artikel ( „Stuttgart21 – Schwäbischer Filz“ ) dem Stuttgarter Filz nachgegangen wurde, soll nun die spezielle Frage des Untergrunds im Stuttgarter Talkessel aufgespießt werden. Dort gibt es nämlich eine seltene geologische Formation, die unter dem Stichwort Anhydrit läuft.
Der Tübinger Geologe Jakob Sierich, ein Spezialist für anhydrit- und gipsführende Erdschichten, hat für das Magazin Stern ein Gutachten analysiert. Sein Befund lautet: “Bei ‚Stuttgart 21‘ geht es nicht um mögliche Risse in Häusern, es geht um mögliche Krater, in denen Häuser verschwinden können. Es geht um Menschenleben.”
Was steckt dahinter? Das soll hier untersucht werden.
Gips nennt sich als Gestein in der trockenen Form Anhydrit. Da dort im Untergrund ständig irgendwo Wasseradern verlaufen, ist der sehr selten. Meistens ist der Anhydrit längst mit Wasser in Kontakt gekommen und hat Gips gebildet. Aber an einigen Stellen gibt es ihn noch. Unter dem Stuttgarter Talkessel ist so ein Ort.
Wenn Anhydrit mit Wasser zusammenkommt, quillt er um etwa zwei Drittel auf. Das ist ein Kristallbildungsprozess und diese Prozesse gehören zum Gewalttätigsten, was es auf der Erde gibt. Um diese Quellung - also den neuen Raumbedarf - zu erlangen, kann Anhydrit in Kontakt mit Wasser Drücke von Tausenden von Tonnen pro Quadrat-Zentimeter entwickeln. Da können Berge bewegt werden.
Das ist ähnlich wie mit den Frostaufbrüchen bei Straßen im Winter. Dringt Wasser durch eine undichte Stelle in den Straßenbelag und tritt dann Frost auf, gefriert das Wasser und der Prozess der Formung von Eiskristallen sprengt jeden noch so elastischen, noch so resistenten Straßenbelag, was man dann sofort merkt, wenn Tauwetter auftritt und plötzlich Löcher im Straßenbelag erscheinen.
So ist das auch bei der Formung von Gips-Kristallen aus dem Zusammenkommen von Anhydrit und Wasser.
In Stuttgart liegt die Anhydrit-haltige Schicht unter einer anderen, die diese gegen das Eindringen von Wasser von oben abdichtet. Wenn nun bei Tunnelbauarbeiten oder meistens schon früher, bei den Arbeiten zur Grundwasserabsenkung oder mit tiefen Erkundungs-Bohrungen vor dem Tunnelbau die Trennschicht durchstoßen wird, kann das Wasser aus den höher gelegenen Schichten hinunter und dort auf den Anhydrit treffen. Die dann auftretenden Prozesse können Sprengungen mit vielen Hundert-Zentnerbomben gleichen. Darum spricht der Gutachter von Kratern, in denen Häuser verschwinden können.
Dazu kommt noch eine „Nebensächlichkeit“: Diese unter einer wasserdichten Schicht liegenden Gesteinsschichten reichern in dem bisschen Wasser, das es dort gibt, Salze und gelöste Gase an: Das nennt man Heilwässer. So ist Stuttgart denn auch eines der wichtigsten Heilbäder in Deutschland, speziell der Stadtteil Bad Cannstadt. Aber auch dort ganz in der Nähe des Schlossgartens neben dem Hauptbahnhof gibt es das Leutze-Bad, an dem der Bürger-Journalist damals so oft vorbeikam. Ein Einbruch von Wasser von außen kann diesen Heilquellen in Minuten den Garaus machen.
Jeder vernünftige Architekt und Tunnelbauer wird nicht gerade exakt über Anhydrit-haltigen Gesteinen Grundwasserabsenkung betreiben, geschweige denn dort Tunnel bauen. Das wäre nämlich, wie jeder Geologe weiss (dazu braucht man nicht Geologe zu sein, auch der Bürger-Journalist als Chemiker kann das beurteilen), ein makaberes Spiel mit möglichen fürchterlichen Katastrophen.
Solche Katastrophen könnten noch während der Grundwasserabsenkungen auftreten, aber auch in der eigentlichen Bauphase der Tunnel oder des unterirdischen Bahnhofs, ebenso wie später, wenn aufgrund des geänderten Untergrunds plötzlich Wasser durchbricht und auf Anhydrit-haltiges Gestein trifft.
Eine mögliche Form solcher Katastrophen wären unterirdische Explosionen, die Riesen-Krater an der Oberfläche verursachen. Wenn dort oben ein Haus stand oder vielleicht ein zehnstöckiges Gebäude mitten in einer Stadt, so werden Dutzende oder Hunderte von Menschenleben zu beklagen sein.
Eine andere mögliche Form solcher Katastrophen wäre eine Sprengung im Untergrund, die eine Tunnelwand oder Bahnhofswand zerstören könnte. Fährt ein Zug in diesem Moment durch den Tunnel oder steht im Bahnhof (oder warten dort Hunderte von Fahrgästen), sind wiederum Dutzende oder Hunderte von Toten zu befürchten.
Dagegen könnte man versuchen, die Tunnel- und Bahnhofswände mit vielen Tonnen Stahl zu armieren. Es braucht natürlich nicht ausdrücklich erwähnt zu werden, dass die Stuttgarter Planer keinerlei solche Armierungen vorgesehen haben, das würde das Projekt sowieso auf doppelte Kosten explodieren und ihm damit den Garaus machen.
Doch die Politiker fürchten keine Katastrophen - im Gegenteil. Katastrophen - mit deren Ursachen sie natürlich nie etwas zu tun haben - bieten die Gelegenheit, medienwirsam bei den Rettungsarbeiten zu erscheinen, wie es der chilenische Präsident gerade vorgemacht hat und wie es früher schon Schröder meisterlich bei den Überschwemmungen vorführte. Man umarmt die Angehörigen und eventuell gerettete Überlebende vor den Fernsehkameras, man lässt Schönsprech ab, man singt gemeinsam mit einer tränenüberströmten Menge die Nationalhymne, wenn Überlebende gerettet werden, kurz: Katastrophen sind der beste Medien-Event für Politiker.
Diese Umfrage wurde lange vor dem "blutigen Donnerstag" gemacht.
Nun ist es ein besonderes Stück Zufall, dass ausgerechnet nun, da die Menschenmasse, die in Stuttgart wöchentlich zu Demonstrationen und Kundgebungen erscheint, völlig unübersehbar (im doppelten Sine des Wortes) geworden ist, die Grundwasserabsenkungsarbeiten begonnen werden sollen, die im CDU-Schönsprech „Grundwassermanagment“ heißen.
Die Bahn und der Ministerpräsident ließen verlauten, man würde Zugeständnisse machen und den Südflügel des Bahnhofs „vorerst“ nicht abreißen und ebenso keine weiteren Baumaßnahmen vorsehen, sondern nur das „Grundwassermanagment“ betreiben. Ein kleiner Blick in den vorgesehenen Bauplan enthüllt, genau das war dort bereits vorgesehen.
Jetzt muss zunächst das Grundwasser mit riesigen Pumpstationen gesenkt werden, erst dann können die weiteren Arbeiten stattfinden. Also keine Spur von „Zugeständnissen“. Dass sich der „Schlichter“ von der CDU so leicht von Worten einlullen ließ, anstatt im Bauplan nachzusehen, lässt nichts Gutes befürchten.
Er hat sich offensichtlich von diesen „Zugeständnissen“ über den Löffel balbieren lassen (oder sollte er etwa als CDU-U-Boot agieren?), so wie auch die Grünen, die SPD-Leute vom „BUND“ und jene von der kleinen Stuttgarter Partei, die offenbar nicht genügend von Grundwasserabsenkung verstehen, dass man sie mit den Worten „Management“ und „Zugeständnisse“ an der Nase herumführen konnte und sie weiterhin an der angeblichen Schlichtung teilnehmen. Offenbar gelang es sie „einzugipsen“.
Diese Leute aus der Politik und ohne Verbindung mit der wirklichen Bevölkerung verstehen eben nicht viel von Kristallbildungsprozessen und dafür umso mehr von Regierungsbildungsprozessen, was nun auf dem Rücken der Stuttgarter Bevölkerung ausgetragen werden soll.
Oben bleiben! Raus aus der „Schlichtung“! Kein „Stuttgart21“!
Veröffentlicht am 19. Oktober 2010 in der Berliner Umschau
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- Stuttgart21 – Der GAU
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