Was geschah in Brasilien?
Von Karl Weiss
Die grösste Natur-/Umweltkatastrophe der brasilianischen Geschichte und eine der 10 grössten Katastrophen nach UN-Zählung: über 780 Tote und noch steigende Zahlen, wahrscheinlich wird die Zahl von Tausend Toten erreicht oder fast erreicht. Was ist in der Gebirgszone des Bundeslandes Rio de Janeiro geschehen?
Der Bürger-Journalist stellt diese Frage auch ganz persönlich, denn Teile seiner brasilianischen Familie leben dort, wurden aber glücklicherweise (bisher) persönlich nicht betroffen.
Es handelt sich nicht, wie in deutschen Zeitungen kolportiert, um „Überschwenmmungen nach wochenlangen Regenfällen“, es handelt sich um das grösste Schlamm- und Steinlawinen-Unglück der brasilianischen Geschichte, verbunden mit katastrophalen Kurzzeit-Überschwemmungen. Es gab wirklich wochenlange Regenfälle vorher, doch diese trugen nur indirekt zur Katatstrophe bei, denn sie erschöpften vollständig die Kapazität der Erdschichten, Wasser aufzunehmen.
Was dann in jener Nacht akut geschah, ist das, was man hier Wasser-Tromben nennt. Das muss man sich vorstellen wie einen extremen Platzregen, nur weit intensiver. Vor zwei Monaten hatte der Bürger-Journalist das zweifelhafte Vergnügen hier mitten im Stadtgebiet im Grossraum Belo Horizonte von einer solchen Wassertrombe überrascht zu werden.
Im Auto unterwegs, entwickelte sich ein Unwetter, das bereits den schnellsten Gang des Scheibenwischers beanspruchte, innerhalb von Sekunden zu einem Guss wie unter einem riesigen Wasserfall. Selbst auf der Überholspur einer Schnellstrasse blieb nichts anderes übrig, als zu bremsen und stehenzubleiben, denn man konnte wirklich nichts mehr sehen, nicht einmal das Auto direkt vor einem.
Zum Glück dauerte jene Wassertrombe nur etwa eine Minute, aber jene, welche die Gebirgszone des Bundeslandes Rio de Janeiro heimgesucht hat, war offenbar länger dauernd und auch auch noch eingebettet in schwere Wolkenbrüche vorher und nachher.
Was da passierte, waren neue Sturzbäche, die sich hoch in den Bergen bildeten, auf ihrem Weg Erdmassen und Bäume mittrugen, sich mit anderen vereinigten und dann zu Wasserwänden durchmischt mit Schlamm und Bäumen wurden, die alles auf ihrem Weg mitrissen.
Die hohe Zahl der Toten beruht darauf, dass die im Wege stehenden Häuser plötzlich von solchen glatt 10 Meter hohen Wänden aus Wasser, Schlamm und Pflanzen (darunter ausgewachsenen Bäumen von vielleicht zehn oder mehr Metern Höhe) getroffen wurden und es keine Vorwarnung und keine Fluchtmöglichkeiten gab.
Die im Wege stehenden Häuser wurden einfach hinweggefegt und bildeten dann zusammen mit den Wasser- und Schlammmassen und den Pflanzen eine alles niederwalzende, durchschlagende schnelle und hochbrisante Masse, gebildet aus Wasser, Erdreich, Steinen, Bäumen und Pflanzenteilen sowie Teilen der bereits niedergewaltzten Häuser, die selbst mehrere Stockwerke hohe Häuser einriss.
Wer noch nicht von der Wucht dieser explosionsartigen Wasser- Schlamm, Häuserteile- und Pflanzen-Wand getötet wurde, blieb unter meterhohen Schlammmassen begraben. Viele Vermisste sind bis heute nicht gefunden.
Ein anderer Teil der Toten wurde einfach von der zu Tal stürzenden Welle weggetragen und zerschmettert.
Wer mehr Glück hatte, erlebte nur eine Welle, die sämtliche Möbel aus dem Haus spülte, aber in vielen Fällen auch Familienmitglieder.
Die „Serra do Mar“ in Brasilien („Gebirge am Meer“), so benannt, weil sie in der Nähe des Atlantischen Ozeans liegt, ist eine Mittelgebirgskette aus Eruptivgestein, also vergleichbar mit dem Harz oder dem Schwarzwald in der Gebirgsstruktur. Wer etwa Hinterzarten im Schwarzwald kennt, hat eine Idee, wie es etwa in Petrópolis, Teresópolis und Nova Friburgo aussieht, den drei im wesentlichen von der Katastrophe betroffenen Gemeinden.
Wie es zu so unglaublich intensiven Regenfällen kommen kann, versuchen uns die Wetter-Leute zu erklären. In diesem Fall hätte sich eine „Wolkenstrasse“ ausgebildet, die vom Amazonasgebiet (in diesem Fall der höher gelegene Teil der Amazonas-Zuflüsse im Länderdreieck Kolumbien, Peru und Brasilien) über die brasilianische Hochebene (Brasilia) bis zur Küste in Rio de Janeiro und São Paulo hinzog. Diese Wolkenstrasse beförderte in schneller Folge Feuchtigkeit aus dem Amazonasgebiet und verursachte bereits vor dieser Katastrophe intensivste Regenfälle im ganzen Gebiet dieser Wolkenstrasse.
Auch das Gebiet von Belo Horizonte, wo der Bürgerjournalist wohnt, war da betroffen. Hier hatten wir praktisch einen Monat mit täglichen Regenfällen, was aber um diese Jahreszeit (hier ist ja jetzt Hochsommer) aber auch früher schon in enigen Jahren vorgekommen war.
Durch Zufall hatte der Bürgerjournalist genau zwei Tage nach der Katastrophe einen Flug in einer Dienstreise genau im Bereich dieser „Wolkenstrasse“ zu absolvieren. Es waren beeindruckende Bilder, die man aus dem Flugzeug sah: Eine niedrige Wokkenschicht, nur wenige hundert Meter hoch, die nicht durchgehend war, aber sich immer wieder verdichtete und zu dunklen Wolken führte, die sich dann abregneten.
Genau im Moment des Startes des Flugzeugs hatte sich eine solche dunkle Wolke gebildet und der Start ging in einem Platzregen vor sich. Aber weniger als eine Minute später war das Flugzeg bereits aus dem Unwetter und man konnte dieses und andere beobachten, die da unten immer wieder zu Regen führten.
Dann gab es Wolken in mittlerer Höhe, ebenfalls keine durchgehende Abdeckung, die einem wie eine „Regenreserve“ vorkamen.
Der Pilot vermied es, durch solche Wolken zu fliegen und suchte seinen Weg aussen herum.
Dann: Immer wieder riesige Wolkentürme, die unten zu tiefschwarzen Wolken führten, die bis fast auf die Erde hinunterreichten und darüber bis über die Flughöhe des Flugzeugs reichten. Laut Aussagen des Flugkapitäns waren wir in 11 000 und einigen hundert Metern, doch die Wolkentürme waren noch deutlich höher.
Am oberen Ende der Wolkentürme breiteten diese sich aus zu einer fast vollstänig abdeckenden Wolkenschicht – und das in etwa 12 000 Metern Höhe.
Einen solche Wassertrombe kann man sich nun vorstellen, wenn einer dieser 12 km hohen Wolkentürme auf seinem Weg von Nord-Westen nach Südosten auf Berge stösst, die ihn einengen (wie die „Serra do Mar“) und dann beginnt, die Ansammlung von Wassertröpfchen (zwölf Kilometer hoch und einige Kilometer im Durchmesser) mit einem Mal abzuregnen.
Ein Meteorologe wurde hier am Fernsehen gefragt, ob das mit der generellen Klimaerwärmung durch die CO2-Erhöhung in der Atmosphäre zu tun habe und er sagte, das könne sein, aber dieses Ereignis sei noch kein abschliessender Beweis für die beginnende Klimakatstrophe, denn es hätte auch ohne dies passieren können, wenn auch nur als einmaliges Ausnahmeereignis in 500 Jahren.
Dass aber auch sehr viele andere Teile von Brasilien von Extrem-Regenfällen und Überschwenmmungen heimgesucht werden, weise eben doch auf einen Zusammenhang mit den gestiegenen Energiemengen in der Atmosphäre hin.
Es gibt also keine Entwarnung. Auch wenn bestimmte Stimmungsmacher erklären, es gäbe überhaupt keine Erwärmung der Atmosphäre, der CO2-Gehalt der Atmosphäre habe keine Auswirkungen auf das Wettergeschehen, es ist offensichtlich: Auch früher gab es schon Überschwemmungskatastrophen, aber die Ansammlung, die wir jetzt erleben, hat es so nie gegeben.
Die Klimakatstrophe hat bereits begonnen und wir können nur hoffen, es gibt noch einen Weg zurück und die Ereignisse sind noch nicht selbstlaufend ohne Möglichkeit, sie noch rückgängig zu machen.
Siehe in diesem Zusammenhang auch das „Dossier Klimkatastrophe“ http://karlweiss.twoday.net/stories/6080012/ in diesem Blog.
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