Samstag, 1. Dezember 2007

Auf dem Weg zum Entwicklungsland

Niemals war der Arbeitnehmeranteil an der Kaufkraft so niedrig

Rasche Abnahme des Anteils

Von Karl Weiss

Ein neues Allzeit-Tief wird die Kaufkraft der Arbeitnehmer in der Bundesrepublik dieses Jahr erreichen, hat das WSI-Institut des DGB ausgerechnet. Am Jahresende wird der Anteil der Arbeitenden am Volkseinkommen auf einer historischen Tiefmarke von etwa 38% liegen. Den Rest von 62% haben die wenigen Reichen, Superreichen und Kapitalisten eingesteckt.

Die Grössenordnung von 38%, die jetzt erreicht wurde, ist Lichtjahre von den 56 % entfernt, die Deutschlands Arbeiter und Angestellte im Jahr 1960 bekamen, aber auch weit von den 40,5%, die man noch vor einem Jahr, 2006, erreichte. Diese Entwicklung zeigt die rasante Geschwindigkeit des Lohnabbaus an, der die Republik erschüttert.

Schnell steigen die Armutsquoten, in die Millionen gehen inzwischen bereits die Zahl der prekär Verdienenden, die Anspruch auf einen Hartz-IV-Zuschuss haben, weil sie weniger als die sowieso nicht ausreichenden Hartz-IV-Brosamen erhalten.

Hartz-Protest 02

Diese rasche Entwicklung beschleunigte sich noch in den letzten Jahren, seit Hartz IV eingeführt wurde. Damit bestätigen sich die Vorhersagen, die Elmar Getto bereits vor der Einführung von Hartz IV gemacht hat (siehe diesen Artikel: „Dossier Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend“) und werden die Aussagen der Politiker und Medien widerlegt, die damals dies alles für „Panikmache“ erklärten und behaupteten, Einigen werde es sogar besser gehen, nur Wenige würden verlieren.

Hartz-Protest 01

Tatsächlich war Hartz IV, das am 1. Januar 2005 in Kraft trat, der Startschuss für die gewaltigste Umverteilungsoffensive zur Seite der Kapitaleigner, die es in der deutschen Kapitalismusgeschichte je gegeben hat. Die Kinderarmut steigt nun um Hunderttausende in jedem Quartal, die angebotenen Arbeitsplätze sind fast ausschliesslich Extrem-Niedrig-Lohn-Plätze, die Altersarmut greift bereits um sich, während die Komiker von Kapitalisten von Arbeitskräftemangel sprechen, während Monat für Monat mehr als 6 Millionen Deutsche (und deren Familien) im Bezug von Arbeitslosengeld stecken, davon mehrere Hunderttausend Hochqualifizierte.

Der Beginn der beschleunigten Umverteilung zugunsten der Kapitalbesitzer kann etwa im Jahr 1991 angesiedelt werden, als der Anteil der Arbeitenden, genannt Netto-Lohn-Quote, noch bei fast der Hälfte des Volkseinkommens lag. Seit damals nimmt der Arbeitnehmeranteil Jahr für Jahr ab, mit einer bedeutenden Beschleunigung seit 2005.

Irgendetwas von einem „Aufschwung“ oder auch nur von einer Verlangsamung dieser Ausbeutungssteigerung ist nirgendwo auch nur am Horizont zu erkennen. Es wird deutlich, die Behauptung des Wirtschaftsaufschwungs ist nicht auf Fakten basiert. Der einzige Aufschwung ist bei den Reichen-Einkommen und Kapital-Gewinnen festzustellen. Für die Menschen in Deutschland dagen wird das Tal der Tränen immer tiefer – und das immer schneller.

Fast alle, die selbst Kapitalisten sind oder im wesentlichen von angelegtem Geld leben, fallen dagegen von einem Einkommenshoch ins Andere. Niemals zuvor war in der Bundesrepublik die Verteilung so einseitig.

Vor kurzem noch galten etwa 10% der Bundesbürger offiziell als arm, jetzt sind es bereits 20%!

Der Kommentator „solitaire 100“ in der „ Süddeutschen“ schreibt dazu am 29. November:

„Die vielen neu geschaffenen Jobs haben nach Berechnungen des WSI nicht zu einer Verringerung der Einkommensunterschiede geführt. Mehr als die Hälfte der Stellen seien prekäre Beschäftigungsverhältnisse, zum Beispiel Zeitarbeit, Minijobs oder schlecht bezahlte Arbeiten.
Einer der Gründe ist, dass in Deutschland an manchen Stellen ein fieses Spiel gespielt wird.

Wenn es zu Lohnerhöhungen kommt, werden eigene Mitarbeiter entlassen und stattdessen Leiharbeitskräfte eingestellt. Beliebt ist es auch, Vollzeit-Jobs abzubauen und durch 400,00 Euro Jobs zu ersetzen. Und man findet das auch noch intelligent. Und da gibt es ja noch die Niedriglohn-Jobs, (...).

Ich würde da eher von Heuchelei Sprechen !

Das ist wohl ein Ergebnis von der Agenda 2010. Dieses als " Erfolg" zu verkaufen, ist ordinär!“

Dabei ist das am meisten Erschütternde nicht einfach die skandalös niedrige Zahl des Anteils derjenigen, welche die Arbeit machen, sondern vor allem die Geschwindigkeit der Abnahme und damit die der Zunahme der Armut.

Zwei bis zweieinhalb Prozent des gesamten Einkommens des Landes wurde in diesem Jahr von den Arbeitenden auf die umgelegt, die „ihr Geld arbeiten lassen“, das bedeutet in zehn Jahren 20 bis 25 % weniger als heute – das aber nur, wenn sich die Umverteilung nicht noch beschleunigt, wie das in den letzten drei Jahren der Fall war. Auch ohne diese Beschleunigung werden wir also im Jahr 2017 bei etwa 18% oder weniger Anteil der Arbeitenden am Gesamteinkommen angekommen sein.

Typisch für Entwicklungsländer

Das ist die typische Zahl eines der besonders wenig entwickelten Entwicklungsländer, wie etwa jene in Afrika: Kenia, Kongo, Sudan. Jetzt wissen wir also, wohin die Reise geht, wenn wir es uns gefallen lassen. Dabei geht es lediglich um den Zeitraum von 10 Jahren!

Innerhalb von zehn Jahren wollen sie uns auf das Niveau armer Entwicklungsländer heruntergewirtschaftet haben!

Sozialprotest DGB

Es verwundert also gar nicht, warum der Streik der Lokführer auf so viel Sympathie oder jedenfalls Verständnis in der Bevölkerung trifft. Die Menschen sind ja aufmerksam und sehen, was vor sich geht. Ihnen ist klar, unser einziges Mittel, dies aufzuhalten ist der Streik. Je mehr wir in Streiks Erfahrungen sammeln, umso mehr werden wir die Kraft entwickeln, diese Offensive zu stoppen – und schliesslich selbst in die Offensive zu kommen.

Darum: Solidarität mit dem Streik der Lokführer!

Veröffentlicht am 30. November 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Freitag, 30. November 2007

Kopf an Kopf - die letzten Entscheidungen

Brasiliens Fußball-Liga vor dem Finale - der Meister steht schon fest

Von Karl Weiss

Am kommenden Sonntag geht die brasilianische Erstliga-Meisterschaft zu Ende. Nachdem der Meister schon lange feststand, São Paulo F.C., geht es noch um den Abstieg und um die Plätze für die Copa Libertadores, dem südamerikanischen Gegenstück zur Champions Leage.

Bereits früher sicherte sich Santos mit Siegen (auswärts gegen Náutico Recife und zu Hause gegen Goiás Goiania) die Teilnahme an der Libertadores, rechnerisch nun sicher durch die Niederlage einiger Rivalen. Am letzten Sonntag kam auch Flamengo Rio de Janeiro rechnerisch sicher in die Libertadores-Plätze, durch einen 1:0-Sieg eben gegen Santos. Damit bleibt nur noch ein Platz offen, um den sich am kommenden Sonntag nun in einem Kopf-an-Kopf-Rennen Palmeiras São Paulo, Fluminense Rio de Janeiro (mit jeweils 58 Punkten) sowie Cruzeiro Belo Horizonte und Gremio Porto Alegre (mit 57 Punkten) streiten.

Cruzeiro hat auf dem Papier die leichteste Aufgabe mit einem Heimspiel gegen den Tabellenletzten und Absteiger América Natal, muss aber darauf hoffen, dass weder Fluminense noch Palmeiras gewinnt.

Fluminense tritt auswärts gegen Santos an. Das ist ein harter Brocken, denn Santos will sicher seinen zweiten Platz verteidigen. Andererseits hat eben Fluminenses Lokalrivale Flamengo bewiesen, dass man Santos in seinen „Hexenkesselstadion“ Vila Belmiro besiegen kann. Fluminense hat den Nachteil von weniger gewonnenen Spielen als Palmeiras und muss nun gewinnen und zusätzlich auf einen Ausrutscher von Palmeiras hoffen.

Palmeiras spielt zu Hause gegen Atlético Mineiro Belo Horizonte. Das wäre eigentlich eine „Bank“ für die grün-weißen aus São Paulo gewesen, aber Atlético ist in den letzten Spielen zu Hochform aufgelaufen, was man gerade am 28.11. mit einem 4:1 gegen das in höchster Abstiegsgefahr schwebende Goiás und am vergangenen Sonntag mit dem gleichen Resultat gegen Juventude Caxias do Sul bestätigt hat (was Juventude endgültig zum Abstieg verurteilt hat).

Atlético Mineiro will den 10. Platz behalten, der zur Teilnahme an der Copa Sulamerica berechtigt, das ist so eine Art von südamerikanischem UEFA-Cup. Man hat aber vier Vereine im Nacken, die bei einer Niederlage vorbeiziehen könnten, Figuerense Florianópolis, Vasco da Gama Rio de Janeiro, Sport Recife und Atlético Paranaense Curitiba.

Grémio, der vierte Kandidat auf den Platz in der Libertadores, hat ein denkbar schweres Heimspiel gegen Corinthians São Paulo, das unbedingt gewinnen muss, um nicht in die Abstiegszone zu fallen. Grémio hat in der ersten Jahreshälfte noch in den Endspielen der diesjährigen Libertadores gegen Boca Juniors Buenos Aires gestanden, dann aber den Faden verloren und muss nun ernsthaft um seine Teilnahme an der nächsten Libertadores bangen. Selbst wenn man gegen Corinthians gewinnt (und den schwarz-weißen Club aus São Paulo damit wahrscheinlich zum Abstieg verurteilt), muss man auf Ausrutscher von Palmeiras, Fluminense und Cruzeiro hoffen.

Im Abstiegskampf stehen inzwischen bereits América und Juventude als Absteiger fest. Náutico konnte sich bereits retten, weil die Rivalen mehrere Spiele verloren. Um die zwei verbleibenden Abstiegsplätze stehen Paraná Curitiba (41 Punkte), Goiás (42) und Corinthians (43) im Kampf.

Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass nach einer langen Saison nur 14 Punkte einen der Kandidaten auf den vierten Platz mit Libertadores-Teilnahme vom extrem abstiegsgefährdeten sechzehnten trennen. Ein Beleg für die Ausgeglichenheit der Liga.

Romario und Parreira beim Abschiedsspiel

Paraná muss auswärts bei Vasco antreten (wo mit fast 41 Jahren immer noch Romário im Aufgebot ist und gelegentlich auch spielt), das dürfte äusserst schwer werden. Wahrscheinlich wird am Sonntag faktisch nur noch der letzte Abstiegsplatz zwischen Corinthians und Goiás ausgetragen. Goiás hat gute Karten, denn es spielt zu Hause gegen Internacional Porto Alegre, für den es um nichts mehr geht. Der immer noch amtierende FIFA-Vereinsweltmeister hat nach dem Abgang von Pato zum A.C. Mailand nie zu alten Höhen zurückgefunden und muss sich mit einem Platz in der Copa Sulamerica zufrieden geben, den man schon sicher hat.

Corinthians São Paulo in der zweiten Liga, das wäre so etwas wie eine nationale Katastrophe, nicht weil der Präsident Lula Anhänger von Corinthians ist, sondern weil der Verein die zweitgrösste Anhängerschaft unter allen Vereinen in Brasilien nach Flamengo Rio de Janeiro hat.

Die Copa Sulamérica, ein Gegenstück zum UEFA-Cup, wird in Südamerika jeweils in der zweiten Jahreshälfte ausgetragen. Gerade eben wurden die Semi-Finale abgeschlossen. Alle brasilianischen Vereine waren bereits ausgeschieden. Im ersten Halbfinale setzte sich erwartungsgemäss America Mexiko-Stadt gegen die Millionários aus Kolumbiens Hauptstadt Bogota mit zwei Siegen von 3:2 und 2:0 durch.

Das andere Halbfinale war zwischen den beiden argentinischen Vereinen Boca Juniors Buenos Aires und Arsenal Sarandi. Das ist etwa so, als wenn Bayern München gegen die SpVgg Fürth spielt. Aber, wie es auch den Bayern schon einige Male erging, der weit höher eingeschätzte Verein gewinnt nicht immer. Zuerst gab es ein 0:0 –Unentschieden in Sarandi, aber zu Hause ist Boca eine solche Macht, dass das endgültige Resultat festzustehen schien. Doch Arsenal konnte erneut ein Unentschieden 0:0 halten. Da musste man ins Elfmeterschiessen, das schliesslich Arsenal gewann.

Nun stehen also noch die zwei Endspiele aus, zuerst in Mexiko-Stadt am 30. November und dann in Argentiniens Provinzstädtchen Sarandi am 5. Dezember. Favorit ist natürlich der mexikanische Rekordmeister, aber das war auch schon bei den drei letzten Gegnern von Arsenal der Fall. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Aussenseiter, der einen Lauf hat, den Cup holt.


Veröffentlicht am 30. November 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Montag, 26. November 2007

Grösste Auto-Fabrik der Welt in Gross-Belo Horizonte

Fiat baut brasilianisches Geschäft aus

Von Karl Weiss, Belo Horizonte

Der Präsident der FIAT hält sich zur Zeit in Südamerika auf und gab am 23. November bekannt, das Unternehmen werden die Kapazität seiner Produktionsstätte in Betim, Groß-Bereich von Belo Horizonte, Brasilien verdoppeln. Damit wird diese Fabrik der grösste Standort einer Pkw-Herstellung auf der Welt sein.

Gleichzeitig wird gemunkelt, die Fiat-Fabrik in Argentinien werde wahrscheinlich geschlossen. Dort sei die Lieferung von Energie nicht gesichert, sagte Sergio Marchionne, derzeit höchster Fiat-Manager, bei einem Treffen mit Brasiliens Präsident Lula in Brasilia. Sowohl die brasilianische Regierung mit seiner Entwicklungsbank BNDES als auch der Staat Minas Gerais werden Kredite zu günstigen Bedingungen für die Erweiterung der Fabrik geben.

Die Gesamtinvestition, die für Minas Gerais angekündigt wurde, beträgt eine Milliarde Euros.

Die Stadt Betim, von der aus der Berichterstatter in diesem Moment schreibt, hat bereits bekanntgegeben, man werde zwei für die Erweiterung benötigten Gelände schnellstens zur Verfügung stellen.

Fiat machte seine bisher grösste Investition ausserhalb Europas im Jahr 1975, als die neue Fabrik nach Betim im Metropol-Bereich Belo Horizonte gelegt wurde, weil man den starken gewerkschaftlichen Organisationen im Bereich Gross-São Paulo ausweichen wollte. Die starken Gewerkschaften im Bereich ABC von São Paulo waren gefürchtet und seit damals wurde keine einzige der Autofabriken mehr in diesen Städten angesiedelt. Der jetzige Präsident Lula ging aus dieser Gewerkschaftsbewegung in São Paulo hervor.

Renault legte seine Fabrik in den Bereich von Gross-Curitiba im Süden Brasiliens, zwei neue Fabriken von Volkswagen wurden im Landesinneren von São Paulo in den Städten Taubaté (wo auch ein zweites Ford-Werk entstand) und São Carlos angesiedelt, zwei neue von GM (Opel) im Landesinneren von São Paulo in São Jose dos Campos und in Rio Grande do Sul nahe Porto Alegre, ein weiteres VW-Werk ging ebenfalls in den Bereich Curitiba, Mercedes platzierte seine neue Fabrik in Minas Gerais in Juiz de Fora, die Peugeot ging in die Stadt Porto Real im Staat Rio de Janeiro, KIA nach Bahia, Toyota und Honda ebenfalls ins Landesinnere von Sâo Paulo.

Fiat begann 1975 in Betim mit 800 Fahrzeugen am Tag. Die Belegschaft wurde schnell auf 25 000 ausgeweitet. Heute arbeiten nur noch etwa 15 000 direkt bei Fiat, obwohl die Kapazität auf 3000 Fahrzeuge täglich ausgeweitet wurde. Praktisch die ganze Herstellung von Auto-Teilen wurde an andere Fabriken ausgelagert, die aus dem Gebiet Groß-Belo Horizonte ein riesiges Beschäftigungszentrum in der brasilianischen Wüste der Arbeitsplätze machten (wovon auch der Berichterstatter profitiert).

Heute wird selbst die Fertigung von Motorblöcken und der Zylinderköpfen ausserhalb der Fiat-Fabrik durchgeführt. Auch ein Teil der Karosserie-Herstellung, z.B. der Kleintransporter, ist ausgelagert.

Von Januar bis einschliesslich Oktober diesen Jahres wurden im Werk in Betim fast genau 600 000 Fahrzeuge hergestellt, was das Werk bereits zum grössten Lateinamerikas gemacht hat. Nun soll auf eine Tagesproduktion von 5 200 ausgeweitet werden. Natürlich heisst dies nicht, Fiat wäre jetzt grösster Autohersteller der Welt – die anderen verteilen ihre Produktion nur auf mehr Fabriken.

Das Werk in Betim arbeitet von Sonntag-Mitternacht bis Samstagabend 18 Uhr. Es werden 14 verschiedene Modelle (neben den vielen Ausstattungsvarianten) hergestellt, was für ein Werk dieser Grössenordnung eine Besonderheit ist.

Fiat Betim produziert nicht nur für den brasilianischen Markt, sondern auch für ganz Lateinamerika und eine Anzahl weiterer Entwicklungsländer. Heute ist Fiat der grösste Einzel-Exporteur Brasiliens. Vor allem der kleine Fiat Palio, in Europa nicht bekannt, hat in Brasilien und anderen Entwicklungsländern gut eingeschlagen. Seine Kombi-Version Weekend stand eine Zeit lang in europäischen Fiat-Verkaufsräumen. Letzthin hat man den Punto neu herausgebracht, es werden auch der Idea, der Stilo, der Marea und eine Anzahl von Transportern hergestellt.

Als Fiat 1975 in Brasilien anfing, traf die neue Autofirma auf schwergewichtige Konkurrenz. Seit den 50er Jahren gab es in Brasilien Volkswagen, GM mit der Marke Chevrolet und Ford. Kaum jemand traute der Fiat zu, auf gleicher Augenhöhe mit diesen erfahrenen Kfz-Herstellern in den Konkurrenzkampf eingreifen zu können.

Doch dann brachte Fiat den Uno heraus, ein Kleinwagen, der seiner Zeit voraus war. Er erwies sich als billiges, robustes und sparsames Auto und eroberte die Herzen der Brasilianer. Er wird bis heute als billige Alternative zu den sowieso schon nicht zu teuren brasilianischen Kleinwagen hergestellt und steht immer noch auf dem dritten Platz der verkauften Fahrzeuge. Der Uno mit 1-Liter-Motor kostet heute im Fiat-Autohaus fast genau 20 000 Reais, das sind etwa 7 700 Euro. Der Berichterstatter hat in seinen brasilianischen Jahren schon drei Uno verschlissen.

Dann kam als etwas modernere Version der Palio heraus und schlug ebenfalls ein. Die Fiats werden nun auch alle mit dem modernen Mager-Gemisch-Motor Fire ausgestattet, was den letzten Nachteil gegenüber den Konkurrenten überwand. Ab diesem Moment in den neunziger Jahren arbeitete sich Fiat an die anderen Autohersteller heran und überholte sie einen nach dem anderen – in der Zahl der verkauften und hergestellten Autos.

Zwar ist der VW Gol bis heute das am meisten verkaufte Auto in Brasilien (siehe auch diesen Artikel zum heutigen Gol ), aber Fiat hat sowohl VW in der Zahl der verkauften Autos als auch GM in Umsatz überholt.



Ausser dem Gol hat VW in den letzten Jahren fast nur Flops produziert. Zunächst versuchte man sich mit Ford zusammenzutun und gründete die ‚Autolatina’. Das führte dazu, dass beide Marktanteile verloren. So trennte man sich denn auch schnell wieder.

Ford und VW reihten sich damit in die lange Liste der Königskinder ein, die „zusammen nicht konnten kommen“. Da gibt es die geplatzte Ehe von Mercedes-Benz mit Chrysler und den anderen Flopp von Mercedes, mit Mitsubishi. Da versuchten es BMW und Rover miteinander, was in einem Desaster endete – für Rover. Die GM versuchte es mit Fiat, doch musste bald aufgeben. Renault ist gerade dabei, mit Nissan ins Bett zu gehen und man kann ihnen nur alles Gute wünschen.

Die Herstellung und der Verkauf von Personenwagen scheint ein hoch mit Psychologie belegtes Geschäft zu sein, was nüchterne Manager offensichtlich nicht ausreichend verstehen und sträflich unterschätzen.

Die wenigen funktionierenden Beispiele bisher sind bisher im wesentlichen solche, wo ein übermächtiger Gigant eine kleine Autofirma einverleibt und alles mit Gewalt durchdrückt, wie z.B. bei VW-Seat, VW-Skoda und Ford-Volvo. Dass Seat, Skoda und Volvo seitdem ausgesprochene Erfolgsstories sind, wird wohl niemand behaupten.

Der Versuch von VW, seine Hauptmarke zu einer Art von Nobelmarke zu machen und Dinge wie den Phaeton herauszubringen, statt dies der Tochter Audi zu überlassen , dürfte aller Voraussicht nach mit einem Crash an der Wand enden. VW ist vom Namen und von Image her dazu verurteilt, zusammen mit Renault und Fiat den Massenmarkt in Europa zu bedienen, so sehr man sich dem auch entziehen will.

Statt konkurrenzfähige Fahrzeuge gegen deren Autos herauszubringen, träumt man von ‚Höherem’. In Brasilien hat Fiat vorgemacht: Man kann VW auch überholen, auch wenn die VW-Autos keinen schlechten Ruf haben. Wer weiss, ob VW nicht das Risiko eingeht, dass dies auch in Europa geschieht.

Wie auch immer, die Region Belo Horizonte dürfte nun einen zusätzlichen starken Wachstums- und Wertsteigerungs-Schub erfahren – so wie ganz Brasilien mit dem neuen Ölfund .


Veröffentlicht am 26. November 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Samstag, 24. November 2007

Mädchen mit 20 Männern in Zelle gesperrt

Die kapitalistische Barbarei verbreitet sich

Deutschland: Lesbierin soll in sicheren Tod abgeschoben werden

Von Karl Weiss

In Abaetetuba in der Amazonas-Region im Bundesstaat Pará Brasiliens wurde nach über einem Monat ein Mädchen aus einer Gefängniszelle befreit, in der sie mit 20 Männern eingesperrt worden war. Das 15-jährige Mädchen wurde während der ganzen Zeit vergewaltigt.

Brasilien (topographisch)

Es ist höchste Zeit, dass der Kapitalismus vom Sozialismus abgelöst wird. Da er aber noch nicht abgelöst wurde, beginnt er in Verwesung überzugehen, konkret: Es beginnt sich die kapitalistische Barbarei zu entwickeln. Am deutlichsten wird dies in den Entwicklungsländern, auch wenn die Anzeichen in den entwickelten kapitalistischen Ländern ebenfalls bereits vorhanden sind.

Brasilien ist eines der Länder, in denen bereits eine Doppelherrschaft zwischen Regierung und mafiösen Kriminellen-Banden herrscht. Siehe hierzu diesen Artikel: http://karlweiss.twoday.net/stories/3700941/

Doch auch andere Anzeichen der beginnenden kapitalistischen Barbarei sind bereits festzustellen, wie jetzt der Fall des Mädchens, das mit Männern in eine Zelle gesperrt und einen Monat lang vergewaltigt wurde

Auch der fehlende Aufschrei in Brasilien, als diese Tatsachen bekannt wurden, ist ein solches Anzeichen.

Angesichts der Fakten, die über die Gefängnisse des Landes bereits bekannt sind, schien dies nur der logische nächste Schritt zu sein. In Zellen von 18 Gefangenen sitzen oft bis zu 50 ein, es gibt keinen Platz zum Schlafen in den Zellen, ein Teil der Gefangenen muss reihum stehen, damit einige schlafen können, die Plätze an der Wand, wo man sich anlehnen kann, werden mit Gewalt erobert und verteidigt, regelmäßig werden Gefangene von anderen umgebracht usw.

Ebenso ist charakteristisch: Die Verantwortlichen für die Tortur des Mädchens wurden bis jetzt nicht zur Rechenschaft gezogen und werden es wohl auch nie.

Man hat lediglich die drei verantwortlichen Polizeioffiziere (Delegados) für dieses Gefängnis zeitweise von ihren Aufgaben enthoben. Ein „Delegado“ in Brasilien hat Abitur und einen Studienabschluss. Umso frappierender die Intelligenz der Ausreden der drei.

Ausrede Nr. 1: Das Mädchen sei gar nicht 15, sondern 19 Jahre alt. Ob sie damit sagen wollten, es wäre richtig gewesen, eine Neunzehnjährige mit 20 Männern zuammenzusperren, hat sie niemand gefragt.

Ausrede Nr. 2: Die Frauenabteilung des Gefängnisses sei unbrauchbar, deshalb hätte man sie mit Männern zusammensperren müssen. Es hatte eine Rebellion gegeben, bei der die Frauenabteilung zerstört wurde. Rebellionen sind in brasilianischen Gefängnissen angesichts der Überfüllung und der dort herrschenden Zustände häufig. Es stellte sich allerdings heraus, es gab noch eine ungenutzte Zelle. Man hat das Mädchen also absichtlich mit den Männern zusammengesperrt.

Ausrede Nr. 3: Das Mädchen stünde im Verdacht, einen Diebstahl begangen zu haben. Die „Delegados“ behaupten nicht einmal, sie hätten Beweise dafür. Wieso man jemanden wegen eines Verdachts ohne richterlichen Beschluss einen Monat ins Gefängnis stecken darf, wurde ebenfalls nicht gefragt.

Ausrede Nr. 4: Das Mädchen hätte keine Ausweispapiere gehabt, deshalb hätte man es einsperren müssen. Dies wirft ein bezeichnendens Licht auf das „Übliche“ in Brasilien. Die Regel, nur mit richterlichem Haftbefehl länger als 48 Stunden festzuhalten ist längst in Vergessenheit geraten.

In Wirklichkeit muss vermutet werden, es gab nur leichte Hinweise auf einen Diebstahl des Mädchens und die „Delegados“ haben das zum Vorwand genommen, um ihren Gefangenen „eine Freude“ zu bereiten. Vielleicht haben sie auch selbst an den Vergewaltigungen teilgenommen.

Auf einer brasilianischen Internet-Seite kann man ein Video sehen, in dem einer der Gefangenen in jenem Gefängnis interviewt wird, der sich mit einem Hemd über den Kopf unkenntlich gemacht hat, in das er Augen- und Mundschlitze gerissen hat. Er bestätigt: „Ja, sie war über einen Monat da. Der Richter hat sie auch gesehen. Sie hat gesagt, sie sei minderjährig, aber niemand wollte irgendetwas tun.“

Es muss also sogar vermutet werden, auch der zuständige Richter hat es vorgezogen, sich an ihr gütlich zu tun.

Brasilianische Boulevardblätter hängen den Fall an die grosse Glocke. Nicht weil er so unglaublich brutal ist, nein, weil er pikante Einzelheiten zu bieten hat. Es wird kolportiert, das Mädchen habe nichts zu essen und zu trinken bekommen, bevor sie nicht einer Anzahl der Gefangenen zu Willen war.

Das Ganze fand nach diesen Angaben auf einer der Pritschen in der Zelle statt. Das Mädchen scheint diese Pritsche den ganzen Monat nicht verlassen zu haben. Einer nach dem Anderen ist offenbar über sie gestiegen, immer mit dem Vorwand, sie wolle doch wohl bei der nächsten Essensausgabe etwas abbekommen. Eines der Blätter spekuliert sogar, es seien von Kontaktleuten der Gefangenen „Zugangsbillets“ ausserhalb des Gefängnisses verkauft worden an Leute, die ebenfalls junges Fleisch geniessen wollten. Jedenfalls will man mit einem Mann ausserhalb des Gefängnisses gesprochen haben, der behauptet hat, er habe sie auch „genossen“.

Man muss davon ausgehen, das Mädchen wurde tagtäglich zwischen zehn und dreissig Mal vergewaltigt. Eines der Blätter will herausgefunden haben, sie habe Spass am Sex gehabt und habe deshalb all dies ohne viel Aufsehens geschehen lassen. Das kann man angesichts der Grössenordnung aber ausschliessen. Ausserdem – welches Aufsehen will man schon als Mädchen machen, wenn einem nicht einmal gestattet wird, sich von der Pritsche zu erheben.

Die Gesetze in Brasilien sind eindeutig: Personen unter 16 dürfen generell nicht festgenommen und eingesperrt werden, sie müssen vielmehr einer „Tutelarbehörde“ (eine Art Jugendamt) übergeben werden. Falls wirklich Unklarheiten über ihr Alter bestanden hätten, müssten die von der Tutelarbehörde geklärt werden. Das wussten selbstverständlich auch die „Delegados“ und der zuständige Richter.

Natürlich ist auch in Brasilien offiziell verboten, Frauen und Männer in eine gemeinsame Zelle zu sperren. Auch dieser Tatsache waren sich offenbar alle Beteiligten bewusst.

Auch dass niemand länger als 48 Stunden ohne richterlichen Haftbefehl festgehalten werden darf, ist selbstverständlich allen bekannt.

Es bleibt wirklich nur die Deutung, alle Beteiligten wollten sie ficken und haben daher gemeinsam dies Verbrechen begangen.

Damit bekommen wir eine lahme Andeutung, was uns auch in Deutschland bevorsteht, wenn hier ebenfalls mehr und mehr die kapitalistische Barbarei sich breitmacht. Bereits jetzt werden die Sitten in deutschen Gefängnissen rasch brutaler.

Man sehe sich nur die Entscheidung des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 21. November 2007 an: Yasmin K., die aus dem Iran nach Deutschland geflüchtet ist, weil sie lesbisch ist und deshalb von den Mullahs zum Tode verurteilt wurde, soll kein Asyl erhalten, sondern in den Iran abgeschoben werden – in den sicheren Tod.

In Brasilien bekam das örtliche Tutelar-Amt erst nach einem Monat anonym einen Hinweis, man solle einmal in jener Zelle des Gefängnisses nachsehen. Auch dann wurde das Mädchen noch nicht freigelassen, sondern erst, als die Tutelar-Beamtin eine Geburtsurkunde des Mädchens beibrachte, die sie als 15-jährige auswies.


Veröffentlicht am 24. November 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel


Zusatz zum Artikel

Nach neueren Informationen hat sich offenbar die Vermutung bestätigt, dass dieses Mädchen - und wahrscheinlich auch andere - bwusst als Sexsklavin in jene Zelle gesteckt wurde - und wahrscheinlich auch in anderen Gemeinden des Amazonasgebiets solche Dinge geschehen. Allerdings sind dies Informationen von Boulevardblättern, das muss also mit Vorsicht gesehen werden.

Nach diesen Angaben hat sich herausgestellt, dass in mindestens 20 Gemeinden im Bundesstaat Pará Mädchen aus der armen Bevölkerung unter Vorwänden von der Polizei gefangen genommen und zu Zwecken des Sexes in Zellen gesperrt wurden.

In den anderen Fällen waren dies keine Zellen mit Männern, oder mit nur zwei oder drei Männern.

Das Geschäft, so die Boulevarzeitungen, machen die Polizisten zusammen mit dem Richter. Sie verkaufen den Zugang zu diesen Zellen mit den Mädchen an zahlungskräftige Kundschaft, die "junges Fleisch" wollen.

All dies wurde aber nur "hinter vorgehaltener Hand" den Reportern gesagt. Niemand ist bereit, vor einem Richter auszusagen.

Die Mädchen würden die ganze Zeit nackt sein. So könnten sie auch von Interessenten "begutachtet" werden, ob sie das Geld wert sind.

Eine Zeitung berichtete sogar, dass zusätzlich zu den "Freiern" auch noch Plätze für Zuschauer verkauft wurden, die gerne bei Sexualakten zusehen.

In einer der Städte, so eine andere Zeitung, habe man ein Mädchen sogar der "Kundschaft" ins Haus gebracht, wo sie an ein Bett gebunden und zigfach vergewaltigt wurde - in der Regel von jedem männlichen Mitglied der Familie. Hierzu hätte es einen Tarif "pro Tag" gegeben.

Dort soll es sogar zu "Untervermietungen" gekommen sein. Ebenso sollen dort lesbische Vergewaltigungen vorgekommen sein.

Diesen Zusatz nur, um ein wenig deutlich zu machen, was 'kapitalistische Barbarei' bedeutet.

Freitag, 23. November 2007

Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden

Hartz IV: "Verfolgungsbehörde" in verschlossene Wohnung eingedrungen

Von Elmar Getto

Bei Hartz IV gilt die Regel: Was kommt noch alles...? Was immer auch nur theoretisch vorstellbar ist an Übergriffen, Erniedrigungen, Ungerechtigkeiten, Willkür, kriminellen Taten wie Erpressung, ja sogar die Übergabe der Entscheidung über Leben und Tod von ALG-II-Geschädigten an kleine Angestellte bei den Agenturen ohne Arbeit (oder kommunalen ARGEs), hat es schon gegeben. Aber man kann immer alles noch toppen.

Hartz ueber Hartz IV. Dass die Arbeitslosen nur ein Jahr Arbeitslosengeld bekommen, 'ist ein grosser Fehler, ein Betrug ... an denen, die jahrelang eingezahlt haben.'

Jetzt ist auch der Fall vorgekommen, der bisher als undenkbar galt: Staatsbeschäftigte drangen in die Wohnung eines Antragsstellers während dessen Abwesenheit ein, um an Material zu kommen, den Antrag auf ALG II ablehnen zu können – und geben dies auch noch zu!

Diesmal verdanken wir die Information einer Zeitung, von der dies kaum zu erwarten war: Der Passauer Neuen Presse. Das ist jene Publikation, die wahrscheinlich deshalb so braun ist, weil sie sich in einer bestimmten Körperöffnung von (damals: F.J.Strauss, später Stoiber) heute: Beckstein befindet.

Hartz-Protest 02

Nun, jedenfalls dürfen wir den sachbezogenen Informationen dieses Blattes unbesehen glauben, wenn sie Kritisches zum (ja von ihren Säulenheiligen mitbeschlossenen) Hartz IV bringt.

Es geht um folgenden Sachverhalt (wir beschränken uns hier auf den unstrittigen Teil):

Ein deutsches Ehepaar war aus Österreich in den kleinen Ort Freyung bei Passau zugezogen und hatte bei der zuständigen Agentur ohne Arbeit in Waldkirchen bei Passau den Antrag auf ALG II abgegeben, weil sie arbeitslos waren. Die Wohnung, die sie gemietet hatten, lag in einem Ferienpark, wo die Wohnungen meist Urlaubern vermietet werden. Es gebe aber Ausnahmen und dies sei eine gewesen, sagt der zuständige Geschäftsführer der Stadt Freyung.

Hartz-Protest 01

Doch die Wohnung im Ferienpark war der Leiterin der Agentur ohne Arbeit, Bauernfeind, verdächtig. Die heißt wirklich so, wir können nichts dafür.

Die Frau Bauernfeind beauftragte also nun, ganz im Sinne von Frau Merkel und Herrn Beck, zwei ihrer Untergebenen, einen Angestellten und einen Beamten, dort vorbeizusehen und festzustellen, ob der Antragsteller wirklich dort wohne. Als die beiden dort ankamen, wurde ihnen zwar bestätigt, daß das Ehepaar dort eine Wohnung gemietet hatte, trafen es aber nicht an.

Nun drangen sie ins Innere der Wohnung ein, wohl wissend, daß die Bewohner nicht zu Hause waren, um Näheres zu eruieren (oder was sonst auch immer). Wie genau sie sich Zugang verschafft haben, ist umstritten (Schlüssel des Verwalters oder illegaler Nachschlüssel), aber für die Tatsachen auch nicht ausschlaggebend, denn das Betreten der Wohnung ohne die Anwesenheit der Mieter ist auf jeden Fall unzulässig und sogar eine Straftat.

Sozialprotest DGB

Was man dort gefunden hat: Nichts. Oder jedenfalls so wenig, daß man davon ausging, das Paar wohne dort gar nicht und hat das ALG II versagt.

Verfolgungsbehörde

Bemerkenswert, daß Frau Bauernfeind ihre Untergebenen verteidigt: Sie hätten das Recht gehabt, dort zu schnüffeln, denn sie seinen ja Verfolgungsbehörde. Wie bitte, Verfolgungsbehörde? Wir haben mehrmals nachgelesen, ob da wirklich Verfolgungsbehörde steht, aber es stimmt, Frau Bauernfeind hat dies gesagt.

Eine exemplarische Freud’sche Fehlleistung. Freud’sche Fehlleistungen pflegen ohne Absicht ausgesprochene Wahrheiten zu sein. Hier haben wir also eine tiefe Wahrheit: Das Politikerpack hat aus den Arbeitsämter Verfolgungsbehörden gemacht!

Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden!

Der Rechtsanwalt des deutschen Ehepaars gibt eine Nummer in Österreich an, wo sie jetzt zu erreichen wären. Sie sind angesichts solcher Zustände in Deutschland anscheinend wieder nach Österreich gezogen.


Dieser Artikel (hier in einer leicht vom Autor redigierten Form) erschien schon vor einiger Zeit in "rbi-aktuell". Er ist aber so aktuell wie je. Nichts an der "Verfolgungsbehörde" hat sich geändert seitdem, im Gegenteil, die Verfolgung ist sogar noch intensiviert worden.



Andere Artikel zur Hartz IV im Blog:

"Dossier Hartz IV – Hindernisrennen ins Elend"

"19 Fälle – Die Realität von Hartz IV"

"Nicht genug zu essen – Hartz IV – Realität in Deutschland 2007"

"Die neuesten Hartz-Sauereien – Das Mass ist voll!"

"Hartz IV – Absurd, absurder, am absurdesten – Das Chaos war geplant!"

"Hartz IV – Berliner Zeitung schert aus dem Chor der Missbrauchsankläger aus"

"5 Millionen Arbeitslose einstellen"

"Grundversorgung von 1600 Euro käme billiger als heute."

"Arbeitslosigkeit ist zum Delikt geworden"

"Hartz IV führt in Obdachlosigkeit"

"Hartz IV–Empfänger müssen kalt duschen, im Dunkeln sitzen und Wasser trinken"

"Hartz IV: Vertreibung von Mietern"

"Hartz IV–Betroffene: Daumenschrauben anziehen!"

"Hartz-IV: Jetzt auch noch Sippenhaft"

"Hartz IV: Nieder auf die Knie!"

"Kein Anspruch auf fabrikneue Kleidung"

"Hartz IV: Unter den Brücken schlafen?"

Donnerstag, 22. November 2007

Hugo Chávez 'Dieser faschistische Diktator'

Venezuela soll nicht in den Mercosur

Von Karl Weiss

Freitag, der 16. November 2007, 8 h morgens Ortszeit: Im größten Radio-Nachrichtensender Brasiliens, dem CBN, ein Sender der Globo-Gruppe, die wesentliche Teile des brasilianischen Medienmarktes beherrscht, wird ein Kommentar von Arnaldo Jabor in den Äther geschickt, in dem dieser sagt. „Jener faschistische Diktator, Hugo Chávez von Venezuela ...“. Am gleichen Tag hört man auf dem gleichen Sender: Die PSDB, die große neoliberale konservative Partei Brasiliens, aus welcher der frühere Präsident Cardoso hervorging, ließ verkünden, man werde wegen Chávez alles tun, um zu verhindern, dass Venezuela in den Mercosur (Mercosul) aufgenommen werde.

Chávez und Lula

Der Mercosul(r) ist die Freihandelszone in Südamerika, der bisher Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay angehören und in den in einer offiziellen Zeremonie auch Venezuela aufgenommen wurde. Allerdings müssen die einzelnen Parlamente der Mitgliedsländer noch diese Erweiterung ratifizieren.

Gift und Galle spucken

Nun hat die brasilianische Oligarchie ein Mittel entdeckt, wie sie die mit ihr befreundete Venezuelanische Oligarchie rächen kann, die von Chávez um einen Teil ihrer Alleinherrschaft im Land gebracht wurde und seither Gift und Galle spuckt.

Die Medien helfen dabei nach Kräften mit. Wie Jabor auf die Idee kam, Chávez könnte ein faschistischer Diktator sein, weiss wohl nur er selbst.

Hat Chávez in einem Putsch die Macht ergriffen wie Pinochet? Nein, er wurde gewählt und später mit klaren Mehrheiten vom Volk bestätigt.

Hat er alle Linken und Gewerkschafter in Gefängnisse oder Lager geworfen? Nein, Linke und Gewerkschaften können in Venezuela frei agieren.

Hat er politisch gegen ihn Stehende einsperren lassen? Nein, es gibt keine politischen Gefangenen in Venezuela – im Gegensatz zu den USA, von Jabor bevorzugt als demokratisches Beispiel, wo willkürlich als terrorverdächtig Eingestufte ohne Anklage, ohne Möglichkeit der richterlichen Überprüfung, ohne Benachrichtigung der Angehörigen, ohne Prozess, ohne Kontakt zu einem selbst gewählten Anwalt, ohne Aussicht auf Freilassung in Tierkäfigen in Guantánamo gehalten werden.

Gibt es Folter in Venezuela, so wie in Jabors Vorbildland USA? Nicht einmal die Opposition behauptet dies.

Gibt es irgendeinen ernst zu nehmenden Hinweis auf Wahlbetrug in Venezuela? Nein. Nicht einmal die Opposition behauptet dies ernsthaft. In den USA allerdings stehen die beiden letzten Präsidentenwahlen ernsthaft im Verdacht, vollständig manipuliert worden zu sein.

Was also hat Chávez verbrochen? Zunächst hat er die Konzession eines Fernsehsenders auf ein „Fenster“ im Äther für seine Wellenlänge auslaufen lassen, was den Sender zwang, in Zukunft über Kabel und Satellit erreichbar zu sein, so wie es in allen westlichen „demokratischen“ Staaten mit Sendern alle paar Jahre geschieht. Dann hat er einen neuen Verfassungsentwurf vorgelegt, der jetzt dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden soll. Darin ist als Möglichkeit vorgesehen, dass der Präsident sich auch nach zwei Amtszeiten erneut zur Wahl stellen kann.

Wo ist da faschistische Diktatur? Wenn die Möglichkeit wiederholter Amtszeiten eine Land zu einer faschistischen Diktatur macht, dann ist es die Bundesrepublik schon lange. Sowohl Adenauer als auch Kohl haben mehr als zwei Amtszeiten hinter sich gebracht.

Offensichtlich geht es dem Kommentator nur um billige Polemik. Interessant, dass genau dies immer einer der Vorwürfe gegen Chávez ist. Er versteht sich nicht gestelzt auszudrücken wie die Vertreter der Oligarchie, denn er ist Militär und da wird eine direktere Sprache benutzt. So fällt das Naserümpfen über Chávez nun auf den Kommentator Jabor zurück.

Kongress Brasilien Brasilia

Anlässlich der Debatte im brasilianischen Bundestag über den Beitritt Venezuelas in den Mercosul(r) traten auch zwei andere Personen mit Schlägen unter die Gürtellinie Chávez auf. Der frühere Präsident Sarney erklärte Chávez zum Diktator, weil er eine dritte Amtszeit anstrebt und schalt Präsident Lula, weil der Chavez in seinem Disput mit dem spanischen König verteidigt hatte.

Brasilien (topographisch)

Betrüger, Hundsfot und Drecksau

Der in ganz Brasilien berühmte Abgeordnete und Ultrareaktionär Paulo Maluf, früherer Bürgermeister von São Paulo und Governeur des Staates São Paulo, hatte den Bericht der Kommision vorzulegen, die über den Beitritt Venezuelas zu befinden hatte. Er ging soweit, Chávez einen „Durchgedrehten“ und „Cafajeste“ zu nennen. Das ist ein fast unübersetzbares Wort. Es hat Anklänge an „Canaille“, aber auch an „Betrüger“, „Drecksau“, „Hundsfot“, „das Letzte“ oder „Abschaum“.

Dies war allerdings ein besonderes Ereignis für Brasilien, denn ein wesentlicher Teil der Bevölkerung hat den Begriff Cafajeste auf den Lippen, wenn sie den Namen Paulo Maluf hören, der bereits mehrfach wegen Abzweigen öffentlicher Gelder in Milliardenhöhe (!) verurteilt ist, aber aufgrund der – nennen wir sie -Besonderheiten des brasilianischen Justizsystems bis heute frei herumläuft und sich sogar zum Abgeordneten wählen lassen konnte.

So schrieb denn auch ein anderer Kommentator in einer Internet-Zeitung, es sei immerhin bemerkenswert, dass ausgerechnet Sarney und Maluf sich als Spezialisten in Demokratie ausgeben, denn dies waren die beiden führenden Politiker der Partei PDS, die während der Militärdiktatur die einzige zugelassene Partei war und nach deren Ende von den beiden gespalten wurde: Der eine Teil wurde von Sarney geführt und nannte sich „Frente Liberal“ (Liberale Front) (heute hat man schon wieder einen anderen Namen), der andere Teil nannte sich PPL und ging unter Maluf ins Rennen (auch diese Partei wurde bereits zweimal umbenannt).

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Bei den ersten Präsidentenwahlen in Brasilien nach der Militärdiktatur wurde der Präsident noch von den Abgeordneten gewählt, nicht vom Volk. Der Kandidat der Militärs war Paulo Maluf, dagegen ging Tancredo Neves von der erstmals zugelassenen Oppositionsbewegung MDB ins Rennen. In einem Meister-Streich sicherte sich Neves einen wesentlichen Teil der Stimmen der ehemaligen PDS, indem er Sarney als Vize aufstellte. So verlor Maluf die Wahl. Neves starb, bevor er das Amt antreten konnte. So kam Sarney zu einer Präsidentschaft wie die Jungfrau zum Kind.

Venezuela

Was da gegen Chávez in Stellung geht, ist die Auslese der Repräsentanten der brasilianischen Oligarchie. Man mag kein spezieller Freund Chávez sein, aber der kann so schlecht nicht sein, wenn solche Leute Schaum vor den Mund bekommen, wenn sie den Namen Chávez aussprechen.

Welt-Ölreserven

Ob es, angesichts der für ganz Südamerika interessanten Ölfelder Venezuelas, sehr klug ist, dies Land nicht in den Mercosul(r) aufzunehmen sei dahingestellt. Chávez kann sicherlich auch ohne diese Mitgliedschaft leben, denn er sitzt auf den größten Ölvorräten der Welt.


Veröffentlicht am 21. November 2007 in "Nachrichten - heute"

Originalartikel

Mittwoch, 21. November 2007

Wie Entwicklunsländer (nicht) funktionieren

Keine Steuern zahlen – der Fall Calheiros

Von Karl Weiss

In einem viel beachteten Artikel des „Journal do Brasil“ hat dieses Blatt am Wochenende enthüllt: Die Steuerschulden von Brasilianern an den Staat machen aktuell etwa 460 Milliarden Reais (etwa 180 Milliarden Euro) aus, wobei es sich um insgesamt 2,7 Millionen solcher Prozesse handelt, die in der Justiz anhängig sind. Der Fortgang fast aller dieser Prozesse ist unterbrochen.

Brasilien (topographisch)

Das heißt im wesentlichen: Die brasilianische Oligarchie bezahlt so gut wie keine Einkommenssteuern. Zufällig stand diese Nachricht direkt neben jener, die über die letzte Schätzung der brasilianischen Bevölkerung berichtet: Sie dürfte im Moment bei etwa 184 Millionen Einwohnern liegen. Die Oligarchie besteht aus etwa 1000 Familien.

Man erklärt dabei nicht einfach, die Super-Reichen bräuchten keine Steuern zu bezahlen, das wäre ja zu auffällig und die Maske der „Demokratie“ würde zu leicht fallen. Nein, das Vorgehen ist raffinierter: Die Steuern fallen an, werden nicht bezahlt, der Staat beginnt, sie über die Justiz einzuklagen und dort bleiben die Prozesse dann hängen, bis die Schulden verjährt sind. Laut dem Artikel sind 42% aller Prozesse der Bundesjustiz solche über geschuldete Steuern und Abgaben.

Das betrifft natürlich nur den Teil, den man vor dem Fiskus nicht verbergen konnte. Der von vornherein hinterzogene Teil der Steuern dürfte noch mehr als diesen Betrag ausmachen.

Nur ein kleiner Teil der Mitglieder der Familien der brasilianischen Oligarchie sind ja in Beschäftigungsverhältnissen, wo man ihnen die Einkommenssteuern direkt am Zahltag abziehen könnte. In der Regel haben die Superreichen lediglich „Andere Einnahmen“. Trotzdem ist nicht immer völlig zu vermeiden, dass der Fiskus an einem der Geschäfte seine Teilhabe verlangt.

Wie funktioniert es nun, dass die Justiz diese Steuerschulden nicht weiterverfolgt? Der Artikel gibt Auskunft:

Laut Aussage des Ministers Gilson Dipp vom höchsten Bundesgericht (selbstverständlich auch er selbst Teil dieser Oligarchie, die obersten Bundesrichter haben in Brasilien Ministerrang), der gleichzeitig Gesamt-Koordinator der Bundesgerichte ist, liegt die Hauptursache für die Unterbrechung des Fortgangs der Prozesse einerseits häufig in der Unmöglichkeit, die betreffende Person ausfindig zu machen, die jene Steuern schuldet und andererseits in der Schwierigkeit, zu pfändende Güter zu finden, die auf den Namen des Schuldners laufen.

Das brasilianische Recht kennt keinen Schuldturm, also nicht die Möglichkeit, einen Schuldner ins Gefängnis zu stecken. Die einzige Möglichkeit, seine Schulden einzutreiben besteht nach brasilianischem Recht darin, materielle Werte zu finden, die man pfänden kann und die dem Schuldner gehören, wenn man einmal einen nicht mehr anfechtbaren Gerichtsbeschluss gegen den Schuldner hat (was bereits Jahre dauert).

Darauf beruht der Haupttrick der brasilianischen Oligarchie: Man hat grundsätzlich nichts, was auf den eigenen Namen läuft. Alle Güter, sei es ein Haus oder Appartment, eine Fazenda (ein Bauernhof mit Land), sei es eine Fabrik, sei es ein Rundfunksender, eine Zeitung, eine Hotelkette, ein Auto-Haus als Vertretung einer der grossen Auto-Marken, eine Fluggesellschaft, ein Auto oder was auch immer, wird auf den Namen von Angestellten, Freunden, Ehefrauen, Bittstellern oder Anderen gekauft oder überschrieben.

Nicht etwa, dass diese „Anderen“ (in Brasilien „Orangen“ genannt) wirklich über jene Werte verfügen könnten. Natürlich nicht. Der Besitzer ist der Herr des Hauses, einer der Patriarchen der Oligarchie-Familie. Er hat in einer gut gehüteten Schublade einen Vertrag, in dem die „Orange“ den Besitz an ihn oder eine andere Person überschreibt und bestätigt, dafür bereits den Preis erhalten zu haben.

Die Nachteile, eine solche „Orange“ zu sein, sind offensichtlich. Entweder man verschweigt seinen „Besitz“ gegenüber dem Fiskus, dann macht man sich der Hinterziehung schuldig oder man muss auch noch Steuern für einen Besitz zahlen, der einem gar nicht zur Verfügung steht.

In der Regel werden daher dafür arme Schweine herangezogen, denen der Patriarch ein Hungerlohn zahlt und sie dafür Hilfsdienste machen lässt. Es gibt auch Leute, die der Oligarchie-Familie in irgendeiner Weise verpflichtet sind, z.B. Geld erhalten haben, das sie nicht zurückzahlen können. Diese eignen sich gut als „Orangen“.

Der Berichterstatter hatte Gelegenheit, mit einer Frau zu sprechen, die eine Zeit lang mit dem Sohn einer dieser Oligarchie-Familien verheiratet war.

Sie berichtete, wie diese Schemata funktionieren. „Mein Ex-Mann gründete eine Firma, die Zeitungs-Abonnements verkaufte. Die Leute zahlten im voraus für den Bezug der Zeitung, sahen aber nie ein Stück Papier davon. Das ganze Geld ging in dunkle Kanäle. Die Firma war aber auf meinem Namen. Plötzlich, nachdem ich mich von ihm getrennt hatte, war ich Besitzerin einer Firma mit einer riesigen Schuld. Ich bekam mein Bankkonto gesperrt, konnte nirgendwo mehr ein Konto aufmachen, hatte keinen Scheck, keine Kreditkarte, nichts.

Nur dem Fakt, dass mein Ex dabei eine kleine Unachtsamkeit begangen hat, ist es zu verdanken, dass ich heute mein Leben wieder bekommen habe.

Von den Besitzungen der Familie hatte er dort, in der Stadt, wo wir uns kennengelernt und geheiratet hatten, eine Anzahl von Grundstücken, von Wohnungen und ein grosses Haus. Eines der Grundstücke war auf meinem Namen. Das war mein Glück, denn ich konnte ihn so nach unserer Scheidung dazu bringen, dass er mir die geschuldeten Unterhaltszahlungen für die Kinder zahlte, bevor ich meine Unterschrift gab, das Grundstück zu verkaufen.

Die Familie hatte insgesamt etwa 5 Hilfsarbeiter angestellt, die Gartenarbeit in den Gärten der Villen machten, die Schwimmbecken der Häuser reinigten, Wächterdienste ausführten, bei Festen Servierdienste übernahmen und auch schon einmal jemanden verprügelten, wenn das der Patriarch so wollte. Auf deren Namen waren fast alle der Besitzungen der Familie eingetragen, so wie auch die Luxus-Schlitten und einiges andere. Ausserdem wechselten die Besitzer der materiellen Güter mit einer gewissen Häufigkeit.

Es gab offenbar auch illegale Aktivitäten der Familie, über die ich aber nichts Näheres erfuhr. Ich habe lediglich einmal ein Telefongespäch zufällig mitgehört, in dem offenbar Anweisungen in einer Art von Codes gegeben wurden. Es war meinem Ex offensichtlich unangenehm, als er merkte, ich hatte etwas davon gehört.

Offen wurde über Konten im Ausland gesprochen, so unter anderem einem auf der englischen Kanalinsel Jersey, wo anscheinend ein Steuerparadies ist. Von Zeit zu Zeit flog jemand ins Ausland, ohne dass irgendein Urlaub angesagt war, also offensichtlich in Geschäften. Einmal habe ich auch einen Koffer mit Hundert-Dollar-Noten gesehen.

Der Vater meines Ex, der Patriarch der Familie, war engst befreundet mit allen wesentlichen Personen der Stadt, mit allen Richtern, mit dem Staatsanwalt, dem Polizei-Chef, dem Abgeodneten usw. Mein Ex hat nicht einmal auch nur ein Strafmandat bezahlt.“

Dies war nur eine der kleinen Oligarchie-Familie, nicht eine der wirklich Mächtigen, wie z.B. die Cardosos des Ex-Präsidenten Fernando Henrique Cardoso, die eine eigene Grossbank besassen, die „Banco Nacional“, oder den Magalhães (auf deutsch Magellan), denen der halbe Staat Bahia gehört, oder den Jeressaitis, die Besitzer eine Kette von Shopping Centers und eines wesentlichen Paketes von Telephongesellschaften sind oder die Sarneys des Ex-präsidenten José Sarney, die im Staat Maranhão herrschen wie eine Königsfamilie.

Nun, sie alle bedienen sich dieser Mittel (wobei der Gebrauch offen krimineller Methoden nicht unbedingt auf alle zutreffen mag). Dies wurde kürzlich wieder besonders deutlich, als der Präsident des brasilianischen Senats, Renan Calheiros, plötzlich im Zentrum eines Korruptionsskandal stand. Calheiros, natürlich auch aus einer der Oligarchie-Familien, wenn auch aus jüngerer Zeit, kommt aus dem Staat Alagoas und ist dort Verbündeter der Oligarchen-Familie de Mello, aus der jener Präsident Brasiliens Collor de Mello hervorging, der 1993 durch ein Impeachmentverfahren abgesetzt wurde.

Calheiros ist Verbündeter des Präsidenten Lula als eine der wesentlichen Figuren der Partei PMDB von Alagoas, die in einer Koalition mit der PT Lulas die Mehrheiten in Senat und Repräsentantenhaus hat.

Nun kam aber ans Tageslicht, Renan Calheiros hatte ein Verhältnis ausserhalb seiner Ehe mit einer Journalistin, aus der ein Kind hervorgegangen war. Dies gilt jenen Kreisen Brasiliens nicht als ehrenrührig, wie sich das für eine Macho-Gesellschaft gehört. Im Gegenteil, (fast) jeder dieser Pariarchen hat nicht nur die Ehefrau zu Hause, sondern auch eine Anzahl von Geliebten, mit der angegeben wird.

Nachdem der DNA-Test gemacht war und die Vaterschaft feststand, blieb dem späteren Präsidenten des Senats (das ist immerhin die dritthöchste Position im Staat, nach dem Präsidenten und dem Vize-Präsidenten) nichts anderes übrig, als auf die Wünsche der Journalistin nach einem saftigen Unterhalt einzugehen. Es wurden 16 000 Reais monatlich vereinbart, das sind immerhin etwa 6000 Euro pro Monat, für brasilianische Verhältnisse ein fürstlicher Unterhalt.

Das Problem war nun, dies Geld wurde Monat für Monat von einem Freund von Calheiros überbracht – und dieser Freund war ein Angestellter und weithin bekannter Lobbyist von Brasiliens grösstem Bauunternehmen Mendez Junior.

In Brasilien lassen Verbindungen zwischen Politikern und Baunternehmen alle Alarmglocken schrillen, denn jeder weiss, das bei weitem wichtigste Mittel, wie Politiker Gelder aus der Staatskasse abzweigen ist die „Beteiligung“ an öffentlichen Bauaufträgen. Der Politiker sorgt dafür, dass jenes Baunternehmen den Auftrag bekommt und erhält dafür 18% der Bausumme. Abgeordenete in Brasilien heissen daher hier „Mr. 18%“.

Da steht einem ausgewachsenen Präsidenten des Senats anscheinend zu, dass man ihm seine Unterhaltsgelder zahlt – das haben beide natürlich sofort dementiert. Der Lobbyist hat das Geld lediglich überbracht – und das aus alter Freundschaft.

Nun stellte sich aber die Frage, woher hatte Calheiros all dies Geld, denn er war laut seiner Steuererklärung ein bettelarmer Mann und auch als er Präsident des Senats wurde, konnte ihm kaum jeden Monat so viel übrig bleiben.

Das ist natürlich der Nachteil an jenem Trick mit dem Übertragen der Besitzrechte auf Andere: Man darf dann nicht in die Situation kommen, Einkommen nachweisen zu müssen. Genau das aber geschah Calheiros.

In Wirklichkeit, so stellte sich im Verlauf des Skandals heraus, stinkt Calheiros vor Reichtum – wie sich das für brasilianische Oligarchie gehört. Er hat nicht nur eine unbekannte Zahl von Fazendas in Alagoas, er hat auch eine Brauerei, eine Radio- und eine Fernseh-Station und eine Zeitung in Alagoas, neben einer unbekannten Anzahl von Immobilien.

Ach, dachte sich der Politiker, das mach ich ganz einfach, ich lege eine Anzahl von Quittungen von Verkauf von Schlachtrindern vor und belege damit, ich konnte diese Summe sehr wohl aufbringen. Allerdings unterlief ihm da ein Schönheitsfehler: Die Quittungen waren schlecht gefälscht. Die Bundespolizei, die später mit der Untersuchung dieser Quittungen beauftragt wurde, bestätigte, es gebe schwere Indizien für Fälschung.

Der Rest ist kurz erzählt: Die Mehrheit der Koalitions-Senatoren sprach ihn trotz all dieser Offensichtlichkeiten von der Anklage frei, aber er war nicht mehr zu halten, dazu war der Skandal zu bekannt und zu offensichtlich. Man veranlasste ihn zunächst, zeitweise sein Präsidentenamt zur Verfügung zu stellen und nun scheint seine Karriere wirklich einen ziemlichen Knick bekommen zu haben, nachdem weitere Vorwürfe aufgetaucht sind. Wahrscheinlich wird er nun zurücktreten und für eine Zeit von der politischen Bühne verschwinden.

Für unsere Kenntnis über Entwicklungsländer haben wir nun dazugelernt: Die wirklich Herrschenden in diesen Ländern zahlen (praktisch) keine Steuern, aber sie müssen dies lernen besser zu verstecken.


Veröffentlicht am 21. November 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Dienstag, 20. November 2007

Stasi und BKA Hand in Hand

Es geht gegen linke Dissidenten, wo beide ihre Gegner orten

Von Karl Weiss

Was niemand in Deutschland sich auch nur im Traum hätte vorstellen können, als die Unterlagen der DDR-Staatssicherheit Stasi, soweit sie noch vorhanden waren, gesichert wurden, ist nun Tatsache.

Die westdeutsche - jetzt: gesamtdeutsche - Kriminalpolizei, in Form des BKA, benutzt Opferakten der Stasi, um Erkenntnisse gegen Linke in der Bundesrepublik zu gewinnen! Ja, lesen Sie es ein zweites Mal, es ist wirklich nicht zu glauben, aber es ist so! BKA und Stasi gegen die gleichen Leute!


Im November vergangenen Jahres fragte das BKA bei der Birthler-Behörde, die jetzt die Stasi-Akten verwaltet, nach Akten, die damals die Stasi über 4 Personen aus der Bürgerbewegung der DDR angelegt hatte, als sie 1988 Proteste gegen den im damaligen Westen Berlins stattfindenden Gipfel des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank unterstützte. Zusammen mit Vertretern von Greenpeace luden damals Umweltaktivisten der DDR in der Ostberliner „Umweltbibliothek“ zu einem Treffen ein, auf dem sie von der Stasi bespitzelt wurden.

Es gab damals in der DDR eine unregelmäßig erscheinende Zeitschrift „Umweltblätter“, deren Redakteure bereits früh ins Visier der Stasi gerieten. Deren Räume waren von DDR-Behörden durchsucht und Redakteure festgenommen worden. Der Nachfolger der damaligen Publikationen ist heute der „telegraph“.

Die gleichen Leute stehen heute unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes und des BKA. Sie sollen angeblich etwas mit einer dubiosen Organisation „Militante Gruppe“ zu tun haben, deren Existenz bis heute nicht bewiesen ist.

Es gab jemand, der Bundeswehrlastwagen angezündet hatte. Es ist völlig ungeklärt, wer das gewesen sein mag. Vielleicht die Gleichen, die ein Loch in die Mauer des Gefängnis von Celle sprengten, um diese Tat später einer linken Gruppe in die Schuhe zu schieben.

Jedenfalls tauchte ein „Bekennerschreiben“ auf, das äusserst anrüchig ist. Aufgrund dieses Bekennerschriebens wurden drei Linke aus der damaligen DDR wegen Ähnlichkeit ihrer Aussagen mit jenem dubiosen „Bekennerschreiben“ wie höchst gefährliche Verbrecher verhaftet und in Isolierhaft in Berlin-Moabit gehalten, weil die Bundesanwaltschaft diesen Zusammenhang als „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ ansieht.

Es wird einmal mehr deutlich: Der Paragraph 129a, der dies regelt, dient zu nichts anderem als darum, linke Gesinnung zu bestrafen unter dem Vorwand von angeblichem Terrorismus. Es gibt nicht einen einzigen Hinweis, der die drei mit dem Gezündel an Lastwagen in Verbindung bringt. Das einzige, was der Bundesanwaltschaft nicht passt, ist deren Gesinnung. Da lassen sich dann immer Vorwände finden.

Stasi 2.0

In diesem Fall fand man Worte, die sowohl im Bekennerschreiben als auch in der journalistischen Arbeit der drei vorkamen. So z.B. „Prekarisierung“. Das ist ein heute von publizistisch Tätigen im Zusammenhang mit der aktuellen Politik der Bundesregierung häufig gebrauchtes Wort, das sich auf das Hinabdrücken in die Armut von Arbeitslosen, gering Beschäftigten, Rentnern und prekär Bezahlten bezieht. Die Deutsche Journalisten Union in der Gewerkschaft ver.di bemerkt dazu, wenn solche Worte auf Terrorismus hindeuten, dann seien die Gewerkschaften unter Generalverdacht.

Da man nun den drei „Terrorismus-Verdächtigen“ absolut nichts vorwerfen konnte, begann man in der DDR-Zeit zu wühlen und siehe da, jene Linken standen schon damals unter Beobachtung, in diesem Fall der Stasi.

Es ist bezeichnend für den Staat DDR, der sich als sozialistisch bezeichnete, dass er Linke bespitzelte und ins Gefängnis warf, während hochgejubelte „Dissidenten“ wie Wolf Biermann, noch weiter rechts als die DDR-Regierung angesiedelt, nicht ein einziges Mal gesiebte Luft atmen mussten, während er im Westen als „entsetzlich Verfolgter“ gefeiert wird und aus der rechten Ecke kritisiert. Wäre die DDR wirklich sozialistisch gewesen, hätte sie zusammen mit den Linken gegen das Gipfeltreffen von IWF und Weltbank protestiert. So ist es denn nicht verwunderlich, der Unrechtstaat DDR und der Unrechtstaat Bundesrepublik geben sich letztlich die Hand und verfolgen gemeinsam linke Publizisten.

Was war es, was man über sie in Stasi-Akten fand?
Über einen der Angeklagten: „Er hat bei der Grenzpassage aus der CSSR nicht angegeben, dass er innerkirchliches Material bei sich hatte.“ – Selbst die Kirche war der DDR zu links. Achtung, Evangelische Studenten-Gemeinde, ihr dürftet im Visier des BKA stehen! Anderes Zitat aus den BKA-Stasi-Unterlagen: „Bei der Demonstration am 7. Oktober 1989 in Berlin wurde er wie viele andere Personen eingeführt.“ Es wird also deutlich: Das BKA steht den Bürgerrechtlern der DDR keineswegs freundlich gegenüber, wenn sie sich nicht in die bürgerliche Parteienlandschaft der Bundesrepublik eingegliedert haben, sondern ihren Überzeugngen treu geblieben sind.

Einmal Dissident – immer Dissident
So lernen wir zum einen, was es mit unserem Staat Bundesrepublik auf sich hat. Das Bundeskriminalamt der Bundesrepublik hat noch nicht ein einziges Mal faschistische Schlägertrupps, die Ausländer ‚aufmischen’ und auch schon einmal ermorden, in Isolierhaft gesteckt. Diese Taten werden vielmehr relativiert und verharmlost. Als in Frankfurt von der durch Polizisten ermöglichten Kundgebung der NPD skandiert wurde: „Gegen Demokraten helfen nur Granaten!“, standen Polizeiobere daneben, taten nichts und befahlen, gegen die Gegendemonstranten vorzugehen. Siehe hierzu diesen Artikel.

Wenn es aber gegen Linke geht, dann hastdunichtgesehen! Da wird hineininterpretiert und „Terrorismus“gesehen, wohin man blickt!

Im gleichen Zuge lernen wir auch über den vergangenen Staat DDR. Er hatte nichts von links, nichts von fortschrittlich (ausser ein paar Resten aus seinen Anfangszeiten). Er war gegen die BRD, weil sie zum anderen Block gehörte, zur Konkurrenz, das war der Punkt.

So ist es auch nicht verwunderlich, wenn die Berliner PDS, die sich jetzt sinnigerweise „Die Linke“ nennt, die aber bis heute von SEDlern und Stasi-Leuten durchsetzt ist und dominiert wird, eben von ihrem Vorsitzenden Lederer darauf eingeschworen wird, für ein verschärftes Schnüffelgesetz in Berlin zu stimmen. Handy orten von Dissidenten? Sind wir natürlich dafür!

Auch wenn diese Reaktionäre sich nun unter dem Mantel „Linke“ verstecken, sie haben ihre Lektionen gelernt und nicht vergessen: Der Feind steht links!

Als damals die Stasi-Akten entdeckt wurden und beschlossen wurde, sie zur Nutzung aufzubewahren und unter bestimmten Voraussetzungen offenzulegen, hatte niemand protestiert, weil man die damals Verfolgten damit erneut zur Bespitzelung freigeben könnte. Es war so selbstverständlich, dass es nicht einmal ausdrücklich erwähnt wurde, dass Opferakten selbstverständlich nicht gegen die Opfer verwendet werden dürfen, um sie ein zweites Mal zum Opfer zu machen.

Doch Frau Birthler weiss, was ihre staatsbürgerliche Pflicht ist: Linke müssen ausgehorcht und bekämpft werden, damals in der DDR und heute in der BRD. Welche Offenbarung!

So lernen wir schliesslich und endlich noch, wie sich Frau Birthler und Herr Honecker letztendlich die Hände reichen.

Die gemäßigte DDR-Dissidentin, die in der evangelischen Kirche arbeitete und damit selbst unter Überwachung stand, später eine der wichtigen Figuren im „Bündnis 90“, das dann von den „Grünen“ vereinnahmt wurde, ist heute eine folgsame reaktionäre Schergin gegen andere DDR-Dissidenten und lieferte bereitwillig innerhalb von 4 Tagen die Akten aus, die ihr eigentlich zu treuen Händen übergeben worden waren und nicht zur Freigabe zur erneuten Verfolgung. Hiermit ernennen wir Frau Birthler zum größten DDR-Wendehals!


Veröffentlicht am 19. November 2007 in "Nachrichten - heute"

Originalartikel

Montag, 19. November 2007

Strom- und Benzinpreise steigen ohne Halt

Jeder weiss es und die Bundesregierung bleibt untätig!

Von Karl Weiss

Die Strom- und Benzinpreise steigen und steigen. Es ist ein altes Lied. Seit Jahren, ja Jahrzehnten weiss man: Die vollständige Abhängigkeit von importierten Erdöl bzw. –Derivaten ist für ein großes Industrieland auf Dauer tödlich. Man lebt und stirbt mit den Preisbewegungen und Verknappungen, auf die man keinen Einfluss hat.

Erdöl

Dazu kommt: Wenn man fast den ganzen Verkehr und fast die ganze Heizung im Winter von Einfuhren von fossilen Rohstoffen abhängig macht, wird man von ausländischen Mächten abhängig und muss tun was sie wollen. Zudem ist das Verbrennen fossiler Rohstoffe der Hauptgrund für die bereits einsetzende Klimakatastrophe. Doch all diese Kenntnisse haben zu keinerlei nennenswerten Aktivitäten der Bundesregierungen geführt!


Da steckt Absicht dahinter!

Erdöl 1

Es gibt entsprechende Alternativen seit Jahren, viele schon seit Jahrzehnten, doch sie werden nicht genutzt. Die Kohl-Regierung mit ihrer Umweltministerin Merkel tat so, als gäbe es keine Problem. Hatte doch Jahrzehnte funktioniert, warum soll es nicht weiter funktionieren? Dann kam die rot-grüne Schröder-Fischer-Regierung: Wiederum keinerlei ernsthafte Maßnahmen, außer Steuererhöhungen fürs Benzin, was zu keinerlei Umschwung-Aktivitäten genutzt wurde. Völlig unverständlich, da doch jeder wusste, wo das hinläuft.

Dann die Große Koalition. Man hat eine Zwei-Drittel-Mehrheit und kann alles durchsetzen. Wiederum keinerlei ernste Aktivitäten, um die völlige Abhängigkeit von Importen von Erdöl und dessen Derivate zu entgehen. Das kann kein Zufall mehr sein.

May it be madness, there is method in it!

Im Gegenteil, die Große Koalition hat es sogar fertig gebracht, eine der winzigen Alibi-Aktivitäten abzuwürgen, die es immerhin schon gab: In einer wahnsinnigen Geisterfahrt auf der Gegenfahrbahn des Notwendigen hat man die Steuerbefreiung für Biodiesel abgeschafft und damit der kleinen schon bestehenden Biodiesel-Industrie den Garaus gemacht.

In der ‚Süddeutschen’ vom 11. November hat ein Kommentator unter dem Titel „Der schwarze Fluch“ erneut gesagt, was man seit Ewigkeiten weiss: „Die Deutschen sind gefügige Energie-Abhängige. (...)Die Methoden [zu einer Veränderung] sind hierzulande inzwischen hundertfach durchdiskutiert. Sie heißen effizienter, sparsamer Umgang mit Licht, Wärme, Beweglichkeit; sie verlangen den Ausbau erneuerbarer Energien. (...) Eine Alternative zum Kurswechsel gibt es nicht. Letztlich ist es wie beim Autofahren: Wer auf eine Wand zu rast, sollte rechtzeitig auf die Bremse treten; sonst bremst ihn die Wand.“

Schmelzendes Eis

Nun, das wusste man genauso bereits 1990 (viele auch schon früher).

Es war auch nicht so, dass die verantwortlichen Politiker das nicht gewusst hätten. Sie haben ja auch immer auf die kleinen Alibi-Projekte hingewiesen. Es wurden eine Anzahl von Windmühlen in die Landschaft gestellt, man gab (viel zu geringe) Zuschüsse für Wärmedämmung von Altbauten, es gibt Überlegungen für ein Gezeitenkraftwerk, in Nordrhein-Westfalen wird ein wenig mit Wärmepunpen herumgespielt, im Osten gibt es ein Projekt für Solar-Panels auf einem stillgelegten Flughafen, das gerade mal Strom für eine Kleinstadt erzeugen kann, das Beispiel des Bio-Energie-Dorfes Jühnde in Niedersachsen wurde gelegentlich erwähnt und in ähnlicher Weise krebsen die Alternativ-Energie-Projekte im Promille- und niedrigen Prozent-Bereich vor sich hin.

Energieverbrauch Deutscland

In dieser offiziellen Vorschau des Bundes-Wirtschaftsministeriums für das Jahr 2030 ist für alternative Energien gerade mal ein Anteil von 11,5% vorgesehen!

Wenn sie es also wussten und wissen – warum haben sie nichts getan und tun nichts?

Schröder

Der Lösung dieses Rätsels kommen wir eventuell näher, wenn wir uns ansehen, wohin denn die Politiker gehen, wenn sie ihre Karriere beenden. Schröder ging zur russischen Gazprom, dem Gaslieferanten für Deuschland, der uns dem jeweiligen russischen Machthaber zu jeglicher Erpressung ausliefert, der grüne Politiker Rezzo Schlauch ging zur Baden-Württembergischen Energieversorgung, der frühere Bundeswirtschaftsminister der rot-grünen Koalition Werner Müller liess dem eon-Konzern eine Ministererlaubnis zur Übernahme der Ruhrgas zukommen und ist jetzt Ruhrkohle(RAG)-Vorsitzender (an der eon beteiligt ist) – und so geht es weiter.

Rezzo Schlauch

Die Politiker liegen mit den Energiekonzernen im Bett, das ist des Rätsels Lösung.

Nicht nur mit den Energiekonzernen natürlich, auch mit anderen, wie denen der Automobilindustrie und den Ölkonzernen und der Chemie und einigen anderen, die sich dumm und dappig verdienen an den jetzigen Ölpreisen.

Werner Müller

Die Politiker pfeifen auf ihren Eid, Unheil vom deutschen Volk zu wenden, sie wollen Unheil von ihren Sponsoren wenden, bei denen sie nach der Karriere unterkommen, wenn sie bis dahin nicht sowieso schon unendlich reich sind.

Denn für die Energiekonzerne ist die Alternativ-Energie jedweder Provenienz eine Bedrohung der leichten Profite, ebenso für die Ölkonzerne und mit ihnen jene der Chemie – und die Automobilkonzerne haben sich mit diesen gemein gemacht, obwohl sie die Kapazitäten gehabt hätten, Autos mit alternativer Energie zu entwickeln.

Aber dazu hätte man ja all die erfahrenen Ingenierure und Arbeiter gebraucht – aber die hat man ja gerade in Frührente, Altersteilzeit und 58er-Regelungen geschickt und jetzt muss man sich mit unerfahrenen Jungs von der Universität rumärgern.

Um nur ein Beispiel zu nennen: Ein Projekt für die Versorgung ganz Europas mit Strom auf der Basis von Photo-Voltaik (Solarzellen), basiert auf einer Fläche von 100 x 100 km von Sonnen-Panels in der Sahara und entsprechenden Gleichstrom-Hochspannungsleitungen in die europäischen Verbrauchszentren ist längst entwickelt und wartet nur auf den Startschuss.

Synthesis Hochspannungsleitungen-Verbund
Projekt Synthesis für einen internationalen Verbund von Hochspannungsleitungen, um weltweit ständig Strom zur Verfügung stellen zu können.

Ein solches Projekt, das Europa mit einem Schlag praktisch unabhängig von importierten Energieträgern macht, könnte von den Ländern Europas zusammen mit Leichtigkeit finanziert werden. Statt dessen hat man einen sündhaft teuren Afghanistan-Militäreinsatz finanziert und einen noch teureren Ausbau des Leipziger Fluhafens zu einem Militär-Drehkreuz für Waffen- und Truppentransporte und die dazugehörigen Antonow-Transporter mit Milliarden-Beträgen, stattdessen finanziert man weiterhin die völlig unsinnigen, unnötigen, kontraproduktiven und absurden EU-Agrarsubventionen von Milliarden und Milliarden von Euros, die nie zu etwas anderem gedient haben als ein paar Reiche noch reicher zu machen.

Dies Geld – und das bezieht sich nur auf Deutschland, während sich ja alle europäischen Ländern an der Finanzierung beteiligen könnten – dies Geld könnte dann sogar ausreichen, statt der 100 x 100 km eine Fläche von 150 x 150 km mit Panels vollzustellen und damit einen absoluten Energieüberschuss in Europa zu schaffen, der den alten Kontinent zu einem Energieparadies machen würde.

Auch hätte man längst die Produktion von Agrargütern in Europa von einer Vergrösserung des weltweit 100%-igen Überschusses an Agrarprodukten zu einer Produktion von Energiepflanzen und Energiekühen und -schweinen umgestalten können und damit einen Teil des Problems erledigen, während gleichzeitig die Milliarden der Agrarzuschüsse frei und die deutschen Bauern von subventionierten Mitleidsobjekten am Brüsseler Tropf zu Energie-Bauern geworden wären.

Auch die unsinnige Bürokratie in Brüssel, die sich zu 90% mit Quark und der Verwaltung des Agrar-Desasters beschäftigt, hätte man auf 10% reduzieren können, was zusätzliche Milliarden freigemacht hätte.

Es fehlen weder Konzepte noch Vorschläge noch bereits fertige Projekte, es fehlt nur der gute Wille dieser Absahn-Kaste von Politikern.
Wir werden nicht umhin kommen, sie zum Teufel zu jagen, die Revolution zu machen und uns neue Politiker zu wählen, die wir in einem Räte-System kontrollieren und täglich abwählen können, wenn nötig.

Solche Politiker können die bestehenden Probleme in kurzer Zeit lösen und das Leben wieder lebenswert machen. Wir müssen es nur wollen!

Der Nächste Schritt muss der Aufbau einer kämpferischen Opposition sein. Die Montagsdemos dürften der beste Ansaztpunkt sein. Wer mitmachen will, kann sich hier informieren.


Veröfffentlicht am 19. November 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Mittwoch, 14. November 2007

Urheberrecht - 10 000 Dollar für ein Musikstück

Höchststrafe für Musikdownload

Von Karl Weiss

Im Zuge der generellen neoliberalen „Reformen“ sind in praktisch allen größeren Industriestaaten inzwischen ohne viel Aufsehens extrem restriktive Gesetze erlassen worden, die Verstöße gegen Urheberrechte in absurder Weise unter Strafen stellen, auch wenn es nur um persönlichen Gebrauch geht. In einem ersten großen Fall in den Vereinigten Staaten wurde Ms. Thomas aus Duluth im Staat Minnesota für den download von 24 Songs mit 220 000 Dollar Strafe belegt, also fast 10 000 Dollar pro Musikstück.

Die Begründungen für all dies lauten wie folgt:
Die Komponisten und Sänger und Musiker von Musikstücken wie auch jene, welche Texte und Filme produzieren, wie Journalisten, Schriftsteller, Regisseure, Schauspieler und Dichter wie auch die Fotografen von Bildern haben das Recht, für die Nutzung ihrer Werke ein Entgelt zu verlangen. Soweit ist dies natürlich wirklich berechtigt.

Etwas völlig anderes aber ist, was die Musik-, Film- und Videoindustrie über Verkäufe von CDs und DVDs erwartet. Man rechnet einfach hoch, was vermutlich an Piratenkopien hergestellt wurde, nimmt mit dem (horrenden) Verkaufspreis mal und schon hat man einen „volkswirtschaftlichen“ Schaden durch Piraterie in Milliardenhöhe ausgemacht.

Die schlichte Tatsache, dass sie zu den Preisen, zu denen sie verkaufen, eben nur geringe Mengen absetzen können, wird unter den Tisch gekehrt. Diejenige, die billige Piratenware kaufen oder im Internet herunterladen, würden nie die von der Musik- und Filmindustrie geforderten Preise für CDs oder DVDs zahlen. Die Rechnung ist also ohne den Wirt gemacht.

Sieht man etwas näher hin, fällt auch auf: Vom Verkaufspreis einer CD von – sagen wir – 20 Euro oder einer Film-DVD von - sagen wir – 35 Euro, bekommen die Künstler nur ein oder zwei Cent. Im Fall eines Filmstars kann das auch einmal auf 5 Cent kommen. Rechnet man noch die Herstellkosten der CD/DVD, die sich nach Aussagen der Hersteller um die 2 bis 3 Euros bewegen, kommen wir zu dem Schluss, der Löwenanteil des Preises der sauteueren Original-Titel gehen an die Herstellfirma, an die verschiedenen Vertriebszentralen und schliesslich an den Einzelhandel.

Nur – diese Herrschaften, die da gut daran verdienen, sind keine Künstler (außer in der Kunst, Geld zu scheffeln) – sie haben nicht das geringste Recht, für Autorenrechte Geld zu bekommen. Die SONY zum Beispiel, einer der Großen der Branche, hat eine Menge von Aktionären, die Jahr für Jahr satte Dividenden einstecken von den Erlösen dieser Werke – nur: Sie haben keinerlei künstlerische Leistung erbracht, um Autorenrechte einstecken zu können.

Kurz: Die ganze Argumentation mit „Piraterie“, mit den armen geplagten Künstlern, die nicht bekämen, was ihnen zusteht, ist nichts als bullshit, um mit unseren US-Freunden zu sprechen. Es geht nur darum, reiche Investoren noch reicher zu machen und hat nichts mit Autorenrechten zu tun.

Dafür staatliche Verfolgung und Strafrecht einzusetzen ist nicht nur unberechtigt, es ist kriminell! Staatliche Ressourcen, Polizei, Staatsanwaltschaften CSIs usw. ausschließlich zum Zweck höherer Dividenden für ganz bestimmte Investoren einzusetzen, ist nicht einfach nur eine Vergeudung, es ist mit jeder Vorstellung genereller Menschenrechte absolut unvereinbar.

Zudem müssen sich die Protagomisten dieser Gesetze fragen lassen, wo denn da ihre sonst so laut tönenden Überzeugungen geblieben sind, wenn es um staatliche Eingriffe geht: „Weniger Staat! Der Staat ist nicht dazu da, wirtschaftliche Aktivitäten zu betreiben!“ Interessant: es handelt sich um genau die gleichen Neoliberalen, die einmal so, einmal so argumentieren.

Vor diesen „Gesetzen zum Schutz des Urheberrechts“ war die Sache eigentlich korrekt und abschliessend geregelt. Es gab für den privaten Gebrauch kleine Abgaben für alle Wiedergabe-Geräte und niemand hätte einen Aufruhr veranstaltet, wenn auch auf die Computer eine solche kleine Urheberrechts-Abgabe erhoben worden wäre. Die Abgaben gingen an die GEMA und damit direkt an die Künstler, nicht an die Plattenfirmen.

Was die kommerzielle Nutzung von Musik-Stücken, Filmen usw. betrifft, ist dies sowieso völlig ausreichend geregelt und funktioniert. Jeder, der etwas kommerziell nutzt, muss Abgaben zahlen und tut dies auch.

Bei den neuen Gesetzen geht es ausschließlich um die rein persönliche, private Nutzung. Offenbar haben die Verabschieder neuer Gesetze, wie die deutsche große Koalition, hier auch etwas ganz anderes im Sinn als den Schutz von Rechten von Künstlern.

Wenn man nur möglichst viele Strafgesetze schafft, an die sich niemand hält, die von fast allen übertreten werden, hat man immer, wenn man will, etwas gegen fast jeden in der Hand. Wenn man ihn nicht wegen seiner Dissidententätigkeit rankriegt, dann eben über Musikstücke, die er aus dem Internet herunter geladen hat. Wozu hat man schliesslich den Bundestrojaner. Es wurde bereits ausdrücklich erwähnt, er solle auch gegen Piraterie eingesetzt werden.

So kann man schnell eine missliebige Person, z.B. einen Journalisten, der „gegen den Strich bürstet“, mit Hunderttausenden von Euros Strafe überziehen und kann noch ganz heilig verkünden, das habe natürlich nichts mit seiner Tätigkeit als Journalist zu tun.

In noch weit intensiverem Masse gilt dies für den Markenschutz, der in einigen Ländern gleich in den Urheberrechtsschutz mit einbezogen wurde. Da wird argumentiert, die Markenpiraterie verursache ebenfalls Milliardenschäden. So kann es einem passieren, wenn man ganz unbedarft ein Parfüm im Internet bestellt, auf dem „Christian Dior“ steht, dass man wenige Tage später ermittelnde Polizisten vor seiner Haustür stehen hat.

Es wird argumentiert, die Besitzer von bekannten Marken hätten hoch in Werbung für ihre Marken investiert und hätten daher auch ein Anrecht, die Gewinne aus diesen Marken zu geniessen. In Wirklichkeit sind bekannte Marken nichts anderes als die Möglichkeit, für ganz normale Produkte, die jeder genauso gut herstellen kann, höhere Preise zu erzielen. Nun mag man dies den Markenfirmen zugestehen, aber die vorher geltenden Rechte reichten völlig zu ihrem Schutz aus.

Der Schutz von Marken muss ausschließlich auf zivilrechtlichem Weg verfolgt werden und es ist absurd, ihn in die Strafgesetzgebung zu übernehmen. Jede Firma mit einer bekannten Marke ist gross genug, um Markenverletzungen selbst herausfinden und wegen Schadenersatz vor Gericht bringen zu können. Diese Arbeit den sowieso bereits völlig überforderten Polizisten und Staatsanwaltschaften aufzubürden ist durch nichts gerechtfertigt, denn es geht auch hier wiederum um Extra-Profite für bestimmte Firmen, die so staatlich abgesichert werden sollen, was niemals die Aufgabe von Staatsorganen sein dürfte.

Veröffentlicht am 13.November 2007 in "Nachrichten - heute"

Originalartikel

Dienstag, 13. November 2007

Wahrheit gibt es erst nach 40 Jahren

Der Zynismus der US-Führer gegen die eigenen Soldaten

Lügen auf Teufel komm raus

Von Karl Weiss

Was Viele schon vermutet hatten, aber bisher noch keine wirklichen Beweise fand, ist nun Gewissheit: Der israelische Angriff auf das US-Abhörschiff „Liberty“ während des Sechs-Tage-Krieges war keine Irrtum und keine Verwechslung, sondern der bewusste kriegsverbrecherische Gewaltschlag gegen ein fast unbewaffnetes Schiff eines Verbündeten aus niedrigen Beweggründen. Ein Skandal nicht nur, dass Israel dies Verbrechen beging, sondern auch, dass die US-Regierung trotz des Wissens um die Wahrheit so tat, als glaubte man die Ausreden von der „Verwechslung“.

Kürzlich von der NSA (Militärgeheimdienst) veröffentlichte Dokumente, die vorher als geheim klassifiziert waren, lassen keinen Zweifel: Die israelische Führung liess den Angriff auf das Schiff der Verbündeten mit vollem Bewusstsein durchführen, die US-Regierung wusste dies und beide hielten diese Fakten bis jetzt geheim, mehr als 40 Jahre später. Bis dahin wurde gelogen und verschwiegen auf Teufel komm raus.

Der Angriff diente dazu, das Schiff zu versenken und die gesamte Besatzung zu töten. Dass es dazu nicht kam, war der Tatsache zu verdanken, dass die Liberty trotzt starker Funkstörungssignale einen Notruf absetzen konnte, der von Schiffen der im Mittelmeer stationierten sechsten Flotte aufgefangen wurde.

Bei dem Angriff wurden an Bord der Liberty von den 291 Soldaten und drei Zivilisten 34 Menschen getötet und 174 weitere teilweise schwer verletzt. Das Schiff selbst mit einem geschätzten Wert von 40 Millionen US-Dollar wurde bei dem Angriff so schwer beschädigt, daß es zum Schrottpreis verkauft wurde.

Nach dem Angriff hatte Israel offiziell behauptet, das Schiff sei mit einem ägyptischen verwechselt worden. Nur war dieses ägyptische Schiff nur etwa halb so gross wie die Liberty. Ebenso behauptete man, das Schiff habe sich den Angriff selbst zuzuschreiben, weil es keine US-Fahne gehisst hätte.

Der Angriff fand in internationalen Gewässern im Roten Meer vor der Halbinsel Sinai am 8. Juni 1967 statt. Der Angriff begann um etwa 14 Uhr und wurde zunächst von einer Flugzeugstaffel durchgeführt. Mit Raketen und Bordgeschützen sowie mit Napalm-Bomben (Kriegsverbrechen) wurden Welle auf Welle Angriffe auf das Schiff vorgetragen.

Aus den jetzt veröffentlichten Dokumenten geht hervor, der Funkverkehr zwischen der israelischen Befehlsstelle und den Flugzeugen war abgehört worden und die entsprechenden Mitschnitte standen den US-Stellen zur Verfügung. Ein Zeuge erinnert sich: "Die Bodenstation erklärte, daß das Ziel amerikanisch war und daß die Flugzeuge dies bestätigen sollten.Die Flugzeuge bestätigten die Identität des Ziels als amerikanisch anhand der amerikanischen Fahne. Die Bodenstation befahl den Flugzeugen, das Ziel anzugreifen und zu versenken und sicherzustellen, daß es keine Überlebenden gibt (Kriegsverbrechen)."

Der Zeuge erinnerte sich noch deutlich an "die offensichtliche Frustration des Controllers angesichts des Unvermögens der Piloten, das Ziel schnell und vollständig zu versenken. Er betonte immer wieder, daß es Ziel der Mission war, das Ziel zu versenken und war frustriert über die Antworten der Piloten, daß es nicht sank." Der Zeuge gab an, alle wichtigen US-Stellen hätten diese Mitschrift gesehen.

Nach der ersten Angriffswelle kam eine andere Staffel von israelischen Flugzeugen und führte die Angriffe fort. Wie durch ein Wunder sank das Schiff immer noch nicht. Der Kapitän gab Anweisung, in die Rettungsboote zu gehen.

Kurz danach erschienen israelische Torpedoboote und begannen Torpedos gegen das Schiff abzufeuern. Einer der Torpedos traf. Die Boote schossen dann mit Maschinengewehren auf die Rettungsboote (Kriegsverbrechen). Der Kapitän zog daraufhin den Räumungsbefehl zurück.

„No one ist left behind“

Zu diesem Zeitpunkt kam einer der Notrufe der Liberty zur sechsten Flotte durch. Von den Flugzeugträgern starteten Militärjets, um dem Schiff zu Hilfe zu kommen. Die israelischen Flugzeuge sollten abgeschossen werden. In diesem Moment griff die US-Regierung ein und gab den Befehl, umzukehren. Die Israelis brachen die Angriffe ab.

Ein Zeuge berichtet, der Verteigungsminister McNamara habe den Abbruch der Aktion befohlen und gesagt: "Präsident Johnson wird nicht einen Krieg anfangen oder einen amerikanischen Alliierten in Verlegenheit bringen wegen ein paar Seeleuten."

„Wegen ein paar Seeleuten.“ Das ist das wirkliche Verhältnis der US-Administrationen damals wie heute gegenüber ihren eigenen Soldaten. Das ist doch auffallend, wenn in den US-Filmen dagegen immer behauptet wird, das wichtigste Motto des US-Militärs sei : „No one ist left behind“. „Niemand wird zurückgelassen“

Jetzt wird auch deutlich, warum die US-Regierung bis heute nicht den Einsatz der Munition mit abgereichertem Uran gestoppt hat, obwohl von den dieser Munition im ersten Golfkrieg 1991 ausgesetzten US-Soldaten bereits 11 000 gestorben sind und mehrere Hunderttausend arbeitsunfähig erkrankt sind. Siehe hierzu auch diesen Artikel.

Das Schicksal ihrer eigenen Soldaten ist der US-Regierung – damals wie heute – schlicht und einfach egal.

Der andere wichtige Aspekt für heute angesichts dieser riesigen Cover-up-Aktion zu einem Kriegsverbrechen der israelischen Truppen ist die grosse Anzahl von Zeugen, die alle wussten, es hatte nie einen Irrtum gegeben und die US-Stellen wussten dies. Nachdem die US-Regierung damals öffentlich den Liberty-Zwischenfall als „tragischen Irrtum“ akzeptiert hatte, zogen alle Medien in den USA am gleichen Strick.

Offenbar auch unter heftigem Druck der mächtigen US-Israel-Lobby veröffentlichte über Jahrzehnte kein einziges der Massenmedien Aussagen der Zeugen, die den tatsächlichen Verlauf hätten klären können. Erst jetzt, fast 40 Jahre später, hat als einzige die „Chicago Tribune“ einen Artikel über die neu aufgetauchten Dokumente gebracht und zitiert auch Zeugenaussagen. Der Rest der Massenmedien „hält weiterhin die Klappe“, wie damals die von der US-Regierung ausgegebene Losung lautete.

Damit sind die immer wieder wiederholten Behauptungen widerlegt, eine Tatsache in den USA, die vielen Leuten bekannt sei, könne nicht geheimgehalten werden. Umweigerlich würden Zeugen auftreten, die jene Geheimhaltung durchbrechen würden.

Das mag gegolten haben, solange noch einige wichtige Massenmedien Journalisten mit viel Mut aufwiesen, die sich auch von Druck von oben nicht abhalten lassen, die Wahrheit ans Licht zu bringen, solange Chefredaktionen solche Journalisten unterstützten oder jedenfalls gewähren liessen. Das alles ist aber, in unterschiedlichem Masse bei unterschiedlichen Themen, schon lange nicht mehr der Fall.

Offenbar gilt das Schweigegebot bei besonders heiklen Themen, wie jene, die Israel einschliessen, bereits seit mindestens 1967. Die Stärke der zionistischen Lobby in den USA ist Legende.

So ist es denn auch kein Wunder: Die Beteiligung US-amerikanischer Stellen an den Anschlägen des 11. September sind ein anderes der Themen mit Schweigegebot und bisher haben sich nur wenige Zeugen gefunden, die darüber gesprochen haben - und dann auch promt desavouiert wurden.

Die Thesen von verschiedenen Kritikern der US-Kriege gegen arme Länder, wie z.B. Naom Chomsky und Michael Moore, es sei nicht möglich, dass es eine solche Beteiligung gegeben hätte, denn das hätten zu viele Leute gewusst und die hätten nicht alle den Mund gehalten, sind damit also widerlegt.

Es gibt sehr wohl ein generelles Medien-Schweigen, das es unmöglich macht, solche Themen mit Zeugen und Fakten in breitem Masse bekannt zu machen. Zusammen mit den infamen Verschwörungstheoretiker-Vorwürfen wird so ein Klima von Schweigen und frechen Gegen-Anklagen geschaffen gegen jeden, der das Schweigen brechen könnte, das die Wahrheit zu einer Sache macht, die erst nach 40 Jahren oder noch später aufscheint.

Bleibt nur noch eine Frage: Warum hat Israel damals das Schiff angegriffen, das doch einem Verbündeten gehörte und den Funkverkehr des Gegners abhörte, also hilfreich war? Das ist nicht geklärt. Die bei weitem wahrscheinlichste Theorie darüber ist:

In den ersten vier Tagen des israelischen Überraschungsangriffs gegen die umliegenden arabischen Länder im 6-Tage-Krieg (der Angriff auf die Liberty fand am 5. Tag statt) hatte die israelische Armee so viele Massaker und Exekutionen begangen, prinzipiell de Exekution von Soldaten, die sich schon ergeben hatten, dass man sicher war, die Liberty hatte davon viel aufgezeichnet. Man wollte verhindern, dass diese Aufzeichnungen an die Öffentlichkeit kommen.

Später waren auf der Sinai-Halbinsel viele Massengräber, hauptsächlich von ägyptischen Soldaten, gefunden worden, in denen viele der Leichen den Schuss in den Nacken aufwiesen, das typische Anzeichen von Exekutionen.

Die Veröffentlichung zu diesem Thema in „freace.de“, „Nur ein paar Seeleute“, hält dies für unwahrscheinlich, denn man brauchte ja nicht zu befürchten, die US-Stellen hätten dies veröffentlicht, da man ja auch darauf vertraute (und zu Recht), die US-Regierung würde nicht einmal einen bewussten Angriff auf ihr eigenes Schiff an die Öffentlichkeit bringen.

Diese Theorie vergisst aber: Das erklärte Ziel, das mit viel Ausdauer verfolgt wurde, war das Versenken des Schiffes ohne einen einzigen Überlebenden. Dann wäre es leicht gewesen, diesen Angriff den Ägyptern in die Schuhe zu schieben. Es wäre niemand übrig gewesen, der etwas Anderes hätte berichten können.


Veröffentlicht am 12. November 2007 in "Nachrichten - heute"

Originalartikel

Montag, 12. November 2007

Heftiger Wortwechsel zwischen König Juan Carlos und Chávez

Abschluss des 17. Ibero-Amerikanischen Gipfeltreffens

"Por que não se cala?"

Von Karl Weiss

Auf dem 17. Ibero-Amerikanischen Gipfeltreffen in Santiago de Chile, das an diesem Wochenende zu Ende ging, kam es zu einem heftigen Wortwechsel zwischen dem spanischen König Juan Carlos und dem Venezuelanischen Präsidenten Chávez. Dieser hatte den früheren spanischen Premier einen „Faschisten“ genannt und der König wies ihn mit ausgestrecktem Finger zurecht: „Por que não se cala?“ „Warum halten Sie nicht den Mund?“

Früher waren die Ibero-amerikanischen Gipfeltreffen eher langweilige Ereignisse ohne viel Bedeutung. Diese Treffen hatte Spanien als eine Gegenorganisation zur US-geführten Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) ins Leben gerufen und es stellte so etwas wie das Gegenstück zum britischen Commonwealth dar, denn es umfasste die früheren spanischen Kolonien in Amerika und Brasilien. Um es nicht zu sehr als eine Auffrischung des Kolonialismus erscheinen zu lassen, hat man auch Portugal und Andorra dazu gerufen, so dass es nun zu einen Treffen der Länder der iberischen Halbinsel mit denen Lateinamerikas wurde.

Der einzige erwähnenswerte Punkt war früher meistens die Teilnahme von Fidel Castro. Diesmal konnte der aber aus Krankheitsgründen nicht kommen.

Nun, da in Lateinamerika eine politische und revolutionäre Gärung begonnen hat, die sich bisher in der Wahl von gemäßigt linken Präsidenten ausdrückt, sind alle Zusammenkünfte der lateinamerikanischen Führer mit Spannung geladen.

Die Abschlusserklärung des Gipfels fordert denn auch die USA zum x-ten Male auf, die Sanktionen gegen Cuba fallen zu lassen. In den Reden, die gehalten wurden, traten auch deutlich die Ablehnungen gegenüber der imperialistischen Politik der Vereinigten Staaten zu Tage. Speziell Hugo Chávez benannte sie mit diesen Worten.

Er erinnerte in seiner Rede auch daran, dass früher die Ibero-amerikanischen Gipfeltreffen zu Propagandaveranstaltungen des Neoliberalismus wurden. Speziell griff er den damaligen spanischen Premier Aznar an, der dafür verantwortlich gewesen sei und nannte ihn einen Faschisten.

Er wurde daraufhin unterbrochen und der jetzige spanische Premier Zapatero forderte ihn auf, gewählte Führer der anwesenden Länder mit Respekt zu behandeln. Chávez wiederholte, Aznar sei ein Faschist und erwähnte, in einem persönlichen Gespräch bei einem Gipfel vor zehn Jahren habe Aznar bezüglich der armen Länder zu ihm gesagt: „...eles se fodem“ („...sie sollen sich selbst ficken“).

Daraufhin unterbrach ihn der spanische König und forderte ihn erregt und mit dem Zeigefinger auf ihn zeigend auf, den Mund zu halten.

Chávez hat nicht so ganz unrecht. Die Partei Aznars setzt sich im wesentlichen aus früheren Anhängern des faschistischen Putschisten Franco zusammen, der mit heftiger Unterstüzung Hitler-Deutschlands an die Macht gebracht wurde. Zwar haben jene Ex-Faschisten nun Kreide gefressen und sich einen Schafspelz von „Demokraten“ umgelegt, aber ob sie sich wirklich geändert haben, darf bezweifelt werden. Juan Carlos I. dagegen muss natürlich so tun, als sei er fest überzeugt, Aznars Partei sei von lauter lupenreinen Demokraten bevölkert.

Danach verteidigten der nicaraguanische Präsident Ortega und der kubanische Premier Lages den Venezuelanischen Präsidenten. Ortega kritisierte in diesem Zusammenhang die spanischen Botschafter und die spanische multinationale Firma Unión Fenosa. An dieser Stelle erhob sich der spanische König und verliess den Raum.

Die Gastgeberin, die chilenische Präsidentin Bartelet, ging hinter ihm her und konnte ihn überzeugen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Juan Carlos, Bachelet und Chávez
Der König, Frau Bachelet und Chávez im Gespräch in einer Verhandlungspause, als sich die Gemüter wieder beruhigt hatten

Ortega erinnerte auch daran, dass die USA in der ersten sandinistischen Regierungsperiode sein kleines Land mit Krieg überzogen hatten. Chávez erinnerte später noch an den Putsch gegen den damaligen chilenischen Präsidenten Allende.

Ortega nannte die OAS offen ein Instrument der „Yankees“.

Der Präsident von Equador, Correa, sagte, jetzt sei eine neue Epoche angebrochen, „die Stunde der Völker“. Es müsse nun ein souveränes Vaterland geschaffen werden, das sich nicht vor den Mächtigen erniedrige und sich zusammen mit den Brüdervölkern des ibero-amerikanischen Raums würdig des Erbes der „Befreier“erweise.

Die Befreier, die „Libertadores“, das sind Simon Bolivar und andere lateinamerikanische Führer vom Beginn des 19. Jahrhunderts, die sich gegen die spanische Herrschaft auflehnten und fast ganz Südamerika vom Joch der spanischen Kolonialherrschaft befreiten.

Cháves sagte in seiner Rede auch, weder die USA noch Europa hätten die moralische Autorität, dem Iran die Entwicklung von Atomwaffen zu verbieten, dazu müssten sie erst einmal ein Beispiel geben.

Wer in diesen Chor einstimmte, war dann der bolivianische Präsident Evo Morales. Er sagte, „zuerst sei da nur Fidel [Castro] gewesen, aber nun sind es zwar noch nicht viele, doch schon einige“. Morales lud die anderen Präsidenten ein, „das neoliberale Modell zu verlassen“ und sagte, diese Veranstaltung sei schon keine des „Imperiums“ mehr, in Anspielung an die für Jahrzehnte ausschliesslich von den USA bestimmten Treffen der OAS.

Ein anderes Ergebnis des Gipfels ist: Die Länder haben einstimmig ein anderes Kriterium für die wirtschaftliche Entwicklung gefordert von Weltbank, Internationalem Währungsfond IWF und Welthandels-Organisation WTO als das sogenannte Pro-Kopf-Einkommen, also das Brutto-Inlands-Einkommen dividiert durch die Zahl der Bewohner. Da das bisherige Kriterium nicht die Verteilung unter der Bevölkerung berücksichtigt, ist die Zielsetzung der „Entwicklung“ mit diesem Kriterium völlig absurd.

Zudem wird von einer Anzahl südamerikanischer Länder im Dezember die Bank des Südens gegründet, die Entwicklungsprojekte fördern soll, die nicht von neoliberalen Reformen abhängig gemacht werden sollen, wie das bisher Weltbank und IWF tun. Die Hauptprotagonisten dieser Bank sind Chávez und der argentinische Präsident Kirchner, dessen Frau nun zu seiner Nachfolgerin geworden ist.

In einer ersten Bilanz des Treffens haben brasilianische Beobachter die Schlussfolgerung gezogen, dass die „linken“ Präsidenten das Gipfeltreffen dominiert haben und die „gemässigten“ Präsidenten eher hinhaltenden Widerstand leisten.


Veröffentlicht am 12. November 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

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