'Hilfen' für überschuldete Euro-Länder? Teil 2
Teil 2: Warum musste Irland „geholfen“ werden – und hat es geholfen?
Von Karl Weiss
Was ist denn nun genau so schlecht in den Euro-Ländern, dass der Euro unter Druck steht? Was hat es mit Griechenland und Irland auf sich, die „Hilfen“ aus dem Euro-Fonds gebraucht haben? Werden andere Euro-Länder nachfolgen? Wird der Euro überleben können? Anhand einer Tabelle mit den wesentlichen Zahlen sollen diese Fragen untersucht werden. Hier ist der zweite Teil, in dem wir das Phänomen Irland untersuchen werden. Weitere Teile folgen.
Diese Tabelle ist zusammengestellt aus Informationen, die im November und Dezember 2010 zugänglich waren. Es sind hier die wesentlichen Wirtschaftsziffern der Euro-Länder dargestellt. Sie stellen hauptsächlich den Stand von November 2010 dar. Wie wir wissen, haben sich inzwischen einige Zahlen noch deutlich verschlechtert. Das hebt aber nicht den Wert dieser Tabelle auf, auch wenn sie nur einen Moment darstellt. Die kleinen Euro-Staaten Luxemburg, Malta, Zypern und Slowenien, die höchstens 2 Millionen Einwohner haben, wurden herausgelassen, weil sie so nicht zu vergleichen sind.
Sieht man sich die obenstehende Tabelle genauer an, so wird die prekäre Lage von Irland deutlich.
Irland hat nach Griechenland und Italien die höchste Staatsverschuldung bezogen auf die Wirtschaftsleistung, es hat einen der höchsten Schuldendienste in % der Steuereinnahmen (auch wenn da Italien und die Niederlande höhere Werte haben), es hat das bei weitem höchste Haushaltsdefizit der Euro-Zone mit 32 % der Wirtschaftsleistung eines Jahres und es muss mit dem zweithöchsten Zinsaufschlag für Staatsanleihen leben (nur übertroffen von Griechenland).
Dies wird dem Land im Laufe der nächsten Jahre mit Sicherheit die Gurgel zudrehen. Aber – das wichtigste von allem – es ist im Begriff, wie Griechenland wiederum in die Wirtschaftskrise einzutauchen, denn es weist für 2010 ein Minus von 0,9% in Bezug auf die Wirtschaftsentwicklung auf und das gegenüber dem Krisen-Jahr 2009.
Doch das absolute Desaster für Irland ist der Umfang der Neuschulden, die man in den Haushalt aufnehmen musste, 32% der Wirtschaftsleistung in einem Jahr. Das ist in Wirklichkeit eine Bankrotterklärung, denn woher will man diese Mittel erhalten, wenn der Zinsaufschlag für Staatsanleihen schon so hoch ist – und wenn man sie erhält, wie will man das bezahlen?
Aber hier haben wir den gleichen Effekt wie bei Griechenland: Die angebliche „Hilfe“ diente nur dazu, die Schulden bei Banken in anderen Euro-Ländern (im wesentlichen) zahlen zu können. Der Effekt war eine weitere Erhöhung der Schulden, die nun wahrscheinlich bereits unbezahlbar sind, speziell wenn die extrem hohen Aufschlag auf die „normalen“ Zinsen einer deutschen Bundesanleihe ansieht. Die Chance, dass Irland aus diesem Finanzgefängnis entweichen kann, gehen mehr und mehr gegen Null.
Das heisst auf mittlere Sicht nichts anderes als bei Griechenland: Staatspleite. Die tieferen Ursachen liegen bei Irland ganz verschieden als bei Griechenland, aber im Effekt wird es praktisch auf das Gleiche hinauslaufen.
Irland hatte versucht, das China Europas zu werden. Mit weitgehender Steuerfreiheit und extremen Niedriglöhnen wurden internationale Konzerne nach Irland gelockt (wie z.B. Google). So haben denn nun auch wichtige US-Konzerne in Irland ihr europäisches Hauptquartier, das allerdings nur mit einer Handvoll Beschäftigten ausgestattet ist. Man lässt lediglich die letzte Schraube in Irland eindrehen oder rechnet einfach nur in Irland ab und zieht damit alle Gewinne in Europa in dieses Land, wo man dafür praktisch keine Steuern zahlen muss.
Das führte zu einem vorher unbekannten Boom in Irland, die Steigerungsraten des BIP waren phänomenal und es gab sehr viel billiges Geld in Irland. Das wiederum führte zu einem Immobilien-Boom, der seinesgleichen sucht.
Man sehe sich nur die Spalte der Tabelle an, wo das BIP pro Tausend Einwohner aufgeführt ist. Irland hat mit 34,6 Mio Euro den höchsten Wert von allen Euro-Ländern! So kann man einen Popanz aufbauen, so als ob in Irland eine so hohe Anzahl von Produkten hergestellt worden wären. Viele davon wurden lediglich über Irland abgerechnet, um Steuern zu sparen und haben Irland nie zu sehen bekommen. Da kann man sehen, wie sehr man sich auf offizielle Statistiken verlassen kann.
Was jetzt davon übrig blieb, ist ein fallendes BIP, eine überschuldeter Teil der Bevölkerung, eine unglaubliche Anzahl von leerstehenden Wohnungen und abgebrochenen Bauprojekten und ein Fitch-Rating, das gerade noch oberhalb von Griechenland liegt.
Ob die niedrigen Unternehmenssteuern in Irland überleben werden, weiss man nicht. Es stehen Neuwahlen an und man muss davon ausgehen, die jetzige Opposition wird gewinnen.
Aber unabhängig von diesem Ausgang ist das Projekt „Irland beim Doppelten seiner Leistungsfähigkeit“ nun wohl bis auf weiteres beendet.
Auch für Irland wird der Tag kommen, an dem man den Staatsbankrott wird anmelden müssen – und die „Hilfe“ der Euro-Länder wird daran nichts geändert haben - wenn nicht sogar dazu beigetragen.
Was man uns über die Irland-Krise erzählte war zu 50% erlogen und zu 100% verdreht. Irland hat niemals über seine Verhältnisse gelebt, es hat lediglich als Billig-Steuerland reüssieren wollen und das ging den Bach hinunter.
Die riesige Last von halbfertigen und nicht bezahlten Haus- und Wohnungsbauten wird Irland noch für Jahre verfolgen und man wird sich diesmal drei Mal überlegen, ob man wirklich noch einmal in ein solches Desaster einsteigen will.
Wie auch immer, Irland ist ein weiteres Land, das ohne Zweifel Bankrott wird anmelden müssen, auch und gerade, weil die anderen Euro-Länder ihm „geholfen“ haben.
Als nächstes werden wir uns Portugal vornehmen.
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