Donnerstag, 20. Dezember 2007

Polizei braun durchwirkt

Bayerisches Innenministerium und Faschisten Hand in Hand

Von Karl Weiss

Die bayerische Polizei und das Innenministerium des Freistaates erklärten nun öffentlich, sie würden auch weiterhin illegale Veröffentlichungen von Faschisten im Internet nicht etwa verfolgen (wo kämen wir denn da hin), sondern für die eigenen Ermittlungen nutzen. Angeblich lege die Strafprozessordnung fest, illegale Veröffentlichungen müssten genutzt werden.

Man sieht direkt vor sich den Polizisten, der einem Repräsentanten der braunen Brut grinsend zuzwinkert: „Ihr stellt alle Fotos von Linken ins Internet und wir benutzen sie dann, um gegen die „Staatsfeinde“ zu ermitteln. Hahaha!“

Die Tatsache, dass alle Menschen guten Willens die Faschisten für Staatsfeinde halten und jegliche Unterstützung von ihnen sicherlich ablehnen würden, schert die bayerische Polizei einen feuchten Kehricht. Für sie ist das Gekuschel mit Braunen völlig normal, während man weiss, wie in der Weimarer Republik: „Der Feind steht links!“

Das Polizeipräsidium Nürnberg erklärte auf Anfrage, es sei „gängige Praxis“, die Fotos von Linken, die auf der faschistischen Website ‚anti-antifa.net’ veröffentlicht würden, bei Ermittlungen zu verwenden.

In einem vorliegenden Fall hatte eine ältere Frau auf einer linken Demonstration ostensiv und provokativ die Teilnehmer ununterbrochen fotografiert. Sie wurde aus der Demonstration gedrängt und man versuchte, des Films (Chips) habhaft zu werden.

Die Frau zeigte daraufhin die Personen an, die sie bedrängt hatten – wegen Nötigung. Anstatt nun den eventuellen Zusammenhang der Frau mit illegalen Veröffentlichungen von Fotos von Privatpersonen zu überprüfen, hatten Staatsanwaltschaft und Polizei nichts besseres zu tun, als der Frau die Fotos von Linken vorzulegen, die von der illegalen Website stammen und sie so zwei Personen identifizieren zu lassen, die dabei gewesen sein sollen.

Zwar war der Richter nicht Teil der braunen Nürnberger Soße und sprach die beiden Linken frei, aber Polizei und Innenministerium lassen sich davon nicht irritieren.

Bis heute gibt es keine Ermittlungen gegen die leicht zu identifizierenden Verantwortlichen für die illegale Website. Zynisch erklärt die Polziei, wenn sich jemand von der Website irritiert fühle, könne er ja zivilrechtlich vorgehen. Man hört sie direkt brüllen vor Lachen in ihren Amtsstuben, wenn die Tür geschlossen ist: „Na, denen haben wir’s aber gegeben, hahahaha, zivilrechtlich, hahaha.“

Die Veröffentlichung von Fotos von Privatpersonen ohne deren Einverständnis ist illegal. Nur Personen der Zeitgeschichte dürfen abgebildet werden und Ereignisse der Zeitgeschichte, auch wenn auf dem Bild als Nebensache Personen zu sehen sind.

Die Polizei ist aber so mit der Verfolgung von Linken beschäftigt, da bleibt einfach keine Zeit für illegale Websites.

All dies wird ganz hochoffiziell vom bayerischen Innenminister gedeckt. Ja, wenn ein Beckstein Ministerpräsident ist, was will man dann erwarten? Haben die in Brandenburg etwa den braungestreiften Schönbohm zum Ministerpräsidenten gemacht?

Der SPD-Landtagsabgeordnete Stefan Schuster sprach von einer "Riesensauerei". Dass die bayerischen Behörden auf illegale Hilfsmittel von Neonazis zurückgreifen, sei skandalös. Interessant, wenn die SPD in der Opposition ist. Der gleiche Abgeordnete hält es aber offensichtlich nicht für skandalös, dass das BKA unter Verantwortung einer Regierung, an der die SPD beteiligt ist, Stasi–Opfer erneut unter Benutzung von Stasi-Akten verfolgt (siehe diesen Artikel). Niemand hat das Wort Sauerei von ihm zu diesem Fall gehört.


Veröffentlicht am 19. Dezember in "Nachrichten heute"

Originalartikel

Mittwoch, 19. Dezember 2007

Breno zu Bayern München

Arsenal Sarandí gewann Südamerika-Cup

Von Karl Weiss

Die neueste Verstärkung der Münchner Bayern scheint nun endlich unter Dach und Fach zu sein. Breno, 18 Jahre alt, Verteidiger und in Brasilien als Entdeckung des Jahres gefeiert, wird mit aller Wahrscheinlichkeit ab Januar mit den Münchnern trainieren. Er ist bereits in München zur obligatorischen medizinischen Untersuchung.



Er hat bereits in diesem Alter einen großen Teil der Saison in einer schweren ersten Liga einer wichtigen Fußball-Nation hinter sich. Er war eine der wesentlichen Stützen der Hintermannschaft des São Paulo F.C. in der zweiten Hälfte der Meisterschaft, der Meister wurde mit 14 Punkten Vorsprung. Der starke Mannschaftsteil dabei war die Hintermannschaft. In 38 schweren Spielen bekam man nur 19 Tore ab, das ist brasilianischer Rekord.

Natürlich hat Breno dies keineswegs allein geschafft, wie es im Fußball auch gar nicht möglich ist. São Paulo hatte auch den besten Torhüter der Liga, Rogério Sene (gewählt zum besten Spieler der Saison), sowie andere gute Spieler in der Hintermannschaft. Dazu kam eine defensive Spielweise, welche die Räume vor dem Tor von São Paulo extrem eng machte und es einem jungen Spieler erleichterte zu brillieren.

Auch Real Madrid war an Breno interessiert. Doch eine Voraussetzung, ihn zu engagieren, war eine spezielle Knochenuntersuchung zur Altersbestimmung. Das wurde von Breno empört abgelehnt. Bei Spielern aus einfachsten Verhältnissen in Brasilien ist nicht immer eine Original-Geburtsurkunde vorhanden. Oft wird erst nachträglich eine ausgestellt, wobei man sich dann auf die Angaben der Mutter verlassen muss. Es gab auch schon Fälle, in denen eine Urkunde gefälscht wurde. So wollen viele wichtige europäische Clubs keine Katze im Sack kaufen und bestehen auf einer genauen Altersbestimmung. Dazu kommt, dass Breno, hoch aufgeschossen, für seine 18 Jahre schon einen beeindruckend athletischen Körper hat.

Breno wird u.a. in nächster Zeit Teil der brasilianischen „Unter-23-Auswahl“ sein, die ein Turnier zur Qualifikation für Peking bestreiten wird. Man wird dann in Deutschland wohl einige Ausschnitte zu sehen bekommen.

Fast jedes Jahr bringt die erste braslianische Liga mindestens ein ganz grosses Talent heraus. War das im Vorjahr der Stürmer Pato (damals noch 17, heute ebenfalls 18) von Internacional Porto Alegre, der heute bereits beim A.C. Mailand unter Vertrag ist, so wurde dieses Jahr der Verteidiger Breno (18) vom Meister São Paulo F.C. zu jener Entdeckung des Jahres gewählt – eine Sport-Journalisten-Wahl.

Natürlich sind dies jeweils Talente, offensichtliche Talente, noch nicht fertige Fussballspieler, geschweige denn schon Überflieger von der Klasse eines Kaká oder eines Robinho.

Ob daraus einmal ganz grosse Spieler werden, kann niemand wissen. Es gab bereits Grosstalente, die wieder in der Versenkung verschwunden sind, deren Karriere abrupte Brüche zu verzeichnen hatte oder – am wahrscheinlichsten – die einfach gute Fussballspieler wurden, ohne je Überragendes zu leisten.

Ein Beispiel ist der Stürmer Dodó, vor einigen Jahren als Supertalent angesehen und auch von São Paulo herausgebracht. Er spielt heute bei Botafogo Rio de Janeiro in der ersten Liga, schiesst Tore, aber reisst keine Bäume aus und hat es nie nach Europa geschafft.

Ein anderes Beispiel ist Maicon, rechter Aussenverteidiger, vor vier Jahren als Supertalent gefeiert, damals 19. Bei den Qualifikationsspielen der „Unter 23-Auswahl“ zu den olympischen Spielen in Athen legte er im Spiel gegen Paraguay einen Alleingang mit abschliesssendem Tor hin, der extreme Ähnlichkeit mit dem von Maradona im Spiele gegen England bei der Weltmeisterschaft 1986 in Mexiko aufwies. Das Fernsehen zeigte wieder und wieder die beiden Alleingänge und ging bis in die Details, wer dabei wie oft den Ball gespielt hatte usw.

Dieser Vergleich mit Maradona war zu viel für Maicon. Sein Spiel wurde plötzlich weit schlechter, was u.a. dazu beitrug, dass Brasilien sich nicht für jene Olympiade qualifizierte. Auch danach war er nur noch ein Schatten seiner selbst – fussballerisch gesehen. Erst jetzt, mit vier Jahren Abstand, kommt Maicon langsam wieder der Form nahe, die er damals gezeigt hatte. Inzwischen wurde er schon als rechter Aussenverteidiger in die brasilianische Auswahl gerufen.

Man redet ja hier von ausgesprochenen jungen Leuten, die ausserdem im brasilianischen Fall meist aus einfachsten Verhältnissen stammen – so wie auch im Fall Breno (eine der wenigen Ausnahmen ist Kaká, der aus bürgerlichen Verhältnissen kommt). Da steht man plötzlich in einer völlig anderen Welt und braucht eine fast überirdische Charakterstärke und ein robustes Nervenkostüm, um plötzlich ein Fußball-Star-Leben auszuhalten, was nicht alle aufweisen.

Speziell der F.C. Bayern hat ja eine bekannte Geschichte der Zerstörung von jungen Talenten. Es sei nur der Name Deissler erwähnt. Der unglaubliche Druck, der die ganze Zeit auf jedem lastet, der bei den Bayern spielt, ist eine psychische Bürde besonderer Art. Manche können damit ohne grössere Schwierigkeiten fertig werden, andere weniger.

Im Fall Breno gibt es gute Voraussetzungen. Zum einen ist Breno ein einfach gestrickter Junge, der zum Beispiel auf die Frage, ob er sich darauf freue, eine neue Kultur kennenzulernen in Deutschland, antwortete, er ginge nach Deutschland, um Fußball zu spielen.

Zum anderen – und das dürfte ausschlaggebend sein, hat Bayern Lúcio, Brasilianer und einer der weltbesten Verteidiger. Wenn der sich Brenos annimmt, kann kaum noch etwas schief gehen. Breno hat zweifellos wirklich viel Talent. An der Seite eines Lucio kann er so viel dazu lernen, dass er zu ähnlichen Höhen aufsteigen könnte und eines Tages eine Bank in der Standard-Aufstellung der brasilianischen Nationalmannschaft werden könnte, so wie es Lúcio heute ist.

Da gerade von Südamerika-Fußball die Rede ist, hier noch nachgetragen das Ergebnis des 2. Endspiels in der Copa Sulamérica. Arsenal Sarandí aus einer argentinischen Mittelstadt konnte dies Spiel nicht im eigenen Stadion austragen, weil dort nicht die vom Verband geforderte Zahl von Zuschauerplätzen erreicht werden kann. Man war in das Stadion von Racing in Avellaneda ausgewichen.

America, der mexikanische Meister, liess sich diesmal nicht so überraschen wie im Hinspiel und konnte schnell ein Tor erzielen. Nur noch en zweites Tor und man hätte doch noch die Trophäe nach Nordamerika mitnehmen können. Arsenal vergab viele Torchancen und tatsächlich gelang America in der zweiten Halbzeit das zweite Tor. Nun nur noch das Ergebnis gegen die wütend anrennenden Spieler von Arsenal verteidigen! Doch es kam, wie es kommen musste: Kurz vor Schluss gelang Arsenal das Anschlusstor und man konnte das Ergebnis dann über die Zeit retten.

Damit war Arsenal Cup-Sieger von Südamerika. Argentinische Vereine haben nun 4 von insgesamt 6 Copas Sulamérica (so eine Art südamerkanischer UEFA-Cup) gewonnen.

Veröffentlicht am 19. Dezember 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Dienstag, 18. Dezember 2007

Oskar Niemeyer ist 100 - und arbeitet noch jeden Werktag

Der König der Kurven

Von Karl Weiss

Er ist eine lebende Legende. Der wichtigste lebende Architekt wurde am 15. Dezember 2007 100 Jahre alt – und Niemeyer ist weiterhin aktiv. Er entwirft weiterhin Montag bis Samstag Gebäude, Denkmäler, Statuen, Inneneinrichtungen und ganze Gebäudegruppen einschließlich Landschaften, er skizziert, formt, zeichnet und malt. Nach Aussagen eines seiner wichtigsten Mitarbeiter ist er kreativer denn je.

Franziskus-Kirche Oscar Niemeyer-6

Er ist das Menetekel an der Wand der deutschen Manager, die ihre Unternehmen von fast allen über 50 gesäubert haben, weil die angeblich weniger leisten.

Er ist mit internationalen Preisen überhäuft worden. Er ist – ähnlich wie Le Corbusier, mit dem er viele Jahre zusammengearbeitet hat, das Vor- und Leitbild von Generationen von Architekten.

Niemeyer Nationalmuseum Brasilien

Sein Büro in Rio de Janeiro, seiner Heimatstadt, ist weiterhin mit Aufträgen ausgelastet. Man kann auswählen, welche man annimmt.

Kurz vor seinem 100. Geburtstag hat ihn der Reporter Tom Dyckhoff von der britischen Times interviewt und dies Begegnung mit einem Giganten genannt. Er vergleicht Niemeyer mit Rodin und Picasso. Der Titel seines Artikels in der Times ist „Der König der Kurven“.

Er hat dem Journalisten, nach der Bedeutung seines 100. Geburtstages gefragt, geantwortet: „Dies Datum ist nicht wichtig. Das Alter ist nicht wichtig. Die Zeit ist nicht wichtig. Ich fühle mich nicht besonders wichtig. Wichtig ist ruhig zu bleiben und optimistisch.“

Und er sagt, was ihn jeden Morgen dazu bringt aufzustehen und an die Arbeit zu gehen: „Der Kampf, schlicht und einfach der Kommunismus.“

Niemeyer ist Kommunist und betont das auch immer wieder, ebenso wie sein Brasilianer-Sein. Wäre das nicht, wäre er eine der großen Glamour-Figuren der Jetzt-Zeit, der man auf Schritt und Tritt folgen würde wie Paris Hilton. Immerhin ist er eine der bedeutendsten lebenden Personen. Aber die westlichen Massenmedien sind nun einmal auf den Antikommunismus eingeschworen und so wird Niemeyer höchstens einmal erwähnt, wenn er Hundert wird, während dem Gegacker der Hotelerbin fast wöchentlich Aufmerksamkeit gezollt wird.

Auch die nicht abreissende Kritik an seinem Werk hat keine sachliche Begründung, sondern nur eine ideologische. So nennt zum Beispiel Jörg Häntzschel in der „Süddeutschen“ Niemeyer einen Vertreter der „heroischen Moderne von der Mitte des 20. Jahrhunderts“. Sein Werk, die brasilianische Hauptstadt Brasilia, bezeichnet er als „gescheitert“.

Kongress Brasilien Brasilia

Nichts steht Niemeyer ferner als Heroik. Ganz im Gegenteil, durch die fliessenden Formen, Kurven und Bögen wird jeder noch so grosse Bau von ihm handlicher und menschlicher. Seine Bescheidenheit ist schon legendär.

Brasilia ist bis heute für jeden Besucher beeindruckend, schlicht wegen Niemeyers Architektur. Seine Formensprache für den National-Kongress zum Beispiel mit zwei schlanken Hochhäusern für die Abgeordneten in der Mitte, links das Abgeordnetenhaus-Plenum mit konvexer Kuppel und rechts das des Senats mit konkaver Kuppel ist bis heute unerreicht.

Niemeyer Nationalkongress

Der genannte Artikel in der „Süddeutschen“ hebt einseitig darauf ab, er würde mit seinen Kurven weibliche Formen nachfühlen. Das ist oft wirklich der Eindruck, weil seine Architektur so angenehm ins Auge fällt. In Wirklichkeit sind die Rundungen aber weitgehend der runden Form der Berge seiner Heimatstadt nachempfunden, wenn sich auch manchmal eine Anlehnung an weibliche Rundungen nicht leugnen lässt – aber das ist noch keine „architektonischer Erotismus“, nur weil es attraktiv ist.

Rio de Janeiro, Zuckerhut und Corcovado von Niteroi aus

Dabei wird Niemeyer nie Sklave der Bögen. Er hat keinerlei Ehrgeiz, wie etwa Hundertwasser, ein Haus zu schaffen, an dem nicht ein rechter Winkel vorkommt. Er verwendet Kurven als zusätzliche architektonische Ausdrucksform.

Franziskus-Kirche Oscar Niemeyer-5

Bei fast jedem seiner Bauten fällt einem Betrachter das Wort hypermodern ein – bis heute. Das zeigt, seine Formensprache ist nicht eine überholte aus „der Mitte des 20. Jahrhundert“, sie ist aktuell wie je.

Charakteristisch das Verhältnis des brasilianischen Globo-Medien-Konzerns (mit dem bei weitem am meisten gesehenen Fernsehsender Brasiliens) zum bedeutendsten lebenden Brasilianer. Zwar wurden zum Hundertsten sowohl im Rundfunk als auch am Fernsehen fünf Minuten Niemeyer erlaubt, aber ansonsten wird er verbissen verschwiegen. Typisch dafür die jährliche Übertragung des Silvesterlaufs in São Paulo am letzten Tag des Jahres, die auch in verschiedene andere Länder geht. Der Weg dieses Laufs führt unmittelbar an einem der großen Werke Niemeyers vorbei, der „lateinamerikanischen Gedenkstätte“, die der kritische Artikel von Häntzschel so beschreibt: „Stadträume, die wie dreidimensionale surrealistische Gemälde wirkten.“ Kommen die Läufer dort vorbei, wird nicht ein einziges mal die Linse auf den Hintergrund gerichtet, um eine der wichtigen Sehenswürdigkeiten São Paulos zu zeigen, sonst müsste ja ein Kommunist gewürdigt werden.

Niemeyer

Etwas Ähnliches haben sich die Schildbürger im Berlin umgebenden Brandenburg geleistet. Potsdam hatte ein Spassbad bei Niemeyer und Auftrag gegeben und auch schon einen Batzen Geld für den Entwurf gezahlt. Doch die CDU/FDP-Mehrheit liess das Projekt unter einem hahnebüchenen Vorwand platzen. Man wollte nicht berühmt sein für das Werk eines Kommunisten.

Wenn man einmal doch Niemeyer erwähnen darf, dann wird aber wichtiges gesagt. Ein Rundfunkkommentator in Brasilien sagte z.B. zum Hundersten: „Er hat uns alle etwas besser gemacht.“ Von wie vielen kann man schon so etwas sagen?

Oscar Niemeyer 99

Fast unglaublich ist aber: Seine letzten Werke sind noch beeindruckender als viele frühere. Mit deutlich über Neunzig hat er noch eine Erfindungsgabe, die bei 90% aller Architekten völlig fehlt. Bringen andere Architekten runde Formen als Ornamente an Gebäuden an, so ist bei ihm das Gebäude ein Ornament der Stadt.

Sankt-Franziskus-Kirche von Niemeyer

Das „Neue Museum“ von 2001 in Curitiba im brasilianischen Süden sieht aus wie ein Zyklopenauge auf einer Betonsäule. Das Museum für zeitgenössische Kunst von 1996 in Niteroi gegenüber Rio de Janeiro gleicht eindeutig einer fliegenden Untertasse

Niemeyer Museum zeitgenössische Kunst

und ein Konzertsaal in Brasilia, der erst jetzt gebaut wird, obwohl er schon im ursprünglichen Projekt vorgesehen war, hat verblüffende Ähnlichkeit mit dem Saturn mit seinem Ring. Wo nimmt der Mann in dem Alter die Kreativität her? Gegenfrage: Warum sollte Kreativität mit dem Alter abnehmen?

Er hat sofort die Möglichkeiten des Stahlbetoms entdeckt und konsequent genutzt. Seine Architektur wird auf English unter dem Motto geführt: „Form follows beauty“. Sie wurde als sinnlich bezeichnet.

Niemeyer

Er schuf den Gegenentwurf zum Baukasten-Stil des Bauhauses, die auf reine Funktionalität ausgerichtet ist: „Form follows function“. Niemeyer befreite das Bauen vom Diktat der geraden Linien.

Der Berichterstatter hat das Privileg, mit seiner Frau Sonntags zum Pampulha-See in Belo Horizonte fahren und dort am Ufer entlang dem werktäglichen Mangel an Bewegung entgegenwirken zu können. Dabei kommt man nicht nur an seinem wahrscheinlich grössten Meisterwerk, der kleinen Franziskus-Kirche vorbei,

Franziskus-Kirche Oscar Niemeyer-3

sondern auch an einer Reihe anderer Zweckbauten von ihm – alle aus dem Anfang der Vierziger-Jahre. Es wird deutlich: Er verfolgt keinerlei festes Schema, obwohl seine Hand überall deutlich sichtbar wird. Das Prinzip ist: Überrasche den Betrachter.

So sagt Niemeyer denn auch zum Platz der drei Gewalten in Brasilia: „Wenn Sie dort stehen und vor sich das Repräsentantenhaus sehen, links das Gebäude des Obersten Gerichtshofes und rechts den Palast des Präsidenten (Palácio do Planalto), dann kann Ihnen das gefallen oder nicht. Aber Sie können auf keinen Fall sagen, so etwas hätten Sie schon einmal gesehen.“

Niemeyer Palácio Planalto

Im Prinzip ist er ein Bildhauer-Architekt. Er lässt Gebäude nicht bauen, er formt sie. Sein Werk ist der lebendige Beweis: Kommunismus ist sehr wohl verträglich mit Schönheit, mit Eleganz und mit Individualität, aber er macht sich nicht zu deren Sklaven.

Und er hat eben Einfälle, Einfälle, Einfälle. Den Präsidentenpalast in Brasilia hat er zum Beispiel mit einer riesengrossen Rampe versehen (nicht einer Treppe). Wer den Präsidenten besuchen will, muss diese Rampe hinauf, während der Präsident die Rampe herunterkommen muss, um mit dem Volk in Kontakt zu treten.

Diese Rampe ist bereits ins Unterbewusstsein des Volkes eingetreten. „Die Rampe hinaufgehen“ oder „die Rampe herunterkommen“ sind bereits geflügelte Worte im brasilianischen Portugiesisch, die verschiedenste Anwendung finden. Architektur schafft Sprache – und Denken.

So – nun hat der geneigte Leser einen ganz leichten Eindruck von der Bedeutung des Werkes von Niemeyer bekommen. Er wird sich jetzt vielleicht auch fragen, warum er darüber nicht schon vorher mehr gehört hat. Nun, der Antikommunismus.

Beenden wir dies mit dem Schluss des kritischen Artikels von Häntzschel: „... Niemeyer stellt diese Gebäude mit der Nonchalance von jemandem in die Luft, der nach einem nachmittäglichen Bad im Meer sein Handtuch ausschüttelt. "Was wirklich zählt, sind das Leben und die Freunde und diese ungerechte Welt, die wir ändern müssen", lautet die Maxime an der Wand seines Büros. Daran hat sich auch nach 100 Jahren nichts geändert.“

Veröffentlicht am 16. Dezember 2007 in "Nachrichten - heute"

Originalartikel

Montag, 17. Dezember 2007

Wir werden weiter verhandeln - bis die Welt in Scherben fällt

Bali-Roadmap

Der "Kompromiss"

Von Karl Weiss

Ein weiterer Flop. Nach dem absolut ergebnislosen Gipfel von Heiligendamm, nach den misslungenen Versuchen, die Doha-Runde der Welthandelsorganisation wieder in Gang zu bringen, nach dem Gipfel von Annaheim, der lediglich das Ergebnis brachte, man werde weiter verhandeln, ist nun auch der Weltklimagipfel auf Bali in Indonesien völlig ohne konkrete Ergebnisse geblieben. Man schrieb zwar in einen Anhang, eigentlich bräuchte man 25 bis 40% weniger Ausstoß von CO2 bis 2020, aber darauf konnte man sich eben nicht als Verpflichtung einigen. Das einzig Konkrete wie in Annaheim: Weitere Verhandlungen sollen folgen.

Energieverbrauch Deutscland
Man sehe sich nur diese Planung der Bundesregierung für die Primärenergie an: Bis 2030 sind nur 11,5% regenerative Energiequellen vorgesehen, der Anteil des Mineralöls soll praktisch gleich bleiben - bis 2030! Braunkohle - die schmutzigste Energieform - soll bis dahin sogar auf 12% ausgeweitet werden. Die Kernenergie soll im wesentlichen durch das fossile Erdgas ersetzt werden. Der Anteil der Energie aus fossilen Rohstoffen soll bis 2030 nicht etwa erniedrigt, sondern von 84,2% auf 88,5% erhöht werden!

Vorsichtshalber hat man die Bali-Ergebnisse nur „Bali-Roadmap“ genannt, also eine Strassenkarte, welche die Gegend zeigt, aber nicht, wo man hinwill. Als das letzte Mal ein „Kompromiss“ Roadmap hieß, beim letzten US-Vorstoß zu einem Nahost-Frieden, waren die Ergebnis erschütternd. Es wurde von Israel nicht nur nichts eingehalten, was da vorgeschlagen wurde, es wurde noch nicht einmal mehr verhandelt und die USA selbst hielt schließlich das Einhalten der vorgesehenen Schritte nicht mehr für notwendig.

Die fünf wärmsten Jahre seit 1890

Jetzt soll jedenfalls weiter über das Klima verhandelt werden. Ab 2009 sollen neue verbindliche Ziele festgelegt sein (oder doch nicht?). Nur hat das zwei Haken:

1. Die bisherigen Ziele von Kyoto, die sowieso viel zu niedrig waren, um den Weg in die Klimakatastrophe wirklich stoppen zu können, sind überhaupt nicht eingehalten worden. Zwar gibt es in einer Reihe von Ländern kleinere Fortschritte, aber irgendeine grundlegende Wende in der Energie- und Klimapolitik hat nicht ein einziges der großen Industrieländer eingeschlagen – ganz zu schweigen von China, das nun zu einem großen Problem wird.

2. Da weder in Kyoto noch in den vorgesehenen Verhandlungen von Sanktionen die Rede ist, kann man sich eben an solche Vorgaben halten oder nicht, je nachdem. Die Tendenz, wie schon bei den Kyoto-Vorgaben zu sehen, ist eher: nicht.

Treffende Karikatur

Damit wird der ganze Zweck von solchen Verhandlungen ad absurdum geführt. Selbstverständlich müssten internationale Sanktionen gegen Staaten festgelegt werden, die sich nicht an die Festlegungen halten.Die USA und Australien hatten ja, obwohl sie an den Kyoto-Verhandlungen teilgenommen hatten und das Abschlussdokument mit unterschrieben hatten, offiziell erklärt, aus Kyoto auszusteigen. Sanktionen gab es natürlich nicht.

Das geht also nach dem allgemeinen Motto von Adenauer: „Was schert mich mein dummes Geschwätz von gestern!“

Kohlendioxid-Anstieg: Dies ist eine so überzeugende Kurve über das, was im Moment geschieht, dass sich jeder Kommentar erübrigt.

Was geht also vor, was macht es unmöglich, internationale Vereinbarungen zu schliessen?

Zum einen ist dies ein deutliches Anzeichen der absoluten Unfähigkeit des kapitalistischen Systems, noch zur Lösung irgendeiner Frage der Menschheit beitragen zu können. Da der Kapitalismus noch nicht vom Sozialismus abgelöst wurde, geht er in seiner Endphase in die kapitalistische Barbarei über.

Was hier interessant ist, ist die schwarze Linie (Beobachtung). Sie zeigt einen völlig von den vorherigen Scwankungen abweichenden, unaufhaltsamen Anstieg der Temperaturen in letzter Zeit.

Das zeigt sich deutlich darin: Die Staaten als einzige Macht in den Ländern werden schwächer und können immer weniger internationale Vereinbarungen abschliessen. Gleichzeitig werden kriminelle Mafia-Organisationen und Unternehmen, die ähnlich wie solche agieren (siehe: Siemens), immer stärker und beginnen die Staatsmacht herauszufordern. Die Tendenz geht zu Warlord-Ländern, wo von internationalen Vereinbarungen nicht einmal mehr geträumt werden kann. Einige Entwicklungsländer sind schon weit fortgeschritten auf diesem Weg.

Die sozialistische Revolution steht in jeder Beziehung auf der Tagesordnung.

Die Analyse bringt aber auch noch ein zweites Ergebnis hervor. Die Supermacht USA, die noch vor kurzem die ganze „Internationale Gemeinschaft“ nach Belieben vor sich hertreiben konnte, ist politisch isoliert. Mit anderen Worten: Sie ist im Grunde schon keine alleinige Supermacht mehr, denn sie kann den anderen ihren Willen nicht mehr einfach aufzwingen.

Weisses Haus

Das wurde in Bali erneut deutlich. Während die EU verbindliche Verringerungsziele verteidigte, während die Entwicklungsländer Vorleistungen der reichen Ländern forderten, war die USA der einzige Konferenzteilnehmer, der bis zuletzt jegliche konkreten Festlungen im Abschlussdokument ablehnte. Auch dann, als die Unterhändler solche Festlegungen bereits in den Anhang verbannt hatten und damit keinerlei Verbindlichkeit mehr bestand, erklärte US-Chefunterhändlerin Dobriansky erneut, man könne dem nicht zustimmen.

Daraufhin waren die Missfallenskundgebungen im Plenum so einhellig und so laut, dass eine lange Pause entstand.

Es ist im diplomatischen Kreisen absolut unüblich, Missfallensäusserungen von sich zu geben. Das einzige, was schon einmal vorkommt, ist kein Beifall, nicht einmal ein höflicher. Alle diese Regeln schienen ausser Kraft. In dieser Situation absoluter Isolation sagte Dobriansky schließlich, man nehme das Ergebnis an. Sie hatte kurz danach einen Zusammenbruch und musste auf einer Bahre weggetragen werden.

So sieht keine Supermacht aus. Politische Isolation ist vielmehr ein deutliches Anzeichen: Die Supermacht hat zu fallen begonnen. Wenn man nicht mehr poltisch führend ist, ist man keine Supermacht mehr.

Was die Verhinderung der bereits beginnenden Klimakatastrophe angeht, so wird es nun auf vermehrte Proteste aus dem Volk ankommen.

Schmelzendes Eis

Es müssen endlich Nägel mit Köpfen gemacht werden!

Es müssen die erneuerbare Energien endlich völlig steuerbefreit werden und massiv in diese umweltfreundlichen Energien investitiert werden.


Veröffentlicht am 17. Dezember 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Freitag, 14. Dezember 2007

Gedankenpolizei

Evolution gelehrt - gefeuert!

Die extremistisch-hysterischen Christen in den USA drücken ihr Lehre mit Gewalt durch

Von Karl Weiss

Was schon erwartet worden war angesichts der Aggressivität, mit der die „wiedergeborenen“ Christen in den USA vom Typ Bush vorgehen, ist nun Wirklichkeit geworden. Eine Lehrerin (Direktorin) in Texas, die es wagte, immer noch die wissenschaftlich bewiesene Lehre der Evolution der Arten und der Entwicklung des Menschen aus der Tierwelt zu lehren, wurde von einer Bush-Mitarbeiterin gefeuert.

Christine Castillo Comer, die seit 27 Jahren Lehrerin für Naturwissenschaften im US-Bundestaat Texas war und seit 9 Jahren Direktorin für Naturwissenschaften in der staatlichen texanischen Erziehungs-Behörde, wurde im November entlassen. Sie hatte die Lehre der Evolution gelehrt - begründet von Charles Darwin und später in aller Ausführlichkeit bewiesen und erweitert – und das ist für die fanatisch-hysterischen Christen vom Typ Bush ein Delikt, denn Gott habe schließlich die Erde und den Himmel vor 6000 Jahren erschaffen und zwar in sechs Tagen.

Christine Comer, entlassen wegen der Evolutionstheorie

Diese Lehre, Kreationismus genannt, wird von den „wiedergetauften“ Christen der extrem rechten und fanatischen Kirchen in den USA, deren einer auch Bush angehört, als göttliche Wahrheit behandelt, die damit logischerweise nicht wissenschaftlicher Widerlegung offensteht. Sie haben bereits in vielen US-Bundesstaaten durchgesetzt, dass diese abstruse Annahme neben der wissenschaftlichen Evolutionstheorie an den Schulen gelehrt werden muss.

Auch in Texas ist das so. Die Lehrer sollen eine „ausgewogene“ und „neutrale“ Position zwischen den beiden sich völlig widersprechenden Versionen der Geschichte der Natur und der Menschheit einnehmen. Wie das möglich sein soll, hat man vorsichtshalber offen gelassen.

Dagegen sagte Frau Comer, dazu befragt, die Direktiven des Staates hierzu seien klar: „Die Evolution ist nicht einfach eine gute Idee. Sie ist eine Gesetzmäßigkeit.“

Und so ist das immer, wenn die Dinge nicht klar geregelt sind: Alles steht zur Interpretation offen. In diesem Fall verlangte man von der Direktorin, ihre eigene Überzeugung von der Wissenschaftlichkeit der Evolutionstheorie völlig zu verbergen und nach aussen hin so zu tun, als seien beide Theorien möglich. Das stimmt exakt mit der widerlichen Tendenz zur Heuchelei überein, der von oben der ganzen US-amerikanische Gesellschaft übergestülpt wird.

Wie das im Einzelnen vor sich ging, beschreibt ein Artikel der „New York Times“ vom 4. Dezember 2007. Christine hatte an ein wissenschaftliches Forum in Texas die Ankündigung eines Vortrags per E-mail geschickt, der sich kritisch mit der Kreationismus-Theorie auseinandersetzt. Innerhalb einer Stunde, noch bevor das E-Mail überhaupt gelesen worden war, wurde sie zu einer Koordinatorin gerufen. Diese, eine gewisse Ms. Reynolds, arbeitet auf nationaler Ebene in der Erziehungs-Verwaltung. Sie war persönliche Assistentin von Präsident Bush, als er noch Gouverneur von Texas war.

Bush

Diese Person mit Bezug nach „ganz oben“ erklärte Christine, sie habe das E-Mail gelesen (das bis dahin noch nicht einmal die Empfänger geöffnet hatten) und es handele sich um eine „Unregelmässigkeit“, ausreichend für eine Entlassung. Christine, so sagte sie, fuhr es durch den Kopf: „Was ist das, die Gedankenpolizei?“

Anschliessend wurde ihr von ihrem Vorgesetzten eröffnet, man habe ausreichend Material, um sie entlassen zu können und werde dies tun, wenn sie nicht selbst um Entlassung bäte. So in die Ecke gedrängt, reichte Christine ihre Entlassung ein.

Im nächsten Februar wäre eine Kommission zusammengetreten, die auf der Texas-Ebene die Vorgaben zu den Inhalten des Naturwissenschaftsunterricht überprüfen und neu definieren würde, eine Kommission, die nur im Zehn-Jahres-Abstand tagt. Dort hätte Christine eine Stimme gehabt. Der Vorsitzende dieser Kommission ist ein gewisser Don MacLeroy, der Religion lehrt und als fanatischer Verfechter des Kreationismus bekannt ist. Ein Zusammenhang dieser Tatsachen mit der Entlassung Christines wurde geleugnet.

Warum die E-Mail-Adresse von Christine Comer dann offenbar unter Überwachung stand und bei der ersten Gelegenheit zugeschlagen wurde, weiss aber niemand zu erklären.

Es wird immer deutlicher, wie die Rechtsaussen aus der christlichen Ecke in den USA vorgehen, um Stück für Stück das ganze Land auf die „richtige“ Linie zu bringen und den Oppositionellen (sie pflegen sie Dissidenten zu nennen, jedenfalls in anderen Ländern) ihre Lebensgrundlage zu nehmen. "Die werden schon sehen wie weit sie damit kommen."

Bleibt anzumerken, dass es sich nicht einfach um eine Kuriosität aus den USA handelt. Vielmehr haben die christlichen Politiker in Deutschland um Merkel, Schäuble und Beckstein bereits die ersten Schritte unternommen, um auch in Deutschland die christliche Lehre (nach ihrer Version) als Staatsräson einzuführen

Sind die USA bereits auf dem Wege zu einem „Gottesstaat“ nach dem Vorbild von Saudi-Arabien und dem Iran – nur mit der christlichen Abart -, so sind die ersten Bewegungen in diese Richtung auch in Deutschland bereits gemacht. Siehe dazu die beiden Dossiers „Verschärfung Sexualstrafrecht“, hier und hier.



Veröffentlicht am 13. Dezember 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Donnerstag, 13. Dezember 2007

Hurra! Sie haben es gestoppt!

Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Von Karl Weiss

Wie die „Süddeutsche“ am 12. Dezember meldete, also einen Tag vor der vorgesehenen Verabschiedung im Bundestag, hat die Regierung den Tagesordnungspunkt ‚Verabschiedung des neuen Sexualstrafrechts’ gestrichen, „weil noch Klärungsbedarf bestehe“ und evtl. noch Änderungen eingefügt werden müssten. Das ist ein wichtiger Erfolg der Proteste gegen diese absurde „Reform“. Auch der Berichterstatter und dieses Blog haben ein wenig zu diesen Protesten und damit zu diesem Erfolg beigetragen.

Immerhin hat der Artikel „Verschärfung Sexualstrafrecht - Was Experten dazu sagen“ auf dieser Site insgesamt ziemlich genau 41 500 Klicks erfahren und ist damit der meistgelesene der Site. Auch der zweite Teil hat über 6 000 Leser gefunden. Die gleichen Artikel, im Blog Karl Weiss- Journalismus nachveröffentlicht, haben hier zusammen etwa 25 500 Klicks bekommen und sind damit auch das am meisten gelesene Thema im Blog.

In vielen Foren im Internet wurde anhand dieser Artikel über das Thema diskutiert. Soweit sie Glauben gefunden hatten (im Internet sind die Menschen natürlich sehr skeptisch), wurde die „Reform“ allgemein als „absurd“ abgelehnt – manche sprachen von „zurück ins Mittelalter“.

Ausschlaggebender war aber sicher der Einfluss, den der Rechtsexperte der Fraktion der „Grünen“ im Bundestag, Jerzy Montag hat, ebenso wie sein Pendent bei der FDP, Jörg van Essen mit ihren Verbindungen zur Mainstream-Presse. Am 10. Dezember war im Spiegel ein Artikel (Fummeln verboten) erschienen, der das Thema aufgriff und die Position der Opposition darstellte, am 11. Dezember auch ein solcher Artikel in der „Süddeutschen“. Damit war das allgemeine Schweigen der Massenmedien über dieses Thema durchbrochen. Um nicht in ein schlechtes Licht zu geraten, ließen Regierung und die Bundestagsfraktionen der Regierungsparteien daher den vorgesehene Termin zur endgültigen Verabschiedung platzen.

Das ist natürlich gut.

Allerdings muss man auch schon wieder ein ‚aber’ anbringen, denn beide Fraktionen verlautbarten bereits, die eigentlichen Kernideen des Entwurfs würden weiter verfolgt.

Man kann nun davon ausgehen, es werden nur einige „Schönheitskorrekturen“ angebracht und der Rest dann erneut auf den Weg gebracht.

Das Entscheidende ist aber, die erste Hauptidee des Entwurfs ist unsinnig, nämlich das Anheben des Alters von „Kindern“ von „bis 14“ auf „bis 18“. 15-, 16-, und 17-jährige sind keine Kinder mehr, sie können bereits ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ausüben und können und wollen sich sexuell betätigen.

Auch die zweite Hauptidee des beabsichtigten neuen Rechts ist durch nichts Vernünftiges zu begründen, nämlich die Herabsetzung des Täteralters von mindestens 18 auf mindestens 14. Sowohl bei der sexuellen Betätigung von Personen in dieser Altersstufe von 15 bis 17 als auch, wenn sie pikante Fotos oder Zeichnungen herstellen, gehören sie weder zu „Kinderschändern“ noch sind sie Teil eines Kinderporno-Rings im Internet.

Es war völlig richtig, wie es vorher festgelegt war, nämlich: Es muss sich um volljährige Täter handeln.

Schwerwiegendste Verbrechen, wie wenn Erwachsene Kinder (unter 14) sexuell missbrauchen, mit den tastenden ersten sexuellen Versuchen von (fast) Gleichaltrigen im Bereich zwischen 14 und 18 zu vermischen, ist absolut inakzeptabel.

Die dritte Hauptidee an dem Entwurf ist die absurde Verschärfung der Definition, was Kinderporno ist. Während vorher Bilder von sexuellem Missbrauch unter Strafe standen, was völlig korrekt ist, soll nun jegliche Abbildung, etwa auch Zeichnung sowie jegliche Beschreibung „sexueller Betätigung“ als bestrafenswert eingestuft werden, wober über den Begriff „aufreizend“ eine moralische Bewertung eingeführt wird, die weder definierbar ist noch irgendeine Rechtssicherheit zulässt, denn alles, einschliesslich von Fotos von angezogenen Kindern, kann irgendjemand als aufreizend empfinden (wie es in einigen Staaten der USA schon praktiziert wird). Man wird der willkürlichen Auslegung von Polizeibeamten über „aufreizend“ ausgeliefert und Ermittlungsverfahren ausgesetzt und der willkürlichen Auslegung von Richtern über „aufreizend“ ausgeliefert und verurteilt.

Für Jeden ist die Tatsache eines Ermittlungsverfahren wegen Kinderporno oder Kinderschändung absolut tödlich (manchmal im wörtlichen Sinne, wie die vielen Selbstmorde anhand der Verfolgung von Unschuldigen der „Operation Ore“ zeigen, geschweige denn eine Verurteilung.

Man wird aufmerksam bleiben müssen. Trotzdem: Hurra!


Zusatz zum Artikel (November 2008)

Mit Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 4. November 2008 ( hier: http://www.bgblportal.de/BGBL/bgbl1f/bgbl108s2149.pdf ) sind die wesentlichen Neuerungen dieses absurden Gesetzes nun Wirklichkeit in Deutschland geworden. Wie jeder weiss, hat keine Zeitung, kein Fernsehen, über die Verabschiedung berichtet. Man kann ohne Übertreibung sagen, es wurde heimlich durchgezogen. Dies vor allem, weil den einschlägigen Politikern natürlich klar war, was sie da beschlossen.

Das entscheidende ist, man hat nun Instrumente in der Hand, fast jeden beliebigen Menschen in Deutschland unter schwerste Anklagen zu stellen, die ihn der abscheulichsten Verbrechen anklagen, die man sich vorstellen kann („Kinderporno-Verbreitung“). Da die Regelung der „wirklichkeitsnahen Beschreibungen“, des neuen Kinderporno-Alters bis achtzehn und der Einbeziehung von Personen, die aussehen, als ob sie jünger wären, beschlossen wurden, ist nun fast jeder Porno auch gleich Kinderporno.

Man kann erwarten, dies wird keineswegs breit angewandt werden. Dazu haben die Staatsanwaltschaften auch keine Zeit noch Personal. Es geht darum, Material gegen Dissidenten zu haben. Kann man einen politischen Dissidenten mit einer Anklage wegen Kinderporno überziehen, ist er völlig unglaubwürdig geworden.



Veröffentlicht am 13. Dezember 2007 in "Nachrichten - heute"

Originalartikel



Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zu hysterischen Kinderporno-Verfolgungen, christlich-extremistischen Absurditäten und Sexualstrafrechts-Verschärfungen:

- USA: Absurditäten des religiösen Extremismus

- Schnüffeln im Sexualleben der Bundesbürger

- ...promt ging die Sache in die Hose –Rasterfahndung hätte um ein Haar eine Firma gekostet

- Schon in den USA, bald auch bei uns – Gefängnis für Sex unter 18

- Die Zukunft der USA unter den extremistischen Christen

- Sex?? Gefängnis!!

- Operation Ore, Teil 1: Der grösste Polizei-, Justiz- und Medien-Skandal des neuen Jahrtausends

- Operation Ore, Teil 2: Die Berühmtheiten unter den Verdächtigten, die Rolle der Polizei

- Operation Ore, Teil 3: Die Rolle der Politik und der Medien

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 1

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 2

- Die Dossiers Verschärfung Sexualstrafrecht

- Sex unter 18? – 10 Jahre Gefängnis!

- Schärferes Sexualstrafrecht soll Donnerstag durch den Bundestag

- Justiz im US-Bundesstaat New Jersey: Kein Internet für „Sex Offenders“

Mittwoch, 12. Dezember 2007

Schärferes Sexualstrafrecht soll Donnerstag durch den Bundestag

Absurde Ausweitung auf Jugendliche und auf Täter ab 14

Von Karl Weiss

Es wurde bereits ausführlich über die Pläne für ein neues Sexualstrafrecht berichtet, die eine absurde Ausweitung der Täterschaft auf Personen zwischen 14 und 18 beinhaltet ebenso wie eine noch absurdere Ausweitung des Begriffes Kind auf alle unter 18. Wie schon befürchtet, will die Koalition dies Gesetz am Donnerstag klammheimlich durch den Bundestag bringen. Die Texte beruhen auf US-amerikanischen Gesetzestexten, die dort von den extremistisch-christlichen Hysterikern durchgesetzt wurden.

Die Pläne und der Gesetzentwurf für ein neues Sexualstrafrecht nach dem Vorbild der US-Staaten, in denen die extremistischen Christen bestimmen, wurden bereits ausführlich in diesen Artikeln behandelt:

Schnüffeln im Sexualleben der Bundesbürger

Schon in den USA, bald auch bei uns – Gefängnis für Sex unter 18

Sex?? Gefängnis!!

Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 1

Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 2

Sex unter 18? 10 Jahre Gefängnis!

Die Gleichgültigkeit oder besser sträfliche Leichtfertigkeit, mit der die Verantwortlichen wie Bundesjustizministerin Zypriess dies Thema behandeln – wenn man ihnen nicht unterstellen will, sie seien selbst hysterisch-extremistische Christen -, zeigt sich deutlich an den Stellungnahmen, die man gegenüber den Vorwürfen der Opposition abgab, speziell der beiden Ausschuss-Abgeordneten Jerzy Montag von den Grünen und Jörg van Essen von der FDP.

Auch die Berichterstatterin der SPD, Lambrecht, sieht nur die Koalitionsdisziplin und hat bei den Stellungnahmen der Fachleute in der Anhörung im Ausschuss entweder geschlafen oder wollte nicht zuhören. Speziell die Stellungnahme des besten deutschsprachigen Spezialisten im Sexualstrafrecht, des Österreichers Dr. Helmut Graupner, nimmt den Gesetzentwurf der Bundesregierung in allen seinen Teilen auseinander. Es wäre Frau Lambrecht ein Leichtes gewesen, sich diese Stellungnahme ernsthaft zu Gemüte zu führen.

Stattdessen beweist sie ihre Unkenntnis, wenn sie auf die Warnung antwortet, der neue Paragraph über „Kinderporno“ könnte gewagte Fotos, die junge Paare unter 18 vom Partner machen, was heute extrem häufig ist, denn fast jedes Handy hat ja schon eine Foto-Funktion, zu einer schweren Straftat machen. Nach dem Gesetz würde jemand, der solch ein Foto zum Beispiel auf seinen Nachtisch stellt – und damit anderen Personen zugänglich macht -, für Verbreitung von Kinderpornos jahrelang ins Gefängnis wandern.

Die Antwort der SPD-Sprecherin darauf beweist ihre ganze Ignoranz: Dies sei „Quatsch“. Ein Siebzehnjähriger, der im Einvernehmen mit seiner Freundin ein Nacktfoto von ihr auf dem Handy habe, mache sich nicht strafbar. "Wenn er allerdings das Foto ohne ihr Wissen im Bekanntenkreis herumschickt, muss wieder der Opferschutz greifen", fügte Lambrecht hinzu.

Wenn sie sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt, hätte wüsste sie, diese Gefahr ist keineswegs „Quatsch“. Sieht eine andere Person z.B. das Nacktfoto von seiner 17-jährigen Freundin (die als Kind gilt) auf dem Handy, hat er sich nach dem Gesetz der Verbreitung von Kinderporno schuldig gemacht und ist Zeit seines Lebens als Kinderporno-Verbreiter gezeichnet.

Was sie dann über die Verbreitung ohne das Wissen der abgebildeten Person behauptet, hat man eben gerade NICHT als Delikt eingestuft. Diese Tat, die wirklich zumindest als Vergehen angesehen werden muss, wurde vielmehr „vergessen“ im Gesetzeswortlaut, der weitgehend von der europäischen Rahmenverordnung abgeschrieben ist, die wiederum auf einem Vorschlag der UN beruht, in dem praktisch ausschließlich Texte aus neuen US-Gesetzen aus jenen Staaten verwendet werden, in denen die Hysteriker vom Typ Bush das Sagen haben.

Hier einige Aussagen des Grünen Jerzy Montag aus einem Interview, das man hier nachlesen kann:

„Nach der jetzigen Rechtslage ist es so: Wenn es unter Ausnutzung einer Zwangslage oder gegen Entgelt zu einem Sexualkontakt kommt, dann ist nach jetzigem Recht eine Strafbarkeit gegeben, wenn der Täter erwachsen ist, also über 18, und das Opfer unter 16.“(...) „die neue Lage wird so sein: Die Bundesregierung senkt das Täteralter von 18 auf 14 und das Opferalter wird von 16 auf 18 erhöht. Was heißt das? Wenn jetzt eine 15-Jährige zu einem 17-Jährigen sagt: "Ich lade dich ins Kino ein, wenn du nachher mit mir Petting machst", dann ist das schon eine Straftat. Dazu kommt: Bisher war bei dieser Regelung der Versuch nicht strafbar. Die Bundesregierung wird aber jetzt an diesem Donnerstag den Versuch zu einer Straftat erklären. Das heißt bei unserem Beispiel: Die 15-Jährige lädt den 17-Jährigen unter der Vorraussetzung ins Kino ein, dass er danach mit ihr auf ihr Zimmer geht. Selbst wenn der junge Mann sagt: "Ich hab´ keine Lust", dann ist die 15-Jährige trotzdem strafbar.[er meint straffällig]“

„Die zweite Sache, die ich kritisiere, ist die Sache mit den Fotos. Bisher war es so, dass die Herstellung und der Vertrieb von Fotos unter Strafe standen, die den sexuellen Missbrauch von Kindern – also unter 14 Jahren – dargestellt haben. Die Bundesregierung hat jetzt den Begriff „Darstellung des sexuellen Missbrauchs von Kindern“ ersetzt durch den Begriff „Darstellung sexueller Handlungen“. Gleichzeitig hat sie das Opferalter, das bisher bis 14 ging, erhöht auf 18 Jahre.“(...) „Ein Foto mit einem im Wortsinn innigen Zungenkuss oder ein Foto, auf dem lustvoll eine Frauenbrust geküsst wird – und die Abgebildeten sind 17 – wird jetzt zu einer Straftat.“

„Frage: Nochmal konkret: Wenn ich 17 bin und einen guten gleichaltrigen Freund habe, der mit seiner Freundin auf der Wiese einfach nur knutscht, dann darf ich die nicht fotografieren?

Antwort: Genau. Sie dürfen dann kein Foto herstellen, weil das Minderjährige bei sexuellen Handlungen sind.“

„Frage: Und das wird am Donnerstag beschlossen?

Antwort: Das werden die durchziehen, ja. Der Rechtsausschuss des Bundestages hat im Juni eine Sachverständigenanhörung zu diesem Thema gemacht – die Sachverständigen haben dieses Gesetzesvorhaben in der Luft zerrissen. Wir Grüne, aber auch die FDP oder die Linke, haben gesagt: Das könnt ihr doch nicht machen. Aber die Große Koalition geht einfach mit dem Kopf durch die Wand.“

„Frage: Wenn die Eltern meiner Freundin mich nicht mögen, könnten sie mich also anzeigen, weil ich meine Freundin ins Kino eingeladen habe und danach mit ihr geknutscht habe?

Antwort: Sie sind 15, ihre Freundin 17 – die einzige Behauptung, die jetzt noch nötig ist, lautet: Haben Sie gesagt „Ich lade dich ins Kino ein und danach knutschen wir“ – oder haben Sie gesagt: „Ich lade dich ins Kino ein und dafür knutschen wir“. Das wäre dann schon strafbar.“

Justizministerin Zypriess erklärte, darauf angesprochen: „Montags Aussagen sind schlicht falsch“. Warum es dann aber so im Gesetzentwurf steht, weiss sie anscheinend auch nicht.

So beweist das deutsche Parlament ein weiteres Mal, es ist keine eigenständige Gewalt, es tut schlicht was die Regierung will und die Opposition darf ein bisschen Karneval aussen herum machen – eine Farce!


Veröffentlicht am 11.Dezember 2007 in "Nachrichten - heute"

Originalartikel


Zusatz zum Artikel (November 2008)

Mit Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 4. November 2008 ( hier: http://www.bgblportal.de/BGBL/bgbl1f/bgbl108s2149.pdf ) sind die wesentlichen Neuerungen dieses absurden Gesetzes nun Wirklichkeit in Deutschland geworden. Wie jeder weiss, hat keine Zeitung, kein Fernsehen, über die Verabschiedung berichtet. Man kann ohne Übertreibung sagen, es wurde heimlich durchgezogen. Dies vor allem, weil den einschlägigen Politikern natürlich klar war, was sie da beschlossen.

Das entscheidende ist, man hat nun Instrumente in der Hand, fast jeden beliebigen Menschen in Deutschland unter schwerste Anklagen zu stellen, die ihn der abscheulichsten Verbrechen anklagen, die man sich vorstellen kann („Kinderporno-Verbreitung“). Da die Regelung der „wirklichkeitsnahen Beschreibungen“, des neuen Kinderporno-Alters bis achtzehn und der Einbeziehung von Personen, die aussehen, als ob sie jünger wären, beschlossen wurden, ist nun fast jeder Porno auch gleich Kinderporno.

Man kann erwarten, dies wird keineswegs breit angewandt werden. Dazu haben die Staatsanwaltschaften auch keine Zeit noch Personal. Es geht darum, Material gegen Dissidenten zu haben. Kann man einen politischen Dissidenten mit einer Anklage wegen Kinderporno überziehen, ist er völlig unglaubwürdig geworden.


Hier eine Anzahl Links zu anderen Artikeln im Blog zu hysterischen Kinderporno-Verfolgungen, christlich-extremistischen Absurditäten und Sexualstrafrechts-Verschärfungen:

- USA: Absurditäten des religiösen Extremismus

- Schnüffeln im Sexualleben der Bundesbürger

- ...promt ging die Sache in die Hose –Rasterfahndung hätte um ein Haar eine Firma gekostet

- Schon in den USA, bald auch bei uns – Gefängnis für Sex unter 18

- Die Zukunft der USA unter den extremistischen Christen

- Sex?? Gefängnis!!

- Operation Ore, Teil 1: Der grösste Polizei-, Justiz- und Medien-Skandal des neuen Jahrtausends

- Operation Ore, Teil 2: Die Berühmtheiten unter den Verdächtigten, die Rolle der Polizei

- Operation Ore, Teil 3: Die Rolle der Politik und der Medien

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 1

- Dossier Verschärfung Sexualstrafrecht, Teil 2

- Die Dossiers Verschärfung Sexualstrafrecht

- Sex unter 18? – 10 Jahre Gefängnis!

- Hurra! Sie haben es gestoppt

- Justiz im US-Bundesstaat New Jersey: Kein Internet für „Sex Offenders“

Dienstag, 11. Dezember 2007

Hochmut kommt vor dem Fall

Höchste Arroganz: Die "Qualitätszeitungen"

Von Karl Weiss

In einem Rundschlagartikel der höchsten Arroganz hat die „Süddeutsche“ zum Gegenschlag gegen das Internet ausgeholt, das – wie sie sehr wohl bemerkt hat – die Mainstream-Medien wie die „Süddeutsche“ scharf kritisiert. Doch der Artikel verwendet kaum Argumente – und wo er sie verwendet, belegt er sie nicht. Er wirft mit Allgemeinplätzen um sich („Qualität“, „Amateure“), ohne sie mit Inhalten zu füllen.

Die bürgerlichen Massenmedien, üblicherweise „Mainstream-Medien“ genannt, kommen in den Kommentaren und Blogs des Internet nicht immer gut weg – und das hat gute Gründe. In einem Artikel der „Süddeutschen“ heißt es, im Internet gelte der Mainstream als „korrumpiert, hierarchisch, hirngewaschen, langsam und überaltert“.

Die "Süddeutsche" hat einen gewissen Bernd Graff damit beauftragt, mit den „idiotae“ und „Narren im Netz“ im Internet fertig zu werden in einem Artikel vom 8. Dezember 2007 unter der Überschrift „Die neuen Idiotae“, was ja offenbar nicht schwer ist, denn es handelt sich ja, wie er ohne alle Angst vor Verleumdungsklagen erklärt, um Idioten, die im Internet schreiben.

Interessant, dass er genau dies den Schreibern im Internet vorwirft. Dort findet man, so konstatiert er, „ein Panoptikum an Rufschädigungen, Beleidigungen, Verleumdungen und übler Nachrede“. Interessant, Herr Graff – und wie ist es mit den „idiotae“, den „Idioten“, als die Sie alle Schreiber im Internet bezeichnen (ich weiss, Sie haben nicht ausdrücklich "alle" gesagt, aber nicht eine Ausnahme erwähnt, also sind es alle), auch wenn Sie es auf lateinisch machen, damit es ein wenig gelehrt aussieht?

Da es ja so leicht ist, hat er sich auch nicht die Mühe gemacht, viel an Argumenten aufzubringen bzw. seine Argumente zu belegen. Er bringt es fertig, in seinem Artikel auf fünf (Internet-)Seiten insgesamt drei Argumente zu bringen, die halbwegs einen Versuch aufweisen, belegt zu werden. Als erstes greift er die Internet-Foren auf. Er schriebt, dort gebe es einen „Debattierklub von Anonymen, Ahnungslosen und Denunzianten“. Nur? Er vermeidet das Wort ‚nur’, das ist dem Professionalismus seiner Journalistenausbildung zu verdanken, aber da er niemand anderen erwähnt, ist es eben das! Wie ist es nun mit den „Rufschädigungen, Beleidigungen, Verleumdungen und übler Nachrede“, die Ihnen am Internet so aufgefallen sind, Herr Graff? Wenn Sie die betreiben, dann ist es „Qualität“?

Er beschriebt, was wir alle kennen, jene „Trolle“in den Foren, die einen tatsächlich ziemlich ärgern können. „Querulanten und Leute mit seltsamen Präferenzen. Freizeitaktivisten mit ein bisschen Schaum vor dem Mund.“ Er erwähnt aber mit keinem Wort, diese machen kaum 10% der Diskutanten in den Foren aus, in vielen Foren nicht einmal 1%.

Wenn man gezielt den wesentlichen Teil einer Information weglässt, um zu einem falschen Schluss zu kommen, so nennt man das Lügen mit Halbwahrheiten. Genau das macht er. Das ist dann wohl ein Beispiel der überlegenen Qualität der Massenmedien wie der „Süddeutschen“?

Und zu welchem Schluss kommt er? Die Foren seien ein „Absurditätenstadl“. Nur hat er das nicht belegt. Das wäre nämlich nur der Fall, wenn die Trolle die Foren ausmachen würden, was sie aber nicht tun. Damit hat er uns ein profundes Beispiel von „Qualitätjournalismus“ geboten.

Als zweites nimmt er Wikipedia auseinander – glaubt er jedenfalls. Er bezieht sich auf einen der Mitbegründer (von Hunderten) von Wikipedia, der dem Stress, eine Enzyklopädie zu redigieren, nicht mehr gewachsen war und nun mit den (unbestreitbaren) Fehlern in Wikipedia hausieren geht. Er will sogar einen Wissenschaftler kennen, der ausdrücklich davon abrät, Wikipedia zu benutzen, weil man dann im Examen eventuell Falsches zur Hand hat.

Nun, er hat auch hier wieder eine Halbwahrheit verbreitet (nämlich dass Wikipedia Fehler enthält), um zu einem falschen Schluss kommen zu können. Die andere Seite der Medaille hat er nämlich „vergessen“ zu erwähnen, nämlich die Tatsache, dass alle Enzyklopädien Fehler enthalten. Alle vergleichenden Untersuchungen von anderen Enzyklopädien mit Wikipedia haben klar ergeben, die Fehlerquote ist im wesentlich etwa gleich hoch. Ber der letzten Untersuchung, die speziell den deutschen Brockhaus und die deutsche Version von Wikipedia vergleicht, kam die Internet-Enzyklopädie sogar deutlich besser weg.

Die Gründe sind ziemlich einfach. Die Qualität einer Enzyklopädie hängt im wesentlichen von der Auswahl der Autoren ab. Ein Brockhaus zum Beispiel ist aber ein Unternehmen, dass Profit abwerfen muss und kann daher nur wenige Redakteure beschäftigen, die mögliche Autoren ausfindig machen und dann festlegen, welcher Autor ein bestimmtes Sprichwort schreibt oder ob eine Mischung von Texten von Autoren verwendet wird.

Wikipedia hat den Vorteil: Für viele Themen melden sich eine Menge Autoren, die dann um die beste Version eines Textes ringen, obwohl man keinerlei Entgelt für diese Tätigkeit bekommt. Andererseits haben die traditionellen Enzyklopädien schon viele, viele Jahre Erfahrung und damit einen anderen Vorteil. Beide kommen am Ende in ungefähr auf ein Unentschieden hinaus.

Das ist allerdings nicht die Diagnose von Herrn Graff, dem „Qualitätsjournalisten“. Er war vielmehr auf der Basis jener Halbwahrheit zum Schluss gekommen, Wikipedia könne keine Qualität bieten, weil sie umsonst sei. Was umsonst ist, kann keine Qualität haben. Das ist allerdings ein alter Leitsatz der Kapitalisten, womit sie begründen, dass sie nie etwas umsonst hergeben. Nun – wir wissen inzwischen, nicht nur der Kapitalismus ist überholt, auch jener Leitsatz. Wikipedia ist der beste Beweis.

Als drittes – und nun kommen wir natürlich dem Schreiber dieser Zeilen näher -, wird die Bloggospäre ins Visier genommen. Hier macht er sich nicht einmal die Mühe, noch auf irgendein konkretes Beispiel einzugehen. Die Blogger sind vorverurteilt. Sie sind „Menschen, die lediglich neue technische Möglichkeiten nutzen, etwa um ihre Poesie-Alben zu veröffentlichen oder um ihrer Trauer über kaputte Computer Ausdruck zu verleihen“, sie bewiesen „sich in einem Blog selbst, dass er ja bloggt, also irgendwie noch lebt“.

Das ist immerhin schon etwas anmassend, zu sagen, die Blogger würden bestenfalls noch „irgendwie“ leben – aber das passt natürlich zum ganzen Artikel. Dass er auch nur irgendwelche Beispiel bringt oder Argumente oder sonst belegt, was er hier generell über die Blogger sagt, hat er natürlich nicht nötig, er ist ja ein „Qualtätsjournalist“. Nein, er geht gleich noch einen Schritt weiter und sagt über die Schreiber im Netz, sie wollten „eine Rolle in der allgemeinen Informationsbildung übernehmen, ... weil sie sonst keine Beschäftigung haben“.

Auch hier ein Schlag unter die Gürtellinie. Blogger, das sind die faulen Arbeitslosen, die sich zudem noch Hartz IV erschleichen, nicht wahr? So kommt er denn nun endlich auch zur Sache, als er über „user generated content“ lästert, „der der nicht selten ein "Loser Generated Content" ist“ (looser schreibt man übrigens mit zwei o, mein Herr „Qualitätsjournalist“).

Da sind wir denn auch schon beim Punkt, denn er kommt zu den generellen Schlussfolgerungen. Den Schreibern im Internet, den Idioten also, den „loosern“, den Leuten, die sich irgendwie beweisen müssen, dass sie „irgendwie“ noch leben, können selbstverständlich nicht die „Meinungsführerschaft beanspruchen“. Das steht nur den bürgerlichen Massenmedien zu, so wie sie der Herr Graff repräsentiert, denn im Netz ist „Fehlinformation, Denunziation und Selbstdarstellung das Tagesgeschäft der Laufkundschaft“.

An unbegründeten Pauschalurteilen fehlt es nun wirklich nicht im Artikel des „Qualitätsjournalisten“. Würde man ihm mit einer solchen Ansammlung an Vorurteilen und hochmütigen Abqualifizierungen in einem Internet-Forum begegnen, man hätte den klassischen Fall eines Trolls vor sich und die Gemeinschaft der Foren-User würde ihn schnell brandmarken.

„Ahnnungslose und Denunzianten“, „Häme, Verächtlichmachung, Hohn und Spott“, das alles, was er im Internet findet, fällt mit diesem Artikel auf ihn selbst zurück.

Da wird es dann am Ende schon echt peinlich, dass er nun darauf bestht, seinesgleichen, die echten Journalisten in den bürgerlichen Massenmedien, würden eben „Qualität“ liefern, während das Internet ein „Kult der Amateure“ ist.

Ja, er ist so verliebt in den Begriff „Qualität“, weil er ihn ja nicht mit Inhalt füllt, dass er sich zum Ausruf versteigt: „nein, ihr Lieben, [der Qualitätsgegensatz] besteht!“

Ja, er besteht, so wie im Artikel von Herrn Graff, nur liegt die Qualität hier beim Internet und die „Idiotie“ beim Mainstream!

Ja, er geht sogar so weit, die Demokratie für den Bereich der Information ausdrücklich für unbrauchbar zu erklären: „Was aber wiegt dann mehr? Dass das immer elitäre Denken der Mainstream-Medien im Zweifel undemokratisch ist? Oder, dass daraus Qualität entsteht?“ Nur ist der Gegensatz zu Demokratie Diktatur, nicht Qualität – und so verwundert uns denn auch die mangelnde Qualität seines Artikels gar nicht mehr. Wer unumschränkter Herrscher ist (Diktatur), braucht keine Qualität, er erklärt sich selbst einfach zur Qualität.

Aber nehmen wir doch nicht nur den Artikel von Herrn Graff, der ist ja nun wirklich grottenschlecht, was man nicht über alle Artikel der „Süddeutschen“ sagen kann. Lassen wir ebenfalls die Beispiele der Bild, der britischen „Sun“, des „Spiegel“ oder der Wiener „Kronenzeitung“ zur Seite, wo uns Herr Graff ja nun wirklich mal die Qualität hätte zeigen müssen, nein, nehmen wir ein typisches Beispiel aus jüngster Zeit zu einem vielbeachteten Thema und die „Süddeutsche“ selbst.

Vor einigen Wochen liess die Polizei in Deutschland eine Zelle von (vermutlichen) Terroristen auffliegen. Einige Personen wurden im Sauerland festgenommen. Die Süddeutsche berichtete, indem sie die Behauptungen der Innenminister, der Bundesanwaltschaft und des BKA wiederholte, ohne auch nur in einem einzigen Punkt nachzufragen, ohne die geringste Sachkenntnis zu haben noch sich Informationen bei Experten einzuholen. Angeblich hätten die vermutlichen Terroristen mit Wasserstoffperoxid einen höchst gefährlichen Sprengstoff herstellen wollen und seien kurz vor der Ausführung von Attentaten gestanden. So sagte es der BKA-Präsident und so stand es in der Süddeutsche, nicht als Zitat, sondern als Tatsache. Man wollte die bundesdeutsche Bürgerschaft auf das Streichen bürgerlicher Grundrechte einstimmen.

Es blieb dem Internet vorbehalten (in diesem Fall dem Artikel des Berichterstatters im Internet), klarzustellen, dass man mit Wasserstoffperoxid (mit oder ohne andere Komponenten) keinesfalls einen funktionierenden und handhabbaren Sprengstoff herstellen kann. Die „Sauerland-Terroristen“ konnten also keineswegs Attentate durchführen.

Wo lag also nun „Qualität“und wo lag „Amateurismus“?


Veröffentlicht am 10. Dezember 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel


Erratum

Wie um mich zu widerlegen und dem kritisierten Journalisten doch Recht zu geben, habe ich mich mit meinem schwachen English blamiert und behauptet, loser schreibe sich mit zwei o.

Danke für den Hinweis!

Er hatte aber Recht, es schreibt sich mit einem o. Welche Schmach! Ich verspreche, mich im kommenden Jahr für einen English-Kurs einzuschreiben!

So, und jetzt wollen wir sehen, ob er auch ein Erratum über seine Fehler unter den Artikel stellt oder ob er sich nach bewährter Mainstream-Manier als göttlich unanfechtbar gebärdet und nicht mit normalen Sterblichen kommuniziert.

Karl Weiss

Montag, 10. Dezember 2007

Flächendeckende Ortung der Bundesbürger

Beckstein: "Vignette" für Pkw

Von Karl Weiss

Bayerns neuer Ministerpräsident Beckstein versucht sein Süppchen auf den gestiegenen Benzinpreisen zu kochen: Er forderte die Autobahnvignette auch für Pkw in Deutschland, die dann zusammen mit den Lastwagen vom Toll Collect-System überwacht würden. Es ginge darum, dass auch die ausländischen Verkehrsteilnehmer ihren Beitrag zur Finanzierung der Straßen leisten sollten. Das wäre ein Mittel gegen die hohen Benzinpreise, denn die Benzinsteuern würden im gleichen Masse gesenkt. In Wirklichkeit geht es nur um eine Senkung von ein paar Cents.

Wie alle Demagogen, versucht er Vorurteile von deutschen Autofahrern auszunutzen, die schon einmal von Holländern, Italienern oder Österreichern am noch schnelleren Vorwärtskommen auf der Autobahn gehindert werden, um seine eigenen Ziele durchzusetzen.

Stasi 2.0

Die Behauptung, die Ausländer müssten irgendwie zur Kasse gebeten werden, war schon der Vorwand zur Einführung des Toll-Collect-Systems für Lastwagen gewesen. Eine Berechnung des ADAC zeigt aber, mit den hohen deutschen Mineralölsteuern auf Diesel und Benzin zahlen die Ausländer bereits das dreifache dessen, was sie an Kosten verursachen.

Vorausschauende Zeitgenossen, die jene „Scheibchen-Taktik“ der reaktionären Politiker kennen, haben schon damals gewarnt: Es gab keinen vernünftigen Grund, das irrwitzig teure Toll-Collect-System einzuführen – außer dem, damit einmal die Bewegungsprofile der Mitglieder der kämpferischen Opposition (von den Medien gerne Dissidenten genannt) erstellen zu können.

Und genau dazu muss es eben auch auf die Personenwagen ausgeweitet werden, wie damals bereits vorhergesagt, von den Politikern mit den Pinocchio-Nasen aber abgestritten. Das soll nun wieder unter Vorwänden geschehen.

Mit dem Begriff „Vignette“ täuscht Beckstein vor, es ginge um Aufkleber am Auto wie in Österreich. Davon kann aber keine Rede sein. Die Pkws sollen vielmehr ebenfalls die „Onboard Units“ (OBUs) der Lastwagen verpasst bekommen, die von Polizei, Verfassungsschutz und BND überall im Land geortet werden können – genauso wie Handys.

Die Tatsache aber, dass jene, die schon damals gewarnt haben, Recht behielten, zeigt: Es ging nie um einen Ausgleich der hohen Steuern auf den Sprit. Es ging nie um eine Beteiligung von Ausländern an den Kosten der deutschen Straßen. Es ging und geht um die flächendeckende Überwachung und das Schnüffeln hinter allen her, die der Regierung ein Dorn im Auge sind.

Z.B. solche, die das Wort „Präkarisierung“ für die Verarmung von Teilen der deutschen Bevölkerung verwenden. So wurden 3 linke Ossies, die schon zu DDR-Zeiten von der Stasi verfolgt wurden, wegen dieses und anderer Worte in ihren Veröffentlichungen als angebliche Terroristen verhaftet und monatelang in Isolierhaft gesperrt. Eindeutig die Einführung von politischen Gefangenen in Deutschland!

Die Heizer von Rostock - Militärische Befehlsausgabe?

Wenn die Verwendung bestimmter Worte für monatelange Isolier- und Untersuchungshaft „gut“ ist, dann ist das Gefängnis für Gesinnung!

Lassen wir uns also nicht einlullen. Das Toll-Collect-System, das die Autos im Vorbeifahren identifiziert, ist eine Waffe gegen die kämpferische Opposition, nicht gegen die Benzinpreiserhöhungen.


Veröffentlicht am 10. Dezember 2007 in "Nachrichten-heute"

Originalartikel

Samstag, 8. Dezember 2007

Der Fall der Supermacht USA

Jenseits des „point of no return”

Von Karl Weiss


War bis etwa vor einem Jahr, als die Wähler in den USA ein Signal gaben und massiv zu den Demokraten schwenkten, noch ein Ausweg möglich, wie ihn die damalige Baker-Kommission vorschlug (Abzugsplan aus dem Irak bis Anfang 2008, siehe auch diesen Artikel dazu), so haben sich seitdem alle Türen verschlossen. Die Bush-Regierung insistiert in ihrem Kurs und liess alle Warnungen und Zeichen unbeachtet. Nach aller Wahrscheinlichkeit gibt es keine Zurück mehr: Der Fall der Supermacht USA hat begonnen.

Es hat sich aber in diesem Jahr 2007 fast jeder denkbare Ausweg aus dem Niedergang der Supermacht verschlossen. Was heute noch möglich wäre, ist politisch nicht realistisch. Es gibt Niemanden, der eine solche Politik durchsetzen könnte, z.B. sofortiger bedingungsloser Abzug aus Irak und Afghanistan, Abbau aller Auslands-Stützpunkte, sofortige Rückkehr zu rechtsstaatlichen Regeln für Verdächtige, radikale Haushaltssanierung, extreme Steuererhöhungen für Firmen und Reiche, Dollarabwertung im Einklang mit den OECD-Ländern, Verhandlungsbeginn über eine Umschuldung usw.

Anzeichen

Was sind die klaren Anzeichen, dass die Supermacht USA bereits zu fallen begonnen hat?

1. Die USA sind heute (zusammen mit Israel) faktisch politisch isoliert. Auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm konnte sich Bush mit keinem seiner Vorschläge durchsetzen (Siehe dazu diesen Artikel).

Bush

Es blieb nur, unverbindliche Erklärungen abzugeben. Das erklärte Ziel der US-Regierung, den ganzen Nahen Osten unter sein Kartell zu stellen, auch militärisch, ist gescheitert (Siehe hierzu diesen Artikel). Der Libanonkrieg ging verloren, die Kriege in Irak und Afghanistan sind es praktisch auch.

Irak-Krieg 2

Die Militärdiktatur im Libanon ist Ausdruck des Scheiterns. Der Annapolis–Gipfel war ein peinliches Anzeichen der absoluten Unfähigkeit der US-Regierung, noch irgendein Abkommen unter seiner Führung zustande zu bringen. Das gleiche gilt für die Versuche, die Doha-Runde der Welthandelsorganisation noch zu einem Ergebnis zu bringen. Letzten Monat stimmte die UN-Vollversammlung über die US-Sanktionen gegen das kleine Entwicklungsland Kuba ab. Mehr als 180 Staaten der Welt stimmten gegen die USA, die einzigen Stimmen dafür waren die der USA selbst, Israels und zweier winziger Pazifik- (faktischer) US-Protektorate, die aber formal als unabhängige Staaten gelten. Auch der gross angekündigte Atomdeal mit Indien wird nun wohl nicht zustande kommen. Indien will nicht in Abhängigkeit von den USA kommen.

2. Nachdem zunächst ständig des Beginns des Iran-Krieges immer wieder verzögert wurde, obwohl man sich mit dessen Ankündigung bereits so weit aus dem Fenster gelehnt hat, dass man bei seinen Verbündeten Glaubwürdigkeit verlor, hat man nun den eigenen Geheimdienst angewiesen, „neue Kenntnisse“ vorzuweisen, der Iran habe bereits seit 2003 das Atomwaffenprogramm eingestellt. Selbstverständlich wusste dies die US-Regierung bereits seit langer Zeit, wollte aber einen Vorwand haben, den Iran überfallen zu können.

Ahmedinedschad

Nun haben offenbar jene Analytiker unter den Bush-Beratern die Oberhand gewonnen, die davor warnen, den Iran militärisch zu überfallen, weil dies unüberblickbare Auswirkungen haben könnte, vom starken Anziehen der Ölpreise über den sofortigen Ausbruch der Wirtschaftskrise ohne Möglichkeit, das noch zu verstecken bis hin zu massiven Rechtfertigungs- und Glaubwürdigkeitsproblemen, da alle wissen, der Iran hat im Moment kein Atomwaffenprogramm. Es blieb der Supermacht nichts anderes übrig, als den Schwanz zwischen die Beine zu klemmen und den Iran-Krieg bis auf weiteres abzusagen, unter dem durchsichtigen Vorwand, erst jetzt habe man jene Erkenntnisse gewonnen. Wenn der Supermacht bestimmte angestrebte Mittel aus der Hand geschlagen werden können, ist sie im Grunde schon keine mehr.

3. Die Wirtschaft der USA ist unwiderruflich auf dem Weg in die Wirtschaftskrise. Deutliches Anzeichen das Senken der Leitzinsen, obwohl eine verstärkte Inflationsgefahr wegen der stark verteuerten Importe besteht. Am 11. Dezember wird die Fed mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Zinsen senken. Das wird aber den Weg in die Krise nicht aufhalten können, denn die Gründe liegen in der Überproduktion, nicht in mangelnder Liquidität. Im Verlauf dieser Wirtschaftskrise wird die USA zweifellos von massiver Arbeitslosigkeit, deutlichem Lohnabbau und Abbau staatlicher Leistungen betroffen sein, eventuell auch von sozialen und/oder Rassen-Unruhen. Wesentlich ist dabei der Zeitpunkt der Krise, der mit den anderen Faktoren gleichzeitig eintritt und auch noch in einem Jahr, in dem ein neuer Präsident gewählt wird. Man darf erwarten: Die statistischen Zahlen werden manipuliert werden, um das offensichtliche Eintreten in die Krise auf nach den Wahlen zu verschieben, was aber zusätzliche Glaubwürdigkeitsprobleme mir sich bringt.

4. Neben der Wirtschaftskrise und unabhängig von ihr (und aus anderen Gründen) hat die Dollar-Krise eingesetzt. Trotz massivstem Gegensteuern der Zentralbanken konnte nicht verhindert werden, dass der Dollar auf € 1,50 zusteuert und dort wahrscheinlich nicht stehenbleibt. Dieses Szenario (25% Abwertung des Dollars) hat vor eineinhalb Jahren der chinesische Vize-Finanzminister als “schockierend“ bezeichnet (sieh hierzu auch diesen Artikel). Die andere Seite der Medaille Dollar-Krise ist die Ölpreis-Krise. Der Ölpreis (in Dollar) für die übliche Sorte an der New Yorker Commodities-Börse testet bereits die 100 Dollar-Marke und das wurde noch vor einem Jahr als der extremste Albtraum dargestellt. (Tatsächlich ist der Ölpreis aber in Euro in letzter Zeit nicht mehr zusätzlich gestiegen. Die Benzinpreiserhöhungen in Europa mit Bezug auf den Anstieg in Dollar sind reine Abzockerei.) Zwar wird immer wieder darauf verwiesen, der schwache Dollar würde ja grosse Vorteile für die US-Exportwirtschaft bringen und das ist richtig, aber im Gegensatz zu Deutschland ist die Exportwirtschaft nicht das Rückgrat der US-Wirtschaft, der riesige Binnenmarkt ist vielmehr die wirkliche Basis. Der ständig fallende Dollar wird mehr und mehr grundlegende Auswirkungen auf die Stellung der USA als Weltenherrscher haben, ebenso wie auf die Beziehungen aller anderen Länder zu den USA. Ab einem bestimmten Moment wird der Dollar seine Stellung als Weltleitwährung verlieren und als jene Währung, in der alle Ölgeschäfte abgewickelt werden. Das ist dann das Ende des Dollars als Fluchtwährung und damit des Supermachtstatus der USA.

5. Am deutlichsten aber zeigt sich der Beginn des Falls des Kolosses USA als Supermacht in einem intensiven und fortschreitenden Verlust der Glaubwürdigkeit, des Vertrauens in diese Macht als Ganzes als Führer der Welt wie auch spezifisch der US-Regierung als Garant von Werten, die verteidigenswert sind.

Irak-Krieg US-Aggression

Die brutalen Überfälle und Besatzungen von Ländern wie Afghanistan und Irak, die Folter, Folterflüge und Geheim-Folter-Gefängnisse, das Aufheben der Menschenrechte für wesentliche Teile der Verdächtigen, die offensichtlichen Lügen, all das hat das Ansehen unwiderruflich unterminiert.

Das bekannte Bild mit einem Gefangenen mit Kapuze auf dem Hocker, mit Drähten angebunden.

Die USA als Lebensstil haben ihre Faszination eingebüsst. Die Hollywood-Industrie wie auch Fernseh-Serien, die einen grossen Teil der Bewunderung für dieses Landes bewirkten, bringen mehr und mehr nur noch hirnlose Baller- und Gewaltorgien hervor. Wo auch immer man Umfragen anstellt, die Ergebnisse sind ein einziges Desaster für die US-Regierung, so z.B. jene Umfrage in Europa, nach der die Mehrheit der Europäer der Meinung ist, die USA (und Israel) sind jene, die am meisten den Weltfrieden gefährden. Zwar hat die USA mit den von ihr geleiteten Verteidungssystemen wie NAT O und ASEAN eine solide Basis von verbündeten Regierungen, aber alle diese Regierungen müssen in zunehmendem Masse auf die immer kritischer werdenden Meinungen der Bürger Rücksicht nehmen. Zwar werden weiterhin ganz locker Entscheidungen gegen riesige Mehrheiten der Völker gefällt, wie z.B. die Erneuerung und Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr, aber trotzdem müssen die verbündeten Regierungen nun auch mehr und mehr Rücksicht auf die weitgehende Unglaubwürdigkeit der US-Politik nehmen, wollte man nicht überall auf offenen Diktaturen und Tyranneien umschalten.

Afghanistan: US-Armee zerstört Filmkamera

So hat die Bundesregierung z.B. zurückhaltend auf die Aufforderung der US-Regierung reagiert, weitere Soldaten für den Einsatz im Süden Afghanistans zur Verfügung zu stellen. Offensichtlich haben die US-Thinktanks die Frage der Glaubwürdigkeit sträflich unterschätzt.

Ursachen

Was sind nun die Ursachen dieser Entwicklung, die Niedergang der Supermacht USA heisst und offenbar bereits den ’point of no return’ überschritten hat?

1. Die USA haben sich in einem Ausmass bei der Welt verschuldet, der alles übersteigt, was je zurückgezahlt werden könnte. Trotz des riesigen Potentials der US-Wirtschaft, der bei weitem grössten der Welt, hat man die mit Bedacht gewählten Höchstmarken für die Verschuldung bereits ausser Kraft gesetzt und sich mit dem Irak- und Afghanistan-Krieg so extrem verschuldet, dass alle Gläubiger ernsthaft um ihr Geld fürchten müssen. Allein der Zinsdienst ist bereits so gross, dass eine tiefe Wirtschaftskrise bereits die Frage der Zahlungsunfähigkeit aufwerfen würde. Die US-Administration hat sich dabei des Vorteils bedient, den nur dieses Land hatte: Man konnte beliebig Geld drucken oder Staatsschuldverschreibungen ausgeben (US-Bonds) – was auf das gleiche hinausläuft – ohne damit eine Inflation zu riskieren, denn die Dollars und Dollar-Bonds gingen zu grossem Teil in die Staatsreserven der verschiedenen Länder ein. China und Japan haben soviel Dollars in ihrem Staatsschatz, dass sie nun vor einem ernsthaften Problem stehen (siehe oben die Aussage „schockierend“ des chinesischen Vize-Finanzministers). Aber auch Süd-Korea, die Bundesrepublik, die EU und England haben wesentliche Anteile ihrer Rücklagen in Dollars, die nun rasch an Wert verlieren. Wie auch immer der weitere Verlauf sein wird, ob der Dollar in einem grossen Crash völlig zusammenbrechen wird oder ob die langsame, aber sichere Entwertung ständig weitergeht, der Dollar als Weltleitwährung ist verurteilt, was bereits den wesentlichen Teil des Falls der Supermacht ausmachen wird.

2. Die USA haben bereits seit geraumer Zeit das grösste Aussenhandelsdefizit der Welt, d.h. die Importe übersteigen die Exporte bei weitem. Das stellte scheinbar gar kein wesentliches Problem dar, denn man konnte ja Dollar drucken und Dollar-Bonds ausgeben, soviel man wollte und sich davon alles im Ausland kaufen, was das Herz begehrte. Für die Unternehmen in den USA war zunächst immer der riesige Binnenmarkt interessant, im Ausland kaufte man Firmen oder stellte eigene auf die grüne Wiese. Der Export dagegen wurde nicht als strategisch angesehen. Hätte man aber tun sollen. Exporte schaffen Macht und Abhängigkeiten (man sehe sich nur die Politik Putins an). Natürlich waren die Exporte der US-Unternehmen trotzdem umfangreich und stritten sich seit Jahren mit denen der Bundesrepublik um den Titel des Export-Weltmeisters, aber im Verhältnis zur gesamten Wirtschaftsleistung (mehr als das Fünffache der BRD) waren sie klein. Auch hätte man ernsthaft daran gehen können, die Importe zu verringern, die ja immer Abhängigkeiten bedeuten. Speziell die extreme Abhängigkeit von Öl-Importen (mehr als die Hälfte des Bedarfs ) hätte man bereits vor langer Zeit deutlich verringern können mit massiven Investitionen in alternativen Energien. Aber man hatte es ja üppig und in dieser Situation ist Vorsorge für die Zunkunft nicht angesagt. Nun aber schlagen die immer teurer werdenden Importe auf die ganze Wirtschaft durch. Wenn der Ölpreis von fast 100 Dollar erst einmal beim Verbraucher ankommt, wird auch dadurch der Konsum massiv enbrechen – und das in einer Situation der beginnenden Wirtschaftskrise. Auf dem grössten Binnenmarkt der Welt wird dann eines der grössten Löcher der Welt klaffen. Das wird die Vorherrschaft von US-Konzernen beginnen zu gefährden – ein weiterer Pfeiler der Supermacht-Stellung.

3. Die Ursache der beginnenden Wirtschaftskrise ist dagegen eine dem Kapitalismus immer innewohnende: Die Überproduktion. Um die Konkurrenten auszustechen, schafft man immer grössere und schnellere Produktionsanlagen, doch der Profit pro Kapitaleinsatz will nicht mehr steigen, er wird sogar geringer! Da müssen Entlassungen, Lohnsenkungen, Ersatz durch Fremdfirmenbeschäftigte, Leiharbeitskräfte und so weiter her. Das Ergebnis: Die sinkenden Löhne bewirken, dass die Arbeiter die Masse der Produkte nicht mehr kaufen können: Die Überproduktion. Sie tritt gesetzmässig und regelmässig auf und ist das Markenzeichen des Kapitalismus. Eigentlich stand diese Krise in den USA schon seit einiger Zeit an. Aber man hat sie hinausgeschoben, indem man zusätzliche Kaufkraft schuf: Jeder konnte einen extrem billigen Kredit auf sein Häuschen aufnehmen. Das konnte natürlich nur eine Zeit lang gut gehen. Als die Zinsen stiegen, waren die Monatsraten für die Kredite teuer geworden und die hochgepeitschten Preise für Immobilien gaben nach: Der Immobilien-Crash.

Immobilienkrise USA

Millionen von US-Bürgern verloren und verlieren ihr Haus oder ihre Wohnung, weil sie die Raten nicht mehr bezahlen können, denn es gab keine Reallohnerhöhungen mehr. Die deutlich fallende Kaufkraft wird zum Auslöser der Wirtschaftskrise.

4. Zu all dem kommt das Haushaltsdefizit, das in den USA traditionell hoch ist, aber durch die Mehrfachkriege bei gleichzeitigen anderen grossen Militärprojekten wie der Raketenabwehr zu einem Giganten geworden ist, der nun das ganze Land zu ersticken droht. Da man sich ja beliebig weiterverschulden konnte (und immer noch kann), wurden massiv Steuergeschenke an Reiche und Unternehmen verteilt, was Millionen von Wahlspenden für Parteien und Politiker auslöste, nur kam eben wenig Geld in die Staatskassen. Das ging auch lange Zeit gut, aber man hätte natürlich wissen können, dass der Krug so lange zum Brunnen geht .... (eben). Dieses Haushaltsdefizit ist es auch, was - objektiv gesehen – ein Zurück, ein Abbrechen des Prozesses des Falls der Supermacht unmöglich macht.

Weisses Haus

Dazu müsste nämlich ein ausgegelichener Haushalt her, was gleichzeitig deutliche Steuererhöhungen und ein Streichen im Militäretats notwendig machen würde und genau das kann kein möglicher Präsidentschaftskandidat auch nur erwähnen, ohne sofort jede noch so geringe Chance zu verlieren, auch nur aufgestellt zu werden. Die Supermacht ist also verurteilt, sehenden Auges den Schritt in den Abgrund zu machen. Es gibt schon kein Zurück mehr.

Wenn man sagt, die Supermacht hat bereits zu fallen begonnen, es geht nicht mehr darum, dass sie strauchelt, so darf man sich andererseits keine Illusionen machen, dies ginge mit einem kurzen Fall ab. Eine Supermacht, ein riesiges, mächtiges Land mit Hunderten von Millionen von Menschen, mit einem Industrie- und Innovationspotential, das unvergleichbar ist, die grösste Miltärmacht der Erde, fällt nicht so einfach in einem Monat. Das wird vielmehr ein langer und schwieriger Fall über Jahre, vielleicht Jahrzehnte.

Zuerst wird man alle Anzeichen des Falls zu übertünchen versuchen, wird die ersten grösseren Stücke, die fehlen, durch Prothesen zu ersetzen versuchen usw.

Dann, in einer zweiten Phase, wird man noch weit aggressiver als vorher vorgehen, wird Schuldige suchen – natürlich immer bei den Anderen - , um den Anschein der unüberwindlichen Macht aufrechtzuerhalten. Erst in der letzten Phase, wenn der Dollar definitiv abgelöst sein wird als Welt-Zahlungsmittel, wird man weinerlich werden und ans Mitgefühl appellieren. Doch selbst dann wird es noch eine Zeit dauern, bis man auf dem Boden des Brunnens angekommen ist, in den man gerade zu fallen beginnt.

Und es sei vor jeglicher Art von Schadenfreude gewarnt. Dieser Fall wird sehr schmerzhaft für das Volk in den USA werden, aber wahrscheinlich auch für andere Völker. Die Verantwortlichen dagegen haben natürlich längst ihre Schäfchen im Trockenen. Sie haben ihre Millionen und Milliarden bestimmt nicht in Dollar-Bonds angelegt.

Und während dieser ganzen Zeit darf man nicht vergessen: Die Verantwortlichem haben immer, zu jedem Zeitpunkt während dieser ganzen Umwälzungen, die Möglichkeit, mit einem Knopfdruck die Menschheit, wie wir sie kennen, auszulöschen.

Über das Danach zu spekulieren ist müssig. Wird sich eine neue Supermacht erheben, werden mehrere Grossmächte im Streit stehen? Das wahrscheinlichste ist wohl: Die Menschheit wird sich gegen die Ausbeuter und Unterdrücker erhoben und sie zum Teufel geschickt haben. Wir werden den Sozialismus haben mit einem wirklich demokratischen Rätesystem. Dann braucht man sich um keine Super- oder Grossmacht mehr zu sorgen, dann haben die Menschen die Macht.


Veröffentlicht am 8. Dezember 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Donnerstag, 6. Dezember 2007

Der letzte Spieltag der brasilianischen ersten Fussball-Liga

Die Endspiele des Südamerika-Cup

Von Karl Weiss, Belo Horizonte

Alle Spiele des letzten Spieltags wurden am 2. Dezember zum gleichen Zeitpunkt angepfiffen. Die in Brasilien übliche Bevorteilung bestimmter Vereine, indem diese antreten, wenn sie bereits wissen, wie sie spielen müssen, war diesmal ausgeschlossen.

Noch eine kleine Korrektur zum letzten Artikel: Fluminense Rio de Janeiro hat den Brasilien-Pokal in der ersten Jahreshälfte gewonnen und ist damit für die Copa Libertadores qualifiziert. Der letzte Platz in der Libertadores wurde daher nur zwischen Palmeiras São Paulo, Cruzeiro Belo Horizonte und Gremio Porto Alegre ausgetragen.

In der Abstiegsfrage zwischen Corinthians São Paulo und Goiás Goiánia ging es zunächst im Gleichschritt: Corinthians musste eine Tor von Gremio hinnehmen –wäre abgestiegen, Goiás musste ein Tor von der anderen Mannschaft aus Porto Alegre hinnehmen, Internacional. Damit wäre Goiás wieder abgestiegen gewesen. Dann: Corinthians schafft den Ausgleich, Goiás schafft den Ausgleich. Wieder ist Goiás am schlechteren Ende. So stand es in der Halbzeit.

Bis dahin hatte in der Frage des letzten Teilnehmers an der Libertadores Cruzeiro schnell zwei Tore vorgelegt, während die Konkurrenten Palmeiras und Gremio beim Unentschieden blieben, das hätte bedeutet: Cruzeiro in der Libertadores. Palmeiras schoss ein Tor gegen Atlético Mineiro Belo Horizonte, das wäre der Platz in der Libertadores gewesen, aber Atlético konnte dann schnell ausgleichen. Damit erneut: Cruzeiro in der Libertadores. So stand es bei Halbzeit.

Gleich nach der Pause gelang Vasco Rio de Janeiro ein Tor gegen Paraná, das damit endgültig abgestiegen war. Vasco stieg dagegen durch dies Tor in den Bereich der Plätze für den Südamerika-Cup (das südamerikanische Gegenstück zum UEFA-Cup).

Pokalsieger Fluminense gelang auswärts eine 3:1 –Führung gegen Santos, das ist eine Überraschung. Santos bleibt trotzdem Zweiter, weil Flamengo nicht gewinnt. Dann aber: Santos gelingt das Anschlusstor.

Atletico Paranaense Curitiba gelingt das 1: 0 gegen Meister São Paulo, damit geht Atletico Mineiro, das immer noch ein 1:1 gegen Palmeiras hält, auf den letzten Platz hinunter, der noch zur Teilnahme am Südamerika-Cup berechtigt. Würde Figuerense gewinnen gegen Botafogo, wäre Atletico Mineiro draussen aus den Südamerika-Cup-Plätzen.

Juventude gelingt die 2:1-Führun gegen Sport Recife, doch das hilft nicht mehr aus der Abstiegszone, während es Sport aus den Plätzen für den Südamerika-Cup verdrängt.

Dann, Mitte der zweiten Halbzeit: Goiás gelingt das Führungstor gegen Internacional Porto Alegre, das bedeutet: Man wäre gerettet und Corinthians steigt ab.

Internacional rutscht nach unten, aber immer noch im Bereich des Südamerika-Cup, denn Figuerense verliert gegen Botafogo 1:0.

Fluminense schafft auswärts ein kaum glaubliches 4:2 gegen Santos. Palmeiras spielt zu Hause weiterhin 1:1 gegen Atletico Mineiro.

Dann : Atlético Mineiro schiesst auswärts zwei weitere Tore gegen Palmeiras zum 3:1 und nimmt dem Sao Paulo-Verein fast völlig die Chance auf den Platz in der Libertadores. Atléticos Lokalrivale Cruzeiro frohlockt.

Dann gleicht Meister São Paulo auswärts gegen Atlético Paranaense aus und kippt den Verein aus Curitiba damit von einem Platz im Südamerika-Cup. Dort ist jetzt Figuerense drin, trotz der teilweisen Niederlage gegen Botafogo.

Nautico schiesst das 1:0 gegen Flamengo, aber die sind schon fest in der Libertadores. Für Nautico reicht es zum Vermeiden des Abstiegs. Kurz vor Schluss: Weiterhin: Goiás gewinnt, Corinthians unentschieden, damit steigt Corinthians ab.

Atletico Paranaense gelingt das 2:1 gegen São Paulo und ist damit wieder im Südamerika-Cup, Figuerense jetzt wieder draussen.

Atletico Mineiro ist mit dem 3:1 bei Palmeiras nun auf den neunten Platz gestiegen. So gut stand man die ganze Saison nicht.

Noch drei Minuten. Corinhians ist abgestiegen, Fluminense in der Libertadores. Ändert sich noch etwas?

Figuerense schafft noch den Ausgleich gegen Botafogo, aber das reicht nicht für den Platz im Südamerika-Cup.

Abpfiff: Corinthians steigt zusammen mit Paraná Clube Curitiba, Juventude Caxias do Sul und América Natal ab. Fast ganz São Paulo im Schock (Corinthians hat an die Zwei Drittel der Anhängerschaft in São Paulo).

Der letzte Platz der Libertadores ging an Cruzeiro. In der Copa Sulamérica stehen neben den beiden, die es nicht in die Libertadores geschafft haben, Palmeiras und Gremio, nun Botafogo, Atlético Mineiro, Internacional, Vasco und Atletico Paranaense.

Schon fest standen vorher in der Libertadores: Meister São Paulo, Zweiter Santos, Dritter Flamengo und Fluminense (Vierter) als Pokalsieger.

Bleiben der Vollständigkeit halber noch die vier Plätze, die zu nichts berechtigen, aber eben auch nicht den Abstieg bedeuten: Figuerense Florianópolis, Sport Recife, Náutico Recife und Goiás Goiánia.

Und hier noch das überaschende Ergebnis des ersten Endspiels des diesjährigen Südamerika-Vereins-Pokals (so eine Art von südamerikanischen UEFA-Cup) zwischen dem mexikanischen Rekordmeister America und der fast unbekannten argentinischen Mannschaft von Arsenal Sarandí: Es gelangt den Argentiniern, in Mexiko-Stadt mit 3:2 zu gewinnen! Das Rückspiel in Sarandí am 5. Dezember brauchen sie nur noch unentschieden zu gestalten, um den Titel zu holen.

Veröffentlichtam 6. Dezember 2007 in der Berliner Umschau

Originalartikel

Mittwoch, 5. Dezember 2007

Hamburger sind aus Schlachtabfällen und Würmern

Achtung! Hamburger-Freunde!

Von Elmar Getto


Hier das wichtigste Ergebnis einer der ersten Reportagen, die dem Autor dieser Zeilen als Hobby-Journalist gelungen ist: Hamburger sind nicht, wie man gemeinhin annehmen mag, aus Hackfleisch gemacht, sondern aus Schlachtabfällen und Würmern.

Woher diese Weisheit? Nun, man konnte dem Vortrag eines Wurm-Spezialisten beiwohnen und konnte ihm Fragen stellen, was die Anwesenden auch ausgedehnt und mit steigendem Würgereiz taten. Es handelt sich um eine Veranstaltung des "Clube Germania" in Rio de Janeiro, wo es immer wieder (schmackhafte, Entschuldigung!) interessante Vorträge gibt.

Was ein Wurmspezialist ist? Nun, es gibt eine Art Regenwürmer, rote Würmer, die ihr Verdautes (Sie merken schon, es wird appetitlich) nach allen Seiten versprühen, was man zur Gewinnung des besten natürlichen Düngers nutzen kann, den es gibt. Wer wirklich pflanzenmäßig nährstofflich ausgeglichenen, höchstwertigen natürlichen Dünger haben will – zum Beispiel weil er mit seinem Garten vor den Nachbarn glänzen will, oder weil er ein Fußballfeld pflegen muß, der sollte sich an eine Wurmfarm wenden. Die gibt es wirklich. Nicht übertrieben. Und der Besitzer einer dieser Wurmfarmen war also nun der Vortragende.

Er beliefert nach seinen Aussagen u.a. das Maracanã-Stadion in Rio mit Natur-Dünger.

Besonders interessant wurde es an der Stelle, als der Mann erwähnte, daß diese Würmer, wie man schon vermuten konnte, eine begrenzte Lebenszeit haben und deshalb ständig die toten Würmer ausgesondert werden müssen. Warum läß man sie nicht einfach den Weg alles Irdischen gehen, da sie ja sowieso schon im Erdreich stecken? Nun, weil er sie trocknen und verkaufen kann. Verkaufen?

Ja – und da begann die Story mit den Hamburgern (gemeint sind natürlich nicht die freundlichen Bewohner jener Großstadt, sondern die Dinger, die da zwischen zwei Semmel- (Brötchen- für Nordlichter) Hälften ein Nahrungsmittel darstellen sollen).

Die, so wußte er nämlich, sind nicht aus Hackfleisch hergestellt, wie der gutgläubige Zeitgenosse meinen mag, sondern nach seinen Aussagen zunächst einmal aus Schlachtabfällen. Das betrifft also vor allem die Innereien von Rindern bzw. Schweinen und dann so etwas wie Sehnen und auch Knorpel, z.T auch etwas Knochen – sagte er jedenfalls. Das ganze, so der freundliche Würmerherr, wird gut getrocknet und feingemahlen (oder umgekehrt?) und dann anschließend mit jenen Speckresten vermischt, ebenfalls kleingemahlen, die auch unter Schlachtabfälle laufen.

Nur hat das Ganze dann weder das Aussehen noch die Konsistenz von Hackfleisch, so daß sich niemand an der Nase herumführen lassen würde. Deshalb müssen diese – sagen wir mal – Rohhamburger dann nämlich mit Wasser und Mehl zum Binden vermischt werden, so daß sie eine gewissen Zusammenhalt und einen Feuchtigkeitsglanz aufweisen und anschließend werden noch – ja, Sie vermuteten es schon – gemahlene getrocknete Würmerleichen darunter gemischt, die unabdingbar sind, um dem Endprodukt eine auffallende Ähnlichkeit mit Hackfleisch zu geben – alles nach seinen Aussagen.

Ohne diese roten Würmer würde das Hamburgerchen nämlich grau aussehen und nach dem Braten braungrau. Mit ihnen – man braucht nicht viel, denn der Farbstoff ist intensiv - bekommen sie jenen leicht rötlichen Glanz, der uns das Wasser im Mund zusammenlaufen läßt, weil wir nicht wissen, was es ist, das uns da täuscht. Außerdem, so jedenfalls der Wurmmann, tragen die Würmer zur Konsistenz bei, die Hackfleisch nahelegt.

Er sagt, daß er einen guten Preis für seine toten Würmer kriegt, weil die Hamburger-Hersteller auf jene angewiesen sind und ließ durchblicken, daß er mehr von den Leichen seiner Zöglinge profitiert als von deren Exkrementen. Manche Anwesenden mögen sogar Anlaß zur Vermutung gefunden haben, daß er eventuell nicht bei jedem einzelnen aussortierten Wurm einzeln überprüft, ob er vor dem Trocknen schon tot war. Allerdings wollen wir ihn hier auch nicht des Würmer-Genozids anklagen.

Die Anwesenden konnten allerdings kein Wort aus ihm herauskriegen, bei welchen Schnellrestaurants diese Art von Hamburgern serviert werden. Er berief sich auf sein Geschäftsgeheimnsis und daß er nicht die Hand beißen werde, die ihn füttert. Ob er sich für so etwas wie einen Hund hält?

Anschließend, als bereits die ernste Gefahr bestand, daß einige den schönen Restauranttisch vollkotzen könnten, an dem die Zuhörer saßen, begann er allerdings, die erschreckten Seelen zu beruhigen.

Es sei keineswegs so, daß alle Hersteller ausschließlich diese schmackhafte Mischung verwenden, einige würden auch Hackfleisch darunter mischen. Na, da sind wir aber beruhigt, nicht?

Und, man höre und staune, es gebe auch Hersteller, die schrieben auf die Verpackung oder auf die Speisekarte, daß ihre Hamburger wirklich völlig aus Hackfleisch bestünden und das sei dann auch so (vermute er jedenfalls), nur seien die dann natürlich nicht ganz so billig.

In seiner trockenen Art riet er den Anwesenden, wenn sie wirklich Hamburger aus Hackfleisch wollten, besser Fleisch vor ihren Augen durch den Wolf drehen zu lassen, bevor sie es kaufen und daraus dann am heimischen Herd Hamburger zu formen.


Eine trocken-ironische Reportage von Elmar Getto aus dem Jahr 2005 - oft kopiert, nie erreicht, hier geringfügig vom Autor redigiert. Und wiederum - bleibt aktuell.

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