Freitag, 7. Januar 2011

Euro im Überlebenskampf

"Herrliche" Aussichten für die europäische Einigung

Von Karl Weiss

Wenn selbst das "Handelsblatt”, das bekannt ist für seine extrem vorsichtigen Vorhersagen und seine äußerst panikdämpfende Sprache, vom "Überlebenskampf" des Euro spricht, so kann man das Risiko eines Euro-Super-Gau nicht mehr als "Verschwörungstheorie" bezeichnen, es muss vielmehr als völlig real angesehen werden. Das Blatt sieht "sieben Unwägbarkeiten" beim Euro für 2011.

Diebe unter uns

Kurz zusammengefaßt, fürchtet man erstens, dass die Sparmaßnahmen, die angeblich die Verschuldung verringern sollen, auf zu starken Widerstand stoßen und der Schuldenabbau damit theoretisch wird. Was das Blatt verschweigt: Die "Sparmaßnahmen" (einsparen beim "kleinen Mann") werden Wirtschaftskrisen auslösen, wie dies in Griechenland bereits der Fall ist und damit wird jeder Schuldenabbau sowieso illusorisch.

Zweitens gesteht man jetzt endlich zu: Die Banken stellen das Hauptrisiko für den Euro dar! Originalton Handelsblatt: "Die EU hat ihre großen Banken immer noch nicht richtig saniert. Würden sie zur Verantwortung gezogen, käme dieses schwere Versäumnis des bisherigen Krisenmanagements erst richtig zum Tragen. Vor allem spanische und deutsche Geldinstitute gelten als unterkapitalisiert. Sie haben längst nicht alle Bilanzrisiken offengelegt - vor allem jene im Zusammenhang mit den kollabierten Immobilienmärkten in Irland und Spanien. Sollten die Iren die staatliche Vollgarantie für die Banken zurückziehen, könnten auch deutsche Kreditinstitute ins Wanken geraten. (...) Gut möglich, dass Bund, Länder und Sparkassen dann gezwungen sein werden, bei Landesbanken und anderen öffentlichen Instituten Kapital nachzuschießen."

Euros

Drittens geht es um die Staatsfinanzen, also vor allem um die Staatsverschuldung und die Aufschläge, die man zum Verkauf von neuen Staatsanleihen zu zahlen hat. Man spricht ganz offen von "Teilentschuldung" einiger Länder, d.h. sie erklären sich für zahlungsunfähig und verhandeln mit den Gläubigern, wieviel sie von den Schulden zu zahlen fähig sind. Ob dann der Euro überhaupt weiter bestehen kann, weiss niemand. Zwar wird für 2013 ein großer europäischer Fonds angekündigt, der dann die generelle europäische Garantie ablösen soll, aber was macht man, wenn der Euro dann nur noch einen halben Dollar wert sein wird?

Dieser große neue Fonds stellt dann selbst bereits das vierte Risiko dar: An seine Nutzung sollen extreme neoliberale "Sparmaßnahmen" geknüpft werden, also wiederum Sparen beim "kleinen Mann", was die wesentlichen Teile der Euro-Zone in eine abgrundtiefe Wirtschaftskrise stürzen und damit die benötigten Geldsummen der Staaten ständig weiter in den Himmel schießen lassen wird.

Karikatur Merkel Lobby

Das ist dann auch bereits das fünfte Risiko, die "Rezession" (panikmindernder Name für Wirtschaftskrise), nur besteht das eben nicht einfach nur für die PIIGS-Staaten, denn weder Frankreich noch Deutschland können einen Aufschwung haben, wenn das ganze Euro-Land in der Krise steckt.

Das sechste Risiko wird "unterschiedliche Grundstruktur" genannt. Während die meisten europäischen Staaten den neoliberalen Wahnsinn nicht auf die Spitze getrieben haben und noch Löhne zahlen, Lohnerhöhungen zugestehen, Mindestlöhne haben, noch einen öffentlichen Sektor haben, der angemessen bezahlt wir und noch nicht die Verarmung der Bevölkerung als wichtigstes Wirtschaftsziel ausgerufen haben, arbeitet Deutschland ohne Mindestlohn, mit Hartz IV, mit Rausschmiss des Stammpersonals, mit Einstellung von Leiharbeitern, von Zeitarbeitern, Fremdfirmenarbeitern, mit Zeitarbeit, mit "Praktikanten" ohne Bezahlung, mit Lohnerhöhungen, die nicht einmal die wirkliche Inflation ausgleichen, mit immer weniger öffentlichen Arbeitern und Angestellten und mit Ein-Euro-Jobs. So hat man eine so überlegene Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den anderen Euro-Staaten geschaffen, speziell wegen der deutlich höheren Produktivität in Deutschland, die sich vor allem in dem weitaus geringsten Lohnstückkosten ausdrückt, dass die anderen Länder der Eurozone völlig desindustrialisiert werden, weil niemand zu Preisen der Deutschen produzieren kann und deutsche Exportprodukte den Binnenmarkt Europas abräumen. Sollte man wirklich versuchen, den anderen europäischen Staaten dergleichen Wahnsinn aufs Auge zu drücken?

Eurokarikatur

Und schließlich gibt es das letzte, das siebte Risiko für den Euro im Jahr 2011, das schlicht mit "Zerfall" bezeichnet wird.

Man ist sich sehr wohl bewusst: Die Menschen in Europa haben die Nase voll von der EU. In fast jeden europäischen Land würde eine Austrittsdebatte mit Abstimmung zum Austritt führen (vielleicht mit Ausnahme von Luxemburg) und die Politiker wissen dies haargenau. Sie haben nämlich die Umfrageergebnisse vorliegen, die europäische Massenmedien vorsichtshalber nicht veröffentlichen.

Der schlichte Zerfall der EU (und damit natürlich auch des Euro) steht also weiterhin auf der Tagesordnung. Er fand nur noch nicht statt, weil man weiterhin in ganz Europa Abstimmungen verhindert.

Wie man sieht, die Aussichten für den Euro sind exzellent!


Veröffentlicht am 6. 1. 2011 in der Berliner Umschau

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